Home TourenwagenBTCC BTCC: Brands Hatch Indy 2022 – Käpt’n Cook gleitet über das Wasser

BTCC: Brands Hatch Indy 2022 – Käpt’n Cook gleitet über das Wasser

von Sebastian Focks
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Ein regnerischer Rennsonntag sorgte am vergangenen Wochenende dafür, dass es in Brands Hatch beim zweiten BTCC-Auftritt in diesem Jahr keine BMW-Festspiele gab. Stattdessen holte sich Honda-Pilot Josh Cook eindrucksvoll zwei Laufsiege und macht zugleich damit einen Sprung auf den zweiten Platz in der Meisterschaft hinter Tom Ingram. Im letzten Lauf gelang Colin Turkington dann mit seinem ersten Saisonsieg wenigstens noch ein wenig BMW-Ehrenrettung.

Was die BMWs von West Surrey und Ciceley in der noch trockenen Qualifikation am Samstag ablieferten, war schon fast erdrückend: Colin Turkington, Jake Hill, Stephen Jelley und Adam Morgan sicherten sich geschlossen die Startplätze eins bis vier und der fünfte BMW von George Gamble war mit Startplatz sieben ebenfalls innerhalb der Top Ten zu finden. Einzig BTC-Racing-Pilot Josh Cook und Hyundai-Sperrspitze Tom Ingram schafften es auf den Plätzen fünf und sechs die BMW-Phalanx zu durchbrechen.

Der pünktlich zum Sonntag hereinbrechende Regen dürfte dann aber beim morgendlichen Blick aus dem Fenster ein Lächeln auf das Gesicht der meisten Fahrer/innen mit Frontantrieb gezaubert haben. Wenn es denn überhaupt eine Chance gegen die schon beim Saisonauftakt in Donington stark auftretenden BMW geben konnte, dann bei nassen Bedingungen.

Zum Start des ersten Laufs präsentierte sich die Strecke zwar nass, aber es fiel kein Regen mehr, was die Bedingungen noch mal etwas trickreicher machte und sich im Rennverlauf vor allem für die BMWs als nachteilig erweisen sollte. Beim Start konnten Turkington und Hill, die sich dieses Mal nicht wie noch vor zwei Wochen in Donington in einem unnötigen Infight gegenseitig aufrieben, die Führungspositionen zunächst verteidigen und auch ein wenig Platz zwischen sich und die Verfolger bringen.

Spätestens zur Rennhalbzeit war die Ideallinie dann aber so weit abgetrocknet, dass die heckgetriebenen BMWs anfingen, ihre stärker beanspruchten Hinterreifen weichzukochen, während die mehrheitlich frontgetriebene Konkurrenz mit den abtrocknenden Bedingungen deutlich besser klarkam. Bereits in Runde sieben konnte Josh Cook sich den dritten Platz von Stephen Jelley schnappen, der seinerseits bis zum Fallen der Zielflagge hoffnungslos bis auf den 20. Platz zurückfallen sollte.

Turkington und Hill kamen im Gegensatz zu ihrem Teamkollegen Jelley zwar besser mit den überhitzenden Reifen zurecht, in Runde zwölf musste sich aber zunächst Hill nach einem Quersteher in Clearways dem entfesselt fahrenden Cook geschlagen geben und fünf Runden später schnappte sich der BTC-Racing-Pilot schließlich auch die Führung von Colin Turkington. Ab jetzt entspannt dem Rennende entgegen schwimmen cruisen konnte Cook allerdings nicht: Kurz nach ihm hatte sich auch Tom Ingram an den BMWs vorbeigearbeitet und schloss bis Rennende sukzessive auf Cook auf.

Am Ende brachte Cook aber seinen verdienten ersten Saisonsieg in trockene Tücher und holte damit zugleich den ersten Sieg überhaupt für den neuen TOCA-Motor von M-Sport. Ford-Pilot Dan Cammish komplettierte in einem sehr guten Rennen, in dem er sich von Startplatz acht ebenfalls an der heckgetriebenen Konkurenz vorbeigearbeitet hatte, das Podium. Für den BTCC-Rückkehrer bedeutete Ergebnis definitiv eine Wohltat nach dem verkorksten Saisonauftakt, bei dem ihm sein Auto wegen eines abgerissen Benzinschlauchs in der Quali zur Hälfte abgebrannt war.

