Die Formel Eins hat endlich ihr Traumrennen in Las Vegas. Aber die Sache könnte gehörig schiefgehen.
Dass die F1 expandiert und neue Strecken ins Programm nimmt, ist durchaus zu begrüßen. Abwechslung im Kalender tut der Serie gut. Jedenfalls, so lange sie nicht ihre Wurzeln vergisst. Las Vegas war schon immer der Traum der F1 und die bisherigen Versuche dort ein Rennen zu fahren, waren allesamt grandiose Reinfälle. Das Rennen auf dem Parkplatz des Cesar Palace ist das beste Beispiel. Jetzt gibt es einen neuen Versuch und dieses Mal nutzt die Formel Eins den ikonischen Las Vegas Strip mit all seinen Hotels und Lichtern.
Dafür hat die Stadt Las Vegas tief in die Tasche gegriffen. Zum einen wurde ein komplett neuer Paddock samt Boxenanlage gebaut. Zum anderen hat man, zum Ärger der Anwohner und der Touristen, die Strip bis zur Unkenntlichkeit umgebaut. Die Bäume vor dem legendären Brunnen am Bellagio hat man entfernt. Ob sie wiederkommen, ist unbekannt. Die kleine See vor dem Venice wurde abgelassen und dort wurden Tribünen gebaut. Überhaupt Tribünen. Die Stadt ist voll gepflastert mit den Dingern. Man hat so viele Sitzplätze aufgebaut, dass angeblich rund über 10.000, der enorm teuren Tickets, noch zu haben sind.
Die Formel Eins ist für die Casinos in Las Vegas sowieso nur ein Rahmenprogramm. Die verdienen selbstverständlich mit dem Glücksspiel ihr Geld und der Gedanke ist, dass die vielen Fans ihre Langweile zwischen dem F1-Programm (und im Rennen) am Blackjack Tisch vertreiben.
Las Vegas ist das Disney World für Erwachsene. Hotels wie das Venice, Bellagio, New York oder Paris bilden eine Pappfassade für die Casinos um Geld zu verdienen. Alkohol fließt in Strömen, weil der, so lange man spielt, umsonst ausgeschenkt wird. Die Preise in Las Vegas sind astronomisch, vor allem, wenn man was zu Essen sucht. Und die Qualität des Essens ist eher so im unteren Bereich, wenn man nicht eins der superteuren Restaurants besucht. Ich weiß das, weil ich in meinem Leben beruflich mehr als ein Dutzend Mal vor Ort war.
Schön ist Las Vegas nicht, außer, wenn es dunkel ist. Tagsüber sieht der Strip aus, wie ein Kühlschrank von hinten. Was einer der Gründe ist, warum das Rennen erst nach Einbruch der Dunkelheit stattfindet. Dass es aber SO spät stattfindet, hat dann wieder mit den Casinos zu tun. Die Quali ist am Freitag um Mitternacht Ortszeit (09.00 Uhr Samstag hier), das Rennen um 22.00 Uhr am Samstagabend (07.00 Uhr, Sonntag hier). Der Grund für die irrsinnig späte Startzeit: die Casinos machen so mehr Geld, da die Besucher aufs Rennen warten müssen.
Es ist nicht unüblich, dass die F1 so spät startet. In Singapur startet man abends um 20.00 Uhr. Aber der extrem späte Starttermin in Las Vegas führt direkt zum ersten Problem für die Formel Eins. Irgendjemand muss vergessen haben, den Verantwortlichen das Wetter zu erklären, denn im November ist es auch in Las Vegas relativ frisch. Tagsüber gibt es noch 20 Grad, aber die Temperatur fällt nach Sonnenuntergang rapide und soll zur Quali um Mitternacht bei um die 14 Grad sein.
Die F1 kennt das, aber man weiß auch, dass das zu Problemen führt, weil die Reifen schlecht auf Temperatur kommen. Kombiniert mit einem frischen Asphalt, der mangels Rahmenprogramm auch grün bleiben wird, dürfte das eine rutschige Angelegenheit werden. Da die Strecke extrem schnell ausgelegt ist, werden die Autos mit wenig Abtrieb unterwegs sein, was das Problem noch verstärken wird. Immerhin bring Pirelli die weichsten Reifen mit, was einige Teams freuen wird. Es könnte allerdings auch eine Shitshow werden, wenn kalte Reifen auf Graining treffen.
Das zweite Problem mit Las Vegas, ist die Show, die um das Rennen gemacht wird. Man hat schon angekündigt, dass man eine Art Mischung aus NFL Einlauf und NASCAR Pre-Show plant. Das dürfte vor allem beim europäischen Publikum nicht sonderlich auf Gegenliebe stoßen. Klar, kann man mal machen. Aber das Gefühl, dass Liberty Media die Serie nur als Rahmenprogramm für die eigenen Gewinne nutzt und es ist ihr egal ist, wer das Geld bringt, dürfte damit nicht kleiner werden. So wie die FIFA die WM nach Katar oder Saudi-Arabien verkauft hat, egal, was die Fans sagen, droht die Gefahr, dass Liberty Media die Serie halt bis zur Unkenntlichkeit ausschlachtet.
