Zusammen mit der Formel 1 starten auch die beiden (zumindest aus europäischer Sicht) wichtigsten Nachwuchsformelserien in das Jahr 2022: die Formel 2 und die Formel 3. Wir schauen uns die Starterfelder an. Im Anschluss folgt noch ein kurzer Rückblick auf den Indy Lights-Saisonauftakt.
Für beide FIA-Serien wird ein neuen Wochenend-Format eingeführt, dass dem alten (vor 2021) ähnelt, nur andersrum: es gibt wieder nur zwei Läufe pro Wochenende, diesmal wird aber das Sprintrennen samstags ausgetragen, das längere Hauptrennen am Sonntag. Der Sprint wird mit teilweisem Reverse Grid, basierend auf dem Qualifying, gestartet, für den Sieger gibt es nun 10 Punkte statt der bisherigen 15. Pole und schnellste Runde werden mit zwei bzw. einem (statt bisher vier bzw. zwei) Punkten belohnt. Es liegt also mehr Fokus auf dem Hauptrennen am Sonntag.
Formel 2
Für die Formel 2 ist es ein Jahr des größeren Umbruchs, was das Fahrerfeld angeht. Natürlich haben Nachwuchsserien generell eine hohe Fluktuation, aber es gibt ja doch Jahre, da bleiben einige starke Piloten in der Serie. So hatten Robert Shwartzman, Guanyu Zhou und Dan Ticktum, die im Vorjahr die Plätze 2-4 der Tabelle belegten, alle vorher bereits mindestens eine F2-Saison bestritten. Nun sind alle drei – ohne Titel – zu neuen Zielen aufgebrochen: Zhou in die F1, Ticktum in die Formel E und Shwartzman ist Ferrari-F1-Testfahrer. Und der Rookie-Champion Oscar Piastri, der ohnehin nicht nochmal antreten darf, wird das Jahr 2022 als Alpine-F1-Test- und Reservefahrer verbringen.
Wen sehen wir also wieder? Wer kommt neu dazu? Und wer sind die heißesten Meisterschaftsanwärter? Dazu gleich mehr. Der Kalender sollte für diese Saison 14 Events umfassen, davon ist Sochi jüngst gestrichen worden. Ein Ersatz wurde bisher nicht benannt. Die langen Pausen der Vorsaison werden weitestgehend vermieden, nur vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi gibt es eine lange Pause – durch den Wegfall von Sochi ist diese von acht auf zehn Wochen angewachsen. Ein Ersatz wäre daher begrüßenswert.
Der bestplatzierte Pilot des Vorjahres, den wir wiedersehen, die Nummer 5 der Meisterschaftstabelle, ist der Franzose Theo Pourchaire, der spätestens mit seinem Sieg in Monaco viele Beobachter auf sich aufmerksam machte. Das Sauber Academy-Mitglied bleibt bei ART und sollte einer der stärksten Meisterschaftsanwärter sein. Sein Teamkollege wird Frederik Vesti aus Dänemark (Mercedes Junior Team), der nach zwei Jahren in der F3 (zuletzt Rang 4) aufsteigt – das zweite ART-Cockpit ist in den letzten Jahren aber meist „wie verhext“ gewesen. Hoffentlich trifft er es besser.
Zwei weitere bekannte Piloten sehen wir beim starken Hitech-Team: Jüri Vips aus Estland war schon im Vorjahr mit dem Team unterwegs und konnte mit zwei Siegen in Baku beeindrucken. Er gehört zum Red Bull Junior Team. Nicht mehr zu einer Nachwuchs-Akademie gehört Marcus Armstrong, der sich von der Ferrari Driver Academy losgesagt hat, um neue Wege einzuschlagen. Für den Neuseeländer ist es bereits die dritte F2-Saison – und mit dem dritten Team nach ART und DAMS. Ein Sieg in Jeddah steht bei ihm nur zu Buche, obwohl er durchaus Potential zu haben schien. Der Druck ist hoch bei ihm, ich rechne damit, dass es so oder so seine letzte F2-Saison wird.
