Es ist bereits die zehnte Saison für die Formel E, die am Wochenende in Mexico City gestartet wird. Die Serie, die seit 2020 eine offizielle FIA-Weltmeisterschaft ist, hat sich inzwischen weltweit einigermaßen etabliert, ist aber weiterhin eher eine Special-Interest-Serie, die nicht das Massenpublikum anspricht. Das zeigt auch ein Blick auf die Entwicklung in Sachen TV-Übertragung in den klassischen Motorsport-Märkten Großbritannien und Deutschland.
Nachdem die Zuschauerzahlen in den Jahren 2022 und 2023 trotz Live-Übertragungen, teils auf dem Hauptsender Pro7, zurückgegangen sind, wird der Sender die Rennen 2024 nicht mehr live übertragen, weder m Hauptprogramm noch auf Pro7 Maxx. Auch Streams wird es seitens der Pro7-Sat1-Gruppe nicht geben. In Deutschland wird die Formel E damit nur noch auf dem Bezahlsender Eurosport 2 bzw. im Streamingdienst Discovery+ zu sehen sein, ebenso in der Schweiz. In Österreich stellt ServusTV eine weitere Option dar.
Nachtrag: der neue Sender DF1, der in Deutschland den frei gewordenen ServusTV-Sendeplatz übernommen hat, zeigt diverse ServusTV-Inhalte, darunter auch die Formel E, sodass diese doch live im FreeTV zu sehen ist, wenn auch sicherlich weniger prominent platziert als auf Pro7.
Im Vereinigten Königreich wurde die Formula E bis 2021 von der BBC im Streamingdienst iPlayer gezeigt, in den letzten beiden Jahren wurde sie von Channel 4 im FreeTV übertragen. Auch das ist nun vorbei, Channel 4 hatte kein Interesse an einer Vertragsverlängerung. Als neuer Partner konnte auch im Motorsport-Kernland UK nur ein PayTV-Anbieter gefunden werden: TNT Sports, ehemals BT Sports, die – wie Eurosport – auch zur Discovery-Gruppe gehören.
In seiner Nische bietet die Formula E aber – wie ich finde – durchaus interessanten Rennsport, der sich von anderen Formelserien abhebt. Mit dem Gen2-Chassis war auch etwas Tourenwagen-artiges Fahren „mit Anlehnen“ möglich, das geht jetzt mit der neuen Gen3 wiederum nicht mehr so gut. Stattdessen haben die neuen technischen Rahmenbedingungen das Racing auf ihre Art verändert, dazu später mehr. Das „grüne Marketing“, in das die Serie sich hüllt, werde ich weitestgehend aussparen und mich auf das sportliche Geschehen konzentrieren.
Es sind viele tolle Fahrer am Start, auch die stelle ich gleich noch näher vor. Es gibt nur einen Neuzugang aus der Formel 2, aber einen zurückkehrenden früheren FE-Weltmeister. Und der Kalender bietet wieder eine Reihe interessanter Locations, wir werden einen Mix aus bekannten und neuen Stadtkursen sehen und zur Abwechslung auch wieder den einen oder anderen permanenten Rennkurs, auch wenn die FE damit etwas abseits ihres Markenkerns unterwegs ist, den Rennsport zu den Menschen in die Städte zu bringen.
Der Kalender
Der Kalender fängt mit bekannten Austragungsorten an: im Anschluss an Mexico City geht es für den ersten Doubleheader nach Riad bzw. Diriyah, dann folgt der zweite Lauf im Sambodrom von Sao Paulo, wo wir letztes Jahr das erste „Peloton-Rennen“ gesehen haben, in dem niemand führen wollte. Spätestens auf den langen Geraden dort werden wir sehen, ob das auch in der Saison 2024 ein Thema sein wird. Danach geht es für ein mögliches neues Highlight nach Tokyo, wo der Kurs um das Messe- und Konferenzzentrum Big Sight herumgeführt wird.
Als nächstes steht dann Italien auf dem Plan, aber diesmal geht es nicht nach Rom, sondern auf den Misano World Circuit Marco Simoncelli, einen permanenten Kurs, der eher auf Motorräder ausgelegt ist. Wie gut der für die Formel E taugt, wird sich zeigen müssen, immerhin gibt es gleich zwei Versuche an einem Wochenende. Es folgen die „Klassiker“ in Monaco und Berlin-Tempelhof (Doubleheader im Mai).
Der dritte neue Kurs im Kalender ist der Shanghai International Circuit, womit die Serie erstmals seit Corona nach China zurückkehrt. Ich hoffe, man wird eine kurze Variante nutzen, denn der volle F1-Kurs scheint mir für die Serie nicht besonders geeignet. Ebenso wie hier wird es zum Saisonabschluss auch in Portland, Oregon, und in London (ExCeL) Doubleheader-Events geben, sodass zwischen dem 13. Januar und dem 21. Juli insgesamt 16 Rennen ausgetragen werden, wenn alles nach Plan läuft.
