Home Motorsport Formel Eins – Du kommst hier nicht rein

Formel Eins – Du kommst hier nicht rein

von DonDahlmann
1 Kommentare

Härter als die FOM gestern Andretti Autosport abgespeist hat, kann man es wohl kaum machen. Man hat der Organisation praktisch die Fähigkeit aberkannt, Motorsport zu betreiben.

Die Absage der FOM (Liberty Media) an Andretti kommt nicht völlig überraschend. Dass die kommerziellen Rechteinhaber den Antrag von Andretti skeptisch betrachtet haben, war lange bekannt. Nicht zuletzt durch diverse Teamchefs, die öffentlich gegen die Aufnahme eines neuen Teams äußerten. Auf der anderen Seite stand das Interesse von Liberty Media, eine US-Firma, ein US-Team in die Serie zu bringen. Denn der Aufbau des US-Marktes steht im Zentrum der Formel Eins. Dass man Andretti derartig abkanzelt, ist daher dann doch überraschend und wirft Fragen auf.

Allerdings haben die FOM und die dort organisierten Teams nicht komplett Unrecht mit ihrer Skepsis. Doch die Art und Weise, wie man die Argumente vorbringt, ist schon erstaunlich. Das Statement, mit der die Ablehnung begründet wurde, ist derartig unverschämt formuliert, dass man schon scharf einatmen muss. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man General Motors gleich mit abwatscht.

Man schreibt unter anderem (hier im Original):

„Jedes 11. Team sollte nachweisen, dass seine Teilnahme und sein Engagement einen Nutzen für die Meisterschaft bringen würde. Die wichtigste Art und Weise, in der ein neuer Teilnehmer einen Nutzen bringen würde, ist die Konkurrenzfähigkeit, insbesondere der Kampf um Podiumsplätze und Rennsiege. Dies würde das Engagement der Fans erheblich steigern und auch den Wert der Meisterschaft in den Augen der wichtigsten Interessengruppen und Einnahmequellen wie Fernsehsender und Rennveranstalter erhöhen.“

Das muss man in zwei Teilen betrachten. Man hat nicht ganz zu Unrecht Bedenken, dass ein Einstieg im Jahr 2025, für ein Team problematisch sein kann. Die seit 2022 geltenden Aero-Regeln sind komplex und selbst erfahrene Teams haben Probleme damit. Ein neues Team läuft Gefahr, dramatisch hinterherzufahren. Was, zumindest aus der Sicht der FOM, dem Ansehen der Formel Eins Schaden zufügen konnte. Auf der anderen Seite ist es nicht gesagt, dass Andretti im ersten Jahr 2 Sekunden hinter dem Feld hinterherfährt. Aber die Sorgen sind durchaus berichtigt. Warum man allerdings dann nicht vorschlägt, dass das Team erst 2026 hinzustößt und ein Jahr zur Entwicklung nutzt, ist nicht nachvollziehbar.

„Der Antrag sieht eine Zusammenarbeit mit General Motors (GM) vor, die anfangs keine PU-Lieferungen umfasst, wobei zu gegebener Zeit eine vollständige Partnerschaft mit GM als PU-Lieferant angestrebt wird, was jedoch erst in einigen Jahren der Fall sein wird. Ein GM-PU-Lieferant zu Beginn des Antrags hätte seine Glaubwürdigkeit erhöht, obwohl ein neuer Konstrukteur in einer Partnerschaft mit einem neuen PU-Lieferanten auch eine große Herausforderung zu bewältigen hätte. Die meisten Versuche, in den letzten Jahrzehnten einen neuen Hersteller zu etablieren, waren nicht erfolgreich.“

Man wirft Andretti vor, dass sie zunächst auf den Motor eines Zulieferers angewiesen sind? Dann dürfte McLaren auch nicht mitfahren. Oder Aston. Oder das Ex-Minardi Team. Oder Haas, die auch noch das halbe Auto von Ferrari und Dallara bekommen. Andretti hat, nach dem eigenen und den Bekundungen von GM, einen Deal mit dem US-Hersteller. Die Übergangszeit hätte man mit einem anderen Motor fahren müssen. Das ist nicht perfekt, aber auch nicht ungewöhnlich. Dass die FOM dann auch noch General Motors sagt „Andere Hersteller sind gescheitert, also werdet ihr auch scheitern“ ist schon eine Unverschämtheit.

