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Formel Eins: Mid-Season Rating der Teams 2023 Teil 2

von DonDahlmann
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Die Top 5 der Formel Eins in der Übersicht. Da gab es einige Überraschungen.

McLaren

Die Briten waren schlecht gestartet, haben ihren Designer (James Key) noch im April entlassen und krebsten auf den letzten Positionen herum. Dann kam in Kanada Österreich ein Updatepaket und seitdem liegt McLaren in den Top 3 und gilt als ernsthafter Kandidat dafür den absolut dominierenden Red Bull einen Sieg wegzuschnappen. Das ist wohl eines der größten Comebacks der letzten Jahre in der Formel Eins und so etwas hat man eigentlich nicht mehr erwartet. In einer Welt, in der man sich vielleicht mal um ein oder zwei Zehntel verbessert, plötzlich mehr als eine halbe Sekunde schneller zu sein, ist schon erstaunlich.

Im Grunde hat McLaren, auch wenn es von außen nicht so aussieht, eine B-Variante des Autos gebaut. Zwar hat nicht in ein neues Chassis investiert, weil die Budgetgrenze das nicht hergibt, aber dafür hat man alle anderen Teile am Auto umgebaut. Das zeigt zweierlei. Das Grundkonzept des von James Key entworfenen Autos war richtig, aber es fehlte bei erweiterten Konzept. McLaren hat Front, Unterboden, Seitenkästen und das Heck angepasst, dazu weitere Änderungen unter der Haube um den Luftfluss zu verbessern.

Das hat sich zumindest teilweise gelohnt, aber das Auto hatte noch Schwächen. Spa legte das offen, auch wenn die Strecke etwas aus der Rolle fällt. Wer aber hier ein Auto mit einem hohen mechanischen Grip hat, kann auf ein low downforce Setup setzen. Red Bull kann das, Ferrari ebenfalls. Mercedes und Aston nur eingeschränkt und McLaren nicht. Was aber daran lag, dass McLaren keinen low downforce Heckflügel hatte, der zum neuen Auto passte.

Die Frage für McLaren ist, wie weit man das Auto noch verbessern kann und ob das Chassis grundsätzlich den Anforderungen auch für das nächste Jahr gerecht wird. Aber dass McLaren unter Andrea Stella in der Lage war, das Ruder derartig herumzureißen, ist schon erstaunlich. Es zeigt aber auch, wie eng die Abstände sind und wie schnell eine gute Idee eines Entwicklers die Dinge an der Spitze verändern kann.

Bei den Fahrern muss man sich keine Sorgen machen. Lando Norris liefert regelmäßig ab, macht keine Fehler und man eher das Gefühl, dass er aufgrund des Chassis sein volles Potenzial nicht zeigen kann. Nicht wenige sehen ihn schon bei Ferrari oder als Nachfolger von Lewis Hamilton sollte der mal aufhören. Dieses Jahr muss er sich aber auch ein bisschen mehr anstrengen, denn Oskar Piastrti erfüllt die ihn gesetzten Erwartungen. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten findet er sich jetzt mit dem überarbeiteten Chassis zurechtrückt, dem Teamleader auf die Pelle. McLaren ist auf jeden Fall für einen Sieg in diesem Jahr noch gut, vorausgesetzt niemand anders macht, einen großen Sprung.

Ferrari
Wer hätte gedacht, dass Ferrari in der Team-WM zur Hälfte der Saison nur auf dem vierten Platz und dann auch noch hinter Aston Martin liegt? Denn eigentlich war die Saison im letzten Jahr gar nicht so schlecht. Sicher, man ist mal wieder an sich selbst gescheitert und hat diverse gute Ergebnisse aufgrund von Strategie- und Zuverlässigkeitsproblemen nicht erreicht. Aber grundsätzlich schien die Basis des Autos gut und die paar Siege haben das unterstrichen. Dass man dieses Jahr derartig (jedenfalls für Ferrari Verhältnisse) unter die Räder kommt, kam dann doch überraschend.

Das Auto kam mit dem gleichen Konzept aus dem letzten Jahr, also den Badewannen-förmigen Aushöhlungen auf den Seitenkästen, während andere auf die Wasserfall/Rutsche setzten. Ob Ferrari dem Konzept deswegen vertraute, weil Mattia Binotto daran glaubte? Jedenfalls gab es dann im Mai das Update auf die neuen Seitenkästen, was dem Auto etwas brachte. Aber seitdem ist der Ferrari unberechenbar geworden. Auf manchen Strecken (Spa) läuft es gut, auf anderen (Red Bull Ring) überhaupt nicht. Das Auto ist weiter eine Wundertüte und kämpft auch noch mit einem deutlich zu hohem Reifenverschleiß.