Hyderabad und Jakarta stehen aus politischen Gründen nicht mehr im Kalender, auch der Cape Town ePrix, wo mir die Strecke beim Debüt letztes Jahr besonders gut gefiel, wird leider nicht wieder aufgelegt. Ob eine dieser Strecken in der Zukunft nochmals auf dem Kalender stehen wird, bleibt abzuwarten.
Technik und Reglement
Es ist das zweite Jahr mit dem Gen3-Fahrzeug, am technischen Reglement und an den zentral bereitgestellten Komponenten, insbesondere der Batterie von Williams Advanced Engineering, ändert sich zur neuen Saison erstmal nichts. 350 kW ist die maximale Leistung, wobei im Rennen die Grenze bei 300 kW liegt; das Maximum darf im Attack Mode und in der Quali abgerufen werden. Rekuperation, also die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen, ist in der Gen 3 von großer Bedeutung, so verfügt die Hinterachse über gar keine mechanische Bremse mehr und an der Vorderachse gibt es einen zweiten E-Motor nur für die Rückgewinnung.
Das führte im Vorjahr zum neuen „Stil“ der Peloton- bzw. Pulk-Rennen: insbesondere auf Strecken mit langen Geraden wollte in der ersten Rennhälfte oder gar über die ersten zwei Drittel der Distanz niemand führen; alle versuchten nur, Energie im Windschatten zu sparen, die jeweiligen Führenden verlangsamten auf der Gerade, und versuchten, sich überholen zu lassen, sodass das Feld extrem dicht zusammen blieb. Das führt die Idee des Motorsports irgendwie ad absurdum und ergab manchmal auch riskante bis gefährliche Situationen. Vor allem in Portland ergab sich ein sehr skurriles Rennen (das Foto zeigt nicht den Rennstart, sondern eine Szene aus dem Rennen). Mit dem begrenzten Energievorrat und dem Fokus auf Sparen und Rückgewinnen wird sich das aber wahrscheinlich auch zunächst nicht ändern.
Ein neues Element soll ab dem Misano-Wochenende zum Einsatz kommen: Schnellade-Boxenstopps stehen auf dem Plan der Formel E. Auch wenn die Batterie so entwickelt wurde, dass sie dies handhaben kann, wurde die Einführung bereits mehrfach verschoben; eigentlich war der Einsatz ab dem Diriyah-Lauf dieses Jahr vorgesehen. Ob diese „Attack Charge“-Pitstops etwas zum Racing beitragen, wenn Anzahl und Dauer der Stopps vorgegeben sind, wird sich zeigen, wahrscheinlich wird vor allem der Zeitpunkt des Stopps sich auf die Renndynamik auswirken. Näheres werde ich erklären, wenn das erste Einsatz-Rennen tatsächlich bevorsteht.
Teams und Fahrer
Andretti Autosport hat sich als Andretti Global neu gebrandet und NIO heißt jetzt ERT, ansonsten hat sich bei der Zusammensetzung der Teams nichts geändert. Auch die Kundenteams sind jeweils bei ihren Antriebs-Zulieferern geblieben. Aber bei den Fahrern gibt es ein paar Neuerungen. Gehen wir einmal durch die elf Teams und 22 Fahrer durch.
Jake Dennis hat mit seinem Meistertitel die Startnummer 1 zu Andretti Global geholt, er bleibt dem Team treu, das weiterhin auf den Porsche-Antriebsstrang setzt, der im letzten Jahr einer der stärksten war. Sein 2023er Teamkollege Andre Lotterer verlässt allerdings die Formel E als Einsatzfahrer, um sich auf die WEC zu konzentrieren. Er bleibt FE-Testfahrer, allerdings für das Porsche-Werksteam. Sein Ersatz ist Norman Nato, der von Nissan kommt. Er hatte dort eine gute zweite Saisonhälfte 2023 und wird zeigen wollen, dass er daran in einem Top-Auto anknüpfen kann.
Das Porsche-Werksteam musste sich 2023 dem Kundenteam sowohl in der Fahrerwertung als auch in der Teamwertung geschlagen geben und würde das 2024 sicherlich gern ändern. Mit Pascal Wehrlein und dem 2020er-Champion Antonio Felix da Costa halten die Stuttgarter an ihrem Fahrerduo aus dem Vorjahr fest. Da Costa konnte allerdings in den letzten Jahren nicht wieder konstant an seine Leistung aus 2020 anknüpfen, da muss eine Steigerung kommen.
