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BTCC: Snetterton 2023 – Sutton fehlerfrei beim Reifen-Roulette

von Sebastian Focks
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Ash Sutton setzte bei den BTCC-Rennen in Snetterton seine in Brands Hatch begonnene Siegesserie mit zwei weiteren Erfolgen fort und erobert zugleich die Führung in der Meisterschaft. Den dritten Sieg des Tages holte sich Champion Tom Ingram. Da in Snetterton alle drei Reifenmischungen gefahren werden mussten, war das Rätseln und Philosophieren über das schwarze Gold bestimmendes Tagesthema.

Von allen Strecken, auf denen die BTCC regelmäßig gastiert, gehört Snetterton zu den eher langweiligeren Kursen. Die durchaus traditionsreiche Strecke in Norfolk ist seit ihrem Umbau und der Hinzufügung eines Infields mit über 4,7 km Länge einfach etwas zu lang für die BTCC und obwohl es ein paar gute Überholmöglichkeiten gibt, sind die Rennen hier oft eher mau. Hinzu kommt, dass Snetterton für viele Teams regelmäßig Anlaufstelle Nummer eins für Testfahrten ist, weswegen so gut wie jeder eine mehr oder weniger perfekt passende Fahrzeugabstimmung parat hat.

Um etwas Würze reinzubringen, wurde Snetterton bei der diesjährigen Saisonplanung als eine der Strecken ausgesucht, auf der die Regel zum Einsatz kommen sollte, dass alle drei von Goodyear angebotenen Reifenmischungen (hart, medium, soft) in je einem der drei Läufe gefahren werden müssen. Normalerweise wird immer mit dem Medium-Reifen als Standard gefahren und je nach Strecke müssen dann der Soft- oder der Hard-Reifen in je einem der drei Läufe als Optionsreifen aufgezogen werden. Für Snetterton gab es nun keinen Standard- und keinen Optionsreifen, sondern jeder musste jede der drei Mischungen einmal in einem der drei Läufe aufziehen.

Unter der Annahme, dass die Soft- und Medium-Reifen pro Runde mindestens eine halbe Sekunde schneller sein würden, als die nächst härtere Mischung und zusätzlich beim Soft-Reifen ein Fragezeichen hinsichtlich konstant durchgehender Grip-Eigenschaften über eine volle Renndistanz bestand, versprach das in der Theorie verschiedene Reifenstrategien, die zu vielen Zweikämpfen und dem ein oder anderen Überraschungsresultat führen sollten.

In der Praxis stellte sich dann jedoch schon im ersten Lauf ein eher begrenzter Erfolg bezogen auf dieses Ziel heraus. Pole Sitter Ash Sutton, der sich für die Medium-Reifen entschied, brannte vom Start weg eine schnelle Runde nach der anderen in den Asphalt und setzte sich mühelos um einige Sekunden von den Soft-bereiften (und damit theoretisch schnelleren) Verfolgern Colin Turkington, Jake Hill und Tom Ingram ab. Ab etwa der vierten Runde fanden die BMWs von Turkington und Hill dann mit zunehmender Reifentemperatur zwar etwas mehr Speed, konnten die zu Sutton entstandene Lücke aber dennoch nicht schließen. Erst nachdem Hill Teamkollege Turkington für Platz zwei überholte und Sutton begann seine Führung (und Reifen) zu verwalten, kam Hill dem Ford wieder näher und lag in der letzten Runde schließlich direkt hinter diesem.

Der sichere Start-Ziel-Sieg war für Sutton aber zu keinem Zeitpunkt gefährdet und der dreifache Champion holte sich nach seinen beiden Erfolgen vor zwei Wochen in Brands Hatch einen weiteren Saisonsieg. Jake Hill und Colin Turkington komplettierten das Podium vor Tom Ingram auf Platz vier. Ingram, der an diesem Wochenende von einer Grippe geplagt wurde, hatte das Rennen eigentlich von Startplatz zwei begonnen, war aber gleich beim Start von Turkington und Hill überholt worden. Bei einem Konterversuch geriet er in der Wilson Hairpin zudem mit Turkington aneinander, wodurch er weitere Positionen gegen Ricky Collard und Adam Morgan verlor, diese aber binnen drei Runden wieder zurückerobern konnte. Gegen die auf Platz zwei und drei liegenden BMWs hatte Ingram dann aber keine realistische Chance mehr und begnügte sich mit Platz vier.