Beeindruckt hat mich bisher allerdings Frederic Vasseur. Ich fand seine Verpflichtung überraschend und habe auch immer noch leichte Zweifel, ob er der richtige Mann für das Team ist. Was mir aber gefällt, ist seine offene und gleichzeitig entschlossene Art zu kommunizieren. Er verzichtet weitestgehend auf Plattitüden, nennt die Dinge beim Namen und scheint auch eine gewisse Ruhe ins Team gebracht zu haben. Jedenfalls werden die schlechten Ergebnisse eher hingenommen, ohne ein großes Drama daraus zu machen. Ob er sich damit nur Zeit erkauft hat, wird man 2024 sehen.

Er muss die grundsätzliche Frage beantworten, ob Ferrari dazu in der Lage ist, ein Auto zu bauen, dass Red Bull zumindest ab und zu mal unter Druck setzen kann. Im Moment kommt niemand an das Weltmeister-Team ran, aber ein sicherer Platz 2 in der WM wäre zumindest etwas. Auf der anderen Seite geben die momentan schlechten Ergebnisse Vasseur auch etwas Luft. Wenn er es schafft, dass Ferrari wieder „best of the rest“ wird, hat schon mal ein Ziel erreicht.

Bei den Fahrern gibt es offensichtlich eine klare Präferenz für Leclerc. Sainz kann dem Monegassen oft nicht folgen, agiert unglücklich oder hat Pech. Wobei man aber sagen muss, dass sich das von Strecke zu Strecke immer etwas verschiebt. Es ist auch nicht so, als sei Leclerc im Renntrimm immer der deutlich schnellere Mann. Aber so ganz wohl scheint sich Sainz, aus welchen Gründen auch immer, bei Ferrari nicht zu fühlen. Vielleicht liegt es ihm nicht, die zweite Geige zu spielen, vielleicht liegt es daran, dass etwas weniger aggressiv als Leclerc unterwegs ist.

Die Diva Ferrari wird dieses Jahr nicht mehr Rampenlicht stehen und, wie alle anderen, Red Bull die Bühne überlassen müssen. Entscheidend wird dann 2024 sein, wenn man mit einem neuen Chassis kommen wird. Wenn das wieder in die Hose geht, dürfte die ruhige Zeit von Vasseur schnell zu Ende sein.

Aston Martin

Die Briten sind ein gutes Beispiel für die Bewegung, die im Verfolgerfeld herrscht. Überragend gut gestartet und knapp an Red Bull dran. Es folgte ein Update, dass das Auto nicht viel brachte, während Mercedes, Ferrari und vor allem McLaren große Fortschritte machten. Natürlich kann man nicht immer richtig liegen und es nicht überraschend, dass Aston die Puste ausgeht. Das Team befindet sich weiterhin um Aufbau und die Neuverpflichtung von Dan Fallows, den man von Red Bull abgeworben hat, dürfte einiges bringen. Immerhin war Fallows lange die rechte Hand von Adrian Newey. Das neue Tech-Center ist zudem auch noch nicht fertig, da der Windtunnel fehlt. Zwar ist Aston auch nicht mehr Force India und hat mehr Kapital zur Verfügung, aber so schnell macht man aus einem Mittelfeld-Team auch keinen Sieger.

Problematisch ist natürlich, dass man das Update in den Sand gesetzt hat. Aston befindet sich bei den Platzierungen im Moment im Grunde wieder da, wo man im vergangenen Jahr aufgehört hat. Allerdings ist das Bild etwas verzerrt. Die Rennen liefen nicht gut, weil Alonso unterschiedliche Probleme in der Qualifikation hatte. Im Rennen lief es besser, aber natürlich haben sich die Kräfteverhältnisse leicht verschoben. Kann Aston wieder der erste Verfolger werden? Dafür müsste man identifizieren, was genau dem Auto fehlt, was nicht leicht ist. Ein langsames Auto (McLaren) etwas schneller zu machen ist schwerer, als ein schnelles Auto (Aston) noch besser zu bekommen. Da die Abstände zwischen den Verfolgern je nach Strecke im Bereich von ein bis zwei Zehnteln liegen, kann sich hier schnell etwas bewegen.

