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Sachstandsbericht Nachwuchsformeln: April 2022 (II)

FRECA-Saisonvorschau und Rückblick auf den GB3-Auftakt in Oulton Park

von StefanTegethoff
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Am kommenden Wochenende stehen die Formel 2 und die Formel 3 auf dem Traditionskurs von Imola auf dem Plan, um diese beiden Serien ging es im letzten Update. Heute wollen wir auf zwei andere Serien blicken, die aktuell ihre Saisons beginnen: FRECA und GB3.

Dino Beganovic, Ferrari Driver Academy (Quelle: Ferrari)

Für die, die in der Nachwuchs-Leiter nicht so firm sind: Beide Serien lassen sich etwa auf einem „Formel 3,5“-Level einordnen, aber nicht im Sinne der alten Formel Renault 3.5 mit den namensgebenden 3,5l-Motoren, sondern als Einordnung zwischen den Formel-Ebenen 3 und 4. Unter dem Formula Regional-Label laufen bei der FIA die früheren nationalen oder kontinentalen Formel 3-Serien, die sich aber nicht mehr so nennen dürfen, weil es nun die „einzig wahre“ Formel 3 im F1-Rahmenprogramm gibt. Einige Fahrer nehmen diesen Zwischenschritt, manche steigen aus einer der zahlreichen Formel 4-Meisterschaften auch direkt in die F3 auf, wie aktuell Ollie Bearman oder Pepe Marti.

Die GB3 ist auch auf dem Formula Regional-Level einzuordnen: es handelt sich um die ehemalige, einstmals glorreiche British F3. Aber die Briten machen ja gerne ihr eigenes Ding und haben sich daher eine eigene Leiter gebastelt. Die GB3 korrespondiert auch von der Fahrzeugperformance her nicht ganz mit der Formula Regional, die Motoren der britischen Autos sind etwas leistungsstärker als in der FRECA.

Mit der GB3 ist auch die GB4 am Osterwochenende in Oulton Park in ihre erste Saison gestartet, diese Serie wurde von Jonathan Palmers Firma MotorsportVision neu aus der Taufe gehoben, um als Feeder-Serie für die GB3 zu dienen und das Wochenende-Programm von British GT und GB3 auszubauen. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Formula 4 British Championship, die im Rahmenprogramm der BTCC unterwegs ist und aus der alten Formula Ford hervorgegangen ist. Wie gut diese neu zusammengesetzte Leiter für britische Talente funktioniert, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. GB4 und British F4 werde ich hier voraussichtlich nicht covern oder nur mal am Rande erwähnen.

GB3

Wie schon erwähnt, hat die vom BRDC ausgerichtete GB3 am vergangenen Wochenende in Oulton Park ihren Saisonstart absolviert, das dortige Oster-Meeting hat eine lange Tradition. Die Serie hat dieses Jahr ein neues Einheits-Fahrzeugmodell eingeführt, den Tatuus MSV-022 mit neuem Aero-Paket und verbesserten Sicherheitselementen, neu dabei ist jetzt auch hier der Halo. Auch der Motor ist neu und mit 250 bhp etwas stärker als im Vorjahr. Schön für Nostalgiker: der lange F3-typische seitliche Lufteinlass ist wieder da.

Der prominenteste Name im Feld dürfte der von Luke Browning sein, der 2020 die British F4 gewonnen hat und 2021 einen guten dritten Gesamtrang in der leider nicht sonderlich tief besetzten deutschen ADAC F4-Meisterschaft holen konnte. Aber immerhin wurde er nur von FDA-Neuling Ollie Bearman (jetzt FIA F3) und Tim Tramnitz (jetzt FRECA, dazu später mehr) geschlagen, die beide aussichtsreiche Talente sind. Browning konnte jedenfalls in Oulton Park auch direkt überzeugen, er gewann die ersten beiden Rennen ungefährdet von Pole aus und fuhr auch jeweils die schnellste Rennrunde.

Der dritte Lauf jedes Rennwochenende wird im kompletten Reverse Grid des Quali-Ergebnisses gestartet, hier gibt es weniger Punkte für die Platzierungen, dafür aber Bonuspunkte für Überholmanöver bzw. gewonnene Positionen. Browning musste also von hinten ran, kam allerdings nicht weit: im Zweikampf mit Tom Lebbon um Platz 15 gerieten beide beim Anbremsen einer der Schikanen mit den Rädern aneinander, Browning musste das Rennen mit Aufhängungsschaden aufgeben. Dass Lebbon dafür später disqualifiziert wurde, scheint mir eine gar zu heftige Strafe. Der Sieg im dritten Lauf ging an den Dänen Mikkel Grundtvig, der das Rennen von der Reverse Grid-Pole ungefährdet vom Start bis ins Ziel anführte.

Die Meisterschaftsführung liegt trotz des Ausfalls bei Luke Browning, gefolgt von Roberto Faria. Der Brasilianer ist der höchstplatzierte Rückkehrer aus 2021 (ein Sieg in Spa eingefahren und Fünfter im Gesamtklassement). Er holte in den ersten beiden Läufen jeweils den zweiten Platz hinter Browning und im dritten Lauf P14 mit drei Bonuspunkten für Überholmanöver.

