Viel passierte in diesem Jahr und nicht alles war schlecht in der Welt des Motorsports. Aber man merkt, dass fast alle Serien an Beginn einer Veränderung stehen.
Die Formel Eins hatte kein schlechtes Jahr, auch wenn Red Bull alles in Grund und Boden gefahren hat und Max Verstappen so dominant ist wie zuletzt vielleicht Michael Schumacher im Ferrari Anfang der 2000er-Jahre. Denn positiv gab es zu vermelden, dass Teams wie Aston Martin und McLaren plötzlich an der Spitze auftauchten und das seit fast einem Jahrzehnt eingefrorene Feld etwas aufmischten. Das spricht für die Arbeit der Teams, aber auch für das technische Reglement. Ja, Red Bull hat ein „Wunderauto“ gebaut, aber die anderen werden aufholen, da bin ich mir sehr sicher. Die Vergangenheit hat dies auch immer wieder gezeigt.
Die sportliche Seite war ansonsten gut. Bis auf Nyck de Vries haben alle Fahrer zumindest einen Punkt geholt, was deutlich zeigt, wie eng es zwischen den Teams ab Platz 5 ist. Herausragend waren sicherlich die 27 Punkte, die Alex Albon im Williams holen konnte. Und das mit einem Auto, dass sicherlich nicht zu den Besten im Feld im gehört. Die Zweikämpfe im Mittelfeld lieferten oft die beste Show für die Serie, zeigten aber auch die Probleme auf. Der oft entstehende DRS-Train machte deutlich, dass das DRS eben nicht die Lösung für alle Probleme ist. Zumindest nicht in der jetzigen Form. Vielleicht wäre es besser, wenn das DRS, wie in der IndyCar, zeitbasiert aktiviert werden kann. Jeder hat 120 Sekunden DRS-Zeit und muss damit haushalten.
Allerdings gibt es auch ein paar Dinge, die mich etwas sorgenvoll in die Zukunft schauen lassen. Der Boom der Serie ist sicherlich schön, aber die finanziellen Bewertungen der Teams und der gestiegene Umsatz der Serie bringt auch die negativen Seiten raus. Die Begehrlichkeiten steigen, der Wille, den Kuchen zu teilen, sinkt. Die Posse um den Einstieg von Andretti und GM in die F1 ist ein deutliches Beispiel. Hier geht es nicht darum, dass ein neues Team anderen die Punkte wegschnappt, hier geht es schlicht und ergreifend um das Geld, das zwischen Liberty Media und den Teams verteilt wird. Ein neues Team würde diesen um 10 Prozent verkleinern und das will keiner.
Denn die Formel Eins ist von einem, nun ja, Hobby der Konzerne zu einem Unternehmen geworden, das sehr viel Geld abwirft. Knapp 100 Millionen soll Mercedes zum Beispiel im letzten Jahr verdient haben, und das nach allen Ausgaben. Und wie das in der modernen Welt der Unternehmen ist – es kann nie genug verdient werden. Die Gier zeigt sich auch in der Auswahl der Locations. Rennen, wie das in Las Vegas, sind fast reine Showveranstaltungen auf Kursen, die fahrerisch kaum Herausforderungen bieten. Das gilt auch für die umstrittenen Rennen in Saudi-Arabien und Katar. Die Frage, wie viel Geld man verdienen will und wie viel Tradition man bewahren möchte, dürfte eines der schwierigen Balanceakte sein, die Liberty Media vollführen muss.
Und dann ist das der schwelende Streit mit der FIA. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die F1 noch nie so knapp davor war sich von der FIA abzuspalten. Denn die Frage ist: Wer braucht eigentlich wen? Liberty Media hat die Verträge mit den Teams, den Sponsoren, den TV-Anstalten und den Streckenbetreibern. Die FIA liefert den rechtlichen Rahmen. Die Regeln kann man im Grunde per copy and paste übernehmen. Vor 2026 (so lange läuft noch das Concorde Agreement) wird nichts passieren, aber je nachdem, wie die FIA sich verhält, dürfte die Diskussion 2024 Fahrt aufnehmen.