„Wir glauben nicht, dass es eine Grundlage für die Zulassung eines neuen Bewerbers im Jahr 2025 gibt, da dies bedeuten würde, dass ein neuer Bewerber in den ersten zwei Jahren seines Bestehens zwei völlig unterschiedliche Fahrzeuge bauen würde. Die Tatsache, dass der Antragsteller dies vorschlägt, lässt uns daran zweifeln, dass er das Ausmaß der Herausforderung versteht“

Nachvollziehbarer Einwand. Warum man dann nicht einfach sagt: „2025 geht nicht, aber 2026 ist ok“ ist wie erwähnt nicht nachvollziehbar. Hier verweist man dann wieder auf die Frage nach dem Motor. Hierzu sagt man:

„Darüber hinaus schlägt der Antragsteller vor, dies in Abhängigkeit von einem konkurrierenden PU-Hersteller zu versuchen, der unweigerlich zurückhaltend sein wird, seine Zusammenarbeit mit dem Antragsteller über das erforderliche Minimum hinaus auszuweiten, während der Antragsteller sein Ziel verfolgt, längerfristig mit GM als PU-Lieferant zusammenzuarbeiten, was ein PU-Zwangslieferant als Risiko für sein geistiges Eigentum und sein Know-how ansehen würde.“

Zusätzlich heißt es:

„Die Notwendigkeit für jedes neue Team, eine obligatorische Stromversorgung zu übernehmen, möglicherweise über einen Zeitraum von mehreren Saisons, würde dem Prestige und dem Ansehen der Meisterschaft schaden.“

Demzufolge hätte Mercedes seine Unterstützung von Aston Martin einstellen müssen, seitdem die bekannt gegeben haben, dass man zu Honda wechselt. Ein nicht besonders valides Argument. Schon gar nicht, wenn Haas, Williams, McLaren, das Ex-Minardi Team, Aston Martin und Sauber mit gekauften Motoren unterwegs sind. Allerdings hat Andretti auch den Fehler begangen, nicht mit einem kompletten Plan den Antrag zu stellen. Hätte man einen Motorlieferanten für die Jahre bis 2028 vorweisen können, wäre es schwieriger gewesen, den Antrag abzulehnen.

Als Nächstes kommen unsinnige Argumente:
„Die Hinzufügung eines elften Teams würde die Rennveranstalter in betrieblicher Hinsicht belasten, einige von ihnen mit erheblichen Kosten belasten und die technischen, betrieblichen und kommerziellen Möglichkeiten der anderen Wettbewerber einschränken.“

Das ist Quatsch. Die meisten Strecken haben mehr Boxen zur Verfügung als die Formel Eins benötigt. Im letzten Jahr reichte es, um das TV-Team des Brad Pitt Films unterzubringen, oft werden leer stehende Boxen als VIP-Bereiche eingerichtet.

Und weil das der FOM bis hier nicht gereicht hat, beleidigt man dann gleich auch noch die ganze Familie

„Obwohl der Name Andretti bei F1-Fans einen gewissen Wiedererkennungswert hat, deuten unsere Untersuchungen darauf hin, dass die Formel 1 die Marke Andretti aufwerten würde und nicht umgekehrt.“

Weil CashApp als Name auch bekannt ist. Oder die Weltfirma Haas. Natürlich geht man in die F1, damit deren Branding die Marke stärkt. Sonst wäre niemand in der Serie. Man kann durchaus argumentieren, dass der Name Andretti in Saudi-Arabien vielleicht nicht so bekannt ist. Aber jedem anderen Fan auf der Welt schon.

Natürlich geht es mal wieder ums Geld. Zwar müsste Andretti 200 Millionen Dollar bezahlen, um in den exklusiven Club hereingelassen zu werden. Aber das reicht offenbar nicht. Das Geld wäre nur eine Kompensation für die Einnahmeverluste der Teams aus dem zweiten Jahr von Andretti in der Formel Eins. Die Rede ist davon, dass man mit Abschluss eines neuen Concorde-Agreements ab 2026 das Eintrittsgeld erhöhen will, damit die bestehenden Teams mehr bekommen.

Andretti ist nicht ganz unschuldig an dem Desaster. Man ist etwas breitbeinig aufgetreten und man hat zwei Fehler gemacht. Zum einen den Eintritt auf das Jahr 2025 zu legen, zum anderen hat man keinen Motorlieferanten vorweisen können. Das hat den Antrag auf schwache Beine gestellt, weil die Einwände der Formel Eins in diesem Punkt durchaus gerechtfertigt sind.

