Zwei interessante Serien starten am Wochenende in ihre Saisons: die ausschließlich für Pilotinnen zugängliche W Series zusammen mit der Formel 1 in Miami und die aktuell bedeutendste F4-Meisterschaft in Imola.
In Imola ist auch die Formula Regional European Championship by Alpine (FRECA) unterwegs. Wer sich dazu nochmal einen Überblick verschaffen möchte, kann in meinem letzten April-Update den Bericht vom Saisonstart in Monza nachlesen.
W Series
Die W Series startet in Miami im Rahmen der Formel 1 in ihre dritte Saison – und Jamie Chadwick wird versuchen, ihren Titel ein weiteres Mal zu verteidigen. Das zeigt auch schon die Problematik der W Series: welchen Sinn, welche Perspektive hat diese Serie, die Frauen im Motorsport voranbringen soll, wenn die zweifache Meisterin ein drittes Mal antritt, anstatt in der F3 oder F2 unterwegs zu sein? Zweimal hat sie die halbe Million Dollar Preisgeld für den Titel kassiert, aber das reicht noch nicht, um ein Cockpit in einer der beiden wichtigsten FIA-Nachwuchsserien zu finanzieren.
Die W Series ist insofern eine gute Initiative, als dass sie Frauen im Motorsport sichtbarer macht, Barrieren für sie senkt und so einen größeren „Pool“ schafft, aus dem vielleicht mal jemand aufsteigen kann. Aber gerade letzteres klappt bisher eben noch nicht. Darum bleibt es im Moment erstmal bei dem Status „schöne Idee.“ Zumal mich die W Series mehr und mehr an die alte FIA Formel 2 erinnert, die von 2009 bis 2012 existierte: schon damals verfolgte die FIA das Ziel, die Nachwuchsleiter weniger vom finanziellen Potenzial der Piloten abhängig zu machen.
Wie bei dieser F2-Inkarnation auch setzt die W Series auf einheitlich vorbereitete Autos ohne die traditionellen Team-Strukturen; Motoren werden von Rennwochenende zu Rennwochenende getauscht, damit möglichst niemand einen unfairen Vorteil hat. (Die Chassis werden ab dieser Saison nicht mehr getauscht.) All das gab es auch in jener Formel 2 – und auch aus der gelang den Champions kaum der Aufstieg. Jolyon Palmer (F2-Vizemeister 2010) schaffte es schließlich in die Formel 1, fuhr aber dazwischen auch noch vier Jahre in der GP2 und hatte über seinen Vater (dessen Unternehmen die F2 veranstaltete) auch finanzielle Ressourcen.
So wurde die F2 nach vier Jahren eingestampft, weil sie ihr Ziel nicht erreicht hatte. Für die W Series sehe ich es noch nicht so düster, weil sie eben auch das Ziel hat, Frauen im Motorsport sichtbarer zu machen, was sie ja durchaus erreicht. Aber langfristig wird allein das auch nicht ausreichen. Kann eine „Frauen-Formel 1“ (als Pendant zur Formel E, die auch oft genug als „Elektro-Formel 1“ tituliert wurde) eine mögliche Zukunft sein? Das sehe ich im Moment nicht, denn eigentlich sollte es im Motorsport machbar sein, Frauen und Männer letztlich zusammen antreten zu lassen.
Immerhin fährt die W Series dieses Jahr durchgehend im F1-Rahmenprogramm, was schonmal gut für die Präsenz der Serie und der Teilnehmerinnen ist. Dabei geht es auch um die ganze Welt: in Miami gibt es einen Doubleheader zum Auftakt, auch das Finale in Mexico City wird zwei Rennen umfassen. Neben vier Läufen in Europa wird außerdem noch in Suzuka und Austin gefahren.
Für die Sichtbarkeit auch gut – zumindest in den USA – ist wohl der Einstieg von Caitlyn Jenner als „Teambesitzerin“ (echte Teams gibt es weiterhin nicht, es handelt sich nur um „Fake-Teams“ zur besseren Unterscheidbarkeit, wie schon im Vorjahr). Jenner dürfte Reality TV-Fans als Teil des Kardashian-Clans bekannt sein. Für ihr Team tritt auch die schon angesprochene Titelverteidigerin Jamie Chadwick an, die auch dieses Jahr wieder als Favoritin gelten muss.
Da die Top 8 der vorigen Saison einen garantierten Startplatz haben, sehen wir in der Entry List viele Namen wieder, die schon in der letzten oder sogar beiden bisherigen Saisons dabei waren: Beitske Visser (Vizemeisterin 2019), Fabienne Wohlwend aus Liechtenstein, die Spanierinnen Marta Garcia (Vierte der Saison 2019) und Nerea Marti (Vierte 2021), Emma Kimiläinen, die letztes Jahr einen starken Sieg in Spa herausfuhr und Dritte in der Meisterschaft wurde. Auch Alice Powell, die von der Konstanz her wohl härteste Konkurrentin von Chadwick, ist wieder am Start.
Neue Pilotinnen wurden über eine Art Wettbewerb bei den Testfahrten ausgewählt. Zu diesen gehört unter anderem Juju Noda, Tochter des kurzzeitigen F1-Piloten (und mehrfachen Le Mans-Starters) Hideki Noda. Sie konnte in den letzten beiden Jahren in der dänischen Formel 4 eine Reihe von Podien einfahren und stand auch schon einmal oben auf dem Treppchen und dürfte damit der vielversprechendste Rookie sein. Interessanterweise ist sie per „free pass“ auf die Entry List gekommen, also nicht über die Testperformance. Ob es am Namen lag?