WEC
Der FIA würde eine Abspaltung finanziell extrem schmerzen, den Fans wäre es vermutlich egal, solange alles so bleibt, wie es ist. Die FIA dürfte nach meiner Einschätzung am Ende einknicken, aber ganz sicher ist das natürlich nicht. Denn die FIA hat mit der WEC ein Produkt, dass der F1 durchaus Konkurrenz machen könnte. Das neue Hypercar/LMDh Reglement hat sich als Volltreffer erwiesen und ab 2024 ist die Serie so voll gespickt mit Herstellern, wie noch nie in ihrer Geschichte. Daraus könnte man was machen.
2023 war allerdings ein Übergangsjahr, das vor allem von Enttäuschungen geprägt war. Porsche versemmelte den Start, Ferrari gelang immerhin, die mittelgroße Sensation in Le Mans zu gewinnen. Ansonsten war das wieder ein Jahr der Toyotas. Nicht zu Unrecht, denn die Japaner hatten in den letzten Jahren genug Zeit, das Auto und die Technik kennenzulernen und massiv zu verbessern. Das muss der Rest des Feldes auch erst lernen. Dass BMW sich dazu entschlossen hatte dieses Jahr Le Mans und die WEC nicht zu fahren, könnte sich als Nachteil herausstellen.
Le Mans, sicherlich das Highlight des Jahres, bot ein spannendes Rennen, auch weil der ACO eine andere, offenbar bessere, BoP als die FIA hat. Warum die FIA die nach Le Mans nicht einfach übernommen hat, versteht auch niemand. Dass Le Mans aber jedes Jahr so ein großes Highlight ist, zeigt auch die Probleme der WEC. Man interessiert sich vielleicht für noch für das Rennen in Spa, weil das vor Le Mans ist, aber das war es dann. 2024 startet man in Katar und fährt nicht mehr in Sebring. Das sagt schon alles. Die Serie muss, wenn man ernst genommen werden will, ein paar Dinge ändern. Mehr Rennen, mehr traditionelle Strecken. Man versucht das 2024 mit der Addition von Imola und São Paulo, aber das wird nicht reichen. Die letzten drei Rennen in Austin, Fuji und Bahrain werden wieder kaum jemanden interessieren. Es fehlt ein Saisonhighlight, wie die IMSA das mit dem Petit Le Mans hat.
Apropos IMSA. Die können sich wirklich nicht beklagen in diesem Jahr. Hier stimmt fast alles. Die BoP, die Strecken, die Teams und das hochkarätige Fahrerfeld haben für enormen Spaß gesorgt. Die Serie wächst und das ist ein gutes Zeichen. Denn der weltweite Sport der Prototypen hat zu lange im Dornröschenschlaf gelegen.
Nationaler Motorsport
Die fetten Jahre sind vorbei. Was ein bisschen paradox ist, boomt der Sport doch in anderen Ländern. Die NLS/VLN, deren Protagonisten für nächstes Jahr immer noch im Streit liegen, hatte mehrere Highlights, aber der Sieg von Frikadelli bei den 24H war sicherlich besonders emotional. Wie es allerdings mit der Serie, oder den Serien, wenn es zu Abspaltung kommt, ist nicht sicher. Man schaufelt sich, aus blanken Eigeninteressen, ein Grab.
Denn die VLN/NLS zieht mit Abstand die meisten Zuschauer an die Strecke und ist somit in Deutschland, zumindest was die Zuschauerzahlen angeht, die in Deutschland erfolgreichste Serie. Die DTM kann da bei Weitem nicht mithalten und die Frage ist, ob die Entscheidung für die GT3 so richtig war. Denn wer braucht noch eine GT3 Serie, die zudem nur am Rande wahrgenommen wird. Ich sehe es an mir selber. Habe ich 2022 die Serie noch teilweise verfolgt, 2023 habe ich nur noch wenige Rennen gesehen. Das soll nichts über den sportlichen Wert der Serie aussagen, sondern zeigt, dass die Serie ein Problem mit der Aufmerksamkeit hat.
Und das war es auch schon mit dem nationalen Motorsport aus meiner Sicht. Was kein gutes Zeichen ist. Deutschland fehlt eine starke, nationale Serie, auch um Talente aus dem eigenen Land zu fördern. Das kann die DTM im Moment nicht leisten (zumindest nicht auf breiter Bühne). Und wenn sich Beteiligten von Nürburgring, VLN und NES nicht einigen, wird das dem Motorsport nicht helfen.
