Ein neuer Kurs steht am Wochenende für die Formel E-Piloten auf dem Programm – und passend dazu wurde auch der Kalender für die kommende Saison veröffentlicht. Wir schauen uns beides an.
Der Portland International Raceway ist zumindest den Fans des US-Motorsports wohlbekannt. Die IndyCar bzw ChampCar ist dort von 1984 bis 2007 jährlich gefahren, seit 2018 trägt auch die „moderne“ IndyCar Series dort wieder regelmäßig Rennen aus. Von den 1970er Jahren bis in die 2000er gab es auch Sportwagenrennen der IMSA und der ALMS. Nun kommt die Formula E erstmalig in die größte Stadt Oregons, die auch mit einem durchaus grünen Image glänzen kann. Das Rennen ersetzt – zumindest temporär – den ePrix in Brooklyn, da das dortigen Gelände, ein Kreuzfahrt-Terminal, renoviert wird.
Der Kurs in Portland ist kein klassischer Formel E-Straßenkurs, sondern eine permanente Rennstrecke, wenn auch stadtnah gelegen. Er ist Teil des Delta Parks, eines großzügigen Freizeitgeländes zwischen Willamette River und Columbia River. Einst stand hier der Stadtteil Vanport mit überwiegend Arbeiter- und Sozialwohnungen, der 1948, nur sechs Jahre nach seinem Bau für Werftarbeiter während des Krieges, von einer Flut wieder zerstört worden ist. 15 Menschen starben, auf einen Wiederaufbau wurde verzichtet.
Es wird interessant sein, die Formel E auf diesem Kurs zu sehen, weil es weitestgehend ein schneller, flüssiger Kurs ist. Höchstens die furchtbar hakelige erste Schikane, die es in dieser Form seit 1992 gibt, erinnert an die typischen Formel E-Stadtkurse. Bei den IndyCars sorgt diese regelmäßig für Startunfälle, auch bei der Formel E ist da nicht auszuschließen. Der ein oder andere wird hier sicherlich seinen Frontflügel und damit die Chancen auf ein gutes Resultat verlieren.
Danach geht es durch langgezogene, mittelschnelle Kurven, wie wir sie eher selten im Formel E-Kalender sehen. Turn 7 wurde bei der letzten Streckenrenovierung 2008 in einer aufgeweitete Spitzkehre umgebaut, die sollte an diesem Wochenende für das ein oder andere Überholmanöver taugen; auf der Außenbahn wird hier auch die Attack Mode-Aktivierungszone liegen. Danach geht es auf die fast 1000 Meter lange, etwas geschwungene Gegengerade, die in eine flüssige, schnelle Schikane mündet. Darauf bin ich sehr gespannt, solche Passagen – auch so lange Geraden – sehen wir sonst in der Formel E eher nicht. Nach einem Rechtsbogen geht es auf die mit 800 Metern für FE-Verhältnisse ebenfalls lange Start/Ziel-Gerade.
Das heißt: wenig harte Bremszonen, um Energie zurückzugewinnen, auch wenige Beschleunigungszonen, aber zwei lange Vollgaspassagen pro Runde. Da wird voraussichtlich wieder viel Energie gespart werden müssen. Beim letzten Mal hatte ich über den neuen Renn-Stil geschrieben, der sich vor allem in Sao Paulo und Berlin zeigte, wo niemand die Führung übernehmen wollte und so sehr viel im Pulk gefahren wurde. Beim Doubleheader in Jakarta war zu sehen, dass auch die Renndistanz hierbei eine wichtige Rolle spielt. Denn in Jakarta lief das erste Rennen mit 85 km (36 Runden) anders ab als das zweite mit 90 km (38 Runden). Am Sonntag war der Trend des Langsamfahrens an der Spitze wieder deutlich präsenter. Das Rennen in Portland geht über 28 Runden, das sind gut 90 Kilometer.
Rückblick auf den Jakarta ePrix und Meisterschaftsstand
An dem Wochenende in Jakarta konnte endlich einmal Maximilan Günther wieder auftrumpfen und seinen vierten Formel E-Sieg holen. Maserati zeigte schon seit einigen Rennen eine steigende Formkurve, und in Jakarta konnte sich Günther tatsächlich für beide Läufe die Pole Position sichern. Am Samstag konnte er die Führung aber nicht über die Distanz halten, hier waren es am Ende die beiden Meisterschaftsführenden Pascal Wehrlein und Jake Dennis, die sich um den Sieg stritten – mit dem besseren Ende für Wehrlein, der zum ersten Mal seit dem Diriyah ePrix Ende Januar wieder ganz oben stand. Mitch Evans erlitt einen Rückschlag im Titelrennen, als ihm kurz vor Ende des ersten Laufs ausgerechnet sein Teamkollege Sam Bird ins Heck fuhr und ihn so von der Strecke räumte. Zu dem Zeitpunkt lagen die beiden Jaguars auf den Plätzen 8 und 9.
