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Formula E: Vorschau auf das Saisonfinale in London

...und ein Rückblick auf den Rome ePrix

von StefanTegethoff
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Jake Dennis geht als Favorit in seinen Heim-Doubleheader-ePrix und kann damit der nächste FE-Weltmeister werden.

Zum ersten Mal seit 2016, als der ePrix noch im Battersea Park ausgetragen worden, markiert London wieder das Ende der Formel E-Saison. Spätestens nach den zwei Rennen im ExCeL-Messe- und Kongresszentrum werden wir wissen, wer Meister der neunte Champion der Formel E ist. Wissen wir es schon nach dem ersten Lauf am Samstagabend, kann es nur Jake Dennis sein, denn dort kommt mit 24 Punkten Vorsprung in die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs. Auf dem Kurs durch das ExCeL war er schon in den letzten beiden Jahren sehr stark und so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Dennis spätestens am Sonntag vor heimischem Publikum seinen ersten Titel seit der Formel Renault 2012 feiern kann.

Nach dem Rome ePrix-Doubleheader ist es de facto nur noch ein Zweikampf um den Titel, Mitch Evans hat mit 44 Punkten Rückstand nur noch eine minimale rechnerische Chance. Aber auch Cassidy ist mit 24 Zählern ein gutes Stück weiter zurück als nach dem Portland ePrix. Er führte die Tabelle sogar nach dem ersten Rom-Lauf für eine Nacht an, doch der zweite am Sonntag brachte eine möglicherweise vorentscheidende Wendung für die Meisterschaft. Dabei war bereits das Samstagsrennen von Drama und Chaos geprägt, allerdings betraf dieses nicht die Titelanwärter.

Jaguar war in den vergangenen Jahren in Rom stark gewesen und auch diesmal starteten beide aus der ersten Reihe, Evans vor Bird. Da Costa und Wehrlein verloren im Mittelfeld-Getümmel ihre Frontflügel, Lotterer crashte, aber in Runde 9 von 25 kam es zu einem heftigen Zwischenfall: In der beidseitig von Mauern flankierten, sich bergauf schlängelnden Vollgas-Passage hoch zu Turn 7 holperte Sam Bird über den Scheitel des Straßenprofils, geriet auf den Dreck neben der Ideallinie und drehte sich, bevor er diagonal auf der Strecke zum Stehen kam. Buemi touchierte den Jaguar als erster, dann Antonio Felix da Costa und schließlich konnte Edoardo Mortara nicht mehr ausweichen und fuhr in das schräg stehende Auto, zum Glück nicht auf Cockpit-Höhe, sondern in stumpfem Winkel in das Heck. Alle Piloten konnten zum Glück aussteigen. Diese Stelle war schon bei den vergangenen Rom-Rennen mit diesem Streckenlayout ein Unfallschwerpunkt, sodass die Streckenplaner sich das noch einmal anschauen sollten.

Das Rennen wurde nach einer längeren Rotphase mit stehendem Start wieder aufgenommen; Mitch Evans im Jaguar gewann, man möchte fast sagen: erwartungsgemäß. Cassidy wurde Zweiter vor einem wiederum starken Maximilian Günther und Jake Dennis, der das Rennen nach dem Restart zeitweise angeführt hatte, dann aber mit seiner Energie haushalten musste und so die Konkurrenz nicht hinter sich halten konnte.

Für den zweiten Lauf am Sonntag sicherte sich Jake Dennis in der Quali die optimale Ausgangsposition und führte dann auch das Feld an. Der Kurs in Rom bietet sich aufgrund der Enge, der vielen Kurven und der teils dreckigen Fahrbahn neben der Ideallinie nicht an für das zuletzt so beliebt gewordene Pulk-Fahren, aber Dennis versuchte dennoch, langsam zu machen und Energie zu sparen. Schon in Runde 2 führte das dazu, dass sein Meisterschafts-Kontrahent Nick Cassidy außen neben ihm die notorische Kurve 7 anbremste. Vortagessieger Mitch Evans fuhr knapp hinter den beiden mittig auf der Fahrbahn und verlor beim Anbremsen die Kontrolle: Sein Heck überbremste und er pflügte quer in Cassidys Heck, stieg über das Hinterrad auf und flog über dessen Cockpit. Jake Dennis verpasste er zu dessen Glück knapp. Sowohl Evan als auch Cassidy konnten zunächst weiterfahren. Aber Evans musste das Auto kurz darauf abstellen und Cassidy war weit zurückgefallen.