Toyota-Pilot Collard, in Brands Hatch wegen einer Tracklimit-Strafe um seinen ersten Sieg gebracht, verpasste nach starker Qualifikation ein Resultat auf den vorderen Plätzen wegen einer kaputten Wasserpumpe. Somit belegten die beiden anderen WSR-BMWs von Adam Morgan und Stephen Jelley – wie ihre Teamkollegen Turkington und Hill mit Soft-Reifen unterwegs – die Plätze fünf und sechs. Dahinter komplettierten Dan Rowbottom, Josh Cook, Rory Butcher und Árón Taylor-Smith die Top Ten. Mit Ausnahme von Taylor-Smith, der seine Soft-Reifen sehr gut nutzte, um von Startplatz 13 einige Positionen gut zu machen, hatten alle anderen genannten die potentiell langsameren harten Reifen aufgezogen. Ziel war es, diese aus dem Weg zu haben, um dann für den Rest des Tages die vermeintlich besseren weicheren Reifenmischungen verwenden zu können.

Dass die harten Reifen aber nicht zwingend ein großer Nachteil sein mussten, zeigte der Elftplatzierte Dan Cammish, der das Rennen nach einem Unfall in der Quali aus der letzten Startreihe in Angriff nehmen musste, sich recht mühelos durch das Feld arbeitete und dabei auch diverse Kontrahenten, die auf Soft- oder Medium-Reifen unterwegs waren, überholen konnte. Hier zeigt sich, dass ein Top-Auto, wie der diesjährige Motorbase-Ford, auch mit vermeintlich schlechteren Reifen, eben ein gut zu fahrendes Auto bleibt. Eventuell wäre es für Cammish mit weicheren Reifen zwar noch weiter nach vorne gegangen, aber für die beiden folgenden Läufe standen nun die schnelleren Reifen zur Verfügung, was eigentlich nach einer guten Strategie aussah. Die Betonung liegt auf „eigentlich“, wie später noch zu sehen sein wird.

Auch der zweite Lauf wurde an der Spitze vom Start weg zu einer klaren Sache für Ash Sutton. Der Ford-Pilot, nun auf Soft-Reifen unterwegs, entschwand erneut den ihn verfolgenden BMWs und anders als im ersten Lauf schafften es Hill und Turkington (beide nun Medium-bereift) auch nicht, wieder an Sutton ranzukommen. Ohne große Mühen trug Sutton seine Soft-Reifen über die Distanz und gewann mit mehreren Sekunden Vorsprung. Hill und Turkington komplettierten erneut in der gleichen Reihenfolge wie im ersten Lauf das Podium, bekamen in den letzten Runden aber noch etwas Druck von Suttons Teamkollegen Dan Rowbottom, der sich ebenfalls für die Soft-Reifen entschieden hatte, damit gleich in den ersten Runden mehrere Positionen gut machte und ebenfalls ohne einbrechenden Grip über Distanz kam. An den BMWs fand er aber dennoch keinen Weg vorbei.

Hinter Rowbottom belegten Adam Morgan und Stephen Jelley, mit Medium-Reifen erneut auf der gleichen Strategie unterwegs wie ihre Teamkollegen Turkington und Hill, die Plätze fünf und sechs, gefolgt von Tom Ingram, der sich für diesen Lauf für die harten Reifen entschieden hatte und damit – im Gegensatz zu bspw. Dan Cammish im ersten Lauf – nicht wirklich gut mithalten konnte. Ingrams Ziel war Schadenbegrenzung, um dann für den dritten Lauf mit Medium-Reifen gut gerüstet zu sein. Hinter Ingram konnte der Medium-bereifte Rory Butcher die Soft-bereiften und angriffslustigen Sam Osborne und Dan Lloyd hinter sich halten, während dahinter Dan Cammish, nun Medium-bereift und damit eigentlich deutlich vielversprechender gerüstet als im ersten Lauf, erneut „nur“ auf dem elften Platz landete.

