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Super Formula: Die Gewinner und Verlierer von Suzuka

von geinou
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Ein sensationeller Ersterfolg und ein Unfall, der noch in Monaten ein Thema sein dürfte: Das dritte Saisonrennen der japanischen Super Formula in Suzuka bot gleich zwei bestimmende Storylines. Doch auch abseits davon gab es wieder einiges an Gesprächsstoff.

War der Doubleheader-Saisonauftakt auf dem Fuji Speedway aufgrund des wegen schlechten Wetters ausgefallenen Freitag-Trainings noch eine Reise ins Unbekannte, konnten die Teams für Suzuka auf die Daten der einzig dort stattgefundenen offiziellen Testfahrten zurückgreifen. Gleichzeitig war der dritte Saisonlauf auch die nächste Bewährungsprobe für den neuen SF23-Boliden von Dallara, dessen neues Aerodynamik-Paket im Vorfeld für geteilte Meinungen bei den Fahrern sorgte. Auf dem Papier soll die geringere Downforce das Hinterherfahren erleichtern. Zumindest bei den Testfahrten gaben neben Nobuharu Matsushita aber auch einige weitere Fahrer an, dass sie das Gegenteil feststellten. Dass der Sog im Windschatten deutlich höher ausfalle, bewies bereits die Highspeed-Schlacht von Fuji. Und auch in Suzuka war dies deutlich sichtbar. Und auch die engen Zweikämpfe nahmen, anders als von einigen befürchtet, nicht ab. Nach einem wilden Rennen obsiegte erstmals Ritomo Miyata (TOM’S) vor Sho Tsuboi (Cerumo-Inging) und Ryo Hirakawa (Impul). Titelverteidiger Tomoki Nojiri (Mugen) und Polesitter Toshiki Oyu (TGR Grand Prix) verunfallten – und waren wegen ihres Zusammenstoßes damit das bestimmende Thema nach dem Wochenende. Miyatas sensationeller erster Karriereerfolg von Startplatz zwölf sollte dabei aber nicht in Vergessenheit geraten.


Gewinner: Ritomo Miyata (TOM’S)

Photo by Y. Sezaki

Nach 22 Rennen hat er es endlich geschafft: Ritomo Miyata gewann erstmals in der Super Formula. Die Voraussetzungen für seinen ersten Karriereerfolg hätten aber schlechter nicht sein können. Anders als noch beim Fuji-Doubleheader, als er sich jeweils auf dem zweiten Startplatz qualifizierte, musste er in Suzuka vom zwölften Rang starten. Der Grund: Eine wegen Track Limits gestrichene Rundenzeit. Eine leicht kontroverse Strafe, da Miyata hauchdünn noch mit zwei Reifen auf der weißen Linie ausgangs der Spoon-Kurve war. Bereits beim Warm-up in den Morgenstunden konnte Miyata mit einem ausgezeichneten Longrun glänzen. Eine Pace, die er auch ins Rennen übertrug. Direkt zum Start holte er sich mehrere Positionen und kämpfte sich durchs Feld. Als zunächst Tomoki Nojiri und anschließend Toshiki Oyu zum Boxenstopp hereinkamen, ging er selbstredend an ihnen vorbei. Und obgleich er aufgrund seiner starken Performance durchaus ein Podiumsresultat hätte erreichen können, der Sieg schien ohne eine Safety-Car-Unterbrechung unerreichbar. Das Glück sollte aber auf Seiten des 23-Jährigen sein: Ausgerechnet Nojiri und Oyu (siehe nächsten Abschnitt) krachten ineinander. TOM’S beorderte ihren Schützling sofort zum Boxenstopp.

Als das Rennen in der 24. Runde wieder freigegeben wurde, fand sich Miyata auf dem dritten Rang hinter dem neuen Führenden Tsuboi, der vom zweiten Startplatz ins Rennen ging, sowie Mugen-Fahrer Liam Lawson auf dem dritten Rang wieder. Miyata gab sofort Vollgas und krallte sich den Silberrang vom Neuseeländer. An Tsuboi biss sich der TOM’S-Pilot aber zunächst die Zähne aus. Tsuboi sparte sich wertvolle OTS-Sekunden auf, um gegen einen etwaigen Angriff des schneller wirkenden Miyatas gewappnet zu sein. In der vorletzten Runde musste sich der Cerumo-Inging-Pilot jedoch geschlagen geben: Mit einem sensationellen Überholmanöver, welches nahezu eins zu eins an Kimi Räikkönens Manöver gegen Giancarlo Fisichella beim F1 Grand Prix im Jahr 2005 an just gleicher Stelle erinnerte, zog Miyata außen in Kurve eins an seinem SUPER-GT-Teamkollegen vorbei.

