Das Motorsport-Jahr nimmt Fahrt auf: Wir hatten zwei Saisonauftakte am vergangenen Wochenende und mit der F1 Academy steht der Start einer neuen Serie für den weiblichen Nachwuchs kurz bevor. Außerdem wird in Baku die Formel 2 wieder mit von der Partie sein; auf deren letztes Rennwochenende in Melbourne haben wir bereits vor einigen Wochen zurückgeblickt. Baku sorgt mit seiner endlosen Vollgaspassage zur Ziellinie immer wieder für Spektakel und spannende Windschattenduelle, das dürfte auch in diesem Jahr nicht anders sein. Geht das Duell Iwasa vs. Pourchaire in die nächste Runde? Oder können sich Frederik Vesti, Dennis Hauger oder Rookie Arthur Leclerc beim Kampf um den Sieg einmischen? Können die Alpine-Junioren Jack Doohan und Victor Martins ihre Saison auf einen konstanten Kurs bringen? Wird werden es sehen. Widmen wir uns nun aber den anderen Serien.
F1 Academy
Auch wenn der Name das nicht direkt zeigt, bei der neuen F1 Academy handelt es sich um eine Serie für den weiblichen Formel-Nachwuchs. Nachdem die W Series letztes Jahr den Betrieb aufgrund finanzieller Schwierigkeiten einstellen musste, ist dies ein neuer Versuch, Frauen im Formel-Rennsport eine eigene Ein- und Aufstiegsmöglichkeit zu geben. Über das generelle Für und Wider dieser Herangehensweise ist im Rahmen der W Series viel diskutiert worden. Zumindest sollte diese Art der Eigenständigkeit etwas mehr Sichtbarkeit bringen – jedenfalls dann, wenn über die Serie und die Rennen auch berichtet wird und sie irgendwo zu sehen ist (Spoiler: sieht schlecht aus, dazu mehr am Ende).
Die F1 Academy wird nun von Formula One Management, den Eignern der F1, organisiert und finanziert, was auch das Interesse der FOM und damit von Liberty Media zeigt, wenigstens eine Frau auf das höchste Level zu bekommen. In der Drive to Survive-Ära ließen sich daraus sicherlich gute Stories entwickeln. Auch wenn die FOM das Projekt in die Hand genommen hat, lässt man die neue Serie komischerweise aber nur ein einzige Mal im F1-Rahmenprogramm auftreten, nämlich für das Saisonfinale auf dem COTA in Texas. Vorher fährt sie in Europa, mal mit der DTM, mal mit der WEC, mal mit der NASCAR Whelen Euro Series. Ich finde das schade, und gerade hier hatte die W Series zuletzt auch den Fortschritt gemacht, regelmäßig im F1-Rahmenprogramm zu fahren.
Die F1 Academy ist allerdings auch eine Formel 4-Serie, anders als die W Series, die auf F3-Technik setzte. Das Chassis kommt wiederum von Tatuus, die Reifen von Pirelli und der 165 PS-Motor von Autotecnica. Konzeptionell anders als bei der W Series ist zudem, dass bei der F1 Academy die Autos nicht zentral eingesetzt und betreut werden, sondern – ganz klassisch – von Teams. Ausgewählt wurden fünf Teams, die auch in der F2 und der F3 am Start sind, also über einige Erfahrung in den Junior-Series verfügen. Geworden sind es: ART Grand Prix, Prema, MP Motorsport, Rodin Carlin und Campos. Jedes Team bringt drei Autos an den Start.
Im Fahrerinnenfeld sehen wir einige Namen, die wir aus der W Series bereits kennen. Dreifach-Champion Jamie Chadwick ist nicht dabei; sie ist dieses Jahr in der IndyNXT (ehem. IndyLights) mit Andretti Autosports unterwegs und versucht so, in Amerika ihren Weg zu gehen. Auch Beitske Visser und Alice Powell (Zweite und Dritte der letzten W Series-Saison) haben andere Wege eingeschlagen. Zu den Pilotinnen, die in der W Series ihr Talent bereits gezeigt haben und nun in der F1 Academy am Start sind, gehören Abbi Pulling (Carlin), Marta Garcia (Prema) und Nerea Marti (Campos). Aus anderen F4-Serien bereits bekannt sind die beiden MP-Pilotinnen Hamda und Amna Al Qubaisi. Hamda hat bereits Siege in der F4 UAE sowie ein einzelnes Podium in der hart umkämpften F4 Italia (2021) zu Buche stehen, die jüngere Tochter des GT-Piloten Khaled Al Qubaisi dürfte – auch aufgrund ihrer Erfahrung – zu den Favoritinnen für die erste F1 Academy-Saison gehören.
Ebenfalls bereits einige Erfahrung – auch auf Formula Regional-Level – hat die Schweizerin Lena Bühler. Als ihre Teamkollegin bei ART ist die 24-jährige deutsche Pilotin Carrie Schreiner dabei. Schreiner fuhr bereits 2015-16 in der ADAC F4, allerdings ohne zählbare Erfolge, und schlug dann den Weg Richtung Touren- und Sportwagen ein. Sie gewann 2018 mit Konrad Motorsport die Pro-Am-Kategorie der Lamborghini Super Trofeo Middle East und ist mit dem Girls Only-Team von WS Racing bereits viermal bei den 24h auf der Nürburgring-Nordschleife am Start gewesen – und dreimal mit starken Resultaten ins Ziel gekommen. Es wird interessant sein, zu sehen, wie ihr der Wiedereinstieg in den Formelsport gelingt.
