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GT World Challenge Europe Sprint Cup: Analyse Zandvoort – Dramatisches Meisterschaftsfinale

von Nils Otterbein
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Die GT World Challenge fand mit einem Sprintwochenende in Misano ihren Saisonabschloss. Nach einem eher berechenbaren Finale im Endurance Cup bot die Entscheidung im separaten Sprintformat eine ungleich dramatischere Note – mit einem faden Beigeschmack.

Auf dem kleinen Dünenkurs fanden sich nochmal 30 Wagen zum Finale ein. Der Bronze-Cup beendete die Saison bereits in Barcelona, da die Strecke für ein Feld von rund 40 Wagen nicht ausgestattet ist. Vor allem bei manchen Boxenstoppszenarien war man sicherlich froh darum, nicht das volle Feld am Start gehabt zu haben. Alles deutete vor dem Wochenende auf einen Zweikampf um den Titel hin zwischen dem Akkodis Mercedes mit Raffaele Marciello und Timur Boguslavskiy sowie dem Attempto Audi-Duo rund um Ricardo Feller und Mattia Drudi. Theoretische Chancen hatten noch Charles Weerts und Dries Vanthoor im WRT BMW, die für das gleiche Team unter dem einstigen Audi-Einsatz drei Mal in Folge das Sprintchampionat gewinnen konnten. Wie erwartet sollte es am Ende auf einen Zweikampf hinauslaufen. Bereits 2014 fand das Finale im Sprint-Cup in Zandvoort statt. Ein Blick in den Kalender für 2024 zeigt, dass die Station in den Niederlanden ein sporadischer Punkt im Kalender bleiben wird. Für 2024 ist Zandvoort nämlich nicht im Kalender vorgesehen.

Samstag

Wegen des kleineren Starterfelds gab es dieses Mal keinen Grund, am klassischen Format der Qualifikation zu werkeln, womit alle Teilnehmer in einer 20-minütigen Session die Startaufstellung ermittelten. Die Meisterschaftsanwärter Ricardo Feller, Raffaele Marciello und Dries Vanthoor kamen auf den ersten, dritten und fünften Rang. Für einen überraschenden Gaststart sorgte das CLRT Porsche Team, die erstmals einen Pro-Wagen mit Ayhancan Güven und Laurin Heinrich einsetzten und sich prompt auf den zweiten Rang qualifizierten.

Rennen 1

Wie zu erwarten, spielte das Wetter in Zandvoort eine große Rolle. Alle starteten bei leichtem Regen auf Slicks, was nach zwei Einführungsrunden ein turbulentes Rennen versprach. Ricardo Feller gewann den Start, während für Akkodis ASP das Drama seinen Lauf nahm und Raffaele Marciello mit seinem Mercedes einen Ausritt ins Kiesbett hatte und um den 15. Platz herum fiel. Es folgte schnell die erste Safetycar Phase, da der Sainteloc Audi im Gregoire Demoustier im Kies steckte. Ricardo Feller konnte die Führung bis zum Fahrerwechsel vor dem Emil Frey Ferrari von Albert Costa und CLRT-Porsche von Laurin Heinrich verteidigen. Marciello konnte Boden gut machen und die Top10 vorfahren. Der WRT BMW von Dries Vanthoor konnte von dem Ausritt des Mercedes eher nicht profitieren und verblieb bis zum Fahrerwechsel auf der sechsten Position.

Feller legte einen überraschend frühen Stopp ein. Obendrein war der Stopp locker vier bis fünf Sekunden zu lang, womit der Emil Frey Ferrari von Thierry Vermeulen, der Albert Costa ablöste, die Führung übernahm. Der größte Profiteur der Stoppphase war ausgerechnet der Akkodis Mercedes, der kurz vor Ende des Zeitfensters an die Box kam und hinter Vermeulen, Drudi und Erwan Bastard im Sainteloc Audi die vierte Position mit Timur Bogoslavskiy übernahm. Prompt sah es danach aus, als ob das französische Mercedesteam einen kleinen Vorsprung in den Sonntag retten könnte. Kurz nach den Fahrerwechseln kam erneut eine Full-Course-Yellow Phase mit anschließendem Safetycar, da einer der JP Motorsport McLaren und der Dinamic Porsche an unterschiedlichen Streckenteilen standen. Somit gab es zwölf Minuten vor Schluss nochmal einen Sprint bis ins Ziel.