Photo by Y. Sezaki

Es war der erste Karriereerfolg für Ritomo Miyata, der sein Debüt 2020 bei zwei Rennen als Ersatzfahrer für Kazuki Nakajima gab. Nachdem er im gleichen Jahr dominant die Super Formula Lights-Meisterschaft gewann, stieg er Vollzeit zu TOM’S in die Super Formula auf. Schnell war klar: Es war nie die Frage, ob Miyata jemals gewinnen wird, sondern wann. Nachdem man sein Rookie-Jahr (Gesamtrang zehn) noch als Lehrjahr abstempeln konnte, zeigte er seine Klasse in der Saison darauf mit dem vierten Gesamtrang sowie zwei Podiumsresultaten. Nun also der erste Sieg für den 23-Jährigen, der zusammen mit Sho Tsuboi rund zwei Wochen nach Suzuka beim Golden-Week-Klassiker am Fuji Speedway auch seinen zweiten GT500-Sieg in der SUPER GT feierte. Mit 38 Punkten ist er nun auch lediglich vier Zähler hinter Tabellenführer Tomoki Nojiri.

Sein Erfolg ist aber vielmehr als nur ein Eintrag in die Gewinnerliste: Als Kind wurde Miyata mit Autismus und einer Entwicklungsstörung diagnostiziert, weshalb er nur wenig Zeit mit gleichaltrigen Kindern in der Schule verbrachte. Seine automobilbegeisterten Eltern (sein Vorname ist angelehnt an den Fiat Ritmo) brachten ihn deshalb zum Kartfahren. Der damalige Trainer erkannte sofort sein Talent und empfahl den Eltern, ihn weiter zu fördern. Ritomo Miyata ist somit mehr als nur ein weiterer Sieger in der Geschichte der Super Formula. Er ist ein Wegbereiter für viele weitere (junge) Menschen mit einem ähnlichen Hintergrund und damit schon jetzt eine der schönsten, vor allem aber auch wichtigsten Storylines der Motorsportwelt in diesem Jahr.

 

Verlierer: Toshiki Oyu (TGR Grand Prix) und Tomoki Nojiri (Mugen)

Bereits beim Fuji-Auftakt hatte Toshiki Oyu unterstrichen, dass er einer der Hauptanwärter auf den Titel in diesem Jahr sein werde, obgleich er seine starke Qualifying-Performance noch aufgrund einiger Fehler noch nicht ganz in entsprechende Rennresultate umwandeln konnte. In Suzuka fuhr er aber nun erstmals auf die Pole-Position – just an jenem Ort, an dem er im Jahr 2020 beim JAF Grand Prix seinen bislang einzigen Karrieresieg feierte. Die Weichen für eine Wiederholung des Erfolgs waren gestellt. Das Qualifying von Titelrivalen Tomoki Nojiri endete hingegen fast in einem Desaster, da er kurzzeitig erstmals seit dem sechsten Saisonlauf in Suzuka im Jahr 2020 in Q1 ausgeschieden war. Einzig eine Strafe gegen Kamui Kobayashi (KCMG) fürs Abkürzen der Astemo-Schikane ließ ihn doch noch ins letzte Quali-Segment einziehen. Just als die Meldung der Rennleitung einer Untersuchung von Kobayashis schnellster Rundenzeit auftauchte, beschlossen Nojiri und sein Renningenieur Toshihiro Ichise einige essentielle Setup-Änderungen vorzunehmen. Die Feinjustierung war goldrichtig: Nojiri qualifizierte sich in der zweiten Reihe auf Startplatz drei.