Liberty Media und die FOM hätten aber auch die Möglichkeit gehabt, den gesamten Prozess zu vertagen, anstatt Andretti und GM öffentlich zu ohrfeigen. Man hätte durchaus sagen können „2026 ist ok, wenn ihr bis Ende 2024 einen Motorlieferanten vorweisen könnt.“ Aber darauf hat man sich gar nicht erst eingelassen. Stattdessen hat man das Jahr 2028 (dann soll der GM-Motor fertig sein) genannt.

Das ganze Theater ist allerdings nur ein Teil des Machtkampfs, der gerade zwischen Liberty Media (kommerzielle Rechteinhaber) und der FIA (Rechteinhaber des Namens und oberstes sportliches Gremium) abläuft. Die Teams wollten den Prozess für die Aufnahme weiterer Teams von Anfang an nicht starten. Aber FIA-Chef Mohammed Ben Sualyem sieht das anders.

Seitdem dem die FIA den Antrag von Andretti im letzten Frühjahr durchgewunken hat, sind die Fronten zwischen der FIA und Liberty Media komplett verhärtet. Besonders auffällig wurde dies Oktober 2023. Nach dem erneuten Track-Limit Desaster in Österreich und in Katar, drohte Ben Sualyem damit, beide Rennen aus dem Kalender zu nehmen, wenn sich nichts ändern würde. Ebenso sprach er davon, dass die Ablehnung der Teams gegenüber Andretti aus reiner Gier erfolgen würde. Nach dem letzten Rennen in Abu Dhabi zitierte die FIA sowohl Wolff als auch Frederic Vasseur vor die Kommissare und vergab eine Rüge an die Teamchefs.

Im Dezember gab es dann plötzlich eine Untersuchung der FIA gegen Toto und Susie Wolff wegen eines möglichen Interessenkonflikts. Angeblich habe Susie Wolff interne Informationen der FIA, die sie als Geschäftsführerin der Frauen-Nachwuchsserie F1 Academy erhält, an ihren Mann weitergegeben. Die Untersuchung wurde nach heftigen Protesten von Mercedes und einer Solidaritätserklärung aller (!) F1-Teamchefs, sofort wieder eingestellt. Man muss kein Experte sein, um zu verstehen, dass es sich um ein rein politisches Manöver gehandelt hat.

Toto Wolff legte in diesem Jahr auch schon nach, nachdem bekannt wurde, dass zwei hoch respektierte FIA-Angestellte gekündigt haben. Sportdirektor Steve Nielsen und Tim Goss, bis dahin Technischer Direktor der FIA, haben ihre Abschiede bekanntgegeben. Toto Wolff sprach daher von Chaos bei der FIA.

Nicht vergessen sollte man auch nicht, dass irgendjemand im letzten Winter eine aus dem Jahr 2001 stammende Webseite von Mohammed Ben Sualyem aus dem Internet-Archiv ausgegraben hatte. Auf der Website hieß es unter anderem, dass er nicht gerne „…über Geld spricht, und ich mag auch keine Frauen, die denken, sie seien schlauer als Männer, denn sie sind es in Wahrheit nicht“.

Es kann gut sein, dass der Streit zwischen der FIA und der FOM/Liberty Media einer der Gründe ist, warum man den Antrag von Andretti abgelehnt hat und dieser quasi ein Kollateralschaden des Streits ist. Dennoch ist Art und Weise, wie die FOM Andretti abgekanzelt hat, unverständlich.

Verloren haben am Ende alle. Die FOM, weil sie sich als arrogante Elite positioniert hat. Die FIA, weil sie einen Machtkampf verloren hat. Die Fans, weil sie einen großen Namen und einen neuen Hersteller nicht in die Serie bekommen.

Bilder: Andretti Autosport, Daimler AG

Das könnte Dir auch gefallen

1 Kommentare

IndyCar: Saisonvorschau 2024 – Racingblog 2 März, 2024 - 08:38

[…] in der IndyCar adaptiert. Wie der Traum von der Formel 1 und Andretti endete, hat inzwischen wohl jeder mitbekommen. Doch nicht nur der Name hat sich über den Winter geändert. Das Team hat sich […]

Comments are closed.