Mit zwei ungewöhnlich ruhigen, aber dennoch spannenden Rennen und mit vielen interessanten Personalien startete das ADAC GT Masters am vergangenen Wochenende in Oschersleben in die Saison 2022.
Rennen 1
Bereits die erste Qualifikation der neuen Saison sorgte mit einem heftigen Abflug von Frank Bird im Landgraf Mercedes für den ersten Aufreger der Saison, was ca. drei Minuten vor Ablauf der Trainingszeit für eine rote Flagge sorgte und damit für eine teils sehr überraschende Startaufstellung. Von den für Oschersleben favorisierten Audis schaffte es nur Jusuf Owega im Land Audi nach vorne. Vor allem die Rutronik Audi, die zweifelsohne nach den Tests und den Trainings als Favoriten ins Wochenende gingen, hatten Pech mit dem Timing und mussten damit außerhalb der Top 10 starten. Die Pole sicherte sich der Emil Frey Racing Lamborghini mit der #19 und der Zeit von Frank Perera. Überhaupt wusste Emil Frey Racing zu überzeugen, indem man mit allen drei Lamborghini in den Top 7 war. Auch Joel Sturm als GT3 Neuling schaffte es mit dem Porsche von Allied-Racing als neues Team im GT Masters auf Platz drei, was uns einen ersten Eindruck an Überraschungspotenzial bot.
Das Rennen begann mit einer sehr beherzten (manche würden sagen übermütigen) Aktion von Joel Sturm, der sich mal eben an die Spitze in der 1. Schikane bremsen wollte, was jedoch in einem Ausritt endete. Zudem gab es in der ersten Runde weiter hinten im Feld einen Ausritt von Jack Aitken im Emil Frey Lamborghini, der ihn ans Ende des Feldes brachte. Den Start gewann Frank Perera im Lamborghini vor Jusuf Owega im Land Audi und Joel Sturm im Allied Porsche, der sich auf Position drei einfinden konnte nach seiner riskanten Aktion nach dem Start.
Bereits nach wenigen Runden klaffte eine große Lücke auf zwischen Sturm auf P3 und dem Landgraf Mercedes von Jonathan Aberdein, dem man die Unerfahrenheit im GT3 Sport noch etwas anmerken konnte. Nach wenigen Minuten konnte ihn Mick Wishofer in der #14 von Emil Frey Racing in Turn Zwei überholen, musste jedoch den Platz auf Anweisung der Rennleitung wieder zurückgeben, da er Aberdein an der Kurvenaußenseite „verhungern“ ließ und etwas auf den Kerb schickte. Ohnehin hatte ich den Umgang der Rennleitung mit „normalem“ Racing als sehr kleinlich wahrgenommen. Das hätte man in manch anderen Rennserien nicht bestraft! Durch die ganzen Turbulenzen wurde die Lücke auf die ersten Drei immer größer.
Schnell bildete sich ein Rennrhythmus mit wenigen Überholmanövern bis zum Fahrerwechsel, wie man es in Oschersleben meistens sieht. Auch in diesem Jahr beträgt das Fenster zum Fahrerwechsel ohne Reifenwechsel zehn Minuten von Rennminute 25 bis 35 mit einer Mindestzeit von 65 Sekunden, was fünf Sekunden weniger sind als noch 2021. Als Erster der Spitzengruppe ging Joel Sturm im Allied Porsche (#22) zum Stopp, um auf Sven Müller zu wechseln. Als Letzter der Spitzengruppe ging wie erwartet der bis dahin Führende Frank Perera zum Stopp, der nun an den unerfahrenen Arthur Rougier übergeben musste. Der Stand nach den Wechseln war wie folgt: 1: Arthur Rougier (#19); 2: Ricardo Feller (#29); 3: Sven Müller (#22); 4. Raffaele Marciello (#48); 5. Konsta Lappalainen (#14)…
Marciello im Landgraf Mercedes konnte also an Lappalainen im Emil Frey Lambo vorbeigehen, der nun deutlich zurückfiel im weiteren Rennverlauf und teils zum langsamsten Auto der Top 10 wurde. Nachdem nun weitere große Lücken entstanden sind, brannte um die Spitze ein kurzes Duell um den Sieg auf, indem Ricardo Feller immer näher an Arthur Rouguier rankam. Dieser verbremste sich in der ersten Schikane, nachdem der Schweizer im Rückspiegel auftauchte und musste so die Hoffnung auf den Sieg schnell aufgeben. Feller sagte im Nachhinein, dass er auch nichts gegen ein etwas längeres Duell gegen den Franzosen gehabt hätte.