Stand:
  1. Luke Browning (Hitech) – 70 Punkte
  2. Roberto Faria (Carlin) – 63 Punkte
  3. John Bennett (Elite Motorsport) – 47 Punkte
  4. Matthew Rees (JHR Development) – 45 Punkte
  5. Joel Granfors (Fortec) – 45 Punkte

Nächstes Rennwochenende: Silverstone (British GT), 07.-08. Mai

 

Formula Regional European Championship by Alpine

Die FRECA ist in dieser Konstellation immer noch recht jung, es ist erst die zweite Saison seit dem Zusammenschluss von Formula Regional und Formula Renault 2.0. Der hat zumindest für große Felder gesorgt. Im Hinblick auf die fahrerische Qualität ist es etwas schade, dass die „F4-Superstars“ in der Regel direkt in die Formel 3 aufzusteigen versuchen und die FRECA überspringen. Aber trotzdem ist es eine spannende Serie mit einer recht breiten Spitzengruppe. Einige Fahrer brauchen auch 1-2 Jahre auf diesem Level für eine sinnvolle Entwicklung. Im letzten Jahr hat sich Gregoire Saucy hier einen Namen gemacht, ihn hatte vorher niemand auf dem Schirm. Dass das keine Eintagsfliege war, konnte er auch mit dem Podium im F3-Hauptrennen von Bahrain untermauern.

Zwei Teams sind neu eingestiegen und ersetzen die bisherigen Teilnehmer JD Motorsport und DR Formula. Eines hiervon ist das italienische Trident-Team, die auch in F2 und F3 zu den regelmäßigen Frontrunner-Teams gehören. Für Trident startet Tim Tramnitz aus Deutschland, der im Vorjahr Zweiter der ADAC F4 hinter Ollie Bearman wurde. Außerdem bestritt der 17-jährige Hamburger einen Teil der F4 Italia-Saison und konnte auch hier überzeugen: bei seinen ersten neun Teilnahmen stand er neunmal auf dem Podium, davon viermal ganz oben. Auch bei allen weiteren Teilnahmen landete er in den Top Ten der stark besetzten Serie. Damit wurde er – trotz nur einer Teil-Saison – starker Zweiter in der stärksten aller Formel 4-Serien. Wenn Trident einen guten Einstieg in die Serie findet – wovon ich ausgehe – ist mit Tramnitz zu rechnen.

Ein weiterer Trident-Pilot ist Roman Bilinski aus Polen, der im Vorjahr einen schnellen Aufstieg in Großbritannien machte, während der laufenden Saison von der British F4 in die GB3 wechselte und dort direkt Siege und Podien einfuhr. Auch auf seine weitere Entwicklung bin ich gespannt. Auch der dritte Trident-Fahrer ist ein interessanter Prospect, Leonardo Fornaroli hat eine starke F4-Italia-Saison 2021 absolviert (ein Rennsieg und P5 in der Meisterschaft).

Die höchstplatzierten Piloten aus der vergangenen Saison, die ein weiteres Jahr in der FRECA bestreiten, sind Hadrien David (P2) Paul Aron (P3) und Gabriele Mini (P7). Für diese drei könnte 2022 zu einer „Make or break“-Saison werden. Gabriele Mini gewann 2020 mit Prema deutlich die F4 Italia, im Vergleich dazu war seine FRECA-Performance im Vorjahr mit ART etwas enttäuschend.  Ein paarmal ist sein Potential aufgeblitzt, auch in der Formula Regional Asia, die er im Winter mit Hitech bestritt und wo er zwei Siege holen konnte. 2022 müsste auf jeden Fall eine Steigerung für den Italiener bringen.

Gleiches gilt für den Esten Paul Aron, der weiterhin für Prema am Start ist, die aber in dieser Serie bisher nicht so dominieren wie in F4 oder F3. Aron gehört zum Mercedes-Nachwuchskader, geht jetzt aber schon in seine dritte Saison auf diesem Level, er war bereits 2020 im Formula Renault Eurocup, einer der beiden Vorläuferserien dabei. Aron holte im vergangenen Jahr immer wieder Top 5-Positionen und konnte sich so eine Zeit lang im Titelkampfhalten, aber erst beim vorletzten Saisonevent in Mugello konnte er zweimal von der Pole aus gewinnen. Die FRECA (ohne DRS) macht das Überholen nicht einfach, aber Aron tat sich beim Gewinnen von Plätzen besonders schwer.

Hadrien David, Alpine Academy Affiliate (Quelle: Alpine)

Auch für Hadrien David (R-ace GP) ist es das dritte Jahr auf dieser Leitersprosse, was bei ihm aber auch darin begründet liegen mag, dass er 2019 bereits mit 15 Jahren die französische Formel 4 gewann. Er wurde früh Teil der Renault Sport Academy, dann aber „entlassen“ und ist nun wieder als „Affiliate“ der Alpine Academy ein Kandidat für die Wiederaufnahme. Zwar stehen aus 2021 nur zwei Rennsiege zu Buche, aber er war konstant unterwegs und hatte weniger punktelose Resultate als Aron, den er so in der Gesamtwertung hinter sich lassen konnte. Die beiden dürften wieder zu den Top-Kandidaten für vordere Meisterschaftsplätze gehören.

