Nächstes Wochenende geht es in Silverstone richtig rund: zusammen mit der Formel 1 sind dort F2, F3 und W Series am Start. Auf eine Entwicklung der vergangenen Woche sei hier aber schon einmal hingewiesen: Jüri Vips, aktull Siebter der Formel 2-Meisterschaft, wurde vom Red Bull Junior Team – zunächst zeitweise – suspendiert, nachdem er sich in einem Twitch-Stream rassistisch geäußert hat. Red Bull prüft den Vorfall derzeit, um zu entscheiden, ob und wie es mit Vips in ihrem Programm weitergeht; sein Team Hitech hat sich auch kritisch zu Vips geäußert, aber bislang gibt es keine Info, dass er das Rennen in Silverstone nicht bestreiten wird.
In diesem Bericht werfen wir nun aber einen Blick auf die Kategorien unterhalb von F2 und F3, die in den letzten Wochen sehr aktiv waren: die FRECA und die italienische Formel 4 haben seit dem letzten Bericht – unabhängig voneinander – jeweils zwei Events abgehalten. Zum Teil wurde dabei richtig starkes Racing geboten. Das Prema-Team dominierte die Events, aber der Kampf der Mercedes- und Ferrari-Junioren in diesem Team prägt die Saison 2022. Außerdem war die ADAC F4 am vergangenen Wochenende in Zandvoort am Start und auch die GB3 ist zu ihrer Saisonmitte mal wieder einen Blick wert.
Formula Regional European Championship by Alpine
Das erste der beiden FRECA-Rennen in Le Castellet gehörte zum Besten, was ich dieses Jahr bisher an Motorsport gesehen habe, und auch zu den besten Rennen, die ich auf dem Circuit Paul Ricard je gesehen habe. Die Prema-Teamkollegen Dino Beganovic und Paul Aron haben sich über die ganze Distanz ein heißes Duell um die Führung geliefert und gezeigt, wo man auf der Strecke mit den bunten Streifen überall überholen – oder es zumindest versuchen – kann. Die Führung wechselte dabei aber auch tatsächlich mehrfach. Am Ende behielt Aron die Oberhand über den von Pole gestarteten Beganovic. Doch auch dahinter ging es sehr munter zur Sache.
Beganovic gewann dann das zweite Rennen auf der Strecke, wurde aber wegen technischer Irregularitäten disqualifiziert, diesen Sieg erbte Gabriele Mini. Es war das erste Rennen, in dem Beganovic nicht als Erster oder Zweiter gewertet wurde, die Meisterschaftsführung behielt er trotzdem. Er hat sie auch jetzt noch inne, aber mit geschrumpftem Vorsprung, denn das folgende Wochenende in Zandvoort war nicht sein stärkstes.
Auf dem Dünenkurs dominierte nämlich Paul Aron das Geschehen: zwei Poles und zwei Siege holte der Este, der das desaströse Monaco-Wochenende hinter sich gelassen zu haben scheint und nun richtig durchstartet. Für ihn ist es bereits die dritte Saison auf diesem Level, entsprechend hoch ist der Druck, sich gegen den etwa gleichaltrigen, aber weniger erfahrenen Teamkollegen durchzusetzen. Interessant ist außerdem, dass es ein Ferrari-versus-Mercedes-Duell ist, was die Akademiezugehörigkeit angeht. Dieses Thema werden wir in der F4 wiedersehen.