Cammish wurde (zusammen mit einigen anderen) lange von Vauxhall-Pilot Árón Taylor-Smith aufgehalten, der – Medium-bereift – sichtlich langsamer war als die hinter ihm fahrenden Konkurrenten, sich aber partout nicht überholen lassen wollte und dies auch fast das gesamte Rennen hindurch erfolgreich verhindern konnte. Letzten Endes fanden nur Lloyd und Cammish einen Weg am Vauxhall vorbei. Als Cammish es endlich geschafft hatte, war die Lücke nach vorne aber bereits so groß, dass keine Chance auf ein besseres Resultat bestand.

Auf die Pole Position für den dritten Lauf wurde Stephen Jelley gelost mit Teamkollege Adam Morgan neben sich in Reihe eins. Jegliche Chancen auf einen BMW-Sieg waren aber von vornherein niedrig eingestuft: Allen vier BMW-Piloten standen im letzten Lauf nur noch die härteren Reifen zur Verfügung, was ein paar Fragezeichen in Bezug auf die Strategie von WSR aufkommen ließ. In Verbindung mit der ohnehin bekannten Schwäche der BMWs ihre Reifen auf Temperatur zu bekommen, ergab das keine allzu optimistische Ausgangslage, woran auch eine zusätzliche Aufwärmrunde nichts ändern konnte, die nötig geworden war, weil George Gambles Toyota in der ersten Einführungsgrunde stehen geblieben war.

Während Morgan sich dann schon in der ersten Runde Rowbottom und Ingram geschlagen geben musste, schaffte Jelley es zunächst noch die Führung zu halten. Aber bereits in der zweiten Runde gingen die Medium-bereiften Rowbottom und Ingram auf der Bentley Straight am BMW vorbei und eroberten die Plätze eins und zwei. Durch die Attacke aus dem Rhythmus gebracht verlor Jelley in rascher Folge weitere Positionen an Butcher, Teamkollege Morgan, Sutton sowie Dan Cammish, der – nun mit Soft-Reifen ausgerüstet – seit dem Start auf dem Vormarsch war.

An der Spitze entwickelte sich dann ein Kampf zwischen Rowbottom und Ingram mit Hybrid-Power-Vorteil auf Seiten von Ingram, der schließlich zu Beginn der fünften Runde auch die Führung übernehmen konnte. In der Folge schaffte es der Hyundai-Pilot, sich einige Wagenlängen abzusetzen, während sich Rowbottom dahinter dem mit Soft-Reifen fahrenden Rory Butcher geschlagen geben musste. Schnellster Fahrer im Feld war zu diesem Zeitpunkt aber Dan Cammish, der, nachdem er gemeinsam mit Teamkollege Sutton den BMW von Adam Morgan überholt hatte, zunächst auf Platz fünf lag. In dem Wissen, dass er mit den harten Reifen seinen Soft-bereiften Teamkollegen nicht lange würde sich hinter ihm halten können, ließ Sutton Cammish dann bereitwillig vorbei und gleiches tat wenige Umläufe später auch Rowbottom, der mit seinen Mediums bei weitem nicht das Tempo von Cammish mitgehen konnte.

