Bei Williams geht es zurzeit steil nach oben. Der Grund dafür liegt in der Verpflichtung von James Vowles. Aber es gibt noch einen anderen Hintergrund.
Ich habe Williams seit Übernahme im August 2020 durch Dorilton Capital immer falsch eingeschätzt. Die erste Frage war natürlich, wer hinter Dorilton Capital steckt und was man eigentlich mit dem Team will. So spannend die Antwort auf den eigentlichen Besitzer wäre, so egal ist sie auch. Der Fehler ist, dass man Williams wie die anderen Teams sieht. Wir sind es gewohnt, dass entweder ein Hersteller oder ein reicher Privatier ein Team besitzt. Williams ist aber das erste Team einer vielleicht neuen Generation von Formel Eins Teams. Es ist ein Investment und wird auch so geführt. Es ist, ideologisch betrachtet, mehr ein Tech-Startup, denn ein Rennteam.
Dorilton Capital hat schon jetzt einen erheblichen Gewinn mit dem Team gemacht. Der Kaufpreis lag 2020 bei rund 160 Millionen Dollar. Bewertet ist das Team aber heute mit mehr als 600 Millionen Dollar. Selbst wenn man einkalkuliert, dass das Team pro Jahr noch Verluste einfährt. 2022 waren das knapp 20 Millionen Dollar, allerdings bei gestiegenen Einnahmen auf 132 Millionen Dollar. Das war, im Vergleich zu 2021, ein Zuwachs von knapp 50 Prozent. Man kann die Verluste also leicht verschmerzen und James Vowles hat schon angekündigt, dass die Verluste sich 2023 vergrößern werden. Allerdings auch die Höhe der Umsätze.
In der modernen Wirtschaft sind Verluste zwar nicht egal, aber sie spielen eine untergeordnete Rolle in der Bewertung. Was höher bewertet, sind Wachstum des Umsatzes und das Potenzial der Bewertung. Dorilton Capital führt Williams genau nach diesen Grundlagen und das war auch einer der Gründe, warum man sich im letzten Herbst dazu entschlossen hat, das bisherige Management zu entlassen. Wer eine hohe Bewertung der Investoren und Anteilseigner haben will, der muss den Anlegern Gründe geben, warum sich das Investment trotz Verluste positiv entwickeln wird.
Die Verpflichtung von James Vowles war dazu ein Schlüssel. Vowles war 2009 essenziell für den Gewinn der WM durch Brawn GP und hatte bei Mercedes eine Schlüsselrolle inne. In den letzten Jahren war er die rechte Hand und der Stellvertreter von Toto Wolff. Vowles ist derartig hochkarätig in der Formel Eins, dass man sich fragt, wie Dorilton ihn zu Williams lotsen konnte. Vowles hätte fast jedem Team signalisieren können, dass er an einer Lebensveränderung interessiert sei – und fast jedes Teams hätte ihn ungefragt genommen.
Dorilton wird also sehr viel Geld in die Hand genommen haben, um Vowles zu Williams zu holen und man wird ihm gleichzeitig sehr viel Freiheiten geben müssen. Doch das hat sich in diesem Jahr schon ausgezahlt. Zum einen geht es mit dem Team sichtbar aufwärts (was allerdings auch mit dem Chassis zu tun hat, dass noch von François-Xavier Demaison stammte). Er hat aber auch in Rekordzeit das Team umgebaut und sich mit dem von Alpine entlassenen Pat Fry einen absoluten Spitzenmann geangelt. Seit Vowles bei Williams die Führung übernommen hat, ist ein regelrechter Ruck durchs Team gegangen.
Man darf die Leistung, trotz der eher schwachen Ergebnissen, nicht unterschätzen. Williams hat vielleicht nicht den Sprung gemacht, den McLaren und Aston in diesem Jahr teilweise hingelegt haben, aber weit weg war davon auch nicht. Denn plötzlich Williams kein Team mehr, dass zufällig mal ein gutes Rennen hat, sondern eins, dass man ernst nehmen muss, wenn es um die Punkte geht. Eine erstaunliche Transformation, die da stattgefunden hat.