Timur Boguslavskiy verlor beim Restart zunächst Plätze, profitierte aber anschließend von einer Kollision zwischen Erwan Bastard und Ayhancan Güven in der Slotemaker Bocht, was wie durch ein Wunder nicht in einem heftigen Einschlag endete. Den besten Restart hatte Maxime Martin im WRT BMW #46, der den dritten Rang vor dem russischen Mercedes Piloten übernahm. Beide kamen auf diesen Plätzen auch ins Ziel. Vorne kämpften Thierry Vermeulen und Mattia Drudi um den Sieg. Für das Emil Frey Team hätte es nach dem GT Masters Sieg 2022 in Zandvoort mit Lamborghini erneut für einen Sieg reichen können. Jedoch setzte sich der Attempto Audi am Ende durch und konnte damit einen Vorsprung von 2,5 Punkten in der Meisterschaft für den Sonntag herausfahren.

Im Silver-Cup sah es nach einem starken siebten Gesamtrang gut für den Haupt Racing Mercedes von Jorden Love aus, der nach zwei Wochenenden wieder mit Frank Bird fuhr. Dieser konnte mit 13 Punkten Vorsprung in den Sonntag gehen. Der Gold-Cup sollte sich am Ende zwischen dem Boutsen VDS Audi von Di Folco/Panis und dem WRT BMW von Krütten/Williams entscheiden. Hier betrug der Abstand nach einem Doppelsieg für das Audi-Team ebenfalls nur 2,5 Punkte.

 

Sonntag

Bei angemessenen acht Grad und Regenschauen ging es in den letzten Tag der Saison. Bei der Qualifikation gab es Mischbedingungen, was unterschiedliche Reifenwahlen und eine leicht kuriose Startaufstellung zur Folge hatte. Der Emil Frey Ferrari von Giacomo Altoe konnte die Pole vor dem Garage 59 McLaren von Benjamin Goethe und dem WRT BMW von Maxime Martin herausfahren. Jedoch bekamen Altoe und Goethe eine Strafe um drei Startplätze wegen Missachtung gelber Flaggen. Mit Calan Williams und Frank Bird befand sich das beste Auto aus der Gold-Klasse somit auf P2 und aus dem Silber-Cup auf P3. Boguslavskiy fuhr angesichts der widrigen Bedingungen eine ordentliche Quali mit dem achten Platz ein, ausgerechnet direkt vor dem Meisterschaftskonkurrenten Mattia Drudi. Das Wort „ausgerechnet“ trifft es recht genau, da auch das Schwesterauto von Drudi/Feller mit Aka/Patrese aus dem Silber-Cup in direkter Nähe stand. Genau dieser Umstand sollte für Dramatik und anschließende Diskussionen führen. Allerdings galt es zu bedenken, dass die #99 von Attempto um den Titel im Silver-Cup kämpfte. Nach dem guten Startplatz des HRT Mercedes hatten Aka/Patrese für die Meisterschaft jedoch einen Nachteil.