Nun auf Platz drei vorgerückt, schloss Cammish schnell die Lücke zum zweitplatzierten Rory Butcher und überholte diesen schließlich drei Runden vor Schluss. Pünktlich zur letzten Runde war Cammish dann am nach wie vor führenden Ingram dran, aber der gesundheitlich angeschlagene Hyundai-Pilot hielt dem Druck Stand und holte sich knapp vor Cammish seinen ersten Saisonsieg 2023. Für Cammish wäre der zweite Platz dennoch ein versöhnlicher Abschluss dieses durch den Crash in der Qualifikation ungünstig gestarteten Renntags gewesen. Aber leider liegt die Betonung auf dem Wort „wäre“: Schon in der TV-Übertragung war zu sehen, dass es Probleme beim nachträglichen Check der korrekten Fahrzeughöhe gab. Der Ford war um einiges zu tief unterwegs und folgerichtig wurde Cammish seine Platzierung nachträglich aberkannt. Für den bisherigen Meisterschaftsführenden natürlich eine bittere Enttäuschung.

Den zweiten Platz erbte somit Rory Butcher und Dan Rowbottom komplettierte das Podium. Dahinter betrieb Ash Sutton auf den ungünstigen harten Reifen Schadensbegrenzung und rundete ein für ihn perfektes Wochenende mit Pole Position sowie zwei Siegen mit Platz vier ab. Auf Platz fünf sah der eigentliche Mann des Rennens, Josh Cook, die Zielflagge. Der Honda-Pilot war nach einem problematischen zweiten Lauf vom letzten Startplatz gestartet, konnte sich mit den Soft-Reifen aber sukzessive Position um Position nach vorne arbeiten und schließlich als Fünfter sein bis dato bestes Saisonresultat einfahren. Kaum minder gut unterwegs war auch Cooks Teamkollege Aiden Moffat, der im doppelten BMW Sandwich zwischen Jelley und Turkington vor ihm und Morgan und Hill hinter Achter wurde.

Die gesamten Ergebnisse der drei Läufe aus Snetterton können wie üblich bei TSL Timing studiert werden.

Mit vier Siegen in Folge (zwei in Brands Hatch und zwei in Snetterton) hat Ash Sutton nun die Meisterschaftsführung übernommen. Der Ford-Pilot führt mit sieben Punkten vor Tom Ingram, der mit seinem Sieg im dritten Lauf wertvolle Zähler holen konnte und mit sieben Top-Fünf Platzierungen in neun Rennen in diesem Jahr bislang ein Meister in Sachen Konstanz ist. Danach klafft in der Meisterschaft bereits eine erste größere Lücke von 26 Punkten zu Colin Turkington auf Platz drei, gefolgt von Dan Cammish und Jake Hill mit jeweils 37 Punkten Rückstand auf Platz vier.

Die BTCC gastiert am nächsten Wochenende in Thruxton, wo dann in Sachen Reifen wieder alles anders sein wird. Statt zwei oder – wie in Snetterton drei – verschiedenen Reifenmischungen kommt auf dem Kurs unweit von Stonehenge wegen der hohen Geschwindigkeiten ausschließlich die härteste Reifenmischung zum Einsatz. Wenn man an Thruxton denkt, denkt man unweigerlich an Josh Cook, der mit neun Siegen Rekordsieger auf dem Highspeedkurs ist und sicherlich auch in diesem Jahr mindestens einmal auf der obersten Stufe des Podiums stehen wollen wird.

Klarer Favorit sollten aber die Fords, und hier vor allem Ash Sutton sein. Beim zweiten Thruxton-Gastspiel im vergangenen Jahr waren die im Laufe der Saison immer ausgereifteren Fords schon sehr stark unterwegs und Sutton und Cammish holten sich jeweils einen Sieg auf dem Highspeedkurs. Mit bislang sechs Siegen in neun Rennen sind die von Motorbase Performance eingesetzten Focus ST in diesem Jahr noch besser unterwegs als vergangene Saison und stellen insgesamt wohl das stärkste aktuelle BTCC-Paket dar. Es spricht also alles dafür, dass sich diese Dominanz – auch in Fortsetzung der guten Leistung im letzten Jahr – in Thruxton nahtlos fortsetzen wird.

Bilder: btcc.net

 

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