Home TourenwagenBTCC BTCC: Donington GP Circuit 2023 – Herzzerreißendes Finish

BTCC: Donington GP Circuit 2023 – Herzzerreißendes Finish

von Sebastian Focks
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Die Siege von Ash Sutton und Tom Ingram im ersten und zweiten Lauf wurden von einem dramatischen Finish im dritten Lauf in den Schatten gestellt, bei dem Cupra-Pilot Dan Lloyd einen schon fast sicheren Underdog-Sieg kurz vor Schluss verlor und sich stattdessen – kaum weniger emotional – Toyota-Pilot Rory Butcher seinen ersten Sieg in diesem Jahr holte.

Zum ersten Mal seit über 20 Jahren befuhr die BTCC am vergangenen Wochenende den vollen GP-Kurs von Donington einschließlich der schnellen Esses nach der Gegengeraden und der Melbourne Hairpin. In einer knappen Qualifikation setzte sich Pilot Ash Sutton zum insgesamt fünften Mal in dieser Saison erfolgreich gegen die Konkurrenten durch und sicherte sich die Pole Position vor Hyundai-Pilot Tom Ingram.

Deutlich schlechter war der Samstag dagegen für Suttons Teamkollegen Dan Cammish verlaufen. Der Ford-Pilot setzte im zweiten freien Training zunächst die Bestzeit, flog kurz darauf jedoch mit Bremsendeffekt ab und schlug heftig in die Streckenbegrenzung ein. Bis auf Nackenschmerzen blieb Cammish glücklicherweise unverletzt, aber sein Focus ST war derart stark beschädigt, dass an eine schnelle Reparatur nicht zu denken und das Rennwochenende für den mehrfachen Rennsieger somit vorzeitig beendet war.

Der Rennsonntag begrüßte das BTCC-Feld dann zunächst mit Regenwetter. Beim Start zum ersten Lauf kam Sutton auf regennasser Piste zunächst schlecht weg und musste die Führung Tom Ingram überlassen. Auch Ricky Collard, mit Startplatz drei respektabel in der Qualifikation unterwegs, schaffte kurz an Sutton vorbeizugehen – die Position gegen den Toyota-Piloten holte sich der vierfache Champion aber bereits im Verlauf der ersten Runde zurück. Und auch für Ingram hielt die Hoffnung auf einen Sieg – und damit zugleich ein paar Zähler im Meisterschaftskampf gut zu machen – nicht lange an: Bereits zum Ende der zweiten Runde setzte Sutton eine späte Attacke beim Anbremsen zur Melbourne Hairpin und eroberte die Führung zurück.

Während Sutton von nun an über die nasse Piste davonsegelte und bis zur Zielflagge einen Vorsprung von über sieben Sekunden herausfahren konnte, drohte für Tom Ingram Ungemach von hinten. Von Startplatz neun kommend arbeitete sich Jake Hill Position um Position durchs Feld. Der BMW-Pilot, anfangs noch verhalten unterwegs bis seine Reifen auf Temperatur waren, zeigte mehrere eindrucksvolle Überholmanöver und war zweieinhalb Runden vor Schluss nach einer Attacke gegen Collard schließlich auf Platz drei angekommen.

Den Vorsprung, den Ingram sich auf Platz zwei liegend zwischenzeitlich herausgefahren hatte, schmolz Hill dann binnen anderthalb Umläufen ein und lag in der letzten Runde an der Stoßstange des Hyundai. Ingram bot jedoch seine volle Klasse auf und blockte den sichtlich schnelleren BMW hart, aber zugleich fair nach allen Regeln der Tourenwagenkunst. Zum Showdown kam es dann in der letzten Kurve: Hill, nach einer versuchten Attacke in der vorangegangen Melbourne Hairpin nun auf der Außenseite, probierte den langen Weg am Hyundai herum und zog Seite an Seite mit diesem durch die letzte Haarnadelkurve. Am Kurvenausgang – Ingram hatte noch leicht die Nase vorn und fuhr seine eingeschlagene Linie zu Ende – blieb dann nicht mehr viel Platz und Hill geriet über den nassen Randstein auf die Wiese, was ihn zwang etwas vom Gas zu gehen und das Auto einzufangen – wohlgemerkt ohne, dass Ingram ihn komplett über den Randstein hinaus gedrängt hätte.

