Am nächsten Sonntag findet also das „The Greatest Spectacle in Racing“ endlich statt. Die letzten zwei Wochen standen schon ganz im Zeichen der 500-Meilen von Indianapolis.
Nach den Covid-Bestimmungen in den letzten Jahren,sind nun alle Beschränkungen aufgehoben und wir können getrost auch wieder vom größten Einzelsport-Event der Weld sprechen. Die Karten-Verkäufe liegen etwas hinter der Jubiläums-Ausgabe 2016 zurück, aber über denen von 2019. Der Indianapolis Motor Speedway wird demnach wahrscheinlich nicht ganz ausverkauft sein. Die Fernsehzuschauer in Indianapolis können das Rennen nach zwei Jahren nicht live bei NBC verfolgen. Die Black-Out-Regel im US-Sport ist dafür verantwortlich.
Während die IndyCar-Series an sich einen kleinen Boom erlebt, gab es in diesem Jahr große Probleme das Feld von 33 Startern beim Indy-500 überhaupt zu füllen. In den letzten Jahren war das größte Hindernis auf dem Weg zum Indy-500-Start das Geld. Hatte man aber als Fahrer oder Team das Budget zusammen, konnte man auch das ganze Programm auf die Beine stellen. Von einem etablierten Team konnte man sich einen Wagen, mit gewissen technischem Support, „leihen“. Ein Motorendeal mit Honda oder Chevrolet war eigentlich immer möglich und es gab auch gute Ingenieure und Mechaniker, die man verpflichten konnte. Aber gerade an diesen Punkten hackt es nun.
Die Teams werden immer professioneller und halten ihr Wissen und Können zusammen. Früher wurden die Techniker, Mechaniker und weiteres Personal nur für das Indy-500 oder die Saison verpflichtet. Entsprechend gab es genug arbeitslose Personen auf dem Markt. Team Penske hat sein IndyCar-Programm zwar auf drei Wagen reduziert, baut aber gleichzeitig ein LeMans-Programm mit Porsche auf. Und selbst wenn ein guter Mitarbeiter freigestellt wurde, so griffen schnell die anderen expandierenden Teams wie Arrow McLaren oder auch Meyer Shank Racing zu. Auch Chip Ganassi Racing baut sein Programm immer weiter aus und Andretti Autosport arbeitet an einem Formel-1-Einstieg.
Auch bei den Motorenherstellern ist es schwieriger geworden einen Deal zu bekommen. Die Einsatzzeit der aktuellen Motoren nähert sich langsam ihrem Ende. Weder Honda noch Chevrolet werden Motoren auf Halde produzieren, für die es in zwei Jahren keine Kunden mehr geben wird. Erst Anfang Mai war dann ein Packet aus Dragon Speed, Cusick Motorsport, Stefan Wilson und Chevrolet geschnürt. Somit können wir uns wieder auf ein volles Feld freuen.
Strecke
Schon 1909 als der erste Indianapolis Motor Speedway eröffnet wurde, handelte es sich schon um ein 2,5 Meilen (4,02 Kilometer) großes Oval. Auch einige Umbauten, wie zum Beispiel das Verlegen von Ziegelsteinen, die dem Oval den Namen Brickyard einbrachten, haben an der Grundkonfiguration nichts geändert. Die vier 90° Kurven mit einer Länge von jeweils 0,25 Meilen und einer Überhöhung von 9°12‘ werden durch zwei lange (0,625 Meilen) und zwei kurze Geraden (0,125 Meilen) verbunden. Das geringe Banking ist untypisch für ein US-Oval und sorgt für eine schwierige Abstimmung, da die IndyCar bei Durchschnittsgeschwindigkeiten von mehr als 220 mph (ca. 354 km/h) leicht nach außen rutschen. Eine Erhöhung des Abtriebs würde das Verhindern, aber den Topspeed vermindern. Gerade in der Qualifikation ist es ein diffiziles Spiel die richtige Einstellung zu finden.
Trainings
Der zweite Testtag am Mittwoch fiel dem Regen zum Opfer. Die Teams konnten also nicht ihr geplantes Testprogramm abspulen. Am Dienstag und Donnerstag war jeweils Takuma Sato der schnellste Pilot. Im Windschatten erreichte er Geschwindigkeiten von 228 mph beziehungsweise 226 mph. Aber auch Scott Dixon, eigentlich das ganze Team von Chip Ganassi Racing, war sehr schnell unterwegs. Ohne Unterstützung eines Vordermanns absolvierten Will Power und Rinus VeeKay die besten Runden.
Am Fast-Friday in Qualifikations-Konfiguration zogen die Geschwindigkeiten dann deutlich an. Wiederum war Takuma Sato, sowohl mit als auch ohne Windschatten, der schnellste Pilot im Feld. Seine schnellste Runde absolvierte er mit 232,789 mph. Damit lag die Geschwindigkeit noch unter der von Scott Dixon am Fast-Friday im letzten Jahr (233,302 mph). Mit Alexander Rossi auf Platz 2 gab auch Andretti Autosport ein erstes Lebenszeichen von sich. Nach dem man einige Jahre lang das dominierende Team im Mai war, musste man in diesem Jahr den Titel an Chip Ganassi Racing abgeben. Scott Dixon und Alex Palou fuhren jeweils nur eine Qualifikations-Simulation über vier Runden und erreichten damit die Plätze 5 und 12.
