Bis auf ein Rennen hat Red Bull alle Rennen in dieser Saison gewonnen. Besser geht es kaum. Und ein Ende der Siegesserie ist nicht in Sicht.
Formel Eins Fans sind einiges gewohnt aus den letzten Jahren. Seit 13 Jahren teilen sich Red Bull und Mercedes die Titel auf und der Rest schaut zu. Die Spannung in den meisten Saisons bestand meist nur darin, ob die nominelle Nummer Zwei im Team mal eine Chance auf den Titel auf den Titel hat. Das war dieses Jahr auch nicht der Fall. Aber es wirft eine Frage auf. Wie Anteil hat das Auto, wie viel der Fahrer an der Dominanz von Red Bull?
Nimmt man Max Verstappen aus der Rechnung, wäre das einer der spannendsten Saison seit Ewigkeiten gewesen. Die ersten sieben Piloten lagen am innerhalb von 50 Punkten. Bis in den Oktober hätten die auch rein rechnerisch noch Chancen auf den WM-Titel gehabt. Also ist es vielleicht gar nicht der Red Bull, der so stark ist, sondern Max Verstappen? Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen und am Ende wird eine Kombination aus dem Auto, dass für Verstappen gebaut wurde, und dem Fahrer selbst sein.
Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Verstappen gerade der beste Fahrer im Feld ist. Er ist schnell und er hat weiter den absoluten Killerinstinkt, der ihn schon immer ausgezeichnet hat. Wenn es sein muss, dann kann er auch wieder den ruchlosen Teil seines Charakters aktivieren. Wirklich gefordert wurde er in diesem Jahr aber auch nur selten. Austin und Singapur waren zwei Ausnahmen, bei denen allerdings sein manchmal dünnes Nervenkostüm wieder sichtbar wurde. Ansonsten lief es immer perfekt und Verstappen konnte sich die Rennen nach Belieben einteilen.
Der RB 19 ist aber natürlich auch einer derjenigen Formel Eins, die in die Geschichte eingehen werden. Wie der McLaren MP4/4, der Williams FW15C, der Ferrari F2002, der Red Bull RB7 oder der Mercedes F1 W07 ist es ein absolut dominantes Auto, an das die Konkurrenz nicht mal ansatzweise herankam. Was allerdings auch damit zu tun hatte, dass Mercedes und Ferrari sich in ihren eigenen Konzepten verrannt hatten. Dass dem Red Bull auf die Pelle rücken konnte, wenn man das Konzept kopiert, zeigten Aston Martin und McLaren im Verlauf der Saison.
Bei vielen Rennen war der RB19 in der Quali zwar schneller, aber nicht in einem exorbitanten Maße. Meist waren es um die drei Zehntel, die Verstappen vorne lag, einige Male wurde er auch geschlagen. Die eigentliche Stärke des Autos lag im Renntrimm. Hier war Red Bull absolut dominant. Verstappen hatte immer Reserven und man hatte das Gefühl, dass er zeitweise nur so schnell wie nötig unterwegs war. Der RB19 hatte die perfekte Mischung aus Speed, Abtrieb und Reifenverschleiß.
Red Bull konnte bei der Strategie oft verschiedene Ansätze wählen und war immer noch schneller. Undercut Versuche konterte man auf der Strecke mit schnellen Runden, was die Bandbreite unterstreicht, die dem Team zur Verfügung stand. Man hatte immer noch ein Ass im Ärmel, dass man jederzeit ausspielen konnte. Einen Engpass gab es nur selten.
