Zunächst bitte ich die lange Funkstille zu entschuldigen, gerade jetzt in der Saison-Endphase. Inzwischen haben die meisten europäischen Nachwuchs-Serien ihre Saisons beendet oder bereits vorzeitig einen Meister gefunden – Grund genug, dass wir uns gleich einen schnellen Überblick verschaffen. Außerdem wurde die Saison der W Series vorzeitig beendet, da das Geschäftsmodell wohl doch nicht tragfähig war; Champion ist zum dritten Mal Jamie Chadwick. Die Zukunft dieser Serie steht noch in den Sternen.
Vor dem Rückblick möchte ich auf die FIA Motorsport Games hinweisen, die an diesem Wochenende auf dem Circuit Paul Ricard in Südfrankreich ausgetragen werden. Die Idee stammt von Stephane Ratel, seine SRO veranstaltete das Event erstmalig 2019 in Rom; die zweite Ausgabe wurde Covid-bedingt mehrfach verschoben und steht nun also endlich vor der Tür. Im Stile einer „Motorsport-Olympiade“ treten Nationalteams in verschiedenen Motorsport-Disziplinen an. Gegenüber 2019 hat sich die Zahl der Kategorien mehr als verdoppelt, neben Sport- und Tourenwagen, Esports und Drifting gehören nun zum Beispiel auch mehrere Kart-Disziplinen sowie Rallye, Crosscar und Autocross dazu.
Aus Sicht dieses Beitrages ist natürlich die Kategorie Formel-Rennsport die spannendste: diese wird mit F4-Fahrzeugen ausgetragen. Zwar wäre es sicher auch spannend, wenn hier im Sinne eines „Race of Champions“ Star-Piloten auf gleichem Material gegeneinander antreten würden, doch sieht das Reglement vor, dass kein Pilot im F4-Cup mehr als zwei Saisons in einer F4-Meisterschaft absolviert haben darf. Auch darf er oder sie noch nicht in der FRECA oder einer höheren Meisterschaft angetreten sein. De facto ist es also eine Art F4-Weltcup, ähnlich dem, was Macau für die F3 ist (oder war), mit der Einschränkung, dass nur ein Pilot pro Nation dabei ist.
Star und Favorit dürfte Andrea Kimi Antonelli sein, der für Italien antritt. Er hat jüngst die Titel in der deutschen und der italienischen F4-Meisterschaft errungen, dazu gleich mehr. Für Deutschland startet Valentin Kluss, der erst seit seinem 15. Geburtstag im Mai in die laufenden F4-Meisterschaften einsteigen durfte, dort aber schon einiges an Potenzial zeigte; in der ADAC F4 gelang ihm sogar ein Podium am Lausitzring. Österreich wird durch Charlie Wurz vertreten, der eine sehr ordentliche Debütsaison mit Prema in der italienischen F4 hinlegte (ein Sieg, fünf weitere Podien, Gesamtrang 4).
„Große Namen“ (bezogen auf F4-Level) sind ansonsten rar gesät. Für Frankreich ist Pablo Sarrazin, Sohn von Stephane, dabei, der seine erste Saison in der französischen F4-Meisterschaft absolviert hat. Er ist KCMG-Entwicklungsfahrer – und KCMG stellt auch die Chassis für diesen Wettbewerb und das Preisgeld von 10.000€ bereit. Mit Julius Dinesen ist der Meister der dänischen Formel 4 dabei. Die Ukraine ist mit Oleksandr Partyshev vertreten, der einen Großteil der F4 Italia-Saison bestritten hat, dabei allerdings punktelos blieb. Aber dieser Wettbewerb bietet ja auch abseits der bekannten Namen vielleicht die Chance, dass sich jemand Neues im Kampf um die Podiums- bzw. Medaillenplätze zeigt.
Nach einer einzelnen Quali-Session werden zwei Rennen gefahren: ein 20-minütiges Qualifikationsrennen am Samstag und dann das Hauptrennen über 30 Minuten am Sonntag.