Das Sonntagsrennen war in der ersten Rennhälfte stark vom Energiesparen geprägt, was zu einem Perlenketten-Rennen führte, bei dem die Führung schon allein durch die zeitlich unterschiedlichen Attack Mode-Aktivierungen bei geringen Abständen zwischen Maximilian Günther, Mitch Evans und Jake Dennis mehrfach wechselte. Als dann in der zweiten Rennhälfte freie Fahrt angesagt war, zogen Günther und Dennis davon: mit 2,8 Sekunden Vorsprung gewann der Bayer im Maserati, hinter Dennis klaffte dann eine Lücke von mehr als 15 Sekunden bis zu Mitch Evans – für die Formel E ein gigantischer Abstand. Nach Evans am Samstag hatte diesmal mit Nick Cassidy ein weiterer Titelanwärter ein schlechtes Rennen, der nach einem Zusammenstoß weit zurückfiel.
Die Tabelle sieht nun wie folgt aus:
- Pascal Wehrlein (Porsche) – 134 Punkte
- Jake Dennis (Andretti-Porsche) – 133 Punkte
- Nick Cassidy (Envision-Jaguar) – 128 Punkte
- Mitch Evans (Jaguar) – 109 Punkte
- Jean-Eric Vergne (DS Penske) – 97 Punkte
- Antonio Felix da Costa (Porsche) – 78 Punkte
- Maximilian Günther (Maserati) – 70 Punkte
So geht es nach Portland. Das Rennen wird am Samstag ausgetragen, Startzeit ist in Mitteleuropa 2 Uhr in der Nacht zum Sonntag. Pro7 und Eurosport 2 übertragen wie gewohnt live.
Der Kalender für die Saison 2024
Portland steht auch für die kommende Saison wieder im Formel E-Kalender, dessen Entwurf in dieser Woche bekannt gegeben wurde, wenn auch noch mit ein paar zu füllenden Lücken. Es geht wieder im Januar in Mexico City los, das Saisonfinale in Form eines Doubleheaders wird im Juli in London ausgetragen. Der Kalender soll einen Lauf mehr umfassen als der diesjährige, 17 an der Zahl. Acht davon werden im Rahmen von Doubleheader-Wochenenden ausgetragen, und zwar in Diriyah, Rom, Berlin und London.
Bekannt und wieder dabei sind die noch nicht erwähnten Rennen in Sao Paulo (zum zweiten Mal), Monaco, Jakarta (zum dritten Mal, nun wieder als Einzelrennen) und eben Portland. Der einzige bisher bekannte Neuzugang ist ein großer Name, bzw. eine große Stadt: Tokyo soll am 30. März erstmalig einen ePrix abhalten. Das Rennen könnte im Umfeld des markanten Big Sight-Kongresszentrums ausgetragen werden, aber noch gab es keine offizielle Vorstellung der Strecke. Darüber hinaus sind drei TBA-Events noch näher zu definieren, hier könnten sich auch Austragungsorte wie Hyderabad und Cape Town verstecken, die in diesem Jahr debütierten. Gerade den gelungenen Kurs in Kapstadt würde ich gern wieder sehen.
So richtig intuitiv fühlt sich der Kalender nicht an, man wird die Autos kreuz und quer um die Welt karren; eine sinnvolle kontinentale Zusammenfassung, die gerade für eine Rennserie mit Öko-Image vielleicht ganz nett wäre, ist abgesehen von den drei Europa-Events im April und Mai nicht zu erkennen. Auch dass der Kalender immer umfangreicher wird, sagt mit persönlich nicht zu. Zwar kommt die hohe Zahl auch durch die Doubleheader-Wochenenden zustande, aber so wie ich mir bei der Formel 1 eine Saison mit ca. 18 Rennen wünschen würde, würden mir bei der Formel E 12-15 Läufe völlig reichen.
Wir werden sehen, ob die TBAs noch gefüllt werden und wie sich das Ganze entwickelt.
(Bilder: Formula E)