Allerdings gab es eine leichte Schwäche des RB19, wie man in Singapur sehen konnte. Musste Red Bull das Auto nur wenige Millimeter höher legen, verlor man den Vorteil des Abtriebs. Der wird offensichtlich beim Chassis zu einem erheblichen Teil über den sehr ausgeprägt gestylten Unterboden erzeugt. Wird das Auto höher gelegt, passt die Luftführung und die Abdichtung des Unterbodens nicht mehr. Aus dem überlegenen Red Bull wurde so in Singapur ein Auto aus dem vorderen Mittelfeld. Allerdings nur in der Quali. Für das Rennen hatte man eine Abstimmung gefunden, die dann wieder besser passte. Verstappen hatte am Ende des Rennens das schnellste Auto.
Adrian Newey hat 2022 ein Konzept gefunden, dass sofort passte und er scheint bis heute der einzige zu sein, dass das Aero-Konzept komplett verstanden hat. Zum Glück von Red Bull haben alle anderen Team sich entweder im nutzlosen Design verzettelt oder sie haben nicht das Geld oder Personal, um konkurrenzfähig zu sein. Das bedeutet auch, dass Red Bull eben diese zwei Jahre an Wissensvorsprung haben, wie sie das Auto und das Konzept verbessern können. Dass man in diesem Jahr am Auto nur ein (!) großes Update hatte und seit Ungarn mit einem praktisch unveränderten Auto unterwegs war, das trotzdem alle Rennen bis auf Singapur gewinnen konnte, zeigt, wie gut das Chassis ist.
Das lässt nichts Gutes für die Konkurrenz im nächsten Jahr erahnen. Auf der anderen Seite dürften die Ingenieure bei Mercedes, Ferrari und den anderen die Ideen von Newey mittlerweile gut verstehen. Und es ist nicht auszuschließen, dass da jemand das Konzept in eine neue und bessere Richtung schiebt. Aussichtsreiche Kandidaten sind McLaren und Aston Martin, die sich ja beide mit Top-Personal von Red Bull verstärkt haben. Und die wissen genau, wie das Konzept von Newey funktioniert. Da Aston in diesem Jahr starke Schwächen bei der Entwicklung gezeigt hatte, dürfte McLaren das Team sein, dass Red Bull am ehesten im Auge haben muss.
Die einzige wirkliche Schwäche im Team von Red Bull war in diesem Jahr Sergio Perez. Man weiß, dass Perez nicht der allerschnellste Mann in der Qualifikation ist, was seinen Abstand zu Verstappen auch erklärt. Allerdings muss man auch sagen, dass man nicht weiß, wie sich andere Fahrer im gleichen Auto gegen Verstappen schlagen würden. Könnten Hamilton, Leclerc, Norris oder Sainz da mithalten? Spannende Frage, die wir vermutlich nie beantworten werden können. Red Bull braucht keinen zweiten starken Fahrer.
Verstappen hat in diesem Jahr alleine so viele Punkte eingesammelt, dass er für Red Bull die Team-WM hätte gewinnen können. Das Team konnte sich den Luxus erlauben, Perez durch die Saison zu ziehen. Was allerdings dann auch die Frage aufwirft, warum man nicht einen Nachwuchsfahrer reingenommen hat. Yuki Tsunoda mag bisher nicht so weit sein, aber welche bessere Chance hätte man gehabt, den Japaner in Ruhe aufzubauen?
Auf der anderen Seite konnte Red Bull auch nicht damit rechnen, dass die Konkurrenz, nachdem sie im Vorjahr schon gedemütigt wurde, auch 2023 so schlecht war. Christian Horner wunderte sich nicht zu Unrecht darüber, was die anderen Teams eigentlich machen. Im nächsten Jahr kann die Sache anders aussehen und dann braucht man einen starken Perez.
Die Erwartungen für 2024 dürften bei Red Bull hoch sein, aber man wird auch so vernünftig sein, dass man nicht auf eine Wiederholung der diesjährigen Saison hoffen kann. Das war schon außergewöhnlich und geschichtsträchtig. Aber es spricht auch wenig dagegen, dass Red Bull dank ihres Vorsprungs 2024 wieder mindestens einen WM-Titel holen wird.
Bilder: Pirelli