Die Rennen der W Series, die mit Tatuus Formel 3-Chassis ausgetragen werden, waren letztes Jahr oft durchaus sehenswert, obwohl kein DRS zum Einsatz kommt. Damit stellt sich ein eher „klassisches“ Feeling in Sachen Racing ein, ähnlich wie bei der FRECA (die dieses Wochenende in Imola am Start ist). Die W Series-Rennen sind weiterhin nicht im F1TV-Paket enthalten, sondern können hierzulande nur bei Sky Sport F1 geschaut werden.
Nächstes Rennwochenende: Miami (F1), 07.-08. Mai
F4 Italia
Die italienische Formel 4 ist derzeit die heißeste Serie für junge Piloten und Pilotinnen, die vom Kart ins Auto umsteigen. Sie wurde vom italienischen Verband ACI in den letzten Jahren gut verwaltet und ist immer weiter gewachsen. Ich habe noch keine finale Entry List für den Saisonstart gesehen, aber wir werden wohl über 30 Autos am Start sehen. Das verspricht viel Action, selbst beim Auftakt in Imola, wo Überholen mit Formelautos bekanntermaßen schwierig ist. Gefahren wird mit einem Tatuus-Einheitschassis, das jetzt auch mit HALO ausgerüstet ist, und von einem 1,4l-Abarth-Motor angetrieben wird.
Nach dem Saisonauftakt der ADAC Formel 4 in Spa und auch basierend auf den vergangenen Saisons muss Prema als das Favoritenteam gelten. Sie haben auch die F4 UAE im Winter dominiert, wobei sich die Fahrer abwechseln durften, die hier nun auch zum Einsatz kommen. Ganz zuvorderst ist Andrea Kimi Antonelli zu nennen, der bereits gegen Ende der letzten Saison (nach seinem 15. Geburtstag) in die F4 Italia eingestiegen ist und sofort überzeugen konnte. Den F4 UAE-Saisonauftakt in Abu Dhabi dominierte er. Der Mercedes-Junior gilt trotzdem noch als Rookie.
Champion der F4 UAE ist mit Charlie Wurz – Sohn von Alexander – ein weiterer stark auftretender Prema-Pilot. Mit James Wharton aus Australien und Rafael Camara aus Brasilien sind außerdem noch zwei Ferrari-Akademie-Mitglieder im Prema-Kader. Und der fünfte im Bunde, Conrad Laursen, ist der einzige, der bereits Erfahrung hat – der Däne verpasste letztes Jahr um einen Punkt den Rookie-Titel, hatte aber insgesamt eine eher schwache Saison 2021. Es ist gut möglich, dass der Campion aus diesem Kreise kommen wird.
Den Rookie-Titel gewann 2021 Nikita Bedrin, ein nun unter italienischer Flagge startender russischer Pilot. Er hatte auch eine gute F4 UAE-Saison und ist zweifacher Rennsieger der ADAC F4 2021. Bedrin, der mit dem gemeinnützig operierenden deutschen Team PHM Racing antritt, dürfte fahrerisch das Potenzial haben, um den Titel mitzukämpfen. Auch beim zweiten deutschen Team, US Racing, hat man einen „erfahreneren“ Piloten mit Potenzial am Start: der Ire Alex Dunne konnte letztes Jahr in der spanischen und der ADAC-F4 Podien einfahren und in der F4 UAE im Winter seine ersten Siege holen.
Es ist natürlich immer etwas schwierig, all die Pilot*innen vor Saisonbeginn schon richtig einzuschätzen, denn die Kart-Welt verfolge ich nicht. Letztes Jahr war es Ollie Bearman, der mit Van Amersfoort Meister wurde; wie der vorgenannte Antonelli hatte er aber auch zuvor schon ein paar Rennen Erfahrung sammeln können. So wird später in der Saison auch noch der von Red Bull unterstützte Arvid Lindblad mit dem niederländischen Team in die laufende Saison einsteigen, wenn er 15 wird und damit teilnehmen darf. Der könnte dann möglicherweise für 2023 ein interessanter Starter sein.
Auch zwei junge Frauen sind in der F4 Italia am Start: Maya Weug, die erste weibliche Pilotin in der Ferrari Driver Academy, geht in ihre zweite Saison. Im Rookie-Jahr blieb sie leider punktelos und kam über einen 11. Rang nicht hinaus. Die Frauen-Wertung gewann sie dennoch gegen Hamda Al Qubaisi, die nun aber in der FRECA antritt. Die zweite Pilotin ist Rookie Victoria Blokhina, die mit PHM Racing antritt. In der F4 UAE war die Russin schon dabei, um erste Erfahrungen zu sammeln; für Punkte reichte es dabei noch nicht.
Einziger deutscher Pilot im Feld ist zu Saisonbeginn Jonas Ried, Sohn des GT-Piloten Christian Ried, der mit PHM Racing in seine zweite F4 Italia-Saison geht. Beim Auftakt der ADAC F4 schaffte er es immerhin zweimal in die Top Ten, aus der Rookie-Saison in Italien steht ein einzelner vierter Platz as Top-Resultat zu Buche, sonst gab es jedoch wenig Punkte. Nach seinem 15. Geburtstag im Mai dazukommen soll der zweite Deutsche, Valentin Kluss, mit dem Schweizer Team Jenzer.
Auf weitere Fahrer werden wir sicherlich im Laufe der Saison zu sprechen kommen, vielleicht offenbart sich aus den vielen Rookies noch der ein oder andere als Sieg- oder gar Titelanwärter. Nach dem Auftakt in Imola finden die weiteren Rennen in Misano, Spa, Vallelunga, Spielberg, Monza und Mugello statt.
Nächstes Rennwochenende: Imola (FRECA), 07.-08. Mai
(Beitragsbild: Ferrari Media)