Der Text hätte eigentlich letzte Woche online gehen sollen, vor den Monza-Rennen von F2 und F3 – da ist leider was schiefgelaufen, aber ich lasse ihn trotzdem mal stehen. Einen Rückblick auf die inzwischen absolvierten Rennen gibt es später, war diese Woche leider zeitlich nicht drin. Achtung, Spoiler: F3-Champion ist Victor Martins geworden! ;-)
Die Rennen in Spa und Zandvoort waren vorentscheidend in den Titelkämpfen: in der Formel 2 kann sich Felipe Drugovich schon beinahe sicher als Meister feiern, in der Formel 3 steht uns ein spannendes Duell zwischen Victor Martins und Isack Hadjar bevor – mit Außenseiter-Chancen für mehrere andere, falls diese beiden patzen. Aber auch noch zwei andere wichtige europäische Junior-Formeln sind an diesem Wochenende am Start: die Formula Regional Eiropean Championship by Alpine und die italienische F4-Meisterschaft kehren am Red Bull-Ring aus der Sommerpause zurück.
In der FRECA führt nach wie vor Dino Beganovic die Tabelle an. Sein Polster war in Zandvoort und Budapest geschrumpft, aber mit einem starken Wochenende in Spa baute er den Vorsprung wieder auf aktuell 41 Punkte (auf Gabriele Mini) bzw. 44 Punkte (auf seinen Prema-Teamkollegen Paul Aron) aus. Dieses Trio wird in den verbleibenden drei Events die Meisterschaft unter sich ausmachen. Ein bereits bekannter Name feiert sein Comeback in der Serie: Pierre-Louis Chovet kehrt mit dem Team RPM zurück in die FRECA, die er 2020 bereits einmal als Gesamt-Fünfter abschloss. Sein Aufstieg in die F3 ging dann leider daneben, dieses Jahr fuhr der 20-jährige Franzose einige GT-Rennen, aber anscheinend hat er mit seiner Formelkarriere doch noch nicht abgeschlossen. Er ersetzt den glücklosen Pietro Delle Guanti (1 Punkte). Außerdem neu dabei ist die Tschechin Tereza Bábícková (G4 Racing), die auch in der W Series antritt, dort aber aktuell punktelos auf dem letzten Tabellenplatz liegt.
Ein spannenderes Debüt steht in der F4 Italia an: Der britische Red Bull-Junior Arvid Lindblad ist jüngst 15 geworden und darf nun endlich sein F4-Debüt feiern. Dies wird er bei Van Amersfoort Racing tun, die im Vorjahr Ollie Bearman zum Titel in dieser Serie verholfen haben. Dieses Jahr lief es bisher für Van Amersfoort nicht sonderlich in der italienischen F4. Kann Lindblad direkt so einschlagen wie Kimi Antonelli im Vorjahr, als er ebenfalls nach der Sommerpause einstieg und wenig später beim Saisonfinale in Mugello dreimal aufs Podium fuhr? Im Rennen um den diesjährigen Titel liegt der 16-jährige Italiener deutlich vorn, nachdem er acht der letzten neun Rennen gewonnen hat. Die spannendste Frage ist, ob er die elf Saisonsiege von Bearman 2021 knacken kann. Als einziger potenziell noch gefährlich werden kann ihm Ferrari-Junior und Prema-Teamkollege Rafael Camara. Nicht zu schmälern ist aber auch die starke Saisonleistung des Iren Alex Dunne, der als bester Nicht-Prema-Pilot auf P3 liegt, wenn auch mit 87 Punkten Rückstand. Dunne führt außerdem parallel die britische F4-Meisterschaft deutlich an.
Formel 2
Zwei rabenschwarze Wochenenden für Theo Pourchaire und der erste Sieg für Felipe Drugovich seit Monaco haben das Rennen um den Formel 2-Tittel aller Wahrscheinlichkeit nach vorzeitig entschieden: sage und schreibe 69 Punkte liegt der Brasilianer nun – zwei Events vor Schluss – vorn. Selbst mit zwei perfekten Events (maximal 39 Punkte sind an einem Wochenende zu holen) ist das nur noch dann zu drehen, wenn Drugovich so gut wie keinen Punkt holt. Und basierend auf seiner bisherigen Saison ist das höchst unwahrscheinlich, denn gerade mit seiner Konstanz hat der MP-Pilot von Beginn an geglänzt.
Im Hauptrennen von Zandvoort gelang ihm – endlich mal wieder – Sieg, von der Pole aus. Die Pole hatte er auch in Spa geholt, da musste er sich aber Jack Doohan nach dessen Undercut an der Boxenausfahrt geschlagen geben. Sein französischer Kontrahent dagegen hatte in Spa großes Pech: auf Platz 7 liegend, hatte sein ART-Bolide ausgangs Raidillon plötzlich keinen Vortrieb mehr, auf der Kemmel-Gerade war schmerzhaft mit anzusehen, wie ihn das gesamte Feld passierte.