Der Saisonauftakt wird am Red Bull Ring – im Rahmen der GT-Serie P9 Challenge – ausgetragen. Drei Rennen stehen an jedem Wochenende auf dem Programm: das erste und das dritte gehen über 30 Minuten und bringen die vollen F1-Punkte (25, 18…), das mittlere Rennen geht über 20 Minuten, hier kommt auch ein Reverse Grid zur Anwendung, darum gibt es nur 10 Punkte für den Sieg. Die schnellste Runde bringt jeweils einen Punkt, die Pole für das erste und das dritte Rennen je zwei Zähler. Leider – und das ist wohl die größte Enttäuschung – wird es keine Live-Übertragungen geben. Nicht einmal Streams der Rennen sind bisher vorgesehen oder angekündigt, lediglich ein 15 Minuten-Highlight-Video soll nach jedem Wochenende auf F1TV und den Social Media-Präsenzen der Serie veröffentlicht werden…
FRECA
Der Saisonauftakt der Formula Regional European Championship by Alpine ist in Imola über die Bühne gegangen und wir haben einen doch etwas überraschenden Tabellenführer: der norwegische Rookie Martinius Stenshorne gewann Lauf 1 vor Andrea Kimi Antonelli und wurde in Lauf 2 Zweiter hinter Kas Haverkort, was ein enorm starkes Resultat ist, gerade für einen Neueinsteiger in dieser Serie. Antonelli hatte Pech: sein Auto hatte bereits in der Quali für Rennen 2 mit Elektronikproblemen zu kämpfen, nach der Einführungsrunde zum zweiten Lauf brachte er den Wagen direkt in die Boxengasse.
Die beiden Rennen waren von vielen Zwischenfällen durchzogen, und da es in Imola noch einige Kiesbetten gibt, kam das Safety Car häufig zum Einsatz. Vor allem die Tosa-Spitzkehre war ein neuralgischer Punkt, hier versuchten immer wieder Piloten gewagte Überholmanöver. Überholen ist schwierig in der FRECA und in Imola sowieso auch, das provoziert natürlich Wagnisse und Zwischenfälle. Ein Opfer war im zweiten Rennen auch der von Pole gestartete Tim Tramnitz. Bei einem Restart versuchte er in der Tamburello-Schikane gegen einen Überholversuch seines Teamkollegen Stenshorne innen gegen zu halten, übertrieb es dabei und drehte sich in den Kies weg, verlor so leider ein Top-Resultat.
Stand:
- Martinius Stenshorne (R-ace GP) – 43 Punkte
- Kas Haverkort (Van Amersfort) – 35 Punkte
- Andrea Kimi Antonelli (Prema, Mercedes Academy) – 18 Punkte
- Nikhil Bora (Trident) – 17 Punkte
- Rafael Camara (Prema, Ferrari Driver Academy) – 12 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Barcelona (20-21. Mai)
F4 Italia
Der Schockmoment des Auftaktwochenende war der Start zum dritten der vier Läufe, als Ugo Ugochukwu auf Pole stehend nicht weg kam; alle Piloten konnten ihn umfahren, bis auf einen der hintersten: Andrea Frassineti konnte den stehenden Prema-Boliden erst zu spät sehen, aber immerhin noch so schnell reagieren, dass er nicht frontal hinten in Ugochukwu fuhr, sondern „nur“ dessen Hinterrad touchierte, was ihn selbst in einen halben Überschlag beförderte. Beide Piloten konnten (nach meinem Kenntnisstand) unverletzt aussteigen, Frassineti musste allerdings auf den Start im letzten Lauf verzichten (sein Auto war allerdings auch stark beschädigt).
Ugochukwu, der seinen ersten Lauf gewonnen hatte, wurde damit um einen weiteren möglichen Sieg gebracht, im letzten Rennen wurde er Dritter. Dieses gewann Red Bull-Junior Arvid Lindblad nach zuvor zwei zweiten Plätzen. Mit diesem starken Auftakt hat er sich die Tabellenführung gesichert. Sehr stark unterwegs war mit Nicola Lacorte auch ein weiterer Prema-Rookie, er gewann den dritten (seinen zweiten) Lauf. Dem Ferrari-Junior und Prema-Teamkollegen James Wharton, der in seine zweite F4-Saison geht, haben die Neulinge bei diesem Rennen allesamt den Rang abgelaufen, er konnte nur einmal Punkten (P5 im dritten Lauf).
Das Auftaktrennen gewann ein Nicht-Prema-Pilot: der Pole Kacper Sztuka im US Racing-Auto startete von Pole und konnte sich schnell um ein paar Sekunden absetzen, er hielt die Führung bis ins Ziel. In diesem Rennen waren aber weder Ugochukwu noch Lindblad am Start. In seinen beiden weiteren Läufen schied Sztuka hatte Sztuka leider mit technischen Problemen zu kämpfen: so fiel er in Rennen 2 nach dem Start von P2 aus mit offensichtlichem Leistungsverlust immer weiter zurück und fiel schließlich aus. Auch Rennen 4 konnte er nicht beenden. Der deutsche Pilot Valentin Kluss (PHM Racing) hatte dagegen ein gutes – und vor allem solides – Einstands-Wochenende: er wurde in der hart umkämpften Serie drei Mal Sechster.
Stand:
- Arvid Lindblad (Prema, Red Bull Junior Team) – 61 Punkte
- Nicola Lacorte (Prema) – 52 Punkte
- Ugo Ugochokwu (Prema, McLaren Development Driver) – 40 Punkte
- Alfio Spina (BVM Racing) – 38 Punkte
- Zachary David (US Racing) – 33 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Misano (6.-7. Mai)