Im Folgenden passierte nicht mehr allzu viel und Ricardo Feller konnte zusammen mit Jusuf Owega den 1. Sieg der Saison einfahren. Falls es hier am Ende zu einer Meisterschaft kommt, könnte sich das Jahr 2017 wiederholen, in dem sich Jules Gounon mit wechselnden Teamkollegen als alleiniger Fahrer den Titel sichern konnte. Hier könnte Owega das Kunststück gelingen, da Feller ja durch Überschneidungen mit der DTM zwei Wochenenden verpassen wird.
Recht eng wurde es am Ende noch um Platz zwei, den Arthur Rougier mit letzter Mühe noch knapp vorm Allied Porsche mit Sven Müller und Landgraf Mercedes von Marciello einfahren konnte. Dahinter waren mit ID Racing (#44) mit dem Duo Renauer/Bachler und Joos Sportwagentechnik (#91) mit dem Duo Christian Engelhard/Ayhancan Güven zwei weitere Porsche. Geradeso konnte Konsta Lappalainen den Emil Frey Lamborghini auf Platz sieben halten.
Einen ordentlichen Einstand im Sprint Format hatte das Schubert BMW Team mit dem neuen M4 und immerhin Platz 8 (Jesse Krohn, Nick Catsburg), während man parallel in Monza in der Italian GT den ersten Sieg mit Timo Glock und Jens Klingmann einfuhr. Nur Niklas Krütten in der Startnummer 10 von Schubert ist die geringe GT3 Erfahrung noch anzumerken, da er im Vergleich zu den Teamkollegen bislang deutlich abfällt. Die letzten Top Zehn Plätze konnte sich immerhin noch Rutronik sichern, die vor allem am Sonntag ihren Erwartungen gerecht werden sollten. Einen insgesamt schwarzen Tag erlebte die Marke Mercedes, die abgesehen von Platz Vier durch den Landgraf AMG eher hinten zu finden waren. Auch das sollte sich am Sonntag ändern.
Rennen 2
Wie üblich wird das Kräfteverhältnis des Sonntags im Vergleich zum Vortag ordentlich durchgewirbelt, da der jeweils andere Fahrer nun die Qualifying Runde fahren muss. Hinzu kommen im Rennen die Platzierungsgewichte für die Top Drei des Vortags mit der Staffelung von 20, 10 und 5 Kilogramm Zusatzgewicht.
Die Pole sicherte sich Patric Niederhauser im Rutronik Audi (#15), die nun nach dem enttäuschenden Samstag zurückschlagen wollten. Gleiches galt für das Drago Racing Team ZVO, die am Samstag ebenfalls ein Opfer der roten Flagge in der Qualifikation wurden. Jules Gounon konnte das Auto auf Platz 2 stellen, während sich der konstant starke Landgraf Mercedes auf Platz 3 einreihte, in diesem Fall mit der Runde von Raffaele Marciello.
Unglücklich lief es für Sven Müller im Allied Porsche mit der #22, der nach 2 „purple“ Sektoren auf Verkehr auflief und somit den Drittplatzierten Wagen des Samstags nur auf Platz 14 stellte.
Die starke Audi Leistung zeigte auch der zehnte Platz vom brandneuen Eastalent Racing Team und der Zeit von Norbert Siedler in der #54. Die große Enttäuschung des gesamten Sonntags waren die drei Porsche der drei unterschiedlichen Teams, für die es nur für Plätze zwischen 13 und 20 reichte trotz eines starken Samstags. Ein sehr überraschender Leistungsabfall!
Mit diesen Ausgangslagen ging es nun ins Rennen. Entgegen den Erwartungen war es sonnig und teilweise musste man ein paar Tapes von den Autos entfernen, da man eher von Bewölkung und evtl. sogar Regentropfen ausging.
