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Sachstandsbericht Nachwuchsformeln: April 2023

Ein genauerer Blick auf die F3 nach dem Wochenende in Melbourne

von StefanTegethoff
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Gemeinsam mit F1 und F2 hat auch die Formel 3 den großen Ausflug nach Down Under gemacht und ihr zweites Saisonevent im Albert Park ausgetragen. Ich bin den Leserinnen und Lesern noch eine Formel 3-Saisonvorschau schuldig, diese Schuld möchte ich hiermit begleichen. Ich werde nicht auf alle 30 Piloten eingehen können, aber zumindest auf ein oder zwei Fahrer*innen auch aus den schwächeren Teams werden wir einen Blick werfen. Die bereits absolvierten Rennen helfen uns, das Feld bereits etwas zu gliedern und die Favoriten zu erkennen.

Um kurz auf die beiden Rennen in Melbourne einzugehen: Die Pole holte sich der überraschend gut in die Saison gestartete Gabriel Bortoleto, er konnte sie im Hauptrennen trotz mehrerer Zwischenfälle und Restarts auch in einen nie wirklich gefährdeten Sieg vor dem ebenfalls starken Gregoire Saucy umsetzen. Auch der Sprint wurde immer wieder von Safety Car-Phasen unterbrochen, hier ging es aber auch an der Spitze turbulenter zu. Oliver Goethe landete bereits in Kurve 3 mit einem Plattfuß im Kies, Luke Browning versuchte sich mit Zähnen und Klauen auf den Podiumsplätze zu halten, was nicht lang gut ging, und von hinten stürmte Zak O’Sullivan heran. Vorne übernahm  in Runde 6 Franco Colapinto die Führung vom Reverse-Pole-Mann Sebastian Montoya. In Runde 18 musste Montoya auch O’Sullivan trotz harter Gegenwehr passieren lassen. Colapinto fuhr davon unbeeindruckt als erster über die Linie – doch kurz nach dem Rennen wurden er und seine beiden MP-Teamkollegen wegen irregulärer „suspension keels“ (also des Bodywork-Teils unter der Nase, an dem die Aufhängung befestigt ist) disqualifiziert. Damit war O’Sulligvans Manöver gegen Montoya kurz vor Schluss letztlich der Move für den Sieg, auch wenn er den nicht auf dem Podium feiern konnte.

Das stärkste Bild gibt in der Saison bisher das Trident-Trio mit drei Formel 3-Neulingen ab, angeführt von Gabriel Bortoleto. Der 18jährige Brasilianer war die letzten beiden Jahre in der Formula Regional Europe unterwegs, folg trotz einzelner Siege gegen Ende des zweiten Jahres aber oft eher unter dem Radar. In der F3 scheint er sich nun aber direkt heimisch zu fühlen und gewann beide bisher ausgetragenen Hauptrennen, das in Melbourne von der Pole aus. Sein Teamkollege, der deutsch-dänische Pilot Oliver Goethe, amtierender Meister der schwer einzuordnenden Euroformula Open, gab in Bahrain einen starken Einstand. In Melbourne blieb er aber punktelos, nach einem Verbremser beim Start von Platz 2 im Sprintrennen wurde ihm ein Plattfuß verpasst, der ihn in Kurve 3 ins Aus beförderte. Wie Bortoleto kommt auch Leonardo Fornaroli aus der Formula Regional Europe und war dort solide unterwegs, aber ohne Top-Resultate. So sieht auch seine bisherige F3-Saison aus, was aber für einen Rookie auch nicht schlecht ist.

Dino Beganovich (Foto: Ferrari)

Beim im Moment nach Punkten zweitstärksten Team Prema sind drei Akademie-Piloten im Einsatz: Der beste von diesen dürfte Dino Beganovic, Formula Regional Europe-Champion 2022, sein. Der Ferrari-Junior hat sich auch in der F3 bisher gut präsentiert, bestes Resultat war bisher Platz 3 im Hauptrennen von Bahrain. Den ersten Sieg für das Team fuhr der Williams-Nachwuchsmann Zak O’Sullivan im Sprint von Melbourne durch die Disqualifikation von Franco Colapinto ein, aber auch so war seine Performance von Startplatz 8 aus sehr stark. Bei O’Sullivan, dem GB3-Chmapion von 2021, bin ich sehr auf die weitere Entwicklung gespannt. Eine wirkliche Entwicklung vermisse ich seit Jahren bei Mercedes-Junior Paul Aron, der zwar einen guten Grundspeed zu haben scheint, aber auch nur unter perfekten Bedingungen so richtig überzeugen kann. Seine bisherigen F3-Resultate sind vergleichbar mit denen von Beganovic, dieses Duell wird im Saisonverlauf sehr interessant.

