Ferrari war lange ein Kandidat für den Titel. Am Ende scheiterte man mal wieder an sich selbst.
Kein Jahr ohne Drama bei Ferrari und 2022 enttäuschte in dieser Hinsicht auch nicht. In fast jedem Rennen ging bei den Italienern irgendwas schief. Bei der Strategie lag man so oft daneben, dass die Fahrer aus dem Cockpit heraus Korrekturen geben mussten. Das Auto war schnell, sehr schnell. Aber aus den 12 Pole Position holte man nur vier Siege. Das sagt dann schon fast alles über die Saison von Ferrari aus. Viele Chancen, wenig draus gemacht und die Moment, in denen man hätte profitieren können, versagte entweder die Strategie oder die Technik. Oft gerne auch beides zusammen in einem Rennen. Dazu kam, dass man bei der Entwicklung nicht mithalten konnte. Um ein Haar hätte man P2 in der Team-WM auch noch an Mercedes verloren.
Aber vielleicht muss man Ferrari auch ein wenig in Schutz nehmen. Zum einen gaben die beiden Siege in den ersten drei Rennen ein falsches Bild ab. Sicher, Ferrari war vom Start weg gut unterwegs, aber wenn das Rennen Bahrain verlor man, weil Red Bull technische Probleme hatte. Als die dann ihre Sachen Griff hatten, drehte sich das die Sache schnell. Nach dem dritten Rennen in Australien gewann Red Bull die folgenden sechs Rennen. Ferrari war das einzige Team, dass Red Bull einigermaßen unter Druck setzen konnte. Von den 22 Rennen gewann Red Bull 17. Das sagt dann schon fast alles über die Dominanz des Teams.
Auch sollte man nicht vergessen, wo Ferrari herkommt. Nach zwei, selbst verschuldeten, desaströsen Saisons, hatte man Ferrari für 2022 eigentlich nicht auf dem Schirm. Natürlich würde Ferrari nicht komplett schlecht sein, aber dass sie Abstand zu Red Bull und Mercedes so weit reduzieren würden können, dass sie Chancen auf die WM haben würden, war eigentlich etwas zu weit gedacht. Das Team befand sich auch 2022 noch in einer Aufbauphase. Teamchef Mattia Binotto wurde auch nicht müde dies zu unterstreichen, kämpfte aber gleichzeitig gegen die Erwartungen der Medien, der eigenen Fahrer und, wie am Ende der Saison herausstellte, auch des Managements von Ferrari.
Binotto hat Fehler gemacht, keine Frage. Vor allem sein Umgang mit der Strategie-Abteilung war offensichtlich nicht richtig. Ebenso kann man ihm ankreiden, dass Ferrari sich in der Weiterentwicklung des Autos in diesem Jahr nicht gut anstellte. Als Team- und Technikchef liegt die Verantwortung hier klar bei ihm. Ferrari hat eine etwas anachronistische Aufteilung in der Hierarchie. Während fast alle andere Team einen Teamchef haben, die Technik davon abtrennt, macht Ferrari das Gegenteil. Ebenso nicht getrennt sind Race Operations und Teamchef. Auch hier gehen andere Teams andere Wege. Diese Management-Struktur hat sicher auch dazu geführt, dass Binotto nicht die Ergebnisse produzieren konnte, die man sich erhofft hatte.
Seine Absetzung ist aber dann auch eine Überraschung. Bekanntermaßen gehört es zu den wichtigsten Eigenschaften eines Teams, dass man Konstanz im Management hat, vor allem bei der Technik. Je länger ein Team erfolgreich zusammenarbeitet, desto besser läuft es auch. Es bildet sich das, was man dann neudeutsch „Momentum“ nennt. Jeder Änderung kann das zerstören. Und Ferrari hatte Momentum, auch mit all den Problemen, die auch das Auto noch hatte. Binotto jetzt abzusetzen, anstatt ihm ein weiteres Jahr zu geben, ist daher aus meiner Sicht extrem kurzsichtig.
Was genau Ferrari Eigentümer John Elkann zu dem Schritt bewogen hat, ist unklar. Dass es Probleme gab, war offensichtlich und dass Ferrari nicht die Ziele erreicht hat, die man hätte erreichen können, ist auch kein Geheimnis. Aber es war dann auch keine katastrophale Saison. Es war eine, in der sehr, sehr viel schiefgelaufen ist und man merkte, dass das Team noch Zeit braucht. Jetzt eine komplett neue Struktur zu etablieren, erscheint mir sehr gewagt.
Frederic Vasseur ist eine riskante Besetzung. Der Franzose hat studierter Luft- und Raumfahrttechniker und Gründer der Chassis-Schmiede SRT viel technisches Background-Wissen. Aber er kommt als eine Art Fremdkörper ins Team. Bei Jean Todt hat das geklappt, ob das Vasseur auch gelingen kann, bleibt abzuwarten. Die Strukturen bei Ferrari sind anders, als in anderen Teams und jeder, der mal in Maranello war, weiß, dass bei Ferrari etwas anders gedacht und gefühlt wird, als bei anderen Teams. Auch ist nicht so ganz klar, was Elkann mit der Neubesetzung eigentlich erreichen will. Nur Binotto zu ersetzen kann nicht die Antwort auf die Probleme sein.
Fahrerisch gab es bei Ferrari weniger zu beschweren. Leclerc zeigte seine Klasse und seinen Speed, machte allerdings ein paar haarsträubende Fehler. Seine Streitereien mit Binotto waren auch etwas merkwürdig. Er hat sicherlich das Zeug Verstappen und Hamilton zu besiegen, aber es fehlt ihm noch die Abgekochtkeit, die die beiden Konkurrenten haben. Im direkten Zweikampf hat er allerdings die Sturheit, die auch Verstappen hat. Wie dieser mehrfach bemerken konnte.
Carlos Sainz hatte dagegen eine schwierige Saison. Sein zweites Jahr bei Ferrari lief nicht so gut, wie er es sich sicher selbst gewünscht hat. Technische Probleme waren eine Sache, aber sein Abstand zu Leclerc in der Quali auf einigen Strecken war zu groß. Ferrari war immerhin „Pole-Weltmeister“ in diesem Jahr, aber von den 12 Pole Position gingen nur drei an den Spanier. Hier vor allem seine Schwäche, der 2023 dringend angehen muss. Aber als „1b“ Fahrer war er immer denn da, wenn Leclerc Probleme hatte und im Rennen lieferte er etliche sehr gute Leistungen ab.
2023 wird dann spannend für Ferrari. Aber immerhin hat man dann die Entschuldigung, dass sich Vasseur erst einmal einarbeiten muss.
Bilder: Ferrari