Verstappen gewann erneut, aber dieses Mal war es an der Spitze sehr eng. Mercedes hat deutlich aufgeholt. Auch wenn Hamilton am Ende disqualifiziert wurde.
Nach dem Ende des GP von Amerika in Austin gab es noch eine faustdicke Überraschung. Lewis Hamilton (P2) und Charles Leclerc (P6) wurden disqualifiziert. Grund: die Holzplanke unter dem Auto hatte sich im Laufe des Rennens zu sehr abgeschliffen und hatte nicht mehr die vorgeschriebene Dicke. Offenbar hatten beide Teams die Autos etwas zu niedrig eingestellt und beide hatten sich die Planke auf den leicht erhöhten Curbs in Austin abgefahren. Das veränderte zwar das Ergebnis, aber nicht den durchaus interessanten Lauf des Rennens. Für Williams bedeutete die doppelte Disqualifikation, dass man zum ersten Mal in dieser Saison mit beiden Autos in die Punkte kam. Und für Logan Sargeant war es der erste Punkt in einem F1-Rennen überhaupt.
Die erste Überraschung gab es schon am Freitag. Nicht Red Bull dominierte die Quali, sondern die Konkurrenz. Tatsächlich tat sich das Weltmeister-Team auf dem Kurs in Austin schwer. Grund dafür waren, ähnlich wie in Singapur, die Unebenheiten in der Strecke. Obwohl der Kurs erst im letzten Jahr neu asphaltiert wurde, waren die Unebenheiten deutlich zu sehen. Das bedeutete für Red Bull, dass sie Auto, wie in Singapur, wieder etwas höher legen mussten, was den Ground Effect des Chassis offenbar empfindlich stört. Das Feld rückte aber nur enger zusammen, denn der Red Bull hatte weiterhin marginal die Nase vorn.
Wenn denn nicht die Strafen für Tracklimits gewesen wäre. Verstappen sammelte ausgerechnet eine Strafe auf einer schnellsten Runde ein, was ihn die Pole kostete und am Ende Startplatz Sechs bedeutete. Allerdings rückte Verstappen die Rangordnung wieder zurück, als es am Samstag um die Pole und den Sieg im Sprintrennen ging. Da war der Niederländer mal wieder ohne Konkurrenz. Dem zweitplatzierten Hamilton nahm er pro Runde im Schnitt rund 0,45 Sekunden ab. Und das ohne großen Druck von hinten. Der Einzige, der das Tempo von Verstappen laut der Rundenzeiten mitgehen konnte, war Lando Norris im McLaren. Der verpasste am Freitag die Pole nur knapp. Am Samstag startete er von P4, fiel etwas zurück, wühlte sich aber dann mit guten Zeiten durchs Feld.
Am Sonntag setzte er den zweiten Startplatz direkt in die Führung um und setzte sich schnell ein paar Sekunden ab. Es war klar, dass es im Rennen vor allem um die Reifen gehen würde. Die Frage, ob man mit einem oder zwei Stopps durchkommen würde, war vor dem Rennen nicht klar. Pirelli favorisierte eine Zwei-Stopp-Strategie, wenn man auf den Medium starten würde, was fast alle im Feld machten. Die Frage war, wie weit man mit den Medium kommen würde. Runde 20 war die magische Zahl, den ab da konnte man die restlichen 36 Runden auf den Hard fahren. So die Theorie.
Es war dann aber Red Bull, die in Runde 15 mit Verstappen an die Box kamen, der zu diesem Zeitpunkt auf P4 und sechs Sekunden hinter Norris lag. Verstappen nahm erneut die Medium, was dann klar eine Zwei-Stopp-Strategie bedeutete. Der Undercut setzte die Führenden unter Druck und in der Folgerunde kamen Norris und Sainz an die Box. Norris nahm die harte Mischung, während Sainz auch auf die Medium setzte. Hamilton und Leclerc blieben zunächst draußen und versuchten den Stint auszuweiten, um nur einen Stopp zu machen.