Beim britischen Hitech-Team ist mit Sebastian Montoya ein prominenter Name zu finden; er ist seit dem Winter Teil des Red Bull Junior Teams, wozu seine zwei Punkteresultate bei einem F3-Ersatzeinsatz in Zandvoort letztes Jahr eher beigetragen haben dürften als die mäßige Formula Regional Europe-Saison. Auch der Vizemeister jener Serie, Gabriele Mini, hat nun endlich einen verdienten Akademie-Platz bekommen, und zwar bei Alpine. Sein Einstieg in die Formel 3-Saison war vergleichbar mit dem von Beganovic oder Aron, mit denen er letztes Jahr um den Titel kämpfte. GB3-Champion Luke Browning ist der Dritte im Bunde – er zeigte bisher zwei starke Feature Races, wollte aber im Melbourne-Sprint von einem vorderen Startplatz aus zu viel und beförderte sich damit selbst ins Aus.

Nicola Tsolov (Bild: Alpine)

Stärkster ART-Mann ist eindeutig Gregoire Saucy in seiner zweiten F3-Saison. Der überraschende FRECA-Dominator von 2021 hatte eine schwierige Debütsaison in der Formel 3 mit einzelnen Highlights, scheint sich nun aber gefangen zu haben und fähig zu sein, konstant in die Punkte zu fahren. Mit 23 ist der Schweizer deutlich älter als die meisten seiner Konkurrenten. Erst 16 ist der Bulgare Nikola Tsolov, der nach dem dominanten Titelgewinn in der spanischen Formel 4 letztes Jahr (13 von 21 Rennen gewonnen) nun direkt in die F3 aufgestiegen ist. Ob das der richtige Schritt war, muss sich noch zeigen, bislang stehen noch keine Punkte zu Buche. Er hat aber auch die Unterstützung der Alpine Academy.

Der Top-Prospect bei Campos ist ganz klar Pepe Marti, der zwar bisher in seiner Formelkarriere noch keinen Titel holen konnte, aber mir von der Formula Regional Asia Anfang 2022 in Erinnerung geblieben ist: da konnte er sich als junger Neuling gegen erfahrenen Piloten wie Arthur Leclerc, Isack Hadjar, Gabriele Mini und Dino Beganovic behaupten und wurde zweiter der kurzen Meisterschaft, wenn auch ohne Sieg. Davon holte er aber Anfang diesen Jahres gleich zwei in Der Nachfolge-Serie FRMEC, und gewann zudem den Sprint beim F3-Saisonauftakt in Bahrain. Der mittlere Osten scheint dem 17-jährigen Spanier zu liegen… Sein Teamkollege Hugh Barter, der bisher zweimal Zweiter der französischen und einmal Zweiter der spanischen Formel 4 (deutlich hinter dem oben genannten Tsolov) geworden ist, blieb dagegen bisher punktelos in seiner F3-Debütsaison.

In den Resultaten von MP Motorsport sticht die Dreifach-Disqualifikation im Melbourne-Sprint heraus. Diese kostete den Argentinier Franco Colapinto seinen ersten Saisonsieg, mit der er – nach dem zweiten Platz beim Auftakt in Bahrain – ganz vorn in der Meisterschaft mitspielen würde. Der Williams-Junior und spanische F4-Champion 2019 ist ein starker Prospect. In der nur teilweise bestrittenen FRECA-Saison 2021 konnte er ein paar Siege einfahren, und auch in der ELMS sowie in Le Mans war in dem Jahr bereits am Start. Auch in seinem F3-Debütjahr mit dem (ebenfalls neuen) Van Amersfoort-Team konnte er direkt Siege holen, es fehlte aber die Konstanz. Auf den Verlust des Sieges folgte in Melbourne im Hauptrennen ein Kontakt mit Dino Beganovic, der ihm einen Plattfuß mit anschließendem Crash bescherte.

Bereits in seiner dritten Formel 3-Saison ist Caio Collet, nun mit Van Amersfoort Racing. Seine Mitgliedschaft in der Alpine Academy wurde in diesem Winter nicht verlängert. Seine Top-Resultate in 2022 kamen alle in Sprintrennen mit Hilfe des Reverse Grids, so auch ein Podium beim diesjährigen Saisonauftakt in Bahrain; vor allem aber fehlt es an Konstanz.