Nach dem Start verlor Patric Niederhauser direkt in Kurve Zwei die Führung gegen Jules Gounon, der den Mercedes des neuen Teams von Drago Racing ZVO in der #4 nach vorne brachte. Der Gewinner des Starts war klar Nick Catsburg, der im gut performanten M4 von Schubert von Platz Sieben bis Vier vorfahren konnte. Die Audis und Lamborghinis, deren Bauart sich stark ähneln, hatten wohl Probleme die neuen und weicheren Pirelli Reifen auf Temperatur zu bekommen und hielten die Konkurrenz zunächst ein wenig auf. Ein sehr verkorkstes Wochenende erlebte Christopher Haase im Land Audi (#28), der sich in der Startrunde wegdrehte nach einer Berührung von Ayhancan Güven auf das „Hinterteil“ des R8. Prompt bekam der Türke eines Durchfahrtsstrafe klassischer Art. Wieso man für Aktionen solcher Art nicht die Penalty Lap verwendet, die offenbar nur bei Unterschreitung der Mindeststandzeit verwendet wird, ist ebenfalls ein Punkt, der für viele nicht nachvollziehbar erscheint.
Nachdem auch Audi und Lamborghini nach ca. zehn Minuten den „Peak“ des Reifens bekamen, konnte Niederhauser kurz vor dem Fahrerwechsel auf Jules Gounon im führenden Mercedes ordentlich Druck ausüben, jedoch behielt dieser seine Führung. Im 2. Rennen warteten die Bestplatzierten noch deutlich länger auf die Stopps als noch am Samstag. Der Erste der Spitzengruppe war Dennis Marschall, der den Stopp nach ca. fünf Minuten gemacht hat und an Kim-Luis Schramm übergab. Fast zeitgleich gingen in Minute 33 alle Fahrzeuge aus der Spitzengruppe ab Platz Drei an die Box. In der letztmöglichen Runde ergab sich an der Box nach dem Losfahren ein „fast Führungswechsel“, indem der ZVO Mercedes, nun von Fabian Schiller pilotiert, im letztmöglichen Moment losgelassen wurde. Im allgemeinen FIA Regelwerk würde man sowas als klares „Unsafe Release“ ahnden, jedoch hat der ADAC eine neue Regel, dass das fahrende Auto in der Fastlane vom Gas gehen muss und umgekehrt das Auto, welches gerade losfährt, die Vorfahrt in dieser Situation bekommt. Auch an Beispielen wie „Penalty Lap“ oder eigenen Interpretationen von Track Limit Vergehen wie letztes Jahr in Spielberg sieht man ja, dass der ADAC gerne eigene sportliche Regeln aufstellt, die teilweise pragmatisch und gut sind, aber in diesem Fall bin ich mal auf die Diskussionen gespannt, die es im Laufe des Jahres geben könnte, wenn es wirklich mal durch eine solche Situation zu einer Kollision in der Box kommt. In meinen Augen wird genau sowas dadurch provoziert, was dem ZVO Drago Team absolut in die Karten spielte und man somit den Sieg im späteren Rennverlauf nach Hause fahren konnte.
Nach dem Fahrerwechsel waren somit Fabian Schiller (#4), Luca Engstler (#15), Jonathan Aberdein (#48), Jesse Krohn (#20) und Jack Aitken (#63) in den Top Fünf. Das Rennen bot die interessantesten Zweikämpfe jenseits der Top 10, am besten war um die Spitzenpositionen eindeutig ein rundenlanges Duell zwischen Aberdein und Krohn um Platz Drei. Aberdein konnte in beiden Rennen zeigen, dass er es durchaus versteht seinen Mercedes breit wie ein LKW zu machen, was in diesem Fall mit einem Podium belohnt wurde. Nach kurzer Zeit kamen auch die weiteren Verfolger in Form von Aitken (#63), Jusuf Owega (#29) und Kim-Luis Schramm (#27) ran, jedoch ohne Erfolg. Vorne brachten Jules Gonoun (#4) und Luca Engstler das Rennen auf den ersten beiden Plätzen locker nach Hause.