Aston stünde auch besser dar, wenn man einen vernünftigen zweiten Fahrer hätte. Lance Stroll hat seine brillanten Momente, aber davon sieht man einfach zu wenig. Ich würde nicht so weit gehen, dass er bei Red Bull schon herausgeflogen wäre, aber Alonso vermöbelt Stroll massiv. Dass Lawrence Stroll seinen Sohn rauswirft, ist aber nicht zu erwarten. Aber ein Nico Hülkenberg (nur so als Beispiel) würde dem Team vermutlich mehr bringen. Alonso wird es recht sein, er mag keinen allzu starken Teamkollegen, die seinen Status infrage stellen.

Der Spanier trägt das Team, keine Frage. Dass er in seinem Alter noch so gut sein kann, ist sicherlich überraschend, aber nicht ungewöhnlich. Kimi Räikkönen war so ein Pilot, Scott Dixon ist ein anderes Beispiel. Es ist auch klar, dass man ohne Alonso nicht so gut unterwegs wäre. Die Frage ist, was Aston macht, wenn Alonso wegfällt. Um einen aktuellen Top-Fahrer anzulocken, muss man in der Lage sein, regelmäßig ein Podium zu erreichen. Und wer wäre verfügbar? Vielleicht Carlos Sainz, vielleicht Gasly oder Ocon, wenn die keine Lust mehr auf das Chaos bei Alpine haben.

Für Aston dürfte es wichtig sein, wie die zweite Hälfte der Saison läuft. Kann man das halbgare Update verbessern? Hat man genug Geld und technisches Know-How, das Auto wieder an Red Bull heranzubringen? Wenn ja, dann ist man für 2024 gut aufgestellt. Wenn nein, dann hat man weiter organisatorische Probleme und Mängel beim Personal. Und wird ein weiteres Jahr benötigen. Aber offenbar sieht Lawrence Stroll das alles gelassen. Ab 2026 kommt Honda und bis dahin hat man Zeit, die Unebenheiten im Team wegzuschleifen.

Mercedes

Ich dürfte nicht der Einzige gewesen, der ziemlich überrascht war, als Mercedes das neue Auto im Februar vorgestellt hat. Nachdem man mit dem „No Sidepod“ Konzept im letzten Jahr derartig verprügelt wurde, bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass Mercedes das Konzept ad acta legt. Stattdessen präsentierte man eine überarbeitete Version. Die dann beim ersten Test schon so schlecht war, dass man sofort mit der Neuentwicklung eines riesigen Upgrades anfing. Aber warum hatte man an dem alten Konzept festgehalten? Warum war man so überzeugt, dass man das Auto hinbekommen würde?

Es war ja bekannt, dass das Auto schwer abzustimmen war und Charakteristika zeigte, die das Team selbst nicht erklären konnte. Beide Fahrer hassten das Auto, weil es zu spitz zu fahren war und sich im Grenzbereich schwer einschätzen ließ. Beiden fehlte das Vertrauen, was sich mit der 23er-Ausgabe aber immerhin verbesserte. Dennoch war das Auto eine Gurke, jedenfalls was die eigenen Ansprüche betraf. Der Fehler war aber nicht etwas radikal Neues auszuprobieren. Der Fehler war, das Konzept fortzuführen. Gleichzeitig scheint irgendwas bei den Daten nicht zu stimmen. Wenn die CFD-Daten überzeugend sind, sich aber auf der Strecke nicht oder nur selten reproduzieren lassen, dann muss man seine CFD-Modelle überprüfen.

Immerhin funktionierte das Update, das ja vor allem mit der Veränderung der Aufhängungspunkte an der Front sehr umfangreich ausgefallen ist. Nicht ganz falsch ist es daher, wenn man von einer B-Variante spricht, aber unter der Verkleidung und den nun eingeführten Seitenkästen, liegt immer noch das alte Grundchassis und der Motor, der auf das Chassis angepasst ist. Man kann davon ausgehen, dass Rest des Jahres für das Team weiter einen Kompromiss darstellt und man früh anfangen wird, Teile für das nächste Jahr zu testen. Dass das Bouncing zurück ist und dass man manchmal immer noch nicht weiß, warum das Auto schnell oder langsam ist, bestätigt das nur.