In Zandvoort ist das Überholen bekanntlich sehr schwierig, im Mittelfeld gab es aber durchaus ein bisschen Action. Eine bemerkenswerte Performance lieferte der „Home Hero“ Kas Haverkort ab: am Samstag holte er zunächst das dritte Podium der Saison, aber am Sonntag vollbrachte er eine für Zandvoort nahezu undenkbare Leistung: nachdem er im Startgetümmel seinen Frontflügel verloren hatte, musste er an die Box. Das Rennen musste wegen eines heftigen Unfalls, bei dem ein Pilot jenseits der Leitplanke landete, unterbrochen werden (beide Beteiligten blieben unverletzt) – und danach schaffte es Haverkort tatsächlich, in 23 Rennminuten von Platz 33 bis auf Platz 15 durchs Feld zu pflügen. Punkte gab es dafür aber leider keine…
In der Wertung liegt Haverkort nur knapp hinter der Alpine-Hoffnung Hadrien David. Der fährt zwar konstant solide Punkte ein, aber abgesehen von seinem sehr guten Monaco-Wochenende fehlen einfach die Top-Resultate. Damit bleibt er nach seiner starken 2021er-Saison etwas unter den Erwartungen. Aber es ist gerade einmal Saisonhalbzeit und damit noch einiges offen.
Stand:
- Dino Beganovic (Prema, Ferrari Driver Academy) – 174 Punkte
- Paul Aron (Prema, Mercedes Junior Team) – 138 Punkte
- Gabriele Mini (ART Grand Prix) – 135 Punkte
- Hadrien David (R-ace GP, Alpine Academy) – 100 Punkte
- Kas Haverkort (Van Amersfoort) – 97 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Hungaroring, Budapest (International GT Open), 09.-10. Juli
F4 Italia
Nach dem verkorksten Imola-Wochenende betreibt Andrea Kimi Antonelli Wiedergutmachung – und wie! Zwei Siege und ein zweiter Platz in Misano, drei weitere Siege in Spa-Francorchamps – und dann noch ein paar mehr in der ADAC F4 (siehe unten). Zumindest in der italienischen Serie haben es ihm seine Prema-Teamkollegen aber nicht ganz so einfach gemacht.
Die beiden Siege in Misano fand ich sehr überzeugend: Antonelli schaffte es auf dem primär für Motorräder ausgelegten Kurs, der für Formel-Autos wenig Überholchancen bietet, seine Teamkollegen mit gekonnten Manövern am Ende der mehrfach geknickten Gegengeraden auszubremsen (das Manöver aus Rennen 1zum Genießen: hier bei bei ca. 37:20). Rennen 3 hätte er auch um ein Haar gewonnen, konnte aber beim Safety Car-Restart zwei Minuten vor Schluss den Brasilianer Rafael Camara nicht hinter sich halten.
Camara fährt auch eine gute Saison. Er ist aktuell gegenüber James Wharton der stärkere der beiden Ferrari-Junioren bei Prema, die sich mit Antonelli (aus dem Mercedes-Lager) um die Meisterschaftsführung balgen. Der Brasilianer zeigte sein riesiges Talent auch im dritten Lauf in Spa: nachdem er am Start den Wagen abwürgte und ans Ende des Feldes zurückfiel, erreichte er in dem 33 Fahrzeuge starken Feld trotzdem noch das Podium!
Camara führt auch die Meisterschaftswertung an – noch, denn wenn der Trend sich fortsetzt, wird Antonelli bald die Spitze übernehmen. Dessen Sieg im ersten Lauf in Spa war dominant, im zweiten kabbelten sich die Prema-Piloten vorn so lange, dass sie ein Dreifach-Podium letztlich verschenkten. Antonelli fuhr in Le Combes dreimal hintereinander durch den Auslauf, um die Führung zu gewinnen oder zu verteidigen. Dass er beim dritten Mal den Platz nicht zurückgab, den Sieg aber trotzdem straflos behalten durfte, hat mich verwundert.
Stärkster Nicht-Prema-Pilot ist weiterhin Alex Dunne, der in Spa und Misano jeweils ein Podium einfahren konnte, aber einfach nicht konstant genug Spitzenresultate liefert, um gegen die Prema-Phalanx ernsthaft etwas ausrichten zu können. Auch der Franzose Marcus Amand überzeugt durch konstant gute Resultate, aber es fehlen die Highlights.
