Ex-Formel-2-Fahrer Nobuharu Matsushita hat am vergangenen Sonntag in Suzuka seinen ersten Karrieresieg in der japanischen Super Formula eingefahren – und das von Startplatz neun kommend. In einer spektakulären Aufholjagd auf nasser Piste setzte er sich in der vorletzten Runde gegen Tomoki Nojiri durch. Außerdem: Viele tolle und exklusive Bilder von unserem Fotografen vor Ort.
Nach einer schwierigen Qualifikation am Samstag war für Nobuharu Matsushita eines klar: Um von Startplatz neun eine Chance zu haben, braucht es Regen. Seine Stoßgebete wurden erhöht: Bereits in den Morgenstunden fing es über den Suzuka Circuit an zu regnen, was den dritten Saisonlauf der Super Formula zu einem absoluten Thriller auf nasser Piste verwandelte. Am Vortag sicherte sich Tomoki Nojiri die neunte Pole-Position seiner Karriere. Damit war er auch der einzige Honda-Pilot in der Top-5, da sich hinter ihm die Toyota-befeuerten Kondo Racing-Piloten Kenta Yamashita sowie Sacha Fenestraz, Ritomo Miyata und ursprünglich Yuji Kunimoto versammelten.
Trotz des vielen Wassers auf der Strecke sowie einigen kleinen Bächen, die sich vereinzelt auf dem Asphalt bildeten, entschied sich die Rennleitung beim ersten Regenrennen der Super Formula in Suzuka seit 2015 gegen einen Safety-Car-Start. Stattdessen ging die Meute, eine riesige Gischt hinter sich ziehend, ganz normal in das 31-Runden-Rennen. Obgleich Kenta Yamashita etwas besser vom Fleck kam, behielt Polesitter Tomoki Nojiri in der ersten Kurve die Nase vorn. Der Titelverteidiger hatte natürlich die beste Sicht – und nutzte diesen Vorteil perfekt aus. In den Eröffnungsrunden legte er ein unglaubliches Tempo vor. Bereits nach sechs Runden hatte er einen Vorsprung von rund zehn Sekunden auf seine engsten Verfolger.
Diese befanden sich zum Teil in engen Zweikämpfen. Kenta Yamashita konnte sich nicht allzu lange auf der Silberposition halten. Der 25-Jährige hatte schnell mit aus seiner Sicht nur schwer zu erklärenden Grip-Problem zu kämpfen, und stürzte infolgedessen schnell in der Rangfolge ab. Als einer der wenigen Piloten setzte „Yamaken“ auf einen Reifenwechsel, der aufgrund des Wetters nicht mehr vorgeschrieben war. Beim Service klemmte allerdings einer der Schlagschrauber. Die Folge: Am Ende wurde der Kondo Racing-Pilot auf einem enttäuschenden 16. Platz abgewunken. Teamkollege Sacha Fenestraz verlor am Start zunächst drei Positionen. Er kämpfte sich in einem für ihn eher unauffälligen Rennen am Ende aber auf einen starken vierten Platz zurück.
Nobuharu Matsushita legte hingegen einen wahren Raketenstart hin. Gleich in der ersten Runde krallte er sich vier Positionen. Kurz darauf machte er auch mit Sho Tsuboi kurzen Prozess, der ähnlich Yamashita mit starken Grip-Problemen zu kämpfen hatte. Als die Regenintensität etwas abnahm und einige Fahrer sichtbar anfingen, mit dem Verschleiß ihrer Reifen zu kämpfen, gingen Tadasuke Makino, der von Startplatz sechs kommend ebenfalls eine fantastische Eröffnungsrunde hatte, und Nobuharu Matsushita and Kenta Yamashita vorbei. Fortan erhöhte Makino den Druck auf seinen führenden Honda-Kollegen. Nojiri konnte nicht mehr ganz das Tempo der Anfangsphase gehen. So schrumpfte sein Vorsprung nach 15 Umläufen auf sieben Sekunden – Tendenz sinkend. Makino wittere seine Chance und erhöhte den Druck. Nojiri konnte teilweise kontern. Schnell wurde aber klar, dass trotz seiner anfänglichen Dominanz der Schlagabtausch um den Sieg zu einem spannenden Dreikampf werden könnte. Nobuharu Matsushita folgte Tadasuke Makino. Nach eigener Aussage wollte er nicht allzu sehr pushen, um so seine Reifen zu schonen. Laut B-Max-Teamchef Satoshi Motoyama war das Ziel, genügend Gummi für den Schlussspurt übrig zu haben.