Der zweitbeste Antriebsstrang kam im Vorjahr aus dem Hause Jaguar. Hier bleibt Mitch Evans an Bord, während Vizemeister Nick Cassidy vom Kundenteam Envision herüberkommt. Wenn beide an ihre Performances aus 2023 anknüpfen können, wo sie am Ende mit zwei Punkten Differenz Zweiter und Dritter der Meisterschaft wurden, ist mit diesem Team auf jeden Fall zu rechnen. Jaguar und Kundeteam Envision dominierten auch den Preseason-Test in Valencia.
Envision behält den Jaguar-Antrieb, verliert aber mit Cassidy seinen Top-Piloten. Sebastien Buemi bleibt, aber der Champion der Saison 2015-16 und dreifache Vizemeister ist nicht mehr ganz in der Form von „damals“. Im Vorjahr im starken Envision-Jaguar konnte er aber nach den schwierigen Nissan-Jahren immerhin wieder recht konstant in die Punkte fahren. Sein neuer Teamkollege ist Robin Frijns, der nach einem schwierigen Jahr im Abt Cupra-Mahindra zu seinem früheren Stammteam Envision zurückkommt, mit dem er seine besten Ergebnisse einfahren konnte. Wenn beide Piloten wieder zu ihrer alten Stärke zurückfinden, ist auch mit diesem Team wieder zu rechnen.
Der ehemalige Envision- und Jaguar-Pilot Sam Bird, neben Buemi und di Grassi eines der Formel E-Urgesteine, ist auch weiter dabei, allerdings nun beim NEOM McLaren-Team. McLaren ist letztes Jahr neu eingestiegen und hatte eine recht solide Debütsaison mit ein paar Highlight-Performances und einem Podium von Rene Rast, der die Serie verlassen hat. Jake Hughes bleibt nach einer guten Debütsaison an Bord. Die beiden sind allerdings auch von einer weiteren Steigerung des Nissan-Antriebs abhängig.
Nissan , die in der Saison 2017-18 die Konzernschwester Renault abgelöst und letztes Jahr den früheren Partner e.dams aufgekauft haben, tut sich seit Jahren schwer in der Formel E. Letztes Jahr war ein leichter Aufwärtstrend spürbar, es reichte immerhin für Platz 7 in der Teamwertung, knapp vor dem Kundenteam McLaren. Sacha Fenestraz bleibt für seine zweite volle Saison beim Team, Norman Nato wird durch Oliver Rowland ersetzt, der zu dem Team zurückkehrt, für das er schon von 2018 bis 2021 fuhr und immerhin einen Sieg und vier Podien holen konnte. Bei Mahindra war er unter ferner liefen unterwegs, was aber auch an der Performance des Teams lag.
Besagtes Mahindra-Team kann seit der Saison 2018-19, als das Gen2-Fahrzeug eingeführt wurde, nicht mehr an die starken Leistungen der ersten Jahre anknüpfen. Auch der Mahindra M9-Antrieb in der Vorsaison konnte nicht überzeugen, das Werksteam des indischen Hersteller und das Kundenteam ABT Cupra belegten die letzten beiden Plätze in der Teamwertung. Mit Nyck de Vries und Edoardo Mortara haben sie aber immerhin zwei Top-Piloten, nämlich den Meister und den Vizemeister der FE-Saison 2020-21! Die Autos des Mahindra-Teams wurden beim Valencia-Test beschädigt, als es in der Nachbargarage beim Hersteller Williams Advanced Engineering aufgrund einer fehlerhaften Batterie zu einem Feuer kam.
Auch Kunde ABT Cupra wird auf eine Steigerung im Hause Mahindra hoffen, denn bei Abt würde man sicherlich lieber an die guten alten Audi-Jahre anknüpfen, als um die hinteren Plätze zu kämpfen. Der Ex-Abt-Audi-Pilot und Meister von 2016-17, Lucas di Grassi, kommt zurück zum Team, bleibt damit aber auf dem Mahindra-Antrieb hängen, mit dem er letztes Jahr immerhin ein Podium einfahren konnte – direkt beim Saisonauftakt in Mexico. An seiner Seite geht der Schweizer Nico Müller in seine vierte FE-Saison, der aber bisher immer in schwachen Teams war und daher noch nicht an seine DTM-Erfolge anknüpfen konnte.