Die belgische Pilotin Maya Weug, Mitglied der Ferrari Driver Academy, präsentiert sich in ihrer zweiten Saison in dieser stärksten F4-Serie auch sehr ordentlich. Fünf Punkte-Resultate aus neun Rennen sind in dem 36 Fahrer*innen umfassenden Feld eine gute Bilanz und ein großer Fortschritt gegenüber 2021, als sie das ganze Jahr über Zähler blieb. Schon jetzt am Wochenende hat sie in Vallelunga die nächste Chance auf Punkte, und zwar gleich viermal, denn dort wird ein Rennen mehr ausgetragen als üblich.
Stand:
- Rafael Camara (Prema, Ferrari Driver Academy) – 147 Punkte
- Andrea Kimi Antonelli (Prema, Mercedes Junior Team) – 144 Punkte
- Alex Dunne (US Racing) – 108 Punkte
- James Wharton (Prema, Ferrari Driver Academy) – 79 Punkte
- Charlie Wurz (Prema) – 72 Punkte
12. Maya Weug (Iron Lynx, Ferrari Driver Academy) – 20 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Vallelunga, 02.-03. Juli
ADAC Formel 4
Die deutsche F4-Meisterschaft fährt – mehr oder weniger – abwechselnd mit der italienischen und in diesem Jahr nutzt Prema das bisher voll aus und trat auch in dieser Serie bei allen Läufen mit vollem Kontingent an – so auch jüngst in Zandvoort, wo allerdings mit dem deutschen US Racing-Team eine andere Top-Mannschaft aussetzte. Damit hatte leider Marcus Amand keine Chance, seine gute Meisterschaftsposition zu verteidigen.
Wie schon eine Woche zuvor bei der FRECA zeigte sich Zandvoort wieder als ein Kurs, auf dem selbst in den Nachwuchsformel die Rennen oft recht statisch sind. Insofern hatte Kimi Antonelli keine Probleme, seine Pole in den Rennen 1 und 2 jeweils ungefährdet in einen Sieg umzuwandeln. Beide Male folgte ihm sein Haupt-Kontrahent Camara mit Respektabstand ins Ziel. Für Camara bleibt immerhin der Rookie-Titel, um den Antonelli nicht mitfährt.
Im dritten Lauf konnte Conrad Laursen, der bisher in dieser Saison – über beide F4-Serien betrachtet – der schwächste der Prema-Piloten ist, seinen ersten Saisonsieg feiern. Von Startplatz 2 im Reverse Grid aus eroberte er früh die Führung. Von hinten stießen Antonelli und Wurz durchs Feld. Einige Runden vor Schluss hing Wurz in Laursens Getriebe. Derhatte schon im ersten Lauf gezeigt, dass er einen Platz in Zandvoort zu verteidigen weiß, da verteidigte er einen Podiumsplatz über 20 Minuten gegen die Angreifer James Wharton und Nikita Bedrin.
Der Däne schaffte es tatsächlich, alle Angriffe Antonellis (der vorher mehrere Piloten nach dem gleichen Schema zwischen Turn 2 und 3 geschickt überholt hatte) fair abzuwehren und gewann am Ende mit fünf Hundertstelsekunden Vorsprung. Laursen hat Highlight-Rennen wie dieses, in Spa konnte er in der italienischen und der deutschen F4 Podien einfahren, aber auf lange Sicht konnte er sich bisher nicht gegen Antonelli, Camara, Wurz und meist auch Wharton durchsetzen. Nach dem Reverse Grid-Sieg liegt er auf Rang 3 aber zunächst mal auf Rang 3 der Meisterschaftswertung.
Stärkster Nicht-Prema-Pilot ist in der ADAC F4 Taylor Barnard, der in Zandvoort mit zwei sechsten Plätzen und einem vierten Rang ein gutes, aber kein überragendes Wochenende hatte. Im Reverse Grid-Rennen lag er eine Zeit lang auf Podiumskurs, konnte aber Antonelli und Wurz nicht hinter sich halten. Aber es ist schön zu sehen, dass das neue Team PHM Racing aus Berlin, das als gemeinnützige GmbH operiert, sich gut eingefunden hat und direkt im ersten vollen Jahr um die Top-Platzierungen mitfahren kann. Neben Barnard ist Nikita Bedrin für PHM am Start, auch der unter italienischer Flagge startende Russe fährt eine gute zweite F4-Saison und bestätigt das in 2021 gezeigte Talent.