Ingram rettete also erst einmal knapp den zweiten Platz über die Linie, aber die Freude währte nur kurz: Nach dem Rennen entschieden die Rennkommissare einen Positionstausch vorzunehmen, da Ingram nach ihrer Ansicht Hill keinen Platz gelassen habe und dieser dadurch auf die Wiese abgedrängt wurde. Das sah Hill, der sich nun über den zweiten Platz freuen durfte, natürlich auch so – bei so gut wie allen anderen im und außerhalb des Paddocks rief diese Entscheidung dagegen nur Kopfschütteln hervor. Die ITV-Kommentatoren Tim Harvey und Paul O’Neil, beide ihrerseits mit reichlich Rennerfahrung in der BTCC ausgestattet, bekamen sich den ganzen Tag über die Entscheidung nicht mehr ein.

Die Sachlage ist aus meiner Sicht ziemlich einfach: Was hätte Ingram, der der vorne lag, anders machen sollen? Währen der Kurvenfahrt vom Gas gehen, um einen engeren Radius zu fahren, damit Hill auf jeden Fall genügend Platz hat? Sowas liegt nicht gerade in denen Genen eines Rennfahrers – vor allem wenn es um die letzten Meter bis zur Ziellinie geht. Letzten Endes war das einfach gutes, hartes Racing, wie wir es gerne sehen möchten. Hill hat es probiert, lag aber zu keiner Zeit während des Manövers vorne, also ist theoretisch er derjenige, der nachgeben müsste, wenn ihm die Straße ausgeht. Am besten bringt das Ganze ein Zitat von Tim Harvey auf den Punkt: „The rules are made by people who don’t know how race cars work.“

Die Entscheidung trübte jedenfalls die Freude über ein bis dato hervorragendes Duell. Und Hills Leistung soll keineswegs geschmälert werden. Im Rennen gelang es ihm u.a. Ricky Collard, Colin Turkington, Árón Taylor-Smith, Josh Cook und Dan Rowbottom zu überholen. Die vorgenannten belegten letzten Endes die Plätze vier bis acht. Insbesondere Taylor-Smith ist dabei hervorzuheben, der nach dem bereits starken fünften Startplatz ein weiteres sehr gutes Resultat im betagten Vauxhall Astra des PMR-Teams schaffte. Abgerundet wurde das gute Ergebnis durch den neunten Platz von Taylor-Smiths Teamkollegen Andrew Watson, der sich knapp gegen Tom Chilton durchsetzen konnte.

Im zweiten Lauf fuhr Tom Ingram sich dann den zuvor angesammelten Frust von der Seele und zeigte auf mittlerweile wieder trockener Piste, dass der die Saison bislang dominierende Ash Sutton durchaus zu schlagen ist. Bereits in der ersten Runde holte sich der Hyundai-Pilot in Old Hairpin Platz zwei von Jake Hill, eher er dann in der zweiten Runde zum nach dem Start zwischenzeitlich enteilten Ash Sutton aufschloss. Zu Beginn der vierten Runde setzte Ingram sich beim Anbremsen von Redgate dann innen neben den blauen Ford, fuhr Seite an Seite mit diesem den Hügel durch die Craner Curves hinunter und war in Old Hairpin schließlich vorbei. Sutton versuchte zwar sofort einen Konter in Schwantz, aber Ingram wehrte diesen erfolgreich ab und war spätestens auf den Gegengeraden sicher in Führung.