Qualifikation
Das Wetter war zur Qualifikation das große Thema. Eine Front mit Gewitter war im Zug auf Indianapolis. Die Startzeit wurde eine Stunde vorverlegt und aufgrund der niedrigeren Temperaturen war eine frühe Startposition von großem Vorteil. Als zweiter Pilot ging Rinus VeeKay auf seine vier Runden und brannte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 233,655 mph in den Asphalt. Das war der drittschnellste Qualifikationslauf aller Zeiten. Die Runden wurden nicht mehr gefährdet. Früh stellten Pato O’Ward und Felix Rosenqvist ihre Arrow-McLaren auf die Plätze 2 und 3 und Romain Grosjean fuhr sich sicher in die Top-12.
Im weiteren Verlauf, mit schlechteren Bedingungen, zeigten dann die Fahrer von Chip Ganassi Racing ihr Potenzial. Alex Palou, Tony Kanaan, Jimmie Johnson, Marcus Ericsson und Scott Dixon qualifizierten sich problemlos in den Top-12. Leichte Probleme hatte dagegen Team Penske. Nach ihren ersten Versuchen lagen Will Power, Josef Newgarden und Scott McLaughlin auf den Plätzen 11 bis 13. Im Vergleich zur Fast-Katastrophe im Vorjahr waren das aber riesige Sprünge nach vorne. Auch Ed Carpenter qualifizierte sich in den Top-12.
Takuma Sato wurde seine erste Zeit gestrichen, da er für seine Cool-Down-Lap nicht von der Strecke gefahren ist und so Marco Andretti irritiert hatte. Das Ende des Feldes bildeten Juan Pablo Montoya, Christian Lundgaard und Jack Harvey. Stefan Wilson konnte aufgrund von technischen Problemen nicht an der Qualifikation teilnehmen und Colton Herta ging der Motor beim ersten Versuch ein. Trotzdem waren alle für das Rennen qualifiziert.
Bevor die Gewitter aufzogen, konnte alle Piloten ihren garantierten Versuch absolvieren und somit war die Qualifikation offiziell. Die ersten Piloten, die einen zweiten Versuch starteten, waren natürlich Colton Herta und Takuma Sato. Da sich die Wolkendecke in der Zwischenzeit über dem IMS zugezogen hatte, war die Strecken-Temperatur etwas niedriger und damit von Vorteil für die Fahrer. Während Sato, trotz leichtem Mauerkontakt, sich auf Platz 12 nach vorne fahren konnte, blieb Herta nur Platz 25. Auch David Malukas konnte sich verbessern. Er verfehlte auf Platz 13 aber knapp die Top-12.
Eine kurze Regenpause unterbrach die Qualifikation. Als erster Fahrer danach versuchte sich Scott McLaughlin in die Top-12 zu fahren. Mit den herrschenden Bedingungen war er aber chancenlos und fiel auf Startplatz 26 zurück. Vor dem Abbruch durch das nächste Gewitter gab es keine Verbesserungen mehr.
Am Sonntag fand dann zum ersten Mal das Top12-Qualifying statt. Jeder Pilot hatte einen Versuch über vier Runden und die Startreihenfolge erfolgte er umgekehrter Folge der Samstags-Qualifikation. Von den fünf Chip Ganassi Piloten fuhren sich vier ohne Probleme in die Fast-6. Nur Jimmie Johnson hatte Probleme mit dem Handling und blieb auf Platz 12 hängen. Ohne Chance auf die Top-6 absolvierten Will Power, Takuma Sato und Romain Grosjean (Startplätze 11 bis 9) ihre Runden. Näher dran waren noch Pato O’Ward und Felix Rosenqvist für Arrow McLaren SP. Die einzigen Fahrer, die aber wirklich Chip Ganassi Racing herausfordern konnten, waren Ed Carpenter und Rinus VeeKay für Ed Carpenter Racing. Sie zogen auf den Plätzen 5 und 2 in die letzte Qualifikationsrunde ein.
Die Regeln für das Fast-Six-Qualifying waren dieselben wie bei den Top-12. Tony Kanaan und Marcus Ericsson waren etwas langsamer als in der vorigen Runde und blieben auf den Plätzen 6 und 5 hängen. Ed Carpenter und Rinus VeeKay bestätigten ihre Zeiten und gehen von den Plätzen 4 und 3 ins Rennen. Alex Palou wurde etwas schneller und sicherte sich so Startplatz 2. Als letzter Pilot ging Scott Dixon auf die Strecke. Über vier Runden und damit 10 Meilen und 16 Kurven fuhr er einen Durchschnitt von 234,046 mph (376,661 km/h). Nie war ein Pole-Sitter in Indianpolis schneller (bisherige Rekord: Scott Brayton mit 233,718 mph 1996) und nur Arie Luyendyk war 1996 am zweiten Qualifikationstag mit 236,986 mph über vier Runden schneller.