Jake Dennis musste sich danach zwar zeitweise gegen heftige Attacken von Norman Nato und Sam Bird wehren, verlor aber nicht ein einziges Mal die Führung und konnte zum Ende hin sogar etwas Vorsprung auf Nato im Nissan herausfahren. Zwar haben sich seine härtesten Konkurrenten ohne sein Zutun aus dem Rennen um den Sieg verabschiedet, aber es war trotzdem eine extrem starke Performance von Jake Dennis. Nick Cassidy kam zwar ins Ziel, aber blieb ohne Punkte. Und so war plötzlich, nachdem es 24 Stunden vorher noch sehr eng aussah, eine Vorentscheidung im Titelkampf gefallen. Der Tabellenstand sieht nun wie folgt aus:

  1. Jake Dennis (Andretti-Porsche) – 195 Punkte
  2. Nick Cassidy (Envision-Jaguar) – 171 Punkte
  3. Mitch Evans (Jaguar) – 151 Punkte
  4. Pascal Wehrlein (Porsche) – 146 Punkte
  5. Jean-Eric Vergne (DS Penske) – 107 Punkte
  6. Maximilian Günther (Maserati) – 101 Punkte
  7. Antonio Felix da Costa (Porsche) – 93 Punkte

Der Kurs im Londoner ExCeL liegt Dennis, wie schon erwähnt: 2021 konnte er das erste Rennen auf dieser Strecke gewinnen, 2022 gewann er Lauf 1 und wurde Zweiter in Lauf2. Die Zeichen stehen also gut für ihn – und für Andretti Autosport, die als erstes Kundenteam seit Techeetah 2017-18 einen Piloten zum WM-Titel bringen könnten. Im Kampf um den Team-Titel sind sie allerdings im Hintertreffen, da Andre Lotterers Resultate dafür in diesem Jahr zu durchwachsen waren.

Spannend ist hier auch die Frage, ob am Ende ein Werksteam oder ein Kundenteam die Oberhand behält. Welche Hersteller die besten Antriebsstränge für die ersten Gen3-Saison entwickelt haben, ist bei einem Blick auf den Tabellenstand aber schnell klar:

  1. Envision(-Jaguar) – 253 Punkte
  2. Porsche – 239 Punkte
  3. Jaguar – 228 Punkte
  4. Andretti(-Porsche) – 218 Punkte
  5. DS Penske – 153 Punkte

Dahinter folgen Maserati und McLaren-Nissan. Beide hatten starke Debüt-Saison. McLaren schickt sich an, das Nissan-Werksteam zu schlagen, aber das ist noch knapp. Maserati, die einen eigenen Antriebsstrang entwickelt haben, sind vor allem in der zweiten Saisonhälfte sehr gut in Fahrt gekommen. Ein Sieg und drei dritte Plätze von Günther sind eine gute Bilanz für das erste Jahr; Edorado Mortara, der in den letzten zwei Jahren um den Titel mitfuhr, hatte dem nicht viel entgegen zu setzen.

Einige Fragen sind also noch offen vor dem London ePrix – auch was die Strecke angeht. Der Kurs wurde, wie schon letztes Jahr, leicht verändert. Diesmal musste das Geschlängel nach der Attack Mode-Aktivierungszone etwas begradigt werden. Denn das ExCeL wird erweitert: auf dem östlichen Vorplatz wird eine neue Halle angebaut. Stellt das zukünftige Formel E-Rennen an diesem Standort in Frage? Anscheinend nicht: Die eingereichten und genehmigten Planungsdokumente lassen im Grundriss in Höhe bzw. Breite erweiterte „Formula E Doors“ erkennen. Es scheint also ab 2024 der Indoor-Anteil dieser Rennstrecke erhöht zu werden. Wie sich das in der Streckenführung niederschlägt, bleibt abzuwarten.

Zunächst verfügt der Kurs nun über 20 statt der bisherigen 22 Kurven. Start/Ziel und die Boxengasse sind in der riesigen Veranstaltungshalle untergebracht. Die engen Kurven und die Rampe, die aus dieser Halle herausführen, waren in den vergangenen Jahren ein Unfallschwerpunkt, an dem sich die Titelkontrahenten vor allem beim Start in Acht nehmen müssen. Es gibt drei lange Geraden mit guten Überholmöglichkeiten am Ende, vor allem die Kurven 10 und 16 außerhalb der Halle. Und drinnen wird uns sicherlich wieder eine Lichtshow vor dem Start geboten…

Die Rennen beginnen am Samstag und am Sonntag jeweils um 18 Uhr MESZ. Pro7 und Eurosport 2 übertragen live.

(Bilder: Formula E)

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