Neuseeländer und Red Bull-Junior ist Liam Lawson, der von Hitech zu Carlin wechselt. Ich hatte im Vorjahr nach dem starken Auftakt in Bahrain hohe Erwartungen an Lawson, doch er schaffte es nur ein weiteres Mal überhaupt aufs Podium. Carlin war in der F2 die letzten Jahre ähnlich stark wie Hitech, eine Steigerung sollte daher für Lawson in Saison 2 drin sein. Ob er um den Titel wird mitkämpfen können, weiß ich nicht. Das erwarte ich nicht unbedingt von seinem Teamkollegen Logan Sargeant, der nach drei Saisons in der F3 – und als relativ frisches Mitglied der Williams Academy – den Aufstieg wagt. Der US-Amerikaner hat in der vergangenen F3-Saison immerhin die deutlich stärksten Ergebnisse für das schwächere Team Charouz eingefahren.
Auf eine gute Saison mit Carlin aufbauen will der Inder Jehan Daruvala, der nun zu Prema zurückkehrt, mit denen er 2019 Dritter der F3 hinter Shwartzman und Armstrong wurde. Daruvala geht in seine dritte F2-Saison und gehört auch zum Red Bull-Nachwuchskader. Er hat sich 2021 gegenüber 2020 deutlich gesteigert. Ob er aber das Zeug zum Title Contender hat, wird sich im Prema-Cockpit zeigen. Denn mit dem amtierenden F3-Champion Dennis Hauger hat er einen starken Konkurrenten, der aber natürlich F2-Rookie ist, im Team. Der Norweger gehört auch zum Red Bull Junior Team. Ob ihm aber – wie Piastri – ein Durchmarsch gelingen kann, bleibt abzuwarten.
Bei Virtuosi Racing, mit denen Zhou seine letzte F2-Saison bestritt, kommt Jack Doohan neu dazu. Der Australier ist F3-Vizemeister mit Trident geworden und hat einige starke Performances in der Serie gezeigt. Vier Siege sind dabei herausgesprungen, darunter einer beim Saisonfinale, als er sich über Teamanweisungen hinwegsetzte, um das Rennen gegen Clement Novalak zu gewinnen. Sein neuer Teamkollege bei Virtuosi ist Marino Sato, der 2019 die Euroformula Open dominierte (übrigens gegen Liam Lawson und Yiuki Tsunoda), aber in zwei F2-Saisons mit Trident bisher kaum vorzeigbare Resultate einfahren konnte. Ob es am Team lag, werden wir 2022 sehen.
Das niederländische Team MP Motosport hat mit Felipe Drugovich einen F2-erfahrenen Piloten und mit Clement Novalak einen zweiten, der eine konstant gute, aber sieglose F3-Saison hinter sich hat. Richard Verschoor, der im Vorjahr immer wieder um die Finanzierung seines MP-Cockpits kämpfen musste, hat nun einen Sitz bei Trident – Ein Sprintsieg im Silverstone war das Highlight des Niederländers, aber auch sonst hat er durch einige starke Resultate auf sich aufmerksam gemacht. Es wäre schön, wenn ihm das bei Trident wieder gelingen kann. Sein Teamgefährte wird Calan Williams, der zwei Saison im schwächeren F3-Team Jenzer verbracht hat.
Ebenfalls eine Kombination aus einem F3-Aufsteiger (Olli Caldwell, neu in der Alpine Academy) und einem „alten Hasen“ (Ralph Boschung) gibt es bei Campos. Boschung fährt allerdings seit 2017 in der Formel 2 – 2021 war seine bisher beste Saison mit zwei Podien und Meisterschaftsrang 10. Wohin aber sein Weg führt, das weiß ich nicht… Ein weiteres F2-„Urgestein“ ist Roy Nissany, der in seine vierte Saison in der Serie (die zweite mit DAMS) geht. Er gehört zur Williams Academy, sein neuer Teamkollege Ayumu Iwasa zum Red Bull Junior Team. Iwasa war 2020 französischer F4-Champion, konnte aber 2021 mit Hitech in der F3 allenfalls durch Konstanz im vorderen Mittelfeld punkten.
Bei Charouz Racing ist mit Enzo Fittipaldi ein bekannter Name am Start. Der Enkel von Emerson und Bruder von Pietro stieg bereits Mitte letzten Jahres bei Charouz von der F3 in die F2 auf. Zuvor hatte er noch eine kurze US-Exkursion eingelegt und zwei Rennen in der USF 2000 bestritten. Fittipaldi war 2018 Champion der italienischen F4 und konnte darauf mit einer Formula Regional Europe-Vizemeisterschaft aufbauen, aber danach lief nicht mehr viel zusammen. Mit Cem Bölükbasi hat er einen sehr interessanten Teamkollegen: der Türke hat in den letzten Jahren sowohl GT4- und LMP3-Boliden gefahren, als auch die Euroformula Open 2021 bestritten und dort einzelne Rennsiege erfahren. Einen Titel hat er auch bereits gewonnen, aber im Bereich E-Sports: 2020 wurde er Meister der Formula Renault Esport Series.