Nach zwei Tagen Qualifikation gehen die Fahrer in dieser Aufstellung ins Rennen. Auf der Homepage der IndyCar-Series findet man noch weitere nützliche Dokumente wie einen Spotterguide.
Favoriten
Vor einem Jahr begann ich diesen Teil der Vorschau mit „An erster Stelle muss man Scott Dixon nennen.“ Für dieses Jahr muss man diesen Satz noch einmal dick unterstreichen. Er war bei den Trainings immer vorne mit dabei und die Qualifikation war der absolute Wahnsinn. Er hat den Speed, die Erfahrung und das Können im Sparen von Benzin. Das Einzige was ihm in den letzten Jahren fehlte war das Rennglück. Vor zwei Jahren verhinderte eine Caution den letzten Angriff auf Takuma Sato und im Vorjahr verlor er, wiederum durch eine Caution, früh im Rennen eine Runde auf die Spitze. Trotzdem fuhr er noch auf Platz 17 nach vorne. Sollte das Pech ausbleiben, geht der Sieg am Sonntag an Scott Dixon.
Erste Herausforderer sind seine vier Teamkollegen. Alle Chip Ganassi Hondas waren im Mai richtig schnell und auch die Piloten haben die nötige Qualität, um das Rennen zugewinnen. Tony Kanaan ist es schon einmal gelungen und Alex Palou verlor im Vorjahr nur knapp gegen Helio Castroneves. Jimmie Johnson verfügt über die geringste IndyCar-Oval-Erfahrung, hat aber im Gegenzug unzählige 500-Meilen-Rennen in der NASCAR gewonnen und schon in Texas gezeigt, dass er auch IndyCar-Ovale kann. Außerdem könnte er in die Liga von Mario Andretti und A.J. Foyt, mit Siegen beim Indy-500 und DWaytona-500, aufsteigen. Marcus Ericsson wäre noch die größte Überraschung des Teams. Aber auch der Schwede hat schon genug Erfahrung und vor allem Sieg in seiner Karriere eingefahren.
Im Vorjahr brannten die jungen Piloten Pato O’Ward, Colton Herta und Rinus VeeKay teilweise ein Feuerwerk ab. Mit der Erfahrung sollten sie nun auch das Management von Reifen und Benzin besser hinbekommen. Der Grundspeed stimmt zumindest. Auf der anderen Seite darf man auch die alten Fahrer nicht vergessen. Diese Gruppe führt natürlich Titelverteidiger Helio Castroneves an. Auch im Vorjahr war er lange im Mai recht unauffällig unterwegs, nur um dann in den letzten Runden des Rennens zu zeigen, wie das mit dem Gewinnen funktioniert. Takuma Sato war da schon deutlich schneller in diesem Jahr und er weiß auch, wie man das Rennen gewinnt. Zu dieser Gruppe zählen auch Simon Pagenaud und Juan Pablo Montoya.
Nach den bisherigen Leistungen muss man Team Penske eher zu den Außenseiter zählen. Im Vorjahr war man noch weiter von der Spitze entfernt und am Ende kam Simon Pagenaud als Dritter ins Ziel. Auch Scott McLaughlin hatte durchaus den Speed für eine Top-10-Platzierung. Abschreiben darf man das Team also auf keinen Fall. Ein anderer Fall ist dann schon Andretti Autosport. Schon im Vorjahr war man nicht mehr das Topteam, konnte aber immerhin noch drei Wagen in den Top-12 qualifizieren. Abgesehen von Romain Grosjean war man von denen ein ganzen Stück entfernt. Anstelle sich mit den Ganassi-Hondas zu duellieren, ist man eher auf Augenhöhe von Dreyer & Reinbold Racing. Für Andretti Autosport muss schon viel zusammenspielen, um ein gutes Ergebnis zu erreichen.
Wichtige Punkte im Rennen, wie Benzinverbrauch und Reifenverschleiß, sind nach den Trainings nicht zu beurteilen. Dazu kommt noch der Faktor des Rennglücks und am Ende gewinnt ein Außenseiter, wie Alexander Rossi, Graham Rahal oder Santino Ferrucci. Die Distanz von 500 Meilen lässt halt vieles zu.
Zeitplan (local time, MEZ)
Freitag, 27. Mai
11:00 a.m. – 01:00 p.m. (17:00 – 19:00) – NTT IndyCar Series Practice (Carb-Day)
Sonntag, 29. Mai
11:00 a.m. (17:00) – Übertragungsbeginn NBC
11:45 p.m. (17:45) – Driver Introductions
12:38 p.m. (18:38) – Command to Start Engines
12:45 p.m. (18:45) – 106th Running of the Indianapolis 500 (200 laps); NBC, Sky live
Auf Sky werden Oliver Fenderl und Olivier Zwartyes das Rennen kommentieren. Als Tonoption wird auch der Originalkommentar von Leigh Diffey, Townsend Bell und James Hinchcliffe angeboten werden.
(c) Photos: IndyCar Media; Chris Jones, Christopher Owens, Richard Dowdy, Michael Harding, Walt Kuhn, Joe Skibinski, Matt Fraver, Dana Garrett