Auf den Plätzen vier und fünf sahen schließlich Hill und Turkington, die ihrerseits durch ein erfolgreiches Überholmanöver von Hill noch einmal die Positionen getauscht hatten, die Zielflagge. Bis zur allerletzten Kurve der letzten Runde lag zwischen ihnen außerdem noch Toyota-Pilot Rory Butcher, der von allen Beteiligten wohl das aufregendste Rennen erlebte. In einer mutigen Entscheidung, die nur auf einen verzweifelten Zustand äußerst akuten Adrenalinmangels zurückzuführen sein kann, beschloss der Schotte das Rennen als einziger Pilot auf Slicks zu starten – und das trotz einer durchweg nassen Strecke mit stehenden Pfützen und trotz des sehr aussichtsreichen neunten Startplatzes.

Um allen, die bis dahin noch unsicher waren, ob sie nicht auch auf Slicks hätten gehen sollen, zu zeigen, wie schlecht diese Entscheidung war, drehte Butcher sich dann auch gleich mal in der Einführungsrunde und verfehlte dabei nur knapp die Leitplanke. Im Rennen schaffte er es dann aber den herumschwimmenden Toyota irgendwie auf der Strecke zu halten, fiel jedoch hoffnungslos auf den letzten Platz zurück. Kurz davor überrundet zu werden, war die Strecke zur Rennhalbzeit dann aber doch weit genug abgetrocknet und der Toyota-Pilot begann plötzlich eine schnellste Rennrunde nach der anderen hinzulegen.

Recht rasch war der Anschluss zum Feld wieder hergestellt und Position um Position konnte Butcher sich dann bis auf den fünften Platz nach vorne arbeiten. Mit dem Blick fest auf den viertplatzierten Hill verlor Butcher dann aber in der allerletzten Runde doch noch das Auto, drehte sich in Clearways in den Kies und verlor wieder zwei Plätze an Colin Turkington und Adam Morgan. Knapp vor Schwager Gordon Shedden kreuzte Butcher die Ziellinie dann aber immerhin auf dem siebten Platz.

Hinter Shedden sah Ash Sutton die Zielflagge auf Position neun. Der amtierende Champion erlebte bis dahin ein eher schwieriges Brands Hatch-Wochenende, an dem er am trockenen Samstag die Balance des Ford Focus nicht in den Griff bekam und beständig unter Untersteuern am Kurvenscheitelpunkt litt, was zum schwachen 18. Startplatz führte. Das gleiche Problem hatte zwar auch Teamkollege Dan Cammish, aber diesem gelang – auch wegen mehr zur Verfügung stehender Hybrid-Leistung dank seiner schlechteren Platzierung in der Meisterschaft – eine bessere Qualifikation, was dann wiederum eine deutlich besser Ausganglage für das Rennen bedeutete und zum Podium führte

Zum zweiten Lauf war die Strecke dann dank eines zwischenzeitlich erfolgten Regengusses erneut komplett nass und dieses Mal entschied sich auch niemand dazu, mit Slicks zu zocken. Während Josh Cook seine Führung erfolgreich verteidigen konnte, schoss Jake Hill auf den zweiten Platz nach vorne und setzte sich sogleich an die Stoßstange des Honda. Noch weiter hinten eliminierten sich derweil die im ersten Lauf sehr gut auftretenden Vauxhall von Michael Crees und Ash Hand in einem Startunfall, in den auch noch Dan Rowbottom und die beiden Infiniti von Aiden Moffat und Dexter Patterson verwickelt wurden.

