Ein überraschender Ausgang des Rennens, das so spannend wie kein anderes in dieser Saison war.
Da stolpert Red Bull zum ersten Mal seit fast einem Jahr (zu den Gründen weiter unten) und schon hat man ein grandioses Rennen. Ferrari und vor allem Carlos Sainz lieferten ein perfektes Wochenende ab. Aber es war vor allem Sainz, der alles aus dem Ferrari quetschen konnte und auf dem schwierigen Kurs fehlerlos blieb. Sein Sieg war zwar hauptsächlich in den letzten Runden alles andere als sicher, aber das macht seinen ersten Sieg in einem Ferrari nur wertvoller.
Das Wochenende begann mit einem Paukenschlag. Nicht Red Bull dominierte die Zeitentabelle, sondern die Ferrari. Das war eine doppelte Überraschung. Weil Red Bull so langsam war, aber vor allem, weil die Ferrari auf einer Strecke, die ihnen eigentlich nicht liegen sollte, so schnell war. Dass McLaren und Mercedes ungefähr auf Augenhöhe mit den Ferrari lagen, war dagegen erwartbar. Aber warum waren die Red Bull in Singapur so von der Rolle?
Es mag ja Strecken geben, die einem Auto nicht liegen, aber das war beim Red Bull in diesem Jahr bisher nicht Fall. Egal, ob Miami, Monaco, Jeddah oder Monza, egal ob High- oder Low Downforce Setup – der Red Bull hatte immer 3 bis 7 Zehntel Vorsprung, vorwiegend im Renntrim. Warum war man dann in Singapur so neben der Spur?
Warum Red Bull so schlecht war
Mark Hughes von „The Race“ vermutet, dass das Auto im Gegensatz zu anderen Strecken in Singapur das Auto etwas höher legen musste. Dies war notwendig, um die Abnutzung der Holzplanke unter dem Auto im Rahmen des Reglements zu halten. Das habe dazu geführt, dass man den Unterboden nicht so versiegeln konnte, ergo der Ground-Effect des Autos nicht in dem Rahmen funktionierte, wie sonst. Da kann was dran sein. Wir hatten zwar mit Jeddah, Baku, Miami und Monaco schon einige Stadtkurse. Aber mit einer Ausnahme war die Fahrbahnoberfläche der Kurse glatt. Es gab also kaum kurze Wellen in der Strecke und damit konnte man den Bodenabstand gering halten. Baku ist die Ausnahme, aber auch nur auf der langen Geraden und die Wellen dort sind eher lang. Singapur ist ein anderen Kaliber, daher die Probleme bei Red Bull.
Das zeigt dann auch, dass der Red Bull seinen Vorteil zu einem erheblichen Teil über den Unterboden erzielt. Die Rede war ja oft davon, dass Newey das Kunststück gelungen ist, den Luftstrom im Unterboden zu manipulieren. Daher der hohe Topspeed, daher auch die Möglichkeit mehr Flügel zu fahren und dennoch eine Art Low Downforce Setup zu bekommen. Schön sichtbar war das in Monza, als Red Bull mehr Flügel fuhr, als der Rest des Feldes. Ein paar Zentimeter mehr Abstand zum Boden, und der Effekt ist weg. Es fehlt Abtrieb, das Auto rutscht mehr, wie man auch gut sehen konnte.
Das andere Argument ist, dass der Leistungseinbruch bei Red Bull genau an dem Wochenende kam, an dem die FIA die Regeln für die Flexibilität der aerodynamischen Teile verschärft hat. Das gilt auch für die Flexibilität des Unterbodens. Seit dem letzten Jahr gibt es Gerüchte, dass Red Bull etwas sehr Cleveres im Bereich des Unterbodens/Diffusor gefunden hat, dass mit der Flexibilität der verwendeten Komponenten zu tun hat. Beweise dafür gab es nie, der FIA ist nichts aufgefallen. Aber kaum sind die neuen Regeln raus, rutscht der Red Bull wie auf Eis.
Das Problem mit diesem Gerücht ist, dass die Flexibilität der Teile erst bei hohen Geschwindigkeiten einsetzt. Erst ab einer bestimmten aerodynamischen Belastung fangen die Flügel an, sich zu bewegen. Singapur ist aber eine langsame Strecke, vor allem wegen der vielen 90-Grad-Kurven, in denen die Aerodynamik keine Rolle spielt. Selbst wenn Red Bull bei den verwendeten Komponenten getrickst haben sollte – das hätte in Singapur nicht viel ausgemacht.
Es bleibt abzuwarten, ob die neue TD018 (in Bezug auf die ‚flexiblen Flügel‘) und die überarbeitete TD039 (in Bezug auf die Flexibilität des Bodens) sich auf das Tempo auswirken oder die Suche nach dem richtigen Setup erschweren. Das nächste Rennen findet in Suzuka statt, einer sehr traditionellen Strecke, auf der die Aerodynamik von entscheidender Bedeutung ist: Es wird entscheidende Antworten auf den aktuellen Stand der RB-Leistung liefern.
