Die spannende Frage an diesem Wochenende wird sein: Wie gut ist der Red Bull?
Nur Platz 5 in Singapur. Quasi eine Blamage für Red Bull, die seit letzten Juli alle Rennen bis auf eins gewonnen hatten. Nicht wenige äußerten den Verdacht, dass die neue Technische Direktive TD039, die die Flexibilität des Unterbodens beschränkt, für den Leistungseinbruch verantwortlich ist. Die Gerüchte, dass der Unterboden des Red Bull deswegen so gut arbeitet, weil er beweglicher ist und somit einen höheren Abtrieb erzeugt, gibt es seit dem letzten Jahr. Bewiesen wurde nichts und Red Bull weist die Vorwürfe zurück. Das Auto sei identisch mit jenem, das in Monza gewonnen habe. Man habe kein Teil gewechselt, so Christian Horner.
Was nicht so ganz stimmt, denn Red Bull hatte in Singapur einen neuen Unterboden dabei, den man allerdings nur am Freitag einsetzte. Und generell sollte man bei Red Bull ja vorsichtig sein, wenn Dementi verlautbart werden. Nyck de Vries weiß das sehr genau. Es wäre nicht das erste Mal (wie bei anderen Teams auch), wenn man in einer Woche das sagt und in der nächsten was ganz anderes.
Aber es spricht einiges dafür, dass Red Bull die Wahrheit sagt. Kurz zusammengefasst: Die Strecke in Singapur ist besonders, da sie mehr Schläge und Wellen hat, als jeder andere Kurs. Daher musste Red Bull den Wagen höher legen und weichere Federn fahren, was den Abtrieb zerstörte. Dazu kommt: Die Strecke ist viel zu langsam. Die Flexibilität der Bauteile setzt aber erst bei hohen Geschwindigkeiten ein und bring vor allem etwas bei mittel schnellen und schnellen Kurven, die es in Singapur nicht gibt. Suzuka ist allerdings eine andere Hausnummer und hier sollte der Red Bull wie gewohnt dominieren.
Allerdings dürfte die Konkurrenz einiges gelernt haben. Singapur machte klar, dass einer der Hauptvorteile des Red Bull in der Versiegelung des Unterbodens liegt. Adrian Newey hat irgendwas gefunden, was im Bereich des hinteren Unterbodens und des Diffusors liegt. So bald Red Bull das Auto anheben muss, haben sie die gleichen Probleme, wie alle anderen Teams und sind tatsächlich auch langsamer, wie man gesehen hat. Natürlich – wenn Red Bull auch in Suzuka Probleme haben sollte, dann haben wir eine Antwort. Aber wie zuvor erwähnt: Ich gehe nicht davon aus und rechne damit, dass das Team seine Dominanz auch in Japan fortsetzen wird.
Interessant ist auch die Lage von Ferrari. Sie waren in Monza schnell, was zu erwarten war. Aber Singapur war eine Überraschung. Zum einen, weil Ferrari auf den langsamen Strecken in dieser Saison nicht gut unterwegs war, zum anderen, weil der Reifenverschleiß bei Ferrari keine große Rolle spielte. Und das auf einer Strecke, die bekannt dafür ist, dass sie hart zu den Reifen ist. Ferrari hat ein paar Updates gebracht, aber keins davon war so auffällig, dass man die Leistungssteigerung der letzten zwei Rennen darauf zurückführen kann.
Ich bin gespannt, wo das Team in Japan steht. Wenn sie die gute Leistung der letzten beiden Rennen wiederholen können, dann wäre das ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Italiener das eher bockige Chassis verstanden hätten. Und dass die Weiterentwicklung bei Ferrari funktioniert. Das war ja sowohl im letzten als auch in diesem Jahr bisher eher problematisch.
Auch Mercedes erwarte ich wie gewohnt vorn und je nach Form der Ferrari wird das Team dann auch der erste Verfolger von Red Bull sein. Ein Podium ist drin und vor allem George Russell wird das anstreben. Nach seinem Fehler in der letzten Runde in Singapur, der nicht nur ihn ein Podium kostete, sondern Mercedes im Kampf mit Ferrari auch wichtige Punkte, muss er Schadensbegrenzung betreiben. Die ersten Medien fragen sich, ob Russell wirklich das Zeug hat, Lewis Hamilton zu beerben, wenn er unter Druck so viele Fehler macht.
Die „Wildcard“ hat mal wieder McLaren. Seit dem Sommer gut unterwegs, aber auch nicht leichten Schwächephasen. Der schnelle Kurs von Suzuka sollte dem Auto zumindest teilweise liegen. Wenn man aber Spa als Referenz nimmt, dann wird McLaren in Japan nicht weit vorne zu finden sein. P5 scheint das Maximum, aber McLaren hat in Singapur ein Update gezeigt, dass die Lage verändern könnte.
Das hätte Aston Martin auch gerne, aber ich vermute, dass man sich dort bereits schon länger auf das nächste Jahr vorbereitet. Seit dem Update im Mai hat man zwar neue Teile gesehen, aber für das Team ging es nur rückwärts in der Wertung. Das wird sich in Japan nicht ändern. Allerdings wird es langsam auch für Lawrence Stroll die Frage zu beantworten, warum sein Sohn noch weiter im Auto sitzt. Lance Stroll ist ganz offensichtlich sehr weit von Fernando Alonso entfernt. Andere Fahrer wären schon längst rausgeflogen.
Dahinter wird sich nicht viel tun. Über das Jahr hat sich ein gehöriger Abstand zwischen den Top 5 und dem Rest des Feldes entwickelt. Einzig Alpine mag noch für eine Überraschung gut sein. Die hatten ein substanzielles Update in Singapur am Start, mit neuen Frontflügel und Seitenkästen. Ob das was in Suzuka bringt? Aber selbst wenn, wird das den Abstand nur verringern, nicht beseitigen.
Strategie:
Wie immer gibt es die C1, C2 und C3 in Suzuka. Allerdings sind die C1 ja in diesem Jahr neu und haben eine etwas weichere Mischung. Die alten C1 heißen jetzt C0, sind aber nicht am Start. Suzuka gehört zu den Tracks, die die Reifen ans Limit bringen. Der Asphalt ist sehr rau, die Kräfte, die auf die Reifen wirken, sehr hoch. Zudem fahren die Autos mit dem höchsten Abtrieb. Obendrein wird es am Wochenende mit 30 Grad sehr heiß, was den Pirellis zusetzen wird. Eine Zwei-Stopp-Strategie scheint daher die wahrscheinlichste Variante, da das Rennen 53 Runden hat.
Der Start wird auf den C2 erfolgen, danach ist dann die Frage, ob man einen frischen oder nur wenig genutzten zweiten Satz der Medium hat oder zweimal auf die C1 umsteigen will. Vorteile haben jene Teams, die wenig Verschleiß haben (tschüss Haas), was für den Red Bull, Mercedes und den Aston zutrifft. Bei Ferrari bin ich mir unsicher, da sie bei den letzten Rennen beim Reifenverschleiß recht gut lagen.
Das Hinterfeld wird vermutlich auf den C1 starten und einen langen ersten Stint versuchen. Damit hat man mehr Möglichkeiten bei der Strategie. Auf der anderen Seite sind Safety Cars in Suzuka nicht selten. Die Strecke ist ja „old school“ mit wenig Auslaufzonen und wenn einer parkt, dann wird man Leute auf der Strecke haben, die entweder ein SC oder ein VSC erforderlich machen.
Bilder: Pirelli