Stand:
- Andrea Kimi Antonelli (Prema, Mercedes Junior Team) – 205 Punkte
- Rafael Camara (Prema, Ferrari Driver Academy) – 155 Punkte
- Conrad Laursen (Prema) – 93 Punkte
- Taylor Barnard (PHM Racing) – 86 Punkte
- Charlie Wurz (Prema) – 83 Punkte
- Nikita Bedrin (PHM Racing) – 61 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Nürburgring Sprintkurs (ADAC GT Masters), 05.-07. August
GB3 Championship
Einmal kurz wollen wir noch von Zandvoort aus über den Ärmelkanal schauen, wo in Norfolk die wichtigsten britische Nachwuchsformel unterwegs war, die GB3. Hier finden wir einen Fahrer an der Tabellenspitze, der im Vorjahr zu den Top-Piloten der ADAC Formel 4 gehörte: Luke Browning. Der Dritte der deutschen Serie 2021 liefert sich dieses Jahr heiße Duelle mit Joel Granfors, so etwa auch im zweiten Lauf in Snetterton am vergangenen Wochenende.
Browning startete von Pole und führte vor Granfors, ein paar Minuten vor Schluss schmiss der den Sieg mit einem Fehler in der Brundle/Nelson-Schikane beinahe weg, konnte sich aber gerade so gegen Granfors behaupten und als erster über die Linie fahren. Es war sein erster Sieg sein dem Auftakt-Wochenende in Oulton Park. Gransfors ist aus der britischen F4-Meisterschaft aufgestiegen, der aktuelle Drittplatzierte, Roberto Faria aus Brasilien, ist bereits in seiner dritten British F3/GB3-Saison, sodass hier drei Piloten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen aufeinander treffen und um den Titel kämpfen.
Vierter in der Tabelle ist der in der Schweiz geborene Callum Voisin, der aus der Ginetta Junior Championship nun in die Monoposto-Serie gewechselt ist. Er gewann den ersten Lauf in Snetterton, im zweiten aber ein gute Resultat wegschmiss, als er ohne Fremdeinwirkung im Infield über den Kerb hinaus aufs Gras kam (auf britischen Kursen kann sowas noch passieren) und sich ins Aus drehte.
Der dritte Lauf wird bei der GB3 immer in komplett umgekehrter Reihenfolge der Quali gestartet, es gibt weniger Punkte für den Sieg als in den anderen Rennen, aber dafür einen Punkt für jeden gewonnenen Platz. Als Sieger ging der Däne Mikkel Grundtvig über die Linie, der damit bereits vier dieser Reverse Grid-Läufe gewonnen hat, sonst aber nicht viel Zählbares vorweisen kann. Die beiden Meisterschaftskontrahenten nahmen sich nicht viel, sie kamen auf den Rängen 15 (ein Punkt für Browning) und 16 ins Ziel und bekamen jeweils fünf Zähler für Überholmanöver, das Safety Car reduzierte die Möglichkeiten für mehr Platzgewinne.
Das nächste Rennwochenende findet – eine Woche vor dem 24h-Rennen – als Teil der SRO Speedweek in Spa-Francorchamps statt.
Stand:
- Luke Browning (Hitech) – 237 Punkte
- Joel Granfors (Fortec) – 226 Punkte
- Roberto Faria (Carlin) – 185 Punkte
- Max Esterson (Douglas) – 179 Punkte
- Callum Voisin (Carlin) – 171 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Spa-Fracorchamps (SRO Speedweek), 22.-24. Juli
(Quelle Beitragsbild: Ferrari Media)