Und erneut stellt sich die Frage: Kann einer Red Bull schlagen? Aber die Antwort dürfte klar sein.
Auf welchen Strecken hat der Red Bull eigentlich Schwächen? Auf schnellen Strecken wie Jeddah nicht. Auf engen Kursen wie in Monaco auch nicht. Und auf mittel schnellen Strecken wie Barcelona auch nicht. Silverstone gehört eher zu den schnellen Strecken und dazu kommen die sehr schnellen Passagen wie Copse, die Maggots-Becketts-Chapel Passaage und Stowe. Ich habe mir mal die Sektorenzeiten aus dem letzten Sektor in Österreich angeschaut, der dem Kurs in Silverstone einigermaßen ähnlich ist.
Ich habe die Sektorzeiten aus dem Sprint Shootout genommen, weil das trocken war. Die Sektorzeiten aus dem Rennen konnte ich nicht nehmen, weil Verstappen die letzte Runde auf frischen Soft unterwegs war, was Bild deutlich verzerrt.
Verstappen 19,460
Norris 19,557
Perez 19,561
Alonso 19,645
Sainz 19,678
Die Mercedes tauchen in der Liste nur am Ende auf, weil beide nur in Q1 gefahren sind. Hamilton, weil er nicht weiter kam, Russell, weil das Auto nicht mehr wollte. Auf den ersten Blick ist der Abstand nicht so dramatisch, aber ein Zehntel in einem relativ kurzen Sektor ist dann schon ein Hinweis auf das, was uns in Silverstone erwartet. Red Bull wird erneut dominieren und der Abstand dürfte sich im Bereich von 3 bis 5 Zehntel bewegen.
Wer dahinter liegt, ist die Frage und die ist nicht leicht zu beantworten. Best of the Rest in Österreich war Lando Norris im McLaren. Deren Update scheint zu funktionieren, wie man auch an der Zeit im letzten Sektor sieht. Es ist also nicht der gute Topspeed allein, der Norris nach vorn brachte. Aber ganz so einfach kann man das natürlich auf Silverstone übertragen. Ein anderer Asphalt, andere, härtere Reifenmischungen und andere Wetterbedingungen spielen hier eine Rolle. Zudem kommt eine weitere Ausbaustufe bei den Upgrades. Könnte sein, dass es noch etwas mehr bringt für McLaren.
Gespannt bin ich auf die Leistungen von Aston Martin und Mercedes. Bei Aston gab es in Spanien ein Update und bisher hat das nur wenig gebracht. Zwar gab es in Kanada einen zweiten Platz für Alonso, aber auf den mit Silverstone vergleichbaren Strecken in Spanien und Österreich kam kein Podium zustande. Die Frage ist, ob Aston beim Update verwachst hat, oder ob die anderen bei ihren Updates mehr zulegen konnten.
Das wird auch Mercedes brennend interessieren. In Spanien lief es ok, in Kanada schon besser, aber Österreich war, für das Team überraschend, ein Reinfall. Man war überhaupt nicht konkurrenzfähig, egal in welchem Sektor. Unter dem Update hat man ja immer noch das alte Chassis, also ist die Frage, ob das seine Unberechenbarkeit komplett abgelegt hat. Das Setup spielt beim Auto eine sehr große Rolle, wie man auch in Spanien gesehen hat. Dort hatte Mick Schumacher über Nacht zum Samstag die nötigen Einstellungen gefunden. Läuft der Mercedes in Silverstone, wird man ein Stück klüger sein.
Eher auf der Jagd sehe ich daher überraschenderweise die Ferrari. Die Strecke in Kanada war nichts für das Auto, aber in Österreich war man die klare Nummer Zwei. Wenn man allerdings auf den letzten Sektor schaut, hängt der Ferrari etwas zurück, aber nicht viel. Das dürfte das Auto auf den Topspeed Passagen wieder reinholen. Wie gut der Motor von Ferrari ist, konnte man auch bei Haas sehen. Aber eine Chance auf den Sieg gebe ich ihnen nicht. In der Quali mögen sie näher dran sein, aber im Rennen ist Red Bull der klare Favorit.
Sicherlich kann man davon ausgehen, dass es hinter Red Bull etwas enger wird, wenn McLaren dazustoßen sollte. Das freut dann wieder die Österreicher, wenn sich die Gegner (na ja, Gegner) auch noch gegenseitig die Punkte wegnehmen. Aber dafür dürften wir dann einige interessante Rennen in der Gruppe sehen, die sehr eng zusammen liegt.
Da wäre Alpine auch gerne, aber davon ist man weit entfernt. Die 200 Millionen, die man neulich von diversen Investoren eingenommen hat, werden Renault erfreuen, aber dem Team nur langfristig etwas bringen. Bisher ist der Alpine eher lahm und man liegt, wie immer, weit hinter den eigenen Erwartungen. Ein bis drei Punkte aus den Rennen mitzunehmen, kann ja nicht das Ziel eines Werksteam sein. Aber einen Ausweg scheint man auch nicht gefunden zu haben. An guten Tagen bleibt man auch mal dran, aber meist schwimmt man alleine zwischen dem vorderen und dem hinteren Feld rum.
Auch wenn Haas und Williams ab und an glänzen – der Abstand des Hinterfelds zu den Punkten ist dann doch enorm. Die größte Enttäuschung der Saison, jedenfalls in diesem Teil des Feldes, ist auf jeden Fall Alfa Romeo. Das Team kommt einfach nicht vom Fleck, was angesichts der technischen Möglichkeiten von Sauber schon ein wenig erstaunlich ist. Das man nicht vorne mitfahren kann, ist klar. Aber eigentlich sollte man Alfa als Speerspitze des Hinterfelds sehen. Und da sind sie weit entfernt.
Strategie:
C1, C2 und C3 gibt es in Silverstone, was nicht sonderlich überraschend ist. Allerdings gibt es zwei Dinge, die es zu beachten gibt. Der C1 ist eine etwas weicherer Variante im Vergleich zum letzten Jahr. Dazu kommt, dass alle Slicks eine neue Konstruktion haben. Die wurde im letzten Jahr und beim Rennen in Spanien getestet und bekam gute Noten von den Teams. Ziel von Pirelli war es, den Verschleiß etwas zu reduzieren, ohne die Leistung der Reifen zu beschränken. Sie sollten also etwas länger durchhalten, während die Aufwärmphase nicht beeinträchtigt ist. So die Theorie. Viel ändern wird sich im Feld durch die Konstruktion wohl nichts.
In Sachen Strategie wird es auf zwei Stopps herauslaufen. Der limitierende Faktor in Silverstone ist der vordere, linke Reifen. Mit einem Stopp wird man kaum durchkommen. Dazu ist Regen angesagt (Samstag und Sonntag). Ein britischer Landregen könnte das Rennen etwas spannender machen, aber mal abwarten, wie die Wettervorhersage am Sonntag ist.
Bilder: Pirelli