Tatsächlich gingen die Yokohama-Pneus vom zweitplatzierten Makino im letzten Renndrittel ein. Zwar konnte sich der Dandelion Racing-Pilot zunächst mehrfach erfolgreich gegen die Angriffsversuche von Matsushita wehren. Vier Umläufe vor Schluss musste er sich aber doch geschlagen geben. Der Ex-Formel-2-Fahrer witterte seine Chance. Quasi mit Siebenmeilenstiefeln holte er auf Nojiri auf. Binnen einer Runde schrumpfte dessen Vorsprung von drei Sekunden auf eineinhalb Sekunden. Obgleich Matsushita am Start sowie im Zweikampf mit Makino alle 200 Sekunden seines Overtake-Systems (OTS) aufbrauchte, konnte sich Nojiri nur schwer gegen den B-Max-Piloten wehren. Das entscheidende Manöver kam in der vorletzten Runde: Außen in Kurve eins ging Matsushita mit einem spektakulären Manöver in Führung. Binnen der letzten beiden Runden setzte er sich gar ganze fünf Sekunden von Nojiri ab und unterstrich damit, wie viel schneller er im Schlussdrittel war.
Matsushitas Geheimrezept? Eine bessere Reifenkühlung. Interessanterweise waren es die Fahrer mit europäischer Rennerfahrung, die in der zweiten Rennhälfte auf der langsam abtrockenden Strecke deutlich aggressiver nach nasseren Flächen abseits der Ideallinie suchten, um so ihre Yokohama-Pneus zu kühlen. Am Ende gestand Tomoki Nojiri ein, dass er wegen Graining und einer zu hohen Reifentemperatur keine Chance hatte, um sich gegen Matsushita zu wehren. Matsushita zeigte somit ein perfektes Rennen. Nicht nur musste er ganze acht Fahrzeuge auf dem Weg zu seinem ersten Super-Formula-Karrieresieg überholen. Er bewies dabei auch perfektes Reifen-Management – einer der Schlüsselfaktoren, die ihm Satoshi Motoyama vor dem Start als Ratschlag auf den Weg mitgab. Der vierfache Formula-Nippon- (heute: Super Formula) und dreifache Super-GT-Champion, der sonst selbst bei seinen eigenen Triumphen als Fahrer emotional eher zurückhaltender war, konnte sich die Tränen nach der Zieldurchfahrt nicht verkneifen.
Es dürfte auch eine Art Genugtuung nach einer schwierigen Woche gewesen sein, in der er überraschend sein Cockpit bei Team LeMans in der GT300-Klasse der Super GT aus angeblich finanziellen Gründen verlor. Eine Entscheidung, die selbst Motoyama überraschte und ratlos zurückließ, da trotz einiger Schwierigkeiten bei seinem Upstart-Unternehmen Goldex Mobile, von dem er der Teilgründer ist, die Finanzierung angeblich sichergestellt gewesen sein soll. So hinterlässt die Entscheidung einen faden Beigeschmack, auch weil es selbstredend die Frage in den Raum wirft, ob dies der richtige Umgang mit einer absoluten Legende des japanischen Motorsports ist. So kam der Rausschmiss just einen Tag nach dem Saisonstart in Okayama, als Motoyama sowie sein junger Teamkollege Yoshiaki Katyama (Sohn von Teambesitzer Yoshinori Katayama) mit Platz fünf ihr bis dato bestes Resultat einfuhren.
All dies dürfte nach der Zieldurchfahrt jedoch in Vergessenheit geraten sein, als B-Max Racing ihren allerersten Erfolg in der Super Formula feierte. Seit dem Einstieg in die höchste Formel-Kategorie Japans im Jahr 2017 war man bereits mehrfach nah an der höchsten Stufe des Podiums. So auch letztes Jahr beim Saisonfinale, dem prestigereichen JAF Grand Prix Suzuka, als Matsushita die erst zweite Pole in der Geschichte des Teams einfuhr, nach einer Strafe im Rennen aber chancenlos auf den Sieg blieb. Nun also die Wiedergutmachung. Natürlich bleibt die Truppe hungrig. Das nächste Ziel: Der Titelgewinn. Hier muss Matsushita laut eigener Aussage nach zwei Nullrunden beim Doubleheader zum Saisonstart am Fuji Speedway (Kupplungsproblem und Unfall) aber noch stark nachholen und ganze 36 Punkte auf Tabellenführer Tomoki Nojiri aufholen. Keine leichte Aufgabe, trotz der noch sieben verbleibenden Rennen.
Nojiri gab zu, dass er nur ungern den Suzuka-Sieg abgab. Er agierte jedoch mit Hinblick auf die Mission Titelverteidigung. Mit nun zwei Silberrängen sowie einen Sieg am Fuji Speedway führt der Mugen-Pilot die Tabelle nun mit 56 Zählern relativ komfortabel bereits an, auch weil Titelrivale Ryo Hirakawa nach einem schwierigen Qualifying (Platz 12) auf dem siebten Rang nur Schadensbegrenzung betreiben konnte. Der Impul-Pilot und Totoyta-Werskfahrer im World Endurance Championship (WEC) zeigte dennoch enorme Stärke mit einigen spektakulären Überholmanövern im Rennen. Damit sei er zwar happy. Die schlechte Qualifying-Performance ließ ihn dennoch etwas ratlos zurück, erklärte er nach dem Wochenende. Tadasuke Makino holte sich seinen nunmehr dritten Bronzerang und kletterte damit mit 16 Zählern auf den sechsten Tabellenrang. Nach dem Rennen kommentierte er, dass er bei der Aufholjagd seine Reifen etwas zu stark strapazierte, was ihm eine etwaige Chance auf seinen ersten Karrieresieg kostete. Für die kommenden beiden Läufe auf dem Autopolis Circuit sowie dem Sportsland SUGO ist er dennoch sehr zuversichtlich, da Dandelion Racing traditionell stark auf beiden Strecken ist.