Hinter Cook und Hill an der Spitze etablierten sich nach den ersten Rennrunden Rory Butcher, Dan Cammish und Tom Ingram, während quasi fast der ganze Rest des Feldes zeitweise gleichzeitig auf dem sechsten Platz zu liegen schien. Hill probierte zwar ständig den führenden Cook unter Druck zu setzen, fand aber keinen Weg am erneut sehr gut fahrenden Honda-Piloten vorbei. Ganz im Gegenteil musste Hill sich plötzlich auch um Rory Butcher kümmern, der es in der sechsten Runde mit einem späten Bremsmanöver in Paddock Hill schaffte, zwischenzeitlich auf den zweiten Platz vorzurücken, was Hill aber kontern konnte und es Dan Cammish in der Folge erlaubte ebenfalls an Butcher vorbeizugehen.

Kurz vor Rennende war dann auch Cammish drauf und dran, sich ernsthaft in den Kampf an der Spitze einzumischen, als Hill sich plötzlich in der vorletzten Runde selbstverschuldet in Druids drehte und Cammish kampflos den zweiten Platz überließ. In der Reihenfolge Cook vor Cammish und Butcher kreuzten die ersten drei schließlich die Ziellinie, während es für Hill nach dem Dreher nur zum siebten Platz reichte. Dazwischen konnten sich Ash Sutton, Tom Ingram und Gordon Shedden auf den Plätzen vier bis sechs platzieren, während Dan Lloyd, George Gamble und Colin Turkington die Top Ten komplettierten. Turkington hatte sich beim Setup verzockt und war bereits kurz nach dem Start mehrere Positionen zurückgefallen.

McLaren-Boss Zak Brown wurde dann nach dem Rennen die Ehre zuteil, sich um die Startaufstellung für den dritten Lauf zu kümmern, für den der Pole Sitter ja aus den Endplatzierungen sieben bis zwölf des zweiten Laufs gelost wird. Und ohne die Loskugeln ein einziges Mal umzurühren, zog der gute Zak zielstrebig gleich mal die Kugel mit der Zwölf aus der Urne, was eine maximal möglich umgedrehte Startaufstellung für den letzten Lauf bedeutete.

Die dadurch auf die ersten beiden Startplätze gespülten Tom Chilton im Hyundai und Bobby Thompson im Cupra bekamen es im erneut nassen Rennen dann aber recht schnell mit den beiden aus den Startreihen dahinter startenden BMWs von Colin Turkington und Jake Hill zu tun. Da dieses Mal tatsächlich auch frischer Regen von oben nachkam und die Strecke nicht abtrocknete, bekamen diese nun auch keine Probleme mehr mit überhitzenden Reifen.

Bis zur sechsten Runde konnte Chilton sich zwar gegen Turkington, der bereits beim Start Platz zwei erobert hatte, wehren, musste letzten Endes aber die Führung an den amtierenden Vize-Champion abgeben. Turkington wiederum konnte sich anschließend um einige Sekunden von Hill absetzen, dem es seinerseits erst in der zehnten bzw. elften Runde gelang an Thompson und Chilton vorbeizugehen.

Während Chilton im weiteren Rennverlauf sukzessive weiter zurückfiel und schließlich sogar im Kiesbett endete, was kurz vor Schluss eine Safety Car-Phase erforderte, die Turkingtons Vorsprung wieder zunichtemachte, gelang es Bobby Thompson, sich mit seinem eher wenig konkurrenzfähigen Cupra hinter beiden BMWs auf dem dritten Platz zu halten. Thompson, der sein BTCC-Debüt im Jahr 2020 gegeben hatte und durch einige sehr gute Leistungen auffiel, seine Saison nach einem mehrfachen Überschlag in Croft dann aber vorzeitig beenden musste und sich im letzten Jahr leider kein Cockpit finanzieren konnte, setzte damit ein erstes Glanzlicht für sich und die Team HARD-Truppe.

Zugute kam Thompson dabei auch, dass Tom Ingram auf dem vierten Platz die eigentlich schnelleren Rory Butcher, Ash Sutton und George Gamble ein wenig aufhielt und somit niemand zur Spitze aufschließen konnte. Innerhalb dieser Gruppe wurde während des Rennens munter gekämpft, einschließlich eines grenzwertigen Kontaktmanövers von Butcher gegen Gamble in Paddock Hill Bend, bei dem der BMW-Pilot gleich zwei Positionen verlor und Butcher Glück hatte keine Strafe zu kassieren.