Internationaler Motorsport
Zwei Serien sind in diesem Jahr besonders auf meinem Radar gelandet und eine ist fast vollständig verschwunden. Gewonnen haben die Supercars aus Australien und die Super Formula aus Japan. Beide habe ich viel enger verfolgt als in den Jahren zuvor, beide haben mich begeistert. Die Supercars, weil fast jedes Rennen ein Highlight war und es schwer zu Sache ging. Die Super Formula, weil auch hier das Renngeschehen oft für die an der Spitze langweiligen Rennen der Formel Eins entschädigte.
Verloren hat vor allem die NASCAR. Dabei gab es ja nun genug Dramen in der Serie, aber das Racing hat mich dieses Jahr nicht so gepackt. Ich kann nicht mal genau sagen, woran es liegt. Gefühlsmäßig hat sich die Serie etwas zu sehr von ihren Wurzeln verabschiedet. Man versucht modern zu sein und fummelt zu sehr an der Technik rum. Das passt meiner Meinung nach nicht zur Serie, die irgendwie immer etwas anachronistisch war. Was genau der Spaß an der Serie war. Zumindest für mich. Immerhin scheint man das einigermaßen erkannt zu haben.
Die IndyCar hatte dieses Jahr Highlights, aber der Streit im Hintergrund um das neue Chassis und die Hybrid-Motoren werfen einen großen Schatten auf die Serie. Ich würde (noch) nicht so weit gehen, dass ich die Serie scheitern sehe, aber weit ist man davon auch nicht entfernt. Wo die F1 in den USA wächst, verliert die IndyCar. Nicht, weil man schlechten Motorsport bieten würde, sondern weil man sich nicht weiterentwickelt.
Sorgen macht einem auch die BTCC. Man hat für 2024 wieder ein recht großes Feld zusammen bekommen, aber die gestiegenen Kosten machen den Teams zu schaffen. Dass ein ehemaliges Powerhouse wie Dynamics dieses und nächstes Jahr nicht mehr in der Serie vertreten sein wird, ist ein deutliches Warnsignal. Dabei stimmt ansonsten bei BTCC alles und ich habe sie immer als Vorbild für die DTM gesehen. So ganz bin ich davon auch noch nicht weg, denn ich glaube, dass das Konzept „Mittelklasse-Auto mit strengem Reglement“ immer noch den besten Tourenwagensport bietet. Aber die BTCC hat das Problem, dass ökonomische Probleme in UK und mangelndes Wachstum eine Serie gefährden können.
Alternativer Motorsport
Die Formula E hat ein Problem. Nicht nur, weil die Autos hier und da brennen. Das Konzept zündet weiterhin nicht so, wie sich das die Veranstalter wünschen. Es ist einfach auch zu viel, was anders an der Serie ist. Die Autos sehen, sorry, beschissen aus. Das Reglement ist verwirrend, die „Power Zones“ merkwürdig überkompliziert. Die Serie leidet zudem unter dem Problem, dass sie, völlig zu Unrecht, als „Abstellplatz“ für ehemalige F1-Fahrer gilt, die es halt da nicht geschafft haben. Das ist Blödsinn, aber dass der Formula E Meister de Vries in diesem Jahr in der F1 so untergegangen ist, hat auch nicht geholfen.
Die FE muss dringend an ihrem Image arbeiten, aber auch an den Strecken. Zu oft sehen die Stadtkurse wie Hinterhöfe von Industriegebieten aus, wo sie ja auch oft unterwegs waren. Es fehlt auch die Einbettung in anderen Serien. Da sich die FE als Headliner versteht, will man auch nicht mit anderen populären Serien zusammen fahren. Und richtige E-GT Serien gibt es auch nicht. Aber alleine, so wie sie im Moment dasteht, funktioniert die Serie auch nicht.
Ansonsten gibt es ja leider kaum Serien, die alternative Antriebe auf die weltweite Bühne schieben. Die ExtremeE… ok, lassen wir das. Immerhin gibt es ein paar Lichtblicke. Die Entscheidung des ACO für 2026/2027 eine Klasse für Wasserstoffantriebe auszuschreiben könnte sich als richtiger Schritt herausstellen. Toyota experimentiert in dem Segment ebenfalls schon. Es wäre schön, wenn wir in Zukunft mehr solcher Sonderklassen sehen würden.
In memoriam:
Craig Breen
Jean-Pierre Jabouille
Dilano van ‚t Hoff
Erich Zakowski
Ken Block
Gil de Ferran
Bilder: Pirelli, WEC, Frikadelli Racing, Yankee, Formula E