Ingram war anschließend nicht mehr wirklich gefährdet und fuhr seinem zweiten Saisonsieg entgegen. Sutton dagegen bekam es in der Folge noch mit den BMWs von Jake Hill und Colin Turkington zu tun, die durch den Kampf an der Spitze aufgeschlossen hatten. Letzten Endes konnte er aber den zweiten Platz bis zur Zielflagge retten – auch wenn Hill insbesondere in den letzten Runden noch mal ganz nah rankam. Ingram siegte also vor Sutton, Hill und Turkington. Dahinter belegte Josh Cook den fünften Platz, den er sich noch in der ersten Runde in einem sehenswerten Manöver von Ricky Collard erkämpft hatte. Collard folgte auf Platz sechs, gefolgt von Dan Rowbottom, Rory Butcher, Adam Morgan und Árón Taylor-Smith.

Für den dritten Lauf wurde dann Platz zwölf auf die Pole Position gelost, was eine maximal umgedrehte Startaufstellung mit Dan Lloyd im Team HARD-Cupra und Tom Chilton im Exclr8-Hyundai in Startreihe eins bedeutete. Beim Start schaffte Lloyd es, die Führung erfolgreich zu verteidigen, während Chilton sichtlich Probleme hatte, das Tempo mitzugehen und Druck von den hinter ihm fahrenden Konkurrenten in Person von Árón Taylor-Smith, Rory Butcher und Adam Morgan bekam. Für den Hyundai-Piloten, der sich vor dem Start noch zuversichtlich zeigte, ein Wörtchen um den Sieg mitzureden, bedeutete das gleich ein doppeltes Dilemma, da er eine 5 Sekunden-Strafe mitschleppte, weil er beim Start nicht korrekt in seiner Startbox stand.

In der vierten Runde – Lloyd hatte sich bereits um einige Wagenlängen abgesetzt – setzte Taylor-Smith schließlich in der Melbourne Hairpin eine enge Attacke auf Chilton, die es sogleich auch Toyota-Pilot Rory Butcher erlaubte am Hyundai vorbeizuziehen. Kurz darauf schnappte Butcher sich dann auch den Vauxhall von Taylor-Smith und lag somit auf Platz zwei. Eine Safety Car-Phase zur Rennhalbzweit, um die Trümmer der zwischenzeitlich von Jake Hill abgeräumten Reifenstapel in den Esses zu beseitigen, schmolz dann Lloyds herausgearbeiteten Vorsprung ein.

Auch nach dem Restart konnte Lloyd seine Führung zunächst behaupten, bekam in der Folge aber enormen Druck von Butcher, der realistische Chancen auf seinen ersten Saisonsieg witterte. In Schlagdistanz zum Spitzenduo lagen weiterhin Vauxhall-Pilot Taylor-Smith und BMW-Pilot Morgan. Trotz des an seiner Stoßstange klebenden Toyotas von Butcher, hielt Lloyd aber dem Druck stand und alles sah schon nach dem allerersten Sieg eines Cupra in der BTCC aus – sowohl für Dan Lloyd als auch Team HARD ein Ergebnis, von dem man vor dem Wochenende nur hätte träumen können. Ausgerechnet in der allerletzten Runde passierte dann das Drama: Ausgangs MacLeans geriet Lloyds Cupra plötzlich unvermittelt ins Schleudern und flog unkontrolliert ins Kiesbett ab. Eine abgescherte Antriebswelle hatte jäh alle Hoffnungen auf einen Sensationssieg zunichte gemacht und ließ einen sichtlich betrübten Dan Lloyd und das gesamte Team in sprachloser Agonie zurück.