Letzten Endes schaffte Colin Turkington es trotz des durch die späte Safety Car-Phase zusammengeschrumpften Vorsprungs den letzten Sieg des Tages einzufahren und damit wenigstens ein wenig BMW-Ehre zu retten. Brands Hatch war in dieser Hinsicht im Prinzip eine Parallele zu Donington, wo die BMWs nach der Quali ebenfalls dominierend wirkten, die ersten beiden Siege am Renntag dann aber verpassten und erst im dritten Lauf – in Donington durch Jake Hill – siegreich waren.

Bobby Thompson komplettierte das Podium vor Ingram, Butcher, Sutton und Gamble. Der bis dato dominierende Josh Cook schaffte im dritten Lauf nach Startplatz zwölf immerhin noch einen guten achten Platz gefolgt von Dan Lloyd und Dan Cammish, die die Top Ten komplettierten.

Die einzelnen Ergebnisse der drei Läufe können hier im Detail studiert werden.

In der Meisterschaft macht Josh Cook als klarer Gewinner von Brands Hatch einen Riesensprung und liegt nun mit acht Punkten Rückstand auf Platz zwei hinter dem nach wie vor führenden Tom Ingram. Mit 19 Punkten Rückstand auf Ingram liegt leicht überraschend Ash Sutton auf Meisterschaftsrang drei noch vor Jake Hill und Colin Turkington, die beide 21 Punkte Rückstand haben.

Den gesamten Meisterschaftsstand einschließlich Independent- und Teamwertung gibt es hier als PDF.

Auch wenn der Renntag eine klare Sache für Josh Cook war und bis zum letzten Rennen kein BMW auf dem Podium stand, sollte man sich nichts vormachen. Einzig der Regen hat eine nach der Quali erwartbare BMW-Show im ersten und zweiten Lauf verhindert. Es wird interessant sein, ob wir in ein paar Wochen vielleicht über eine Dominanz jammern und Turkington und Hill den Titel unter sich ausmachen oder die BMWs bislang doch nicht nur am Unvermögen bzw. am Wetter gescheitert sind, sondern die Rennpace tatsächlich weniger gut ist als die bislang gezeigte Performance in der Qualifikation.

Ob sich die sehr gute Leistung fortsetzt, werden wir schon übernächstes Wochenende rausfinden können, wenn in Thruxton die nächste Saisonstation auf dem Programm steht. Der Highspeed-Kurs ist eigentlich traditionell Honda-Territorium bzw. vor allem ausgerechnet Josh Cook-Land. Der Honda-Pilot holte sich hier im vergangenen Jahr gleich drei seiner insgesamt fünf Saisonsiege – zwei zum damaligen Saisonauftakt und einem beim zweiten Gastspiel in Thruxton im September.

Man lehnt sich also nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man Josh Cook auch für Thruxton in die Favoritenrolle rückt. Allerdings muss man ein kleines Fragezeichen beim M-Sport-Motor machen, denn die Siege im letzten Jahr fuhr Cook mit dem bewährten Swindon-Aggregat ein; wie sich der neue TOCA-Motor auf dem Kurs schlagen wird, auf dem so viel Vollgas gefahren wird, wie auf keiner anderen BTCC-Strecke, muss erst mal abgewartet werden. Zudem steht Cook als Meisterschaftszweiter in der Quali und im ersten Lauf nur stark eingeschränkte Zusatzpower über den hybrid zur Verfügung, was aber in Thruxton eigentlich nicht allzu stark ins Gewicht fallen sollte.

Zugleich muss wie oben schon gesagt aber auch weiterhin mit den BMWs gerechnet werden. Es gibt eigentlich keinen Grund, warum die Autos von West Surrey und Ciceley nicht auch in Thruxton letzten Endes zumindest in der Quali wieder den Ton angeben sollten, auch wenn langsame Ecken, aus denen herausbeschleunigt werden muss, und in denen die BMWs ihre Heckantrieb-Vorteile besonders gut ausspielen können, in Thruxton rar gesät sind.

Bilder: btcc.net

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