Durch die Schwäche von Mahindra war NIO333 im Vorjahr immerhin nicht Schlusslicht. Trotzdem ist der chinesische E-Auto-Hersteller NIO abgesprungen, sodass das Team nun als ERT firmiert. Sie werden aber kein Kunde eines anderen Herstellers, sondern entwickeln weiterhin ihren eigenen Antriebsstrang. Ob sie damit aus dem Tabellenkeller kommen, ist fraglich. Der wilde Brite Dan Ticktum bleibt für seine dritte Saison im Team, er konnte letzte Saison dort immerhin eine Reihe von starken Punkteresultaten einfahren. Sergio Sette Camara konnte da nicht ganz mithalten, auch wenn er schon doppelt so lang in der Serie ist wie Ticktum. Auch er bleibt aber an Bord.
Bleiben noch zwei weitere Teams, die – dem Namen nach – als Hersteller antreten, aber eigentlich denselben Antriebsstrang nutzen: Denn sowohl DS Automobiles als auch Maserati gehören seit 2021 zum Stellantis-Konzern. Beide konnten in den letzten Jahren mit guten Performances aufwarten. Maserati hat das frühere Venturi-Team aufgekauft und im neuen Marken-Gewand mit dem von DS übernommenen, aber unter eigenem Namen laufenden Antrieb eine gute Debütsaison hingelegt (Platz 6). Der Bayer Maximilian Günther hat mit einem Sieg und drei Podien ordentlich dazu beigetragen und wird auf eine weitere Steigerung hinarbeiten. Edoardo Mortara wird aber ersetzt durch dein einzigen Neuzugang der Serie in diesem Jahr: der Inder Jehan Daruvala betritt nach vier Jahren in der Formel 2 (vier Siege) Neuland und wird versuchen, sich auf die anderen Anforderungen der Formel E einzustellen.
DS gehörte seit jeher zu den stärkeren Herstellern in der Formel, seit einigen Jahren in neuer Partnerschaft als DS Penske. Durch die Partnerschaft mit der Citroen-Tochtermarke ist es für Penske nach schwierigen Jahren wieder aufwärts gegangen, auch wenn sie im Vorjahr noch hinter den Porsche- und Jaguar-Teams zurückstehen mussten. Ähnlich sah es beim Wintertest in Valencia aus. Die beiden vormaligen FE-Champions Stoffel Vandoorne und Jean-Eric Vergne (weiterhin der einzige Pilot mit zwei Meistertiteln)werden aber motiviert sein, das dieses Jahr zu ändern, und dem Duo ist es auch durchaus zuzutrauen.
Mexico City ePrix
Der Mexico City ePrix wird bereits zum achten Mal ausgetragen und gehört damit schon zu den Klassikern im Formel E-Kalender. Gefahren wurde stets auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez, allerdings kam nie der lange F1-Kurs zum Einsatz, sondern es wurden verschiedene Variante mit dem kurzen Ovalkurs und dem Abstecher ins Baseball-Stadion gefahren. Seit 2020 biegt das Feld am Ende der ersten Oval-Kehre links ab, fährt ein Stück gegen die F1-Fahrtrichtung, um zu wenden und dann eine längere Anfahrt auf die hakelige Schikane auf der Gegengeraden zu haben. Die ist ein Überholpunkt, aber es geht dann hier auch gern mal der eine oder andere Frontflügel verloren. Nach der Stadionschleife wird die volle „Peraltada“ aka Oval-Kurven 3/4 ohne Schikane gefahren, sodass die Piloten mit Speed auf Start/Ziel ankommen und die dortigen Schikane ebenfalls eine Überholmöglichkeit darstellt.
Lucas di Grassi ist der einzige Pilot mit zwei Siegen in Mexico City, aber die liegen schon etwas zurück. Die beiden letzten Läufe haben Porsche-angetriebene Piloten gewonnen: Pascal Wehrlein bei einem starken Doppelsieg des Werksteams 2022 und 2023 legte Andretti-Pilot Jake Dennis hier den Grundstein für seinen Titelgewinn. Aber auch Mitch Evans im Jaguar hat hier schon einmal gewonnen. Porsche vs. Jaguar – mit je zwei Teams – war das Duell des Vorjahres. Wird es auch das Duell 2024 werden?
Einen ersten Eindruck bekommen wir am Samstagabend um 21 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Dann startet der erste ePrix der Jubiläumssaison. Eurosport 2 und DF1 übertragen das Rennen live – jeweils ab 20:30 Uhr. DF1 zeigt zudem das Knockout-Qualifying live ab 16:30 Uhr. Bei Eurosport 2 wird es davon wahrscheinlich vor dem Start Highlights zu sehen geben.
3 Kommentare
Die Formel E wird auch auf dem „neuen“ Free TV-Sender DF1 live übertragen.
Der Autor sollte recherchieren was es mit dem Antrieb von DS und Maserati auf sich hat, und wie die Eigentumsverhältnisse dieser Marken sind. (Hint: Stellantis)
Danke für die Hinweise, ich habe den Text entsprechend aktualisiert!
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