Vowles hat gleich zu Beginn der Saison klargemacht, dass man sich direkt auf 2024 konzentrieren würde. Der erneute Umbau des Teams ist dafür der Hauptgrund. In Interview bestätigte er, dass man die erste Halbzeit der Saison opfern würde, um diese Strukturen zu etablieren, um im Herbst dann bereit zu sein, dass Chassis für 2024 zu bauen. Daher gab es am Williams auch wenige Updates.
Immerhin rutschte man mit dem Update aus Spanien dann im Sommer plötzlich regelmäßig in die Top Ten. Die ersten Punkte gab es in Montreal, es folgten weitere in Silverstone, Zandvoort, Monza, Austin und Mexiko. Die Auswahl der Strecken, auf denen man stark war, zeigt auch, dass das Chassis vor allem über einen guten Top Speed verfügte, weil man generell zu wenig Abtrieb hatte. Nur auf extrem schnellen Kursen war man in der Lage in die Punkte zu fahren. Doch dass geschah dann regelmäßig.
Die größte Überraschung ist wohl, dass man Logan Sergeant festhalten will. Dabei waren seine Ergebnisse schwach und zwischenzeitlich musste man sich schon die Frage stellen, ob er in der F1 nicht überfordert ist. Allein der finanzielle Schaden durch seine vielen Unfälle dürfte das Budget von Williams in diesem Jahr stark belastet haben.
Man muss auch sagen, dass Williams erfolgreicher gewesen wäre, wenn man einen besseren zweiten Fahrer gehabt hätte, der das Tempo von Albon halten kann. In einem sehr engen Mittelfeld zählt jede Position, die man weiter vorn starten kann und Sergeant startete nur zwei Mal in den Top Ten (Zandvoort, Las Vegas). Albon gelang das siebenmal. Was genau Williams an Sergeant hat, erschließt sich mir nicht so ganz. Als US-Pilot kennt ihn in den USA auch keiner.
Einer der Gründe, warum er für Williams im Moment wichtig ist, mag mit seinem Onkel Harry Sargeant III zusammenhängen. Der Milliardär wird von Wikipedia wie folgt beschrieben „Sargeant betreibt ein ausgedehntes, milliardenschweres Konglomerat privater globaler Unternehmen, das aus Luftfahrtunternehmen, Ölraffinerien, Ölhandelsgeschäften, der Entwicklung alternativer Kraftstoffe und der Öl- und Asphaltschifffahrt besteht, wobei das Unternehmen seines Vaters, Sargeant Trading, die größte Flotte von Asphalttankern und -schiffen der Welt besitzt. Außerdem ist er Eigentümer der International Oil Trading Company (IOTC), die das US-Militär mit Flugbenzin beliefert.“ Sergeant ist also ein finanzielles Asset und so lange er Geld hereinbringt, als er kostet, wird Dorilton an ihm festhalten.
Team Leader ist aber klar Alex Albon. Mit ihm hat Williams einen absolut loyalen Top-Fahrer an Land gezogen (auch wenn er offiziell immer noch eine Leihgabe von Red Bull ist). Albon hat sich als versierter Entwickler gezeigt, als extrem schneller Pilot, der auch mal ein Risiko eingeht, wenn es sein muss. Er ist genau das, was Williams benötigt und einen besseren Piloten wird man auf dem Markt für den Preis nicht finden können.
2024 dürfte ein interessantes Jahr für Williams werden. Es ist das erste Jahr, dass komplett unter der Führung von Vowles läuft und es ein Jahr des weiteren Umbaus. Sicher will man einen Sprung nach vorn machen. Pat Fry hat schon gesagt, dass man in drei bis vier Jahren wieder um Podien kämpfen möchte. Was ich angesichts der momentanen Lage eher anzweifeln möchte. Aber wenn es Williams 2024 gelingt Alpine auf die Pelle zu rücken, könnte der positive Aufwärtstrend weiteren Schwung bekommen. Ansonsten werden sie ungefähr da landen, wo sie dieses Jahr waren, vielleicht mit weniger Abstand zu Alpine. Was den Investoren sicher auch ausreichen wird, solange die Bewertungen des Teams steigen.
Bilder: Pirelli