Der finanziell nicht gerade gesegnete Taylor Barnard, Vizemeister der ADAC F4 im Vorjahr (hinter Andrea Kimi Antonelli) ist bei Jenzer Motorsport untergekommen, die in der F3 eher zu den schwächeren Teams gehören. Seine Resultate in Melbourne waren stärker als beim Debüt in Bahrain, unter anderem konnte er im Hauptrennen die ersten zwei Pünktchen für das Team holen. Ich hoffe, dass Barnard diesen Trend bestätigen und weiterführen kann, denn er hat auch in der Formula Regional Middle East diesen Winter gezeigt, dass er zu den stärksten Piloten seiner Altersgruppe gehört.

Sophia Flörsch (Bild: Alpine)

Bei der neuen Team-Konstellation PHM by Charouz ist mit Sophia Flörsch die einzige Frau im Feld zu finden, die nach zwei Jahren im Sportwagen-Bereich nun in die F3 zurückgekehrt ist. Ihre Ergebnisse in Melbourne (Plätze 16 und 18) waren besser als in Bahrain, auch hier ist zu hoffen, dass der Aufwärtstrend weitergeht. Bisher ist sie die stärkste Pilotin des noch komplett punktelosen Teams.

Ebenfalls komplett punktelos ist bisher Rodin Carlin, stärkster Pilot ist hier bisher der direkt aus der britischen F4 aufgestiegen Oliver Gray – das ist ein großer Schritt. Der 2020er F4 US-Champion Hunter Yeany hat bisher auf der großen Formel 3-Bühne, die er Mitte 2021 betreten hat, nicht wirklich Fuß fassen können.

Stand (nach 2 von 10 Events):

  1. Gabriel Bortoleto (Trident) – 58 Punkte
  2. Gregoire Saucy (ART) – 38 Punkte
  3. Dino Beganovic (Prema, Ferrari Driver Academy) – 28 Punkte
  4. Gabriele Mini (ART) – 28 Punkte
  5. Pepe Martin (Campos) – 25 Punkte
  6. Oliver Goethe (Trident) – 23 Punkte
  7. Paul Aron (Prema, Mercedes Junior Team) – 22 Punkte
  8. Zak O’Sullivan (Prema, Williams Academy) – 20 Punkte
  9. Leonardo Fornaroli (Trident) – 19 Punkte
  10. Luke Browning (Hitech) – 14 Punkte

Nächstes Event: Imola (19.-21. Mai)

 

Formel 2

Die F2 ist seit dem letzten Bericht nicht nur – zusammen mit den Formeln 1 und 3 – in Melbourne gefahren, sondern auch auf dem fordernden Kurs in Jeddah. Nachdem Quali und Hauptrennen in Bahrain den Eindruck hinterlassen hatten, dass Theo Pourchaire mit dieser Meisterschaft ebenso davon fahren wird wie Max Verstappen in der Formel 1, hatte der Franzose in Jeddah ein grottenschlechtes Wochenende. Platz 3 in der Quali ließ davon noch nichts ahnen, doch im Runde 6 des Sprintrennens versuchte er seinen Teamkollegen Victor Martins mit einem so optimistischen Spätbrems-Manöver zu überholen, dass er den vor Martins fahrenden Ollie Bearman voll abräumte. Das brachte ihm auch noch eine Grid-Strafe für das Hauptrennen ein. Den Sprint gewann Red Bull-Junior Ayumu Iwasa, das Hauptrennen Mercedes-Nachwuchsmann Frederik Vesti. Dessen Prema-Teamkollege Bearman war im Hauptrennen auch zunächst stark unterwegs, drehte sich dann aber selbstständig in den schnellen Kurven der schwierigen Strecke und konnte am Ende noch einen Punkt erringen.

Pourchaire, Iwasa und Leclerc auf dem Podium (Bild: Sauber)

In Melbourne war die Quali verregnet und auch das Sprintrennen startete auf abtrocknender Strecke, was die Fahrer auf dem für sie neuen Kurs vor Herausforderungen stellte. Am besten meisterte diese Dennis Hauger, der seinen dritten F2-Sieg einfahren konnte, vor dem Red Bull-Akademiekollegen Jak Crawford. Chaotisch wurde es aber vor allem im Hauptrennen, obwohl es nun trocken war. Die Kiesbetten und nahen Mauern sorgten immer wieder für Unfälle. Crawford wurde von Lokalmatador Jack Doohan ungeschickt ins Aus befördert, Isack Hadjar geriet in der engen Boxengasse mit Bearman aneinander, was beide um Punkte bringen sollte.