Formel 2
Die Formel 2-Saison ist noch nicht abgeschlossen, denn es steht noch ein Event – im Rahmen des F1-Saisonfinales – in Abu Dhabi aus. Doch der Titelkampf ist bereits entschieden: Felipe Drugovich ist nach dem Rennwochenende in Monza nicht mehr einzuholen. Théo Pourchaire war nach seinem schwachen Wochenende in Zandvoort bereits nahezu chancenlos, und auch in Monza gelang es ihm wieder nicht, sich in den Top 10 zu qualifizieren. Der brasilianische Spitzenreiter dagegen holte in Zandvoort Pole und Hauptrenn-Sieg, in Monza reichte bereits ein Nuller für beide Kontrahenten, um das Titelrennen zu beenden. Befreit vom Druck holte Drugovich nach P4 in der Quali im Hauptrennen dann noch einen soliden sechsten Platz. Inzwischen wurde er auch von Aston Martin als Nachwuchspilot verpflichtet.
An extraordinary season from an extraordinary racer… 💫
Parabéns, @FelipeDrugovich! #F2 pic.twitter.com/UnwbwnsNOa
— Formula 2 (@Formula2) September 10, 2022
Die Rennen waren – wie oft bei Nachwuchsformeln auf dieser Strecke – einigermaßen turbulent, und im Hauptrennen durchkreuzte eine ungünstige Safety Car-Phase allen, die auf der alternativen Strategie unterwegs waren (also auf einen späten Reifenwechsel setzten) komplett den Plan. Der zu dem Zeitpunkt führende Marcus Armstrong bekam so spät den Call, in die Box zu kommen, dass er nach der Commitment Cone noch hektisch in die Box driftete, bekam dafür aber auch noch eine Strafe zum ohnehin strafenden Safety Car hinzu. Am Ende konnte Jehan Daruvala seinen ersten Saisonsieg einfahren, gefolgt von Frederik Vesti, der nach ein paar schwachen Rennen am Monza-Wochenende wieder auftrumpfen konnte.
Auch der zweite Platz von Pourchaire ist ziemlich sicher, in Abu Dhabi geht es daher vor allem noch um die Rangfolge auf den Plätzen 3-10 und damit um wichtige Superlizenz-Punkte. Vor allem Logan Sargeant, aktuell Dritter, steht unter Druck, denn er wurde bereits für das Williams-F1-Cockpit angekündigt, unter der Bedingung, dass er die nötigen Lizenzpunkte einfährt. Darauf schauen wir aber kurz vor dem F2-Finale noch einmal genauer.
Stand:
- Felipe Drugovich (MP Motorsport) – 241 Punkte
- Theo Pourchaire (ART, Sauber Academy) – 164 Punkte
- Logan Sargeant (Carlin, Williams Academy) – 135 Punkte
- Jack Doohan (Virtuosi, Alpine Academy) – 126 Punkte
- Jehan Daruvala (Prema, Red Bull Junior Team) – 126 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Abu Dhabi (F1), 19.-20. November
Formel 3
Für die Formel 3 war das Event in Monza bereits das Finale, also musste ein Champion gekürt werden. Der Kampf schien vor allem zwischen Victor Martins und Isack Hadjar zu sein, doch auch Ollie Bearman blies nach dem punktelosen Wochenende in Zandvoort nochmal zum Angriff: Mit Platz 2 im Samstagsrennen, das Franco Colapinto gewann, konnte, der Brite Punkte auf alle Titelkontrahenten gutmachen. Martins und Hadjar fielen bereits im Startgetümmel weit zurück und verloren damit die Chance auf nennenswerte Punkte (Martins konnte noch einen erringen).