Während Oyu in Führung jedoch die Pace vorgab, konnte Nojiri nicht ganz mit dieser mithalten. Stattdessen musste er sich nach hinten orientieren und verlor in der dritten Runde gar den Bronzerang an Teamkollege Liam Lawson, der nach einem wahren Raketenstart gleich vier Plätze in der allerersten Runde gewann. Als auch Kenta (Kondo Racing) am Titelverteidiger vorbeiging, beschloss Mugen ihn kurz nach Öffnung des Boxenstoppfensters sowie einen Umlauf nach seinem Stallgefährten zum Reifenwechsel hereinzuholen. Dadurch konnte Nojiri wieder am Kondo Racing-Piloten vorbeiziehen. Der führende Oyu zögerte hingegen seinen Boxenstopp bis zur 19. Runde hinaus – und fiel somit dem Undercut von Sho Tsubi und Liam Lawson zum Opfer.

Photo by Y. Sezaki

Was folgte war die Szene des Rennens: Zwar kam Oyu noch vor Nojiri heraus, hatte aufgrund seiner noch kalten Reifen aber einen enormen Nachteil. In den S-Kurven des ersten Sektors kam der Mugen-Pilot deshalb dicht an Oyu heran und unterschätzte dabei den Geschwindigkeitsunterschied, als er ins Heck des TGR Grand Prix-Boliden knallte. Das Ergebnis: Zwei ins Kiesbett segelnde Honda-Boliden, lange Gesichter und null Punkte. Insbesondere dem stets sehr emotional aufgeladenem Oyu stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Nojiri entschuldigte sich zwar direkt bei ihm, doch Oyu wollte zunächst alleine gelassen werden. Für mehrere Minuten standen die beiden Rivalen somit nebeneinander am Streckenrand, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Besonders brisant: Beide sind seit dieser Saison auch GT500-Teamkollegen im neuen Super-Team von ARTA und Mugen.

Für Tomoki Nojiri war es der erste Ausfall seit dem Saisonfinale 2020 (technischer Defekt) und der erste selbstverschuldete seit dem Lauf im Sportsland SUGO im Jahr 2019. Solche Fehler sind eine regelrechte Seltenheit für den zweifachen Champion. Prompt im Anschluss entschuldigte er sich auch noch mal öffentlich bei Oyu und erklärte, dass er die Situation schlichtweg falsch einschätzte. So hatte er keine Attacke in den S-Kurven vorgesehen, sondern wollte diesen in der Gyaku-Bank-Kurve kurz vor der Degner-Kurve tätigen. Obgleich sichtbar frustriert, zeigte Oyu Verständnis für Nojiris Fauxpas. So erklärte er, dass alle aufgrund der streng limitierten Testfahrten noch das neue Auto lernen und sich ans Limit herantasten würden. Da der SF23 einen deutlich stärkeren Sog als das Vorgängermodell hat, sei solch ein Missgeschick schneller möglich. Trotz des Ausfalls konnte Nojiri die Tabellenführung behalten. Für Oyu war der zweite Nuller in drei Rennen deutlich schmerzlicher. Er ist nun 34 Punkte hinter dem Mugen-Piloten. Bereits beim zweiten Fuji-Lauf konnte der 24-Jährige nach einem zu harten Zweikampf mit Nojiri, bei dem er sich einen Bremsplatten einfuhr, keine Zähler einsacken.

Zwei Wochen später scherzte Oyu bereits wieder über die Situation und kommentierte, dass er beim Golden-Week-Klassiker der SUPER GT nun wieder mit seinem Rivalen zusammenarbeiten werde. Tatsächlich waren Nojiri und Oyu auch auf Podiumskurs, bis ihnen in der vorletzten Runde der Sprit ausging. When it rains, it pours.

 

Gewinner: Sho Tsuboi (Cerumo-Inging)