Hamilton kam in Runde 20 und es war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass es schwer werden würde mit dem One-Stopp. Der Undercut von Verstappen und der verschobene erste Stopp von Hamilton kostete Mercedes im ersten Teil des Rennens rund 10 Sekunden. Leclerc konnte dagegen seinen ersten Stint verlängern und kam erst Ende Runde 23 an die Box. Das sah schon etwas besser für die Ein-Stopp-Strategie aus, allerdings verlor Leclerc durch den ersten Stint viel Zeit.
Die Zwei-Stopper nutzen den Mittelteil des Rennens für eine Erhöhung des Tempos. Das galt vor allem für Max Verstappen. Er eliminierte den 5-Sekunden Vorsprung von Norris bis Runde 28 und übernahm eine Runde später die Führung. Aber McLaren hatte geplant, nur einen Stopp zu machen und eine Runde frische Reifen kosten in COTA rund 20 Sekunden. Die Frage war zu diesem Zeitpunkt also, wie groß der Vorsprung von Verstappen vor dessen Stopp sein würde.
Aber es kam dann doch anders. In Runde 35 kam Norris an die Box und nahm einen weiteren Satz der harten Reifen. 21 Runden waren zu fahren, was mit den Hard eigentlich eine leichte Aufgabe sein sollte. Aber der erste Satz von Norris hielt nur 17 Runden. Wenig überraschend kam dann aber eine Runde nach Norris auch Verstappen an die Box, gefolgt von Carlos Sainz. Der frühere Stopp Norris bedeutete auch, dass Norris den Vorsprung von Verstappen halbieren konnte. Aber mehr auch nicht. Zu diesem Zeitpunkt sah Verstappen schon wieder Sieger des Rennens aus.
Wäre da nicht Mercedes gewesen. Die hatten einen neuen Unterboden mitgebracht, der dem Chassis offenbar guttat. Auch weitere Updates, die man für 2024 testen wollte, schienen zu funktionieren. Hamilton war am gesamten Wochenende nah an der Spitze dran und sah im Rennen auch gut aus, auch wenn er hinter Verstappen lag. Die Frage, welche Strategie die Mercedes beim letzten Stopp nutzen würde.
Wie im ersten Stint blieb Hamilton länger draußen, als Norris und Verstappen. Hamilton kam in Runde 39 an die Box, aber im Gegensatz zu Norris und Verstappen nahm Hamilton einen frischen Satz Medium. Und damit hatte er in den letzten 17 Runden einen erheblichen Vorteil.. Der Abstand nach dem Stopp nach seinem Stopp führenden Verstappen lag bei gerade mal sieben Sekunden. Aber Hamilton hatte das Problem, dass er, um an Verstappen heranzukommen, erst mal an Leclerc und vor allem an Norris vorbei musste. Leclerc kostete ihn schon etwas Zeit, aber 12 Runden vor Schluss lag der Abstand bei sechs Sekunden.
Hamilton war schneller, aber nicht in dem Maße, in dem man es benötigt hätte. Verstappen kontrollierte seine Pace vorn. Der Mercedes konnte den Abstand zu Norris schnell verkleinern, aber es dauerte, bis er im Getriebe des McLaren war. In Runde 49 drückte er sich in T1 an Norris vorbei, der Abstand zu Verstappen betrug dann noch 5 Sekunden. Er rasierte den Rückstand weiter runter und in den letzten Runden waren es gerade mal noch 1.5 Sekunden. Aber es reichte nicht. Der Sieg ging damit erneut an Red Bull und Mercedes wird sich fragen, ob man den ersten Stint nicht zu lange gefahren ist. In diesen Runden verlor Hamilton rund zwei Sekunden auf Verstappen.
Ferrari blieb am Ende nur P4 und P6. Das Team war das beste Beispiel für die Unterschiede bei der Strategie. Sainz war auf einem Zwei-Stopper, Leclerc stoppte nur einmal. Das brachte ihn zwischenzeitlich aufs Podium, aber gegen Ende des Rennens brachen seine Reifen ein. So weit, dass er Hamilton, Sainz und Perez passieren lassen musste. Leclerc beschwerte sich per Funk über die Strategie. Und nicht ganz zu Unrecht.