Sacha Fenestraz verpasste das Podium auf dem vierten Rang, nachdem er nicht das Tempo der Vordermänner mitgehen konnte. Zwar hatte auch er mit Grip-Problemen zu kämpfen. Ein anderer Reifendruck könnte laut ihm aber der Grund gewesen sein, warum sein Rennen besser als jenes von Teamkollege Kenta Yamashita verlief. Nach einem schwierigen 2021 sowie einem suboptimalen Saisonstart, fuhr KCMG quasi im Doppelflug ihr bestes Resultat seit der Saison 2020 ein.
Kamui Kobayashi komplettierte die Top-5. Mannschaftskollege und 2016 Super-Formula-Champion Yuji Kunimoto wurde direkt hinter ihm auf dem sechsten Platz abgewunken. Ein gewaltiger Motivationsschub, den die Truppe von Teamchef Tsugio Matsuda so dringend benötigte. Insbesondere Kobayashi demonstrierte erneut seine Qualitäten als Regenspezialist, da er lediglich von Platz elf ins Rennen ging. Kunimoto qualifizierte sich ursprünglich auf Platz fünf, wurde jedoch um drei Positionen nach hinten zurückversetzt, da er Ukyo Sashara auf dessen schneller Runde im Qualifying behinderte. Der Mugen-Fahrer, der vergangenen Sonntag seinen 26. Geburtstag feierte, musste deshalb lediglich von Platz 19 ins Rennen gehen. Zwar verpasste er auf Rang 14 die Punkte. Der Beweis, dass er die benötigte Performance hatte, dürfte aber zumindest eine Art kleines Geburtstagsgeschenk gewesen sein.
Hinter Ryo Hirakwa und Hiroki Otsu kam Naoki Yamamoto auf dem neunten Platz ins Ziel, womit der dreifache Champion seine ersten Meisterschaftszähler des Jahres einsackte. Die Probleme bei Nakajima Racing gehen jedoch weiter, da Toshiki Oyu nach Startplatz 14 lediglich eine Position im Rennen gutmachen konnte. Laut dem JAF Grand Prix-Sieger von 2020 hat das Team grundlegende Probleme, wenn die Temperaturen steigen. Der Regen dürfte daher, zumindest für Yamamoto, geholfen haben. Vor den bevorstehenden Sommerläufen im Juni und Juli kreischen jedoch die Alarmsirenen im Team von Satoru Nakajima.
Das letzte Zählerchen sicherte sich Ren Sato, der damit fünf Plätze im Rennen gewann. Team Goh feierte einen spektakulären Einstand beim Saisonstart am Fuji, als Rookie Sato gleich beim ersten Rennen aus der ersten Reihe startete. Teamkollege Atsushi Miyake musste aufgrund eines technischen Defekts die Suzuka-Wasserschlacht hingegen vorzeitig beenden – der einzige Ausfall des Rennens. Obgleich der schwierigen Bedingungen, gab es keine Unfälle oder Safety-Car-Unterbrechungen, was die hohe Qualität des Fahrerfeldes abermals unterstreicht. Einzig Giuliano Alesi drehte sich in der fünften Runde in der Spoon-Kurve. Am Ende wurde er nach einem sehr blassen Wochenende auf dem 15. Platz abgewunken. Überraschend, da er just letztes Jahr in seinem erst zweiten Super-Formula-Rennen unter ähnlichen Bedingungen auf dem Autopolis Circuit gewann. Für TOM’S-Teamkollege Ritomo Miyata verlief der Sonntag ähnlich katastrophal. Von Startplatz vier startend, stürzte er ebenfalls schnell mit starken Grip-Problemen sowie einem verhauten Boxenstopp auf den 18. Platz ab. Obendrauf hatte er Funk-Probleme und konnte nicht mit seinem Renningenieur kommunizieren.
Das nächste Rennen der Super Formula findet am 22. Mai auf dem Autopolis Circuit in der Oita-Präfektur statt. Letztes Jahr musste das Rennen aufgrund von Regen und Nebel nach elf Runden abgebrochen werden. Zum Abschluss haben wir eine Auswahl an wundervollen und exklusiven Bildern von unserem Fotografen Y. Sezaki, der dem wechselhaften Wetter vergangenen Wochenende trotze.
Copyright Photos: Y. Sezaki, JRP (Japan Race Promotion)