Dass die sportliche Seite in Las Vegas eine eher untergeordnete Rolle spielt, liegt allerdings auch an der totalen Dominanz von Red Bull, die in diesem Jahr alle Rekorde brechen. Dass irgendjemand in Las Vegas für eine Abwechslung sorgen kann, ist eher unwahrscheinlich. Am ehesten könnte noch Ferrari für eine Überraschung sorgen. Das Auto ist schnell auf den Geraden und die niedrigen Temperaturen helfen dem Team beim Reifenverschleiß. McLaren, Mercedes und Aston haben alle ein Defizit beim Topspeed, also sollte man nur wenig erwarten.
Am Rande der F1 gibt es zudem weitere interessante Nachrichten. Bekannt ist, dass Andretti den Zuschlag von der FIA bekommen hat, ab 2026 in die Serie einzusteigen. Doch man braucht eine weitere Zusage von Liberty Media, die wiederum von der Zustimmung der Teams abhängig sind. Und die zieren sich gewaltig, weil es, passend zu Las Vegas, ums Geld geht.
200 Millionen Dollar soll Andretti für den Eintritt in den exklusiven Club bezahlen. Das Geld soll auf die Teams verteilt werden und als Ausgleich dafür gedacht, dass ein elftes Team die Einnahmen aller Teams verkleinert. Aber die Teams sind der Meinung, dass die 200 Millionen nicht ausreichen, da der Wert der Serie in den letzten zwei Jahren gestiegen ist.
Das ist der einzige Grund, warum die Teams so schmallippig sind. Die Argumente wie „Das Feld ist zu voll“ oder „Es ist nicht gut für die F1, wenn ein neues Team hinterher fährt“ sind alle nur vorgeschoben. Es ist reine Nebelkerzen, weil man in der Öffentlichkeit nicht als gieriger Spielverderber gesehen werden möchte. Dass sich die Andretti-Familie mit ihrer etwas plumpen Art nicht gerade beliebt gemacht hat, ist zwar auch richtig, aber nur Nebensache. Egal, wie angekratzt das Ego sein mag, wenn das Geld stimmt, interessiert das auch niemanden in der Serie.
Interessant ist, dass General Motors, die Andretti unter dem Cadillac Brand den Motor liefern, jetzt nachgelegt hat. GM Chef Mark Reuss kündigte am letzten Dienstag höchstpersönlich an, dass man ab 2028 als Motorhersteller in der F1 sein werde. Bisher hatte GM nur gesagt, dass den Namen zur Verfügung stellen würde. Andretti, die ab 2026 dabei sein wollen, würden dann für zwei Jahre mit einem anderen Motor, der aber den Cadillac Namen tragen könnte, in der F1 fahren. Reuss machte auch deutlich, dass der Einstieg von GM nur dann erfolgen würde, wenn Andretti in der F1 fährt.
Ein geschickter Schachzug, der Liberty Media und die Teams stark unter Druck setzt. Denn lehnt man Andretti ab, kommt auch GM nicht und das wäre für das Wachstum auf dem US-Markt extrem nachteilig. Zudem würde es ein fürchterliches Signal in Richtung anderer Hersteller senden. Interesse wird ja Geely, Hyundai und durchaus auch wieder Toyota nachgesagt. Wenn die aber sehen, was für ein arroganter, elitärer, bürokratischer, geldgieriger und missgünstiger Haufen die F1 ist, überlegt man sich das vielleicht noch mal und schaut mal, wie sich die WEC so entwickelt.
Strategie:
Da gibt es wenig zu sagen. Wie erwähnt bringt Pirelli C3, C4 und C5 mit, was angesichts der Temperaturen auch die richtige Entscheidung ist. Die Strecke selber ist nichts Besonderes und erinnert ein bisschen an Jeddah. Lange, sehr lange Gerade. Ein wenig rechts, ein wenig links, aber nichts, was irgendwie herausfordernd wäre. Das einzige, was passieren könnte, ist Graining, wenn die Reifen nicht auf Temperatur kommen. Das wäre dann für eine Weile unangenehm, aber bekanntermaßen erholen sich die Pirelli, wenn man eine paar Runden vorsichtiger unterwegs ist.
Pirelli hatte aber eine interessante Aussage zum Reifendruck an diesem Wochenende: „Aufgrund der zu erwartenden niedrigen Temperaturen und des Streckenlayouts sollte der Mindestreifendruck vorne 27 psi und hinten 24,5 psi betragen. Bei kalten Bedingungen ist der Unterschied zwischen dem Reifendruck im kalten Zustand und dem normalen Reifendruck stark reduziert – wenn das Auto also in Bewegung ist, wird der Reifendruck aufgrund der niedrigen Asphalttemperaturen viel weniger ansteigen als auf anderen Strecken.“ Das dürfte in den Trainingssessions für weitere Testarbeit sorgen.
Ob es jetzt nur einen oder zwei Stopps gibt, ist schwer zu sagen. Ich tippe darauf, dass die C5 wegen der niedrigen Streckentemperaturen länger durchhalten, als sonst. Die Chance, dass man etwas mehr als ein Drittel der Renndistanz schafft und dann einfach die C4 nimmt, stehen ziemlich gut. Die C3 wird man vermeiden wollen, weil sie zu lange brauchen, um auf Temperatur zu kommen.
Die Übertragungszeiten sind an diesem Wochenende eher asiatisch. Alles dazu im TV-Planer.
Bilder: Pirelli, Don Dahlmann