FIA FORMULA 3 CHAMPION 🏆
We did it. @ARTGP @AlpineF1Team @FIAFormula3Thank you to everyone involved 🙌🏼#VictoryLane #EveryDetailCounts #AlpineF1Team #AlpineAcademy #ARTGrandPrix #F3 #RoadToF1 #ItalianGP
➖
📸 DPPI / @DutchPhotoAg pic.twitter.com/B8t5IgieC7— Victor MARTINS 🇫🇷 (@VictorMartinsFR) September 11, 2022
Der Sonntag war dann der Tag des Zane Maloney, der von Startplatz 2 aus in der ersten Schikane die Führung eroberte. Bearman musste sich zunächst mit seinem Teamkollegen Leclerc kabbeln und verlor dadurch Zeit; er gehörte zu den Schnellsten auf der Strecke und fuhr bis auf Platz 2 nach vorn. Doch dann wurde seine Jagd auf Maloney und einen potenziellen Titel jäh unterbrochen, als Kush Maini und Brad Benavides ausgangs Lesmo 2 aneinander gerieten und in den Reifenstapeln landeten. Das Safety Car kam auf die Strecke und schließlich musste das Rennen abgebrochen werden. Aber noch war keine Ruhe am ART-Kommandostand, denn es mussten noch die Auswirkungen einer Zeitstrafe für Victor Martins ausgetüftelt werden – aber nach ein paar Minuten war klar: der Franzose ist der verdiente neue Formel 3-Champion, vor Zane Maloney, der sich im Laufe der Saison enorm steigerte und die letzten drei Hauptrennen gewann. Bearman beendete die Saison knapp dahinter auf Platz 3, vor Isack Hadjar, der an diesem Wochenende Pech hatte.
Endstand:
- Victor Martins (ART, Alpine Academy) – 139 Punkte
- Zane Maloney (Trident) – 134 Punkte
- Isack Hadjar (Hitech, Red Bull Junior Team) – 132 Punkte
- Oliver Bearman (Prema, Ferrari Driver Academy) – 123 Punkte
- Roman Stanek (Trident) – 117 Punkte
Formula Regional European Championship by Alpine
Die FRECA-Saison ist am vergangenen Wochenende in Mugello zu Ende gegangen. Die Strecke macht mit Junior Single Seater-Serien ordentlich Spaß, aber aufgrund der vielen und nahen Kiesbetten werden die Rennen auch immer wieder durch Safety Car-Phasen unterbrochen. Der Titel für Ferrari-Junior von Dino Beganovich war schon vorher nahezu safe, ein vierter Platz im ersten Lauf reichte, um den Sack zuzumachen. Beganovich wird gemeinsam mit seinem Prema-Teamkollegen in die Formel 3 aufsteigen, beide bleiben beim italienischen Team.
Lauf 1 gewann eben dieser Paul Aron, der Mugello-Dominator des Vorjahres, von der Pole aus, während sein Konkurrent um Platz 2 in der Wertung, Gabriele Mini, bei einem riskanten Duell mit Gabriele Bortoleto ausschied. Mini gab aber auch am Sonntag wieder alles: nach dem Start von Platz 3 überholte er Joshua Dufek in der ersten Kurve außen herum und gegen Ende des ersten Renndrittels zog er per Push-to-Pass noch vor Turn 1 am führenden Bortoleto vorbei. Diese Position sollte er bis ins Ziel behalten. Paul Aron dagegen hatte sich nur auf Startplatz 16 qualifiziert und konnte sich nur bis auf P11 nach vorn fahren. Ein Punkte fehlte dem Esten am Ende für den Vize-Titel, den er bei Punktgleichstand bekommen hätte – denn Aron hat von allen Piloten 2022 die meisten Rennsiege eingefahren (sechs gegenüber drei von Mini und vier von Beganovich)
Leonardo Fornaroli reichte ein achter Platz im letzten Lauf, um sich den Rookie-Titel gegen Joshua Dufek zu sichern, der zwar an diesem Wochenende mehr Punkte holte, aber eben nicht genug (83 zu 79). Da sich Rookies in der FRECA meist schwer tun, kommt dieser eigenen Wertung durchaus Bedeutung zu. Der gut in die Saison gestartete Sebastian Montoya konnte bei den letzten vier Events nichts Zählbares mehr einfahren, wird allerdings nächstes Jahr voraussichtlich trotzdem in die F3 aufsteigen. Der einzige Deutsche in der Serie, Tim Tramnitz, verpasste in Mugello zweimal recht knapp die Punkte, er wurde am Ende fünftbester Rookie.