Daran können Hamilton und Russell wenig ändern. Letzterer hat mit dem Chassis seit dem Upgrade deutlich mehr Probleme als Hamilton. Hier macht sich dann zweierlei bemerkbar. Zum einen die Erfahrung von Hamilton, zum anderen dessen Fähigkeit auch mit einem für ihn nicht passenden Chassis zurechtzukommen. Was ein Merkmal von Champions ist. Sie sind auch dann schnell, wenn das Auto nicht passt. Hamilton kann das, Verstappen, Norris, Leclerc und Alonso. Russell hat da Probleme. Das lässt ihn im Moment vor allem in der Quali etwas schlechter aussehen, aber er macht das oft im Rennen wieder wett.

Mercedes hat einiges zu tun. Ein komplett neues Auto für 2024 muss her und das muss dann zumindest so passen, dass man zumindest den Abstand zu Red Bull einigermaßen reduzieren kann. Zu erwarten, dass man die 5 bis 7 Zehntel auf einen Schlag aufholt, wäre etwas vermessen. Aber unmöglich ist es sicher nicht. Auch wird man sich langsam Gedanken machen müssen, wer Lewis Hamilton ersetzen soll. George Russell dürfte gesetzt sein, aber sollte der Weltmeister in Zukunft lieber Musik und Mode machen wollen, wird man einen adäquaten Ersatz benötigen. Angeblich hat man hier schon die Fühler zu Lando Norris ausgestreckt.

Red Bull

Das kann man kurz halten. Unschlagbar. Red Bull hat seit dem letzten Sommer, abgesehen von São Paulo, alle Rennen gewonnen. Eine größere Dominanz hat es in der F1 noch nicht gegeben. Nicht unter Schumacher, nicht unter McLaren. Die Kombination von Adrian Newey und Max Verstappen wird in die Geschichte eingehen. Und es nicht mal klar, ob Red Bull das volle Potenzial des RB19 überhaupt gezeigt hat. Es blitzt nur hier und da auf, wenn Verstappen aus der DRS-Zone fahren will. Da kann er dann schon mal mehr als eine Sekunde pro Runde schneller sein. Im Schnitt liegt der Vorsprung vor den besten Verfolgern bei 0,5 bis 0,7 Sekunden. Aston lang mal bei – 0,5 Sekunden, das war es aber auch schon. Die Hoffnung der Konkurrenz beruht nun darauf, dass Red Bull in diesem Jahr keine Updates mehr bringen wird.

Der RB19 ist das im Moment perfekte Auto. Schnell, vor allem im DRS-Bereich. Keine Schwächen auf langsamen oder schnellen Strecken, ein sehr guter Reifenverschleiß und keine Probleme mit der Zuverlässigkeit. Besser kann man ein Auto nicht bauen und dass man vermutlich das volle Potenzial des Chassis noch nicht gezeigt hat, unterstreicht das nur. Es ist eines dieser Autos, die es nur selten gibt. Der Lotus 72, oder der McLaren MP4/4 waren so Chassis, die über Jahre dominierten. Das muss man neidlos anerkennen.

Im Grunde kann Red Bull im Moment nur an sich selbst scheitern. Ein Kampf der Teamkollegen wäre so etwas, aber davon ist auch nichts zu sehen. Max Verstappen, ohnehin ein absolutes Ausnahmetalent, ist im Moment nur schwer zu schlagen. Er war schon dann schwer zu schlagen, wenn er in einem schwächeren Auto gesessen hat. Aber in diesem RB19 ist er, um bei dem Beispiel zu bleiben, so gut wie Jim Clark im Lotus oder Senna im McLaren.

Da kann Sergio Perez nur zuschauen. In der Quali scheint er immer mal wieder dran zu sein, nur um dann zuzuschauen, wie ihm Verstappen in seiner letzten Runde ein paar Zehntel aufbrummt. Im Rennen ist er völlig chancenlos. Satte 125 Punkte beträgt sein Rückstand, was immer noch gut für den zweiten Platz ist. Aber angesichts der Tatsache, dass der RB19 so gut ist, würde man Perez öfter auf dem Podium erwarten. Da taucht er zwar auf, aber nicht so oft. Meist hakt es in der Quali, wo er entweder Fehler macht oder Pech mit dem Wetter hat. Das klassische Schicksal eines Nummer Zwei Piloten. Haben wir bei Barrichello, Webber oder Bottas gesehen.

Die einzige Frage, die Red Bull dieses Jahr noch beantworten kann: Wird man alle Rennen gewinnen. Das sagt schon alles über diese Saison und die Form von Red Bull.

Bilder: Pirelli

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