Ohne Red Bull gibt es gute Rennen
Das Rennen entwickelte sich ohne die Red Bull zu einer spannenden Angelegenheit. Sainz hatte die Pole und setzte diese auch in eine Führung um. Charles Leclerc schnappte sich Russell, der von P2 starten konnte, aber Leclerc hatte die Soft zum Start und damit einen Vorteil. Hamilton nahm den Notausgang, passierte Russell und Norris, musste diese aber wieder passieren lassen. Wobei Hamilton zum Zeitpunkt, als er die Strecke verlassen musste, schon klar an Norris vorbei war.
Wie zu erwarten war, passierte zu Beginn des Rennens relativ wenig. Die Fahrer schonten ihre Reifen, da man nicht wissen konnte, wie lange der Stint gehen würde. Das Erstaunliche war allerdings, dass die Ferrari kaum Anzeichen von Reifenverschleiß hatten. Sainz und Leclerc konnten sich aber auch eine relativ langsame Pace erlauben, weil die Fahrer hinter ihnen auch die Reifen schonten. Sie hielten geschickt das Paket an Autos zusammen, was einen Undercut erschwerte.
Hektisch wurde es dann in Runde 20, als Logan Sargeant seinen Williams in die Mauer steckte. Der Amerikaner konnte zwar weiter fahren, verteilte aber jede Menge Karbon auf der Strecke, was den Einsatz eines SC erforderte. Das war etwas früh für einen Stopp, lag aber gerade so im Fenster für die harten Reifen. Dementsprechend kam auch alle an die Box. Sowohl Ferrari als auch Mercedes vollzogen einen Doppelstopp, der aber bei Ferrari schiefging. Da Hamilton in die Box kam, musste Leclerc mit seiner Abfahrt warten und verlor so einige Plätze. Alonso traf es noch schlechter. Der rutschte über die Linie bei der Boxeneinfahrt und kassierte eine 5-Sekunden-Strafe.
Die Red Bull tauchten an dieser Stelle dann auch mal kurz auf. Da beide in Q2 hängen geblieben waren, hatte man auf die harte Mischung zum Start gesetzt. Aber selbst diese Strategie brachte nichts. Verstappen tauchte zwar kurz auf P2 auf, musste auf seinen älteren Reifen die Konkurrenz passieren lassen. Es war vor allem die Art und Weise, wie die Ferrari, Mercedes und der McLaren von Norris am Red Bull vorbeizogen. Als wäre das ein Alpha Tauri.
Das Rennen fiel dann aber wieder in eine ruhige Phase, da alle ihre Reifen schonten. Man wartete auf ein weiteres SC, was aber nicht kam. Und so lange das nicht in Sicht war, kontrollierten alle Fahrer ihre Pace und ihren Reifenverschleiß. Aber eine Gelegenheit tat sich auf. In Runde 44 musste Ocon seinen Alpine abstellen. Statt eines SC gab es aber nur ein VSC. Erstaunlicherweise entschieden sich die Top Ten gegen einen Stopp. Zumindest zunächst, denn eine Runde später kamen beide Mercedes an die Box.
Eine etwas gewagte Strategie, denn damit gab man den zweiten Platz von Russell auf. Aber auf der anderen Seite war die Lücke zu Verstappen so groß, dass man nach hinten keine weiteren Positionen verlor. Dazu kam, dass Mercedes noch einen frischen Satz der Medium hatte. Man hatte zwar 12 Sekunden Abstand zu Leclerc auf P3, aber der Abstand schmolz schnell, da die Mercedes rund 2 Sekunden schneller pro Runde waren. Die Frage ist allerdings im Nachhin, ob man besser nur Hamilton an die Box geholt hätte. Russell hatte P2 sicher. Hätte man nur den siebenfachen Weltmeister auf die Medium gesetzt, hätte dieser sicher den zweiten Platz erreicht. So gar ein Sieg wäre drin gewesen, wenn Hamilton schnell an Norris vorbeigekommen wäre.
So lief den Mercedes etwas die Zeit davon. Bis man an Leclerc dran war, dauerte es etwas und der Ferrari machte sich zumindest für eine Runde extrem breit. Die schnelle Hatz hatte auch dafür gesorgt, dass die Reifen der Mercedes litten. Die Rundenzeiten sanken etwas und die Lücke zu Norris konnte man nur etwas langsamer schließen. Und man hatte nicht mehr genug Leben in den Reifen, um einfach am McLaren vorbeizuziehen.