Somit hatte man am Sonntag mit Fabian Schiller einen GT Masters Neuling ganz oben, mit Luca Engstler gar einen kompletten GT3 Neuling auf dem Podium und obendrein mit dem Drago Racing Team ZVO eine weitere neue Mannschaft als Sieger. Das Team muss wenige Monate nach der Gründung wie die gesamte Industrie mit Lieferengpässen und dergleichen zurecht kommen. Da dürfte ein Sieg die perfekte Motivation sein. Auch die auffallend grüne Teamkleidung (erinnert ein wenig ans Aston Martin grün der F1) ist schon mal ein Farbtupfer im Feld.
Neben den diversen positiven Überraschungen gab es mit dem sonntäglichen Ergebnis von Porsche und dem gesamten Wochenende des 2021er Meisters Christopher Mies, der nun mit Tim Zimmermann fährt, auch negative Überraschungen. Mies sagte nach dem Rennen bei Nitro, dass man den R8 nochmal auf Herz und Nieren scannen möchte, um eine mögliche Dysbalance im Fahrzeug zu entdecken. Während andere Audis, wie sogar das neue Eastalent Team mit Simon Reicher und Norbert Siedler gute Performance zeigten, war das schon sehr auffällig.
Zusammenfassung und Ausblick
Insgesamt verliefen die beiden Rennen vollkommen überraschend ohne den Einsatz von Ron Dobmeier im Safety Car und ohne größere Zwischenfälle. Sonst war Oschersleben vor allem beim Saisonstart immer bekannt für diverse Kollisionen bis hin zu Massenkarambolagen wie beim Saisonfinale 2020. Einerseits merkt man das kleinere Feld mit gut zehn Autos weniger als noch 2021, andererseits spricht es auch für die große Disziplin im Feld und klaren Ansagen der Rennleitung. Auch die von der SRO berechnete BOP hat im Grunde bei allen fünf Herstellern sehr gut funktioniert, sodass am Ende alle Hersteller was aus Oschersleben mitnehmen konnten.
Insgesamt hatte man mit 25.000 Besuchern einen neuen Rekord an Zuschauern für einen Saisonstart zu vermelden, was die Attraktivität der ADAC Plattform nochmals unterstreicht.
Lobend erwähnen muss man sicherlich auch die Übertragung bei „Nitro“. In 2 Stunden Sendelänge abzüglich der insgesamt 4 Werbepausen vor, während und nach dem Rennen erfährt man eigentlich alles Wissenswerte zur Rennserie und bekommt etliche Eindrücke von Teams und Fahrern geliefert. Auch das on air Personal harmoniert für meine Begriffe sehr gut und Dirk Adorf und Nico Menzel bilden ein gutes Duo während den Rennen. Dafür, dass beide nicht als klassische Kommentatoren, sondern eher Experten gelten, kommen die Kommentare und Aussagen sehr gut rüber!
Technisch ein paar Zweifel gab es im Vorfeld bei der Übertragung der Rahmenserien des ADAC GT Masters auf sport.de, da die Seite gerade erst mit live Streaming anfängt. Insgesamt läuft alles technisch sehr stabil und man kann sich live und zeitnah on demand alle Rahmenrennen über folgenden Link anschauen:
https://www.sport.de/motorsport/videos/
Technisch laufen die Videos in ordentlicher Qualität ruckelfrei durch. Jedoch nach wie vor etwas unpraktisch, dass man nichts über den Smart TV oder eine App sehen kann, sondern nur als Browser Version. Wieso man die eigene Plattform RTL+ nur für die on demand Ausstrahlung der GT Masters Rennen nutzt, ist für mich nach wie vor schwer zu verstehen. https://www.tvnow.de/shows/raceday-19685
Weiter geht es nach einer vierwöchigen Pause auf dem Red Bull Ring in Spielberg zum Ersten von zwei Auslandseinsätzen der Rennserie auf einer komplett anderen Strecke als Oschersleben. Für viele Teams und Fahrer geht es nun weiter mit sehr strammen Wochen in Richtung GT World Challenge, DTM und den Vorbereitungen aufs 24 Stunden Rennen, was direkt in der Woche nach Spielberg folgen wird!
Bildquellen: ADAC Motorsport (https://media.adac-motorsport.de/index.php?ID_dir=2,8,2393,2436)