Letztes Team im Bunde – und ganz neu in F2 und F3 dabei – ist Van Amersfoort Racing aus den Niederlanden. Es ist schön, diesen großen Namen der Nachwuchsformel-Welt nun auch in diesen beiden Serien vertreten zu sehen. Mit Jake Hughes ist ein Brite am Start, der schon seit vielen Jahren in den Nachwuchsserien unterwegs ist (seine erste GP3-Saison war 2016), parallel aber auch Reserve- und Entwicklungsfahrer in der Formel E wie auch F1-Simulatorpilot ist – alles für Mercedes! Die F3-Saisons 2020 und 2021 bestritt er mit HWA Racelab (dem Team, das nun Platz gemacht hat für Van Amersfoort) und konnte mit dem Mittelfeld-Team mehrere Siege und Podien einfahren. 2021 konnte er ein HWA-F2-Cockpit zeitweise übernehmen, nachdem Matteo Nannini und Jack Aitken das Geld dafür ausgegangen war – nun steht die erste volle F2-Saison für den 27-jährigen an. Sein Teamkollege wird der unerfahrene Belgier Amaury Cordeel, der seit dem spanischen F4-Titel 2018 kein Rennen mehr gewonnen hat, die vergangene F3-Saisson mit Campos war besonders schwach. Hier kommt der Aufstieg in die F2 wahrscheinlich zu früh.
Als Titelfavoriten sehe ich Pourchaire, Lawson und Vips – und vielleicht Daruvala im Prema-Cockpit. Gespannt bin ich, ob die die Rookies Hauger und Doohan direkt einschlagen oder etwas Zeit brauchen, sich an Auto und Reifen in der F2 zu gewöhnen. Auch die Rookies Novalak und Vesti könnten überraschen, aber ich würde sagen, aus dem Kreise der zuvor genannten dürfte der nächste Meister kommen – doch Rennsiege werden wir auch von anderen Piloten sehen.
Formel 3
Auf das F3-Feld werde ich nicht in der gleichen Tiefe eingehen, auch weil es noch mehr Piloten sind als in der F2. Im Laufe der Saison werden wir uns mit vielen davon befassen. Bei Prema geht Artur Leclerc mit dem Formula Regional Asia-Titel in eine hoffentlich solidere zweite Saison, er könnte durchaus ein Title Contender sein. Spannend zu beobachten sein wird die Entwicklung von Ollie Bearman, der als F4-Doppelchampion direkt aufsteigt und mit Prema auch im Laufe des Jahres um Siege mitfahren können sollte. Mit Jak Crawford vervollständigt ein US-amerikanischer Red Bull-Junior das Bild beim italienischen Topteam.
Bei ART geht Victor Martins in seine zweite F3-Saison, auch er könnte ganz vorn mitfahren: vergangenes Jahr hatte er einige starke Performances, aber auch Pech. Einer seiner Teamkollegen ist Gregoire Saucy, der 2021 höchst überraschend die Formula Regional Europe – deutlich! – gewann. Weitere starke Aufsteiger aus der FRECA sind Zane Maloney (Trident), Isack Hadjar (Hitech) und Franco Colapinto (Van Amersfoort). Letzterer hat sich mit seinen 18 Jahren auch bereits im Sportwagen-Sport versucht und im letzten Juni die 24h von Le Mans mit solidem Ergebnis bestritten.
Mit Pepe Marti ist ein Aufsteiger aus der spanischen F4 bei Campos am Start. Er hat mich in der Formula Regional Asia vor einigen Wochen einigermaßen durch konstant starke Rennen beeindruckt, wurde Vizemeister und bester Rookie – auch wenn Siege ausblieben. Wie Marti erst 16 Jahre alt ist Hunter Yeany, einer seiner Teamkollegen. Yeany ist ebenfalls ein F4-Champion, und zwar aus der US-Serie. Er bestritt schon 2021 einige F3-Rennen mit Charouz, aber ohne nennenswerte Erfolge. Für ihn dürfte es in dem Alter mit dem Wechsel des Kontinents härter sein als für Marti, aber es wird interessant sein, den Weg der beiden zu beobachten.