Ein Akademie-Pilot, der im Vorjahr in der FRECA noch nicht so richtig überzeugen konnte, ist Dino Beganovic. Der Ferrari-Junior geht wieder mit Prema an den Start, unvergessen ist sein Frust-Ausbruch nach dem Crash mit seinem Teamkollegen David Vidales beim Saisonfinale in Monza im Vorjahr, als beide um den Sieg kämpften. Etwas enttäuscht war ich von seiner Formula Regional Asia-Performance im Winter, wo er „nur“ Fünfter wurde, wobei auch mehrere der Konkurrenten nun in der F3 starten. Aber mehr als das eine Podium aus der FRECA 2021 und Gesamtrang 13 muss für ihn dieses Jahr drin sein.

Sebastian Montoya (natürlich der Sohn von Juan Pablo) kommt mit Prema als Rookie in die Serie, nach zwei sieglosen Jahren auf F4-Level. In der Formula Regional Asia diesen Winter konnte er aber zwei Siege einfahren und damit Hoffnung wecken auf eine gute Saison auf dem Formula Regional-Level. Ob er sich aber als Rookie gegen die vielen FRECA-erfahrenen Piloten durchsetzen kann, ist fraglich, zumal Prema hier bisher nicht so dominant war. Ähnliches gilt für Joshua Dürksen (Arden) und Joshua Dufek (van Amersfoort), die in der F4 zwar knapp hinter Montoya landeten, aber im Gegensatz zu ihm immerhin beide durch Rennsiege punkten konnten.

Ebenfalls am Start sind die Titelrivalen der vergangenen französischen Formel 4-Saison: Esteban Masson (FA Racing, Fernando Alonsos Team), der den Titel schließlich gewann, und Maceo Capietto (Monolite Racing), der ihn am grünen Tisch wieder abgeben musste. Capietto hatte in der letzten Runde des letzten Rennens einen verzweifelten Überholversuch gestartet und dabei seinen Konkurrenten abgeräumt, dafür wurde er im Nachhinein von dem gesamten Rennwochenende disqualifiziert.

Einen Versuch, in Europa Fuß zu fassen, startet der Mexikaner Noel Leon, Meister der NACAM Formula 4 2019-20 und der US-F4 2021. Er wurde neu ins Red Bull Junior Team aufgenommen, was zusammen mit dem schwierigen Europa-Debüt sicherlich für viel Druck sorgt. Was er mit Arden erreichen kann, die letztes Jahr eher zum „vorderen Mittelfeld“ der FRECA-Teams gehörten, wird sich zeigen.

Zwei Niederländer haben die letzten beiden Saisons der spanischen Formel 4 gewonnen, beide starten  dieses Jahr in der FRECA: Kas Haverkort, der dominante Champion von 2020, geht nach einer schwachen Rookie-Saison diesmal mit Van Amersfoort an den Start. Dilano van’t Hoff hat sich im Winter über die Formula Regional Asia an die neue Ebene herangetastet, konnte dort aber nur ein Podium einfahren. Er geht für MP Motorsport an den Start. Ein niederländischer „Quereinsteiger“ geht für ART an den Start: anstatt des klassischen Weges über die Formel 4 bestritt der nun 16-jährige Laurens van Hoepen letztes Jahr die Single Seater-Kategorie der französischen „Ultimate Cup Series“, deren Konzept ich noch nicht verstanden habe. Anscheinend trat er dort aber u.a. gegen Gentleman Driver und Veteranen wie Nico Prost an – und wurde immerhin Meister.

Wie im Vorjahr sind auch wieder zwei Fahrerinnen am Start, für die es eine eigene Wertung gibt: Belen Garcia geht mit G4 Racing in ihre zweite Saison, Hamda al Qubaisi startet als Rookie mit Prema. Al Qubaisi konnte 2020 in 2021 in der F4 UAE einige Rennen gewinnen, aber weder in der italienischen F4 noch in der Formula Regional Asia nennenswerte Ergebnisse einfahren. Top Ten-Resultate wären für sie sehr gut und wünschenswert.

Nach dem Saisonstart in Monza geht es für die FRECA im Mai nach Imola und dann zum ersten Saisonhighlight nach Monaco, das zweite folgt im Juli im Rahmen der 24h von Spa. Ein paar Rennwochenenden werden zudem zusammen mit der Euroformula Open ausgetragen, die in diesem Jahr so schwach besetzt ist, dass ich sie hier auch außen vor lassen werde. Das Saisonfinale steht Ende Oktober als Headliner in Mugello auf dem Plan.

Nächstes Rennwochenende: Monza (Headliner), 23.-24. April

Das nächste Update gibt es voraussichtlich Anfang Mai.

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