Dazu kam eine sehr intelligente Strategie von Carlos Sainz. Der hielt Lando Norris bewusst im DRS-Fenster, auch weil er von den vielen Runden davor wusste, dass der McLaren nicht Pace hatte sich neben den Ferrari. Sainz kontrollierte nicht nur seine eigene Pace und seinen Reifenverschleiß, sondern sorgte so auch, dass Norris die Chance hatte, mit dem DRS die Mercedes hinter sich zu halten. Was Lando Norris auch machte. Ein sehr durchdachter, sehr kluger Schachzug von Sainz.
Russell biss sich ein paar Runden die Zähne am McLaren aus und seine Reifen bauten zusehend ab. Hamilton, der zu Beginn seines Stints etwas langsamer als sein Teamkollege hatte angehen lassen, hatte auch offenbar noch etwas mehr Leben in seinem Reifen und rückte seinem Teamkollegen auf die Pelle, ohne allerdings einen echten Angriff zu starten.
Das musste er dann auch nicht mehr, denn in der letzten Runde unterlief Russell ein Flüchtigkeitsfehler und er touchierte die Bande. Links hinten brach die Aufhängung und der Brite rutschte in die ProTec-Barriere. Das war ein mehr als ärgerlicher Fehler, der auch zeigt, dass Russell immer noch zu viele Fehler in bestimmten Situationen macht. Toto Wolff gab sich nach dem Rennen gleichzeitig verständnisvoll, wie reserviert. Man habe so jede Menge Punkte auf die Ferrari verloren.
Leclerc blieb an diesem Wochenende blass und musste, wie schon in Monza, Carlos Sainz den Vortritt lassen. Das dürfte dem Ego von Leclerc nicht guttun. Platz 5 war das Maximum für ihn. Dabei hatte er noch Glück, dass er den anstürmenden Verstappen hinter sich halten konnte. Aber P6 war dann auch alles, was im Red Bull an diesem Wochenende drin war.
Pierre Gasly brachte den Alpine auf P7. Die Franzosen waren in Singapur nicht schlecht, was man auch erwarten konnte. So engen und mittelschnellen Strecken hat der Alpine noch die wenigsten Probleme. Ocon hätte auch in die Punkte kommen können, aber ein Getriebeschaden beendete sein Rennen in Runde 44. Dahinter landete Oscar Piastri im zweiten McLaren. Dieses Ergebnis ist durchaus bemerkenswert, denn Piastri musste von P17 starten. Er kam wie der Rest in Runde 20 und boxte sich in seinem deutlich besseren Auto durch das Mittelfeld. Ein sehr gutes Rennen von ihm, dass leider etwas unterging.
Sergio Perez kam in einem für ihn nicht besonderen Rennen auf P8. Spannender ging es um die letzten Punkte zu. Um die kämpften Liam Lawson, Nico Hülkenberg, Kevin Magnussen, Alex Albon und Zhou Guanyu. Leider passierte das auch meist abseits der Kameras. Lawson fuhr ein sehr gutes Rennen. Er hatte in der Quali P10 erreicht und hielt sich dort auch die meiste Zeit auf. Während Tsunoda schon in der ersten Runde ausfiel, konnte Lawson in seinem ersten dritten Rennen überzeugen und sicherte sich verdient P9.
Den letzten Punkt schnappte sich dann überraschenderweise Kevin Magnussen, der an diesem Wochenende etwas besser aussah als Hülkenberg. Die Haas auf einer Strecke in den Punkten zu sehen, die ihnen nicht entgegenkommt, war aber gerechtfertigt, nachdem sie in den letzten Rennen oft auch Pech hatten. Der Punkt wird der Moral guttun.
Nächste Woche geht es in Suzuka weiter und dann werden wir auch erleben, ob die Red Bull wieder zu alter Form finden. Davon gehen eigentlich alle aus, auch Toto Wolff. Der wies darauf hin, dass Singapur schon immer ein Kurs gewesen sei, auf dem gute Team plötztlich Probleme hatten. Ich bin dennoch gespannt, ob es tatsächlich nur der Kurs war, oder ob die neue FIA-Regel doch einen Einfluss hatte.
Bilder: Pirelli
1 Kommentare
[…] Aber es spricht einiges dafür, dass Red Bull die Wahrheit sagt. Kurz zusammengefasst: Die Strecke in Singapur ist besonders, da sie mehr Schläge und Wellen hat, als jeder andere Kurs. Daher musste Red Bull den Wagen höher legen und weichere Federn fahren, was den Abtrieb zerstörte. Dazu kommt: Die Strecke ist viel zu langsam. Die Flexibilität der Bauteile setzt aber erst bei hohen Geschwindigkeiten ein und bring vor allem etwas bei mittel schnellen und schnellen Kurven, die es in Singapur nicht gibt. Suzuka ist allerdings eine andere Hausnummer und hier sollte der Red Bull wie gewohnt dominieren. […]
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