Einige Runden vor Schluss löste Roy Nissany eine weitere Safety Car-Phase aus, mehrere Piloten mussten noch zum Reifenwechsel in die Box: erst rutschte dann der gut platzierte Frederik Vesti beim Anbremsen nach der Ausfahrt in Turn 1 ins Gras. Das Gleiche passierte kurz darauf Enzo Fittipaldi. Der schlug aber beim Wenden des Fahrzeugs leicht an der Wand an, was seine Aufhängung beschädigte – einige hundert Meter später gab sie komplett nach und er schlug unter Gelb in die Wand ein, nur wenige Meter von Nissanys gestrandetem Auto entfernt. Zum Glück waren keine Marshalls auf der Fahrbahn…

Bei der Anfahrt zum Restart räumte dann noch Victor Martins den auf Podiumskurs fahrenden Hauger ab, um das Durcheinander perfekt zu machen. Vorn aber waren, unbeeindruckt von allem, was dahinter passierte, Iwasa und Pourchaire ihr eigenes Rennen gefahren, wobei der Japaner die ganze Zeit über die Kontrolle behalten hatte. Immerhin war es nach einer Reihe punkteloser Rennen wieder ein Top-Resultat für Pourchaire. Dritter wurde Arthur Leclerc, dahinter rauschte Frederik Vesti auf frischeren Reifen heran, der die Alternativ-Strategie trotz der vielen Safety Cars (und des kurzen Ausflugs ins Gras) stark hatte umsetzen können, aber am Ende ging ihm die Zeit aus.

Stand (nach 3 von 14 Events):

  1. Ayumu Iwasa (DAMS, Red Bull Junior Team) – 58 Punkte
  2. Theo Pourchaire (ART, Sauber Academy) – 50 Punkte
  3. Frederik Vesti (Prema, Mercedes Junior Team) – 42 Punkte
  4. Ralph Boschung (Campos) – 33 Punkte
  5. Arthur Leclerc (DAMS, Ferrari Driver Academy) – 33 Punkte
  6. Jehan Daruvala (MP Motorsport) – 32 Punkte
  7. Dennis Hauger (MP Motorsport, Red Bull Junior Team) – 30 Punkte
  8. Zane Maloney (Rodin Carlin, Red Bull Junior Team) – 29 Punkte
  9. Kush Maini (Campos) – 26 Punkte
  10. Richard Verschoor (Van Amersfoort) – 25 Punkte

Nächstes Event: Baku (28.-30. April)

 

Was sonst noch fährt…

Hierzulande mag das Osterwochenende kein relevanter Motorsport-Termin sein, anderswo in Europa aber sehr wohl. So wird in Großbritannien traditionell am Osterwochenende in Oulton Park gefahren, neben der BritishGT sind hier die beiden Formelserien GB3 und GB4 am Start. Der Vorjahres-Meister der GB3, Luke Browning, ist dieses Jahr in der Formel 3 unterwegs (siehe oben). Spannendster Prospect auf dem diesjährigen Grid dürfte der Ire Alex Dunne sein, der 2022 nicht nur die britische F4 (nicht zu verwechseln mit der GB4) gewonnen hat, sondern auch einer von den wenigen Piloten war, die in der italienischen Formel 4 das ein oder andere Mal Andrea Kimi Antonelli Paroli bieten und ihn schlagen konnten. Dunne wurde schließlich auch Vizemeister hinter Antonelli. Dunne dürfte auch zu den weniger finanziell gesegneten Top-Junioren gehören, was ihm möglicherweise den direkten Weg in die Formmula Regional oder F3 versperrt hat. Der GB3-Champion bekommt aber jedenfalls einen F3-Test mit Hitech oder Carlin. Einer seiner stärksten Herausforderer könnte der 17-jährige Brite Callum Voisin werden, der in seine zweite GB3-Saison geht und im Vorjahr bereits einige Siege herausfahren konnte.

ADAC Formel Junior Team: Wiebelhaus, Reis, Kalender (v.l.n.r., Bild: ADAC)

Im südfranzösischen Nogaro wird am Osterwochende seit 1968 die Coupes des Pacques ausgetragen, also die Oster-Cups. Auch hier sind die GTs als Headliner am Start, aber die französische Formel 4 ist mit dabei. In der von der FFSA organisierten Serie gibt es keine Teams, sondern alle Autos und Piloten werden zentral betreut. Sie ist aus deutscher Sicht ab diesem Jahr insofern besonders spannend, dass es eine neue Kooperation mit dem ADAC gibt, der ja seine eigene F4-Meisterschaft aus Kostengründen und wegen mangelnder Starter einstellen musste. So wird in Nogaro erstmals das ADAC Formel Junior Team am Start sein – drei Piloten wurden aus den Bewerbern für dieses Programm ausgewählt: Max Reis, Finn Wiebelhaus und Tom Kalender. Reis war bereits im Vorjahr in der F4 France am Start (mit einem zweiten Platz als Highlight und weiteren Punkte-Resultaten), für die anderen beiden ist es die erste Formel-Saison.

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