Spannender ist der Kampf dahinter, und hier geht es um wichtige Superlizenz-Punkte und einen potenziellen Aufstieg in die Formel 1. Alpine sucht noch einen Ersatz für Alonso und Piastri; zwar werden hier vor allem Namen aus dem aktuellen F1-Feld genannt, aber Alpine hat mit Jack Doohan auch einen starken Mann im Nachwuchskader, der zudem einen großen Namen hat. Sollte Gasly den Alpine-Sitz bekommen, wird bei Alpha Tauri ein Cockpit frei – und in den Top 10 der Formel 2 liegen aktuell mit Lawson, Iwasa, Vips und Daruvala vier Red Bull-Junioren.
Jüri Vips ist nach seinem rassistischen Ausfall im Videospiel-Stream wohl raus, sein Mitbewohner Liam Lawson könnte aber Chancen haben. Dank seiner starken DTM-Saison im Vorjahr hat er auch ein gutes Polster an Superlizenz-Punkten: wenn ich nichts übersehen habe, kommt er auf 35 Punkte aus den letzten beiden Jahren, sodass er nur 5 weitere aus der Saison 2022 bräuchte – und dafür muss er mindestens Achter in der F2-Gesamtwertung werden. Aktuell ist er Fünfter, mit 20 Punkten Vorsprung auf Vips auf Platz 8.
Dass das Finale erst nach unsäglichen zwei Monaten Pause in Abu Dhabi stattfindet, ist für die F1-Chancen der Nachwuchspiloten in einem so engen Feld leider schlecht, denn Teams, die Planungssicherheit wollen, möchten nicht bis Mitte November warten, welcher Pilot denn verfügbar ist. Ein Saisonende im September wäre – gerade für die F2 und die Chancen der hier antretenden Fahrer – viel besser. Auch Wiliams Academy-Mitglied Logan Sargeant wird mit einem Auge darauf schielen, was Williams macht. Er liegt aktuell auf P3 der Meisterschaft, der die vollen 40 Punkte bringen würde; er bräuchte noch 13 Punkte und damit mindestens Platz 5 in der Endwertung. In Zandvoort verpasste er die Chance, seinen Vorsprung auf die Konkurrenz um diesen dritten Rang weiter auszubauen, als er sich direkt nach dem Start von Pölatz 3 aus in der Tarzanbocht bös verbremste und in den Kies rodelte. Beim Versuch, sich wieder nach vorn zu arbeiten, touchierte er anderthalb Runden später eingangs der schnellen Scheivlak-Kurve das Heck von Ralph Boschung und flog heftig ab, was eine rote Flagge hervorrief.
Zur Rennmitte gab es dann noch eine Safety Car-Phase, nachdem Marino Sato in Turn 3 gecrasht war. Diese Gelbphase zerstörte das Rennen aller Piloten auf der „alternativen Strategie“ (d.h. auf harten Reifen starten und spät auf weiche wechseln), so auch das von Theo Pourchaire und des zu diesem Zeitpunkt führenden Liam Lawson. Lawson führte das Feld zur Vermeidung von Windschatten langsam auf die Start-Ziel-Gerade, was zu Nervosität im Feld dahinter führte – wir kennen es etwa von der F1 aus Mugello 2020.
Es kam gleich zu mehreren Auffahrunfällen: Richard Verschoor schob den um den Sieg kämpfenden Jack Doohan ins aus, weiter hinten versuchte Clement Novelak, Jehan Daruvala nicht zu treffen und fuhr dadurch Tatjana Calderon ins Heck. Von den vier genannten war Verschoor der einzige, der das Rennen (mit demolierter Nase) fortsetzen konnte. Eine Strafe bekam er nicht, da die Kollision der allgemeinen Konfusion zuzuschreiben war, und so konnte sich der Niederländer am Ende mit etwas Glück über Platz 2 vor heimischen Publikum freuen. Wäre ihm nicht der Sieg in Österreich wegen einer zu geringen Spritmenge im Tank nachträglich aberkannt worden, läge auch er voll im Rennen um Platz 3.