Endstand:
- Dino Beganovich (Prema, Ferrari Driver Academy) – 282 Punkte
- Gabriele Mini (ART) – 242 Punkte
- Paul Aron (Prema, Mercedes Junior Team) – 241 Punkte
- Hadrien David (R-ace, Alpine Academy) – 224 Punkte
- Kas Haverkort (Van Amersfoort) – 187 Punkte
F4 Italia
Auch die italienische Formel 4 hielt ihr Saisonfinale am vergangenen Wochenende in Mugello ab, und auch hier stand der Sieger eigentlich schon fest: Andrea Kimi Antonelli hatte die gesamte Saison dominiert, und um das zu unterstreichen, holte er auch in Mugello alle drei Rennsiege. 13 von 21 Läufen beendete er auf der obersten Stufe des Podiums, das sind noch einmal zwei mehr als bei Ollie Bearman, der diese stark besetzte Serie im Vorjahr dominiert hatte. Der 16-jährige Antonelli wird aber – anders als Bearman – wahrscheinlich erst einmal in die FRECA aufsteigen und nicht direkt in die F3 wechseln.
Den zweiten Platz sicherte sich der Ire Alex Dunne, der in den ersten beiden Läufen auch Zweiter wurde. Damit konnte der US Racing-Pilot den Rest der Prema-Armada – vor allem Rafael Camara, Charlie Wurz und James Wharton – hinter sich halten, was schon eine starke Leistung ist. Er konnte im Übrigen vor allem beim Saisonauftakt in Imola und bei wechselnden Wetterbedingungen auf dem Red Bull-Ring beeindrucken.
Von den zwei hoch gehandelten 15-jährigen, die erst im Laufe der Saison in die Serie einsteigen durften, gab Der US-Amerikaner Ugo Ugochukwu im Prema das bessere Bild ab: der McLaren-Junior fuhr direkt bei seinem Debüt am Red Bull-Ring dreimal aufs Podium und auch beim letzten Lauf in Mugello gelang ihm nochmal ein zweiter Platz aus guter Startposition. Red Bull-Nachwuchs Arvid Lindblad im van Amersfoort tat sich etwas schwerer, fuhr aber auch bereits einige Punkteresultate ein, was in einem Feld von bis zu 40 Autos eine starke Leistung ist.
Endstand:
-
- Andrea Kimi Antonelli (Prema, Mercedes Junior Team) – 362 Punkte
- Alex Dunne (US Racing) – 258 Punkte
- Rafael Câmara (Prema, Ferrari Driver Academy) – 239 Punkte
- Charlie Wurz (Prema) – 198 Punkte
- James Wharton (Prema, Ferrari Driver Academy) – 166 Punkte
ADAC Formel 4
Das Saisonfonale der deutschen Formel 4-Meisterschaft wurde eine Woche zuvor auf dem Nürburgring-Grand Prix-Kurs ausgetragen. Leider waren wieder einmal nur elf Autos am Start. Auch diesen Titel holte sich Andrea Kimi Antonelli mit zwei Rennsiegen; nur den Reverse Grid-Lauf konnte sein Hauptkonkurrent Taylor Barnard für sich entscheiden, der bereits beim ersten Besuch am Ring auf der Kurzanbindung sehr stark unterwegs gewesen war. Das Bild der Meisterschaft ist dadurch verzerrt, dass das Prema-Team das Event auf dem Lausitzring ausgelassen hatte, Rafael Camara sogar noch das erste am Nürburgring.
Dennoch sind die guten Leistungen der PHM-Piloten Barnard und Nikita Bedrin zu würdigen, ebenso wie die Performance des vor der Saison neu gegründeten Teams (das allerdings auf dem früheren Team Mücke Motorsport aufbaut). PHM ist als gemeinnütziges Unternehmen angemeldet und fährt somit wirtschaftlich eine andere Strategie als andere Teams, was in der Welt der Formel-Nachwuchsserien durchaus begrüßenswert ist. Auch Valentin Kluss, der deutsche F4-Teilnehmer an den FIA Motorsport Games (siehe oben), fährt seit seinem Einstieg in die Serie für PHM.
Endstand:
- Andrea Kimi Antonelli (Prema, Mercedes Junior Team) – 313 Punkte
- Taylor Barnard (PHM Racing) – 266 Punkte
- Rafael Câmara (Prema, Ferrari Driver Academy) – 193 Punkte
- Nikita Bedrin (PHM Racing) – 175 Punkte
- James Wharton (Prema, Ferrari Driver Academy) – 146 Punkte
(Beitragsbild: ADAC Motorsport)