Auch drei der Top 4 der vergangenen GB3 Championship (ehemals bekannt als British F3) steigen in die FIA Formel 3 auf und könnten um vordere Platzierungen mitkämpfen: GB3-Champion ist Zak O’Sullivan, der auch bei seinem Team Carlin bleibt. Er wurde außerdem gerade neu in die Williams Academy aufgenommen. Ayrton Simmons, den sein englischer Vater und seine spanische Mutter nach Senna benannt haben, hat bei Charouz ein Cockpit bekommen und Reece Ushijima, der US- und japanische Wurzeln hat, aber mit britischer Lizenz antritt, bei Van Amersfoort.
Sein ART-Cockpit verloren hat vor wenigen Tagen Alex Smolyar aus Russland, der 2021 bereits zwei F3-Rennen gewinnen konnte. Er wurde aber von SMP Racing unterstützt, die sich nun aufgrund der politischen Lage aus dem internationalen Motorsport zurück gezogen haben. Smolyar hätte durchaus ein Kandidat für die vorderen Meisterschaftspositionen sein können.
Die F3 gönnt sich nach dem Auftakt in Bahrain einigen guten Monat Pause und wird dann erst beim Europa-Auftakt der F1 in Imola wieder im Programm sein.
Indy Lights
Bereits ihren Saisonauftakt hinter sich gebracht haben die Indy Lights, und zwar im Rahmen des ersten IndyCar-Saisonlaufs in St. Peterburg, Florida. Die Serie wird seit dieser Saison wieder von der IndyCar selbst organisiert, bzw. von Penske Entertainment unter CEO Mark Miles. Das hat leider – anders als erhofft und als es zwischenzeitlich auch mal schien – nichts viel an dem dünnen Starterfeld geändert: Nur 14 Piloten sind in St. Pete ins Rennen gegangen.
Von Pole gestartet ist dabei Hunter McElrea aus Neuseeland, der bereits die vorangegangenen Stufen der „Road to Indy“ erklommen hat und letztes Jahr Dritter der USF 2000 wurde. Er konnte sich in den ersten paar Runden absetzen, doch am Ende des 13. Umlaufs brach ihm in der 180° Grad-Kehre eingangs Start-Ziel das Heck aus. Beim Versuch, den Wagen abzufangen, landete er in der Wand, wie es auf einem Stadtkurs schnell passieren kann.
Sein Andretti Autosport-Teamkollege Christian Rasmussen übernahm die Führung und konnte sie auch durch ein paar Restarts behalten – bis ihm in der vorletzten Runde der Sprit ausging! Eingangs des Bayshore Drive am Yachthafen rollte sein Wagen aus; der zweitplatzierte Matthew Brabham konnte gerade eben ausweichen, ohne selbst die Wand zu touchieren. Für ihn war es dann kein Problem, den Abstaubersieg ins Ziel zu bringen – aber bekanntlich muss man sich auch für so einen Sieg erstmal in die Position bringen, was ihm gelungen ist.
Brabham ist kein unbeschriebenes Blatt: der Enkel von Jack Brabham gewann schon 2012 und 2013 die vorgeschalteten Road to Indy-Serien, 2014-15 war er bereits bei den Indy Lights unterwegs, 2016 trat er sogar im Indy 500 an. Ab 2015 hatte er aber einen neuen Wirkungsschwerpunkt gefunden: die Stadium Super Trucks-Serie von Ex- IndyCar- und NASCAR-Fahrer Robby Gordon. Dort ist er dreifacher Champion; nebenbei hat er immer mal wieder Sportwagenrennen bestritten, ein Klassensieg bei den 12h von Bathurst steht auch zu Buche. Aber nun würde der inzwischen 28-jährige doch gern noch einen echten Versuch in Richtung IndyCar wagen – der Start dafür ist gelungen.
Stand:
- Matthew Brabham (Andretti) – 51 Punkte
- Benjamin Pedersen (Global Racing Group with HMD) – 40 Punkte
- Linus Lundqvist (HMD) – 35 Punkte
- Sting Ray Robb (Andretti) – 32 Punkte
- Danial Frost (HMD) – 30 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Barber Motorsports Park (IndyCar), 30. April-1. Mai
Das nächste Update gibt es voraussichtlich Anfang April.
(Quelle Beitragsbild: Ferrari Media)