Stand:
- Felipe Drugovich (MP Motorsport) – 233 Punkte
- Theo Pourchaire (ART, Sauber Academy) – 164 Punkte
- Logan Sargeant (Carlin, Williams Academy) – 130 Punkte
- Jack Doohan (Virtuosi, Alpine Academy) – 121 Punkte
- Liam Lawson (Carlin, Red Bull Junior Team) – 119 Punkte
- Ayumu Iwasa (DAMS, Red Bull Junior Team) – 114 Punkte
- Enzo Fittipaldi (Charouz) – 111 Punkte
- Jüri Vips (Hitech, Red Bull Junior Team) – 99 Punkte
- Jehan Daruvala (Prema, Red Bull Junior Team) – 95 Punkte
- Marcus Armstrong (Hitech) – 91 Punkte
- Frederik Vesti (ART, Mercedes AMG Junior Team) – 91 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Monza (F1), 09.-11. September
Formel 3
Keiner der Piloten, die als Top 5 in die Sommerpause gegangen waren, ist sauber durch die beiden Benelux-Rennen gekommen – aber einige doch besser als andere. So scheinen wir nun einen Zweikampf um den Titel in Monza zu haben: Alpine-Junior Victor Martins vs. Red Bull-Junior Isack Hadjar. Aber: wenn beide patzen, haben die vier dahinter noch eine Chance – und eine schlechte Quali außerhalb der Top 12 (die für den Sprint umgedreht werden) kann schnell zu einem punktearmen Wochenende führen.
In Spa ereilte das am verregneten Freitag sowohl Martins als auch Hadjar, die nur von den Plätze 23 und 24 ins Rennen gingen. Da waren nicht viele Punkte zu holen, während Roman Stanek von den Startplätzen 8 und 5 aus zweimal Zweiter wurde und nun plötzlich der erste Verfolger der beiden ist. Wie im Vorjahr hatte sein Team Trident in Spa ein starkes Setup parat. Das kam auch Zane Maloney zu Gute, der das Feature Race am Sonntag von Startplatz 2 aus gewinnen konnte. Maloney ist der Star der späten Saisonphase: Platz 2 im Hauptrennen von Ungarn schien schon stark, aber dann gewann der am Sonntag in Spa – und die Woche darauf in Zandvoort auch wieder! Die Hymne von Barbados wird langsam zum Ohrwurm.
Arthur Leclerc hat seine Kombination aus Quali-Pech und Quali-Schwäche weiterhin nicht abschütteln können. In Spa war das Wetter Schuld, aber auch in Zandvoort gelang ihm keine gute Runde, wobei die Quali dort auch wegen eines Abfluges kurz vor Schluss abgebrochen werden musste. So durfte er viermal aus dem Bereich um P20 ins Rennen gehen und konnte wieder einmal seine Überhol-Künste beweisen. Im Sprint von Spa waren diese für einen starken fünften Platz im Ziel gut, aber die anderen drei Male verpasste er die Punkte jeweils knapp. Der Monegasse ist damit raus aus dem Titelrennen, sein Rückstand auf den Führenden Martins hat sich in den zwei Events von 9 auf 25 Punkte erhöht, in der Tabelle reicht das nur noch für Platz 6.
Die vor der Zeit beendete Quali in Zandvoort versaute auch Leclercs Teamkollegen Ollie Bearman das Zandvoort-Wochenende, er kam gerade auf einer schnellen Runde aus dem Banking heraus, als die rote Flagge geschwenkt wurde. Die Niederlande musste er punktelos verlassen, nachdem er sich eine Woche zuvor in Spa noch als Titelkandidat ins Spiel hatte bringen können: dort nämlich gelang dem F4-Doppelchampion von 2021 endlich sein erstes Formel 3-Sieg, von Startplatz 5 aus. Am Sonntag schaffte er es vom achten Startplatz auch wieder aufs Podium. 21 Punkte Rückstand dürften aber auch zu viel sein, um noch aus eigener Kraft den Titel holen zu können.
Erwähnenswert ist außerdem noch das starke F3-Debüt von Sebastian Montoya in Zandvoort: Platz 7 in der Quali war schon stark, aber dass er diesen als Rookie im Campos-Team dann auch direkt in zwei achte Plätze in den beiden Rennen umsetzen konnte, ist bemerkenswert. Es zeigt auch, wie schwierig und speziell die FRECA ist, denn da ist er bisher in seiner Rookie-Saison (mit Prema wohlgemerkt) auch noch nicht oft über Platz 8 hinaus gekommen. Ein Aufstieg sollte für den Sohn von Juan Pablo damit erstrebenswert sein, die Frage ist, in welchem F3-Team sich ein Platz findet.
Stand:
- Victor Martins (ART, Alpine Academy) – 126 Punkte
- Isack Hadjar (Hitech, Red Bull Junior Team) – 121 Punkte
- Roman Stanek (Trident) – 109 Punkte
- Oliver Bearman (Prema, Ferrari Driver Academy) – 105 Punkte
- Zane Maloney (Trident) – 102 Punkte
- Arthur Leclerc (Prema, Ferrari Driver Academy) – 101 Punkte
- Jak Crawford (Prema, Red Bull Junior Team) – 90 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Monza (F1), 09.-11. September