Rennen 2

Nach erneut zwei Einführungsrunden ging es ins Rennen. Leider wurden wir schon in der Startrunde um einen Meisterschaftskampf beraubt, da sich Lorenzo Patrese in der engen Schikane des hinteren Streckenteils verschätzte und in den Mercedes von Boguslavskiy hineinfuhr. Daraufhin musste Akkodis ASP das Rennen nach einigen Beschädigungen aufgeben. Absicht sollte man nicht unterstellen, da die Bedingungen bei feuchter Bahn schwierig genug waren. Da Patrese eine ganze Runde verlor, bevor er das Rennen wieder aufnehmen konnte, war somit für Attempto zwar die Gesamtmeisterschaft mit Drudi/Feller gewonnen, aber die Meisterschaft im Silver-Cup dahin. Ein fader Beigeschmack wird selbstverständlich bleiben. In der Startrunde hatte Boguslavskiy sogar Berührungen mit Drudi gehabt, die allesamt Folgenlos blieben. Patrese bekam am Ende des Rennens eine 15 Sekunden Strafe für die Aktion, was sportlich keinerlei Einfluss mehr hatte. Die Situation, dass der Akkodis Mercedes am Start direkt die beiden Attempto Audis um sich hatte, hätte man in keinem Drehbuch besser schreiben können. Dadurch war das Rennen leider unter einem etwas negativen Einfluss behaftet mit dem Gefühl, dass die Luft raus war.

Nach dem Restart führte Maxime Martin vor Frank Bird und dem Gold-Kollegen aus dem WRT-Lager mit Calan Williams. Kurz vor dem Fahrerwechsel setzte Regen ein, was Slick-bereift etliche Ausritte zur Folge hatte. Martin verlor durch einen Ausritt in der Tarzan Bocht seine Führung. Kurz vor dem Fahrerwechsel stand einer der Sainteloc Audi im Kies, was eine FCY unabdingbar machte. Die Rennleitung zeigte nach einigen Entgleisungen in Barcelona wieder mehr Pragmatismus und lies die FCY-Phase für zehn Minuten aktiv, damit angesichts der engen Box kein Stopp-Chaos entstehen konnte. Die reinen Standzeiten kamen somit eine weitaus höhere Wertigkeit als ohnehin schon.

Alle wechselten für die Schlussphase bei einsetzender Gischt auf Regenreifen. WRT konnte mal wieder durch schnelle Stoppvorgänge profitieren und übernahm eine Doppelführung mit Niklas Krütten vor Valentino Rossi. Alles sah also nach einem Gold-Titel für Williams/Krütten aus. Ricardo Feller übernahm auf dem dritten Gesamtrang den feststehenden Meister-Audi vor Konsta Lappalainen im Ferrari und Dries Vanthoor im dritten WRT-Wagen. Wie üblich folgte auch hier ein Safetycar nach der FCY, was somit rund 20 Minuten des Rennens unter neutralisierten Bedingungen laufen ließ.

Ricardo Feller konnte nach dem Restart seine Fähigkeiten zeigen und an beiden WRT BMW vorbeigehen. Für Rossi ging es nach einem Ausritt noch weitere Plätze nach hinten. Bei solchen Bedingungen ist seine geringe GT-Erfahrung immer noch sichtbar. Für den heißesten Kampf in der Schlussphase sorgten Andrea Caldarelli und Konsta Lappalainen um den vierten Platz, am Ende mit dem besseren Ende für den Italiener. Vorne kam Feller vor Vanthoor und Krütten ins Ziel. Mit dem dritten Gesamtrang war damit erstmals ein Wagen außerhalb des Pro-Cups auf dem Gesamtpodium, was den Titel in der Klasse einbrachte.

Im Silber-Cup gewannen Jordan Love/Frank Bird das Rennen mit einem respektablen siebten Gesamtrang, was nach der anfänglichen Kollision des Attempto Audi den Titel für den HRT-Mercedes bedeutete. Für Marciello/Boguslavskiy bleiben der Endurance Titel und der Gesamttitel über beide Championate.

Man darf zweifelsohne behaupten, dass somit die stärkte Saison aller Zeiten im Sprint-Cup vorbeigeht. Oft hatte dieser Teil der World Challenge qualitativ und quantitativ nicht die Stärke des Endurance-Cups, was sich spätestens in diesem Jahr geändert hat.

Wie üblich geht die Rennserie nun eine recht lange Winterpause. Die Saison 2024 beginnt Mitte April erstmals mit einem Endurance Lauf in Le Castellet, wo zuvor der Vorsaisontest stattfinden wird.

Bildquelle: gt-world-challenge-europe.com (https://www.gt-world-challenge-europe.com/gallery_meeting?filter_season_id=23&filter_meeting_id=201)

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