Photo by Y. Sezaki

Obgleich Sho Tsuboi auf den letzten Kilometern der erste Sieg seit dem Saisonfinale 2020 sprichwörtlich durch die Finger rutschte, geht er als einer der Sieger aus dem Suzuka-Wochenende heraus. Es war der zweite Silberrang in Folge, nachdem sein persönlicher Jahresauftakt nach nur wenigen Metern unverschuldet in Karbonschrott endete. Nun lediglich zehn Punkte hinter Nojiri liegend, kristallisiert sich der 27-Jährige als einer der Titelanwärter in diesem Jahr heraus. So erfolgreich es für Tsuboi in der SUPER GT in den letzten beiden Jahren lief (GT500-Champion 2021), umso schwieriger war seine Situation in der Super Formula, mit lediglich einem Podiumsresultat beim Sommerlauf auf dem Fuji Speedway vergangene Saison. Dabei ging der aus Kawagoe stammende Japaner mit Titelambitionen aus der Saison 2020 heraus – sein erst zweites Jahr in der Super Formula, welches er auf dem dritten Tabellenrang mit zwei Siegen beendete. Entsprechend perplex zeigte sich Tsuboi, der sich den plötzlich Leistungssumpf nicht erklären konnte. Der Wechsel auf den neuen SF23-Boliden scheint jedoch zu seinem Fahrstil zu passen.

Vielmehr: Während Fahrer wie Nojiri, Oyu, Hirakawa sowie Miyata starke Leistungsunterschiede zeigten, hatte Tsuboi abseits des Ausfalls beim Auftakt eine konstant gute Leistung sowohl in Qualifying wie auch Rennen. Aus diesem Grund sieht Liam Lawsons Ingenieur bei Mugen, Tomo Koike, Sho Tsuboi aktuell auch als einen der stärksten Rivalen. In einem Interview mit Motorsport Japan stellte er ihn gar über Lawsons Teamkollegen Tomoki Nojiri. Zuletzt gewann Cerumo-Inging mit Hiroaki Ishiura 2017 die Meisterschaft.

 

Verlierer: Nakajima Racing

Nakajima Racing nahm über den Winter einige Umstrukturierungen vor, um wieder zur alten Stärke zurückzufinden. Zum einen gab Teambesitzer Satoru Nakajima die Zügel an den ehemaligen Super-Formula-Piloten sowie seinen SUPER-GT-Schützling Takuya Izawa ab. Zum anderen stoß der letztjährige Rookie des Jahres, Ren Sato, an die Seite von Naoki Yamamoto. Der 21-Jährige ersetzt Toshiki Oyu, der sich gegen eine Vertragsverlängerung durch Honda entschied (siehe unsere Saisonvorschau). Tatsächlich präsentierte sich Nakajima Racing beim Saisonauftakt mit einer hervorragenden Leistung. Naoki Yamamoto, der abseits eines Sieges beim Regenrennen in Motegi letztes Jahr stark zu kämpfen hat, verpasste mit dem vierten Rang das Podium nur knapp – fuhr damit aber sein bis dato bestes Resultat im trockenen seit dem Wechsel zu Nakajima Racing ein. Und auch Ren Sato sackte bei seinem ersten Auftritt für seinen neuen Arbeitgeber wertvolle Zähler auf Platz sechs ein. Obgleich Yamamoto einen Tag drauf nur hauchdünn die Punkteränge (P11) verpasste, konnte zumindest Sato mit dem neunten Rang weitere Zähler einfahren.

In Suzuka erlebte die Honda-befeuerte Mannschaft jedoch einen herben Rückschlag: Nachdem der Start aufgrund des ausgegangenen Motors von Tadasuke Makino (Dandelion Racing) abgebrochen und eine weitere Einführungsrunde angehangen wurde, kam Ren Sato just in dieser aufgrund eines technischen Defekts in die Box. Sein Suzuka-Rennen endete somit, bevor es überhaupt erst losging. Und auch der eigentliche Suzuka-Spezialist Naoki Yamamoto, der sieben seiner neun Triumphe auf der Grand-Prix-Bahn feierte, konnte mit Platz elf nicht die Kastanien aus dem Feuer holen. Damit rutschte Nakajima Racing in der Team-Wertung nun auch wieder hinter Impul und Kondo Racing zurück. Ein Rückschlag, der sich allerdings wettmachen lässt, zumal Impul ebenfalls mit starken Leistungsschwankungen zu kämpfen hat. Zwar konnte Ryo Hirakawa in Suzuka sein zweites Podiumsresultat der Saison einfahren. Teamkollege Yuhi Sekiguchi ist heuer überraschenderweise aber noch punktelos.

Nächste Saisonstation: Der hübsche wie auch herausfordernde Autopolis Circuit in Kyushu am 21. Mai 2023.

Copyright Photos: Japan Race Promotion (JRP), Y. Sezaki

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