Ferrari zeigte sich bei der Strategie mal wieder nicht sonderlich flexibel. Es war keine falsche Idee, die Autos zu Beginn des Rennens auf unterschiedliche Strategien zu setzen. Aber im Rennen stellte man schnell fest, dass der Verschleiß offenbar höher lag, als man gerechnet hatte. Das konnte man den ersten Stopper aus dem Hinterfeld sehen, die alle rund um Runde 11 kamen. Dass eine Zwei-Stopp-Strategie sich an diesem Tag durchsetzen würde, zeichnete sich schon da ab. Ferrari blieb aber dabei, Leclerc auf nur einen Stopp zu setzen.
Es wäre zwischen Runde 11 und 19 genug Zeit gewesen, die Strategie für Leclerc zu ändern. Damit hätte der Monegasse nach seinem ersten Stopp auch vor Hamilton gelegen. Warum man stur auf der Ein-Stopp-Strategie blieb, wird eine Frage sein, die Leclerc seinem Team stellen wird. Es zeigt sich, dass Ferrari in der Strategieabteilung noch viel Arbeit vor sich hat.
Und Aston Martin? Die Briten hat ein riesiges Update-Paket mitgebracht. Neuer Unterboden, neue Elemente an den Seitenkästen, neue Abdeckung. Aber das Update funktionierte überhaupt nicht. Am Freitag scheiterten beide Aston schon in Q1 und am Samstag sah es auch nicht besser aus. Ganz offensichtlich funktionierte das Update zunächst nicht. Die Bedenken im Team gingen so weit, dass man das Auto von Alonso wieder zurückbaute und die alte Aerodynamik am Sonntag benutzte. Damit lief es etwas besser. Zumindest, bis der Unterboden einen Schaden hatte und Alonso das Auto abstellen musste. Aber Stroll brachte den Aston in die Punkte, obwohl er aus der Box gestartet war. Das war ein Hoffnungsschimmer für Aston.
Die Sorgen bei Aston Martin dürften nach dem Wochenende für das nächste Jahr nicht kleiner geworden sein. Das erste Update im Frühsommer hat schon nicht so funktioniert, wie man sich das erhoffte. Das zweite große Update in den USA war eine mittlere Katastrophe. Das spricht nicht für die Entwicklung und nicht für das neue Auto, das 2024 vorn mitfahren soll. Auf der anderen Seite: man lernt ja aus Fehlern, so wie Mercedes das gemacht hat und noch hat man Zeit genug zu verstehen, was genau falsch läuft. Ob es an den Upgrades liegt oder ob man für die Upgrades das Setup tiefer verändern muss, wird man herausfinden müssen.
Das Rennen in der WM gegen McLaren scheint man aber verloren zu haben. Die Aston sind zurzeit meilenweit von den McLaren entfernt und man konnte froh sein, dass Piastri nach einer Kollision das Rennen früh beenden musste. Norris blieb zwar am Ende nur der dritte Platz, was nach seiner langen Führung sicher enttäuschend war, aber McLaren hat sich damit auch endgültig in den Top Drei etabliert.
Es war ein durchaus spannendes Rennen, aber eher in der Kategorie „Strategie“. Dass Red Bull und Verstappen sich am Ende durchsetzen konnten, war schon am Samstag zu sehen. Die Probleme, die man Freitag hatte, konnte man beheben. Aber Red Bull war nicht so schnell, wie man erwartet hatte. Die Konkurrenz holt langsam auf. Was einerseits gute Nachrichten sind, aber man darf andererseits nicht vergessen, dass Red Bull die Entwicklung des Autos mit dem Beginn der zweiten Hälfte der Saison eingestellt hat, während McLaren, Ferrari und Mercedes weitere Updates gebracht haben. Das kann dann Auswirkungen auf die Saison 2024 haben, aber das sehen wir dann im nächsten Jahr.
Bilder: Pirelli, Mercedes AG, Haas, Ferrari