Rory Butcher erbte somit kurz vor Schluss den Sieg, der angesichts einer kämpferischen Fahrt, bei der er nicht lockergelassen hat, nicht minder verdient ist. Im Kontext einer eher schwierig und unter den Erwartungen verlaufenden Saison kamen dem Schotten beim anschließenden Siegerinterview sogar ein paar Tränen. Platz zwei und drei belegten die kaum weniger glücklichen Árón Taylor-Smith und Adam Morgan. Taylor-Smith rundetet mit dem zweiten Platz einen sehr guten Renntag ab und Morgan, seit dieser Saison im BMW-Werksteam, konnte endlich mal wieder ein starkes Podiumsresultat einfahren und den Lauf als bester WSR-Pilot abschließen.

Hinter den Podiumsplätzen belegte Butchers Teamkollege Ricky Collard nach einem ebenfalls recht erfolgreichen Tag, an dessen Ende es ihn aber ein wenig wurmen dürfte, dass Butcher den ersten Toyota-Sieg in diesem Jahr eingefahren hat, Platz vier. Im Rennen hatte Collard sich zwischenzeitlich zwar Ford-Pilot Dan Rowbottom geschlagen geben müssen, aber der Ford-Pilot legte in der zwölften Runde zunächst einen Ausrutscher in Coppice hin, touchierte kurz darauf die Reifenstapel in den Esses und rodelte anschließend mit gebrochener Radaufhängung neben die Strecke.

Somit belegte am Ende Rowbottoms Teamkollege Ash Sutton den fünften Platz gefolgt von Colin Turkington, Tom Ingram und Jake Hill. Dieses Quartett hatte sich das gesamte Rennen über beinharte Duelle mit mehreren Positionswechseln geliefert. Zunächst hatte Jake Hill in dieser Kampfgruppe klar die Oberhand und Ash Sutton lag als Verfolger an vierter Stelle, nachdem Ingram ihn bereits in der zweiten Runde erfolgreich überholen konnte. Den zwischenzeitlich ebenfalls kurz an den Kämpfen beteiligten Josh Cook schnupften die vier Kontrahenten binnen drei Umläufen nacheinander auf, ehe der Honda-Pilot schließlich ohnehin mit technischem Defekt ausfiel. Hill ruinierte sich seine gute Position dann in der sechsten Runde, als er voll in die Reifenstapel in den Esses knallte, sich seine Frontpartie stark beschädigte. Zunächst ging dadurch Teamkollege Turkington vorbei und schließlich auch Ingram und Sutton. Sutton schaffte es dann später seinerseits Ingram und Turkington zu überholen und somit einmal mehr vor seinen Rivalen im Meisterschaftskampf die Zielflagge zu sehen.

Die Ergebnisse der drei Läufe aus Donington können bei TSL Timing oder auf der offiziellen BTCC-Webseite im Detail studiert werden.

In der Meisterschaft konnte Ash Sutton seinen Vorsprung auf 42 Zähler gegenüber Tom Ingram ausbauen. Der Sieg des Hyundai-Piloten im zweiten Lauf verkommt angesichts der besseren Ergebnisse von Sutton in ersten und dritten Lauf zu einem Tropfen auf dem heißen Stein. Auf Meisterschaftsplatz drei liegt Jake Hill mit 62 Punkten Rückstand, gefolgt von Colin Turkington mit 99. Mit nur noch sechs zu fahrenden Läufen müsste Sutton nun schon zwei komplette Nullnummern bei gleichzeitigen Podiumsplatzierungen von Ingram hinlegen, damit im Kampf um die Meisterschaft noch mal ernsthaft Bewegung reinkommt. Sutton ist klar auf Titelkurs und spannender könnte eher das Duell um Platz zwei zwischen Ingram und Hill werden.

Die nächsten drei BTCC-Läufe finden am 24. November auf dem National Circuit in Silverstone statt ehe es dann Anfang Oktober zum Saisonfinale auf den Brands Hatch GP Circuit geht. Im Vorjahr konnten Rory Butcher, Jake Hill und Tom Ingram sich je einen Sieg in Silverstone holen.

Bilder: btcc.net

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