Der Mexico City ePrix liegt hinter uns, nun steht der erste Doubleheader der Saison an (Achtung: Freitag und Samstag!). Porsche scheint stark.
Das Event in Ad Diriyah nahe der saudi-arabischen Hauptstadt Riad hat seit seiner Aufnahme in den Kalender 2018 immer den Saisonauftakt markiert; dieses Jahr ist das erstmals nicht so: Der Formula E-Tross kommt schon mit den Erkenntnissen aus einem absolvierten Lauf auf den Wüstenkurs. Zunächst einmal: es gab keine desaströsen Zwischenfälle aufgrund der neuen Technik. Zwar gab es eine ganze Reihe von Ausfällen zu verbuchen, aber der Grund dafür waren eher Unfälle, keine abrauchenden Batteriepacks oder ähnliches. Allerdings sind die neuen Autos zerbrechlicher als die Gen2-Boliden, was ich ja auch in der Vorschau schon als etwas bewertet hatte, was ich persönlich schwierig finde. Es reichen nun kleinere Berührungen, damit Flügelteile auf der Strecke herum liegen.
Als risikoreich stellte sich bereits in der ersten Runde die gegenüber dem Vorjahr wieder in den Kurs aufgenommene enge Schikane auf der Gegengeraden dar. Im noch dichten Mittelfeld-Verkehr nach dem Start bremste Norman Nato für den zweiten Teil der Schikane etwas früher als der hinter ihm fahrende Robin Frijns. Der konnte nicht mehr reagieren, fuhr Nato ins Heck und das umherschlagende Lenkrad brach ihm das Handgelenk – so heftig, dass er nach dem Rennen operiert werden musste, und in Diriyah ausfallen wird. Sein Ersatzmann bei Abt Cupra wird Kelvin van der Linde sein, der noch keine FE-Erfahrung hat.
Für Kritik sorgten die neuen Reifen von Hankook. Wie bisher handelt es sich um einheitliche „Allwetterreifen“ mit Profil, was im Hinblick auf den Transportaufwand bei einer „grünen“ bzw. sich so vermarktenden Serie Sinn macht, aber dafür haben sie sehr wenig Grip. Und das soll bei den neuen Hankook-Reifen noch gravierender sein. Nun sind die Rundenzeiten aus Mexico City nicht vergleichbar mit dem Vorjahr, weil eine Schikane (wieder) eingeführt wurde, also kann man höchstens auf die Sektorzeiten schauen: in Sektor 1 (mit der Start/Ziel-Geraden) waren die besten Zeiten dieses Jahr ein paar Zehntelsekunden schneller, was aber mit der höheren Antriebspower zu tun haben dürfte. Im kurvigen Sektor 3 waren sie auf einem vergleichbaren Niveau wie 2022. Die neuen „Holzreifen“ gleichen also den PS-Gewinn zum Teil wieder aus, je nach Streckencharakteristik. Damit werden sich die Piloten für diese Saison abfinden müssen.
Neben den Unfallopfern Nato und Frijns fielen in Mexico City noch Sam Bird und Edoardo Mortara aus. Bei Bird gab die Antriebswelle nach, der im letzten Jahr so starke Mortara wurde in Turn 1 von seinem eigenen Heck überholt und landete rückwärts in der nahen Tecpro-Barriere. Es schien eher der Gripmangel im Verhältnis zur Kurvengeschwindigkeit gewesen zu sein als ein Problem beim Bremsen, da sich Mortara erst nach dem Einlenken wegdrehte.
Das Rennen war in der Schlussphase durchaus spannend. Auch der nun erlaubte unterschiedliche strategische Umgang mit den Attack-Mode-Phasen war positiv. Jakes Dennis hatte schon in Runde 12 die Führung vom Pole-Mann Lucas di Grassi übernommen, ohne Einsatz des Attack Modes. Dahinter konnte sich lange Jake Hughes im McLaren auf Podiumskurs halten, doch in Runde 26 zog schließlich Pascal Wehrlein im Porsche vorbei, als Hughes den Umweg durch die Attack Mode-Aktivierungszone wählte, was Wehrlein schon kurz vorher getan hatte. Wehrlein konnte sich dann auch noch di Grassi schnappen. Zwischen di Grassi, Hughes und Lotterer im zweiten Andretti entsponn sich danach ein Dreikampf, der sich bis in die letzte Runde fortsetzte, wo Lotterer Hughes noch knacken konnte im Kampf um P4. So ging es dann auch zu Ende.
Der Porsche-Antriebsstrang scheint stark zu sein. Das Porsche-Team selbst konnte mit den Rängen 2 (Wehrlein) und 7 (da Costa) nicht an den Doppelsieg aus dem Vorjahr anknüpfen, aber bezieht man die beiden Porsche-befeuerten Andretti-Autos mit ein, sieht das Bild schon anders aus: Jakes Dennis gewann das Rennen, Andre Lotterer wurde Vierter. Damit haben drei der Top 4 und vier der Top 7 Porsche-Technik im Auto. Nun war das Werksteam dort im Vorjahr auch sehr stark und konnte den Rest der Saison nicht an diese starke Einzelperformance anknüpfen – aber zumindest ist es ein vielversprechender Auftakt.
Die Top 5-Resultate für Lucas di Grassi im Mahindra und Jake Hughes im McLaren-Nissan sind stark zu bewerten, gerade für den Briten, der bisher „nur“ Test- und Reservefahrer bei Mercedes war, ist das auch ein sehr ordentlicher Einstand im Rennbetrieb. Ebenso gilt das für sein Team McLaren mit dem Nissan-Antrieb. Das Nissan-Werksteam hatte dagegen einen Nuller zu verbuchen: Nato war nach dem Auffahrunfall in Runde 1 ausgefallen, Neuling Fenestraz wurde nur Fünfzehnter.
Mit diesen Erkenntnissen geht es nun auf den seit einigen Jahren bekannten Kurs nach Diriyah. Der weißt einige enge Ecken auf, darunter auch wieder eine unfallträchtige Schikane, aber auch den sehr flüssigen Teil auf der „Rückseite“ der Strecke durch die Mauern- und Ruinenlandschaft der arabischen Wüste. Fehlender Grip dürfte hier auch wieder ein Thema werden, aber immerhin gilt das für alle Autos gleichermaßen. Letztes Jahr dominierten hier Mercedes, sowohl das Werksteam als auch Venturi mit Kundenantrieb. Edoardo Mortara gewann einen Lauf – wird er seinen Fehler aus Mexico City wieder ausbügeln können? Bleiben die Porsche-motorisierten Teams an der Spitze? Und wie macht sich Kelvin van der Linde als Ersatz bei Abt Cupra?
Wir werden es sehen, und zwar gleich zweimal. Die beiden Läufe starten am Freitag und Samstag jeweils um 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Pro7 und Eurosport 2 übertragen live, jeweils mit etwas Vorlauf. Die Qualifikation ist nicht im TV zu sehen.
(Bilder: Formula E Media)