Direkt mal eine Warnung: Das Rennen findet am Samstag statt und nicht wie üblich am Sonntag.
Das große Rätselraten nach der kurzen Testwoche dürfte zumindest an der Spitze nicht so schwer zu lösen sein. Red Bull liegt vorn, aber die Frage ist, wie weit. 4 Zehntel? Sieben Zehntel? Oder gar noch mehr? Glaubt man den Berichten aus dem Paddock, war die Mehrheit der Teams davon überzeugt, dass Red Bull auch in diesem Jahr zumindest zum Start der Saison wieder nicht zu schlagen sein wird. Das stark überarbeitete Aero-Konzept von Adrian Newey scheint zu funktionieren, was keine guten Nachrichten für den Rest des Feldes ist.
Ein Blick in die Sektorenzeiten vom letzten Testtag macht das Bild zumindest ein bisschen klarer: Ferrari, Red Bull und Mercedes waren nur durch 0,43 Sekunden getrennt und niemand dominierte einen bestimmten Sektor. Vestappen war in den Kurven 5 bis 8 am schnellsten, was auf hervorragenden Abtrieb schließen lässt. Er war auch am schnellsten in Kurve 13 (gute Traktion) und im mittleren Teil der Hauptgeraden (geringer Luftwiderstand). Umgekehrt setzte Leclerc auf der Gegengeraden (zwischen den Kurven 10 und 11) mehr elektrische Energie ein und erzielte dort eine höhere Beschleunigung.
An allen drei Tagen hat Ferrari den ERS-Einsatz auf der Hauptgeraden reduziert, vielleicht um ihre potenziellen Höchstgeschwindigkeitswerte vor den anderen Teams zu verbergen. Russell verfügte über eine sehr gute Traktion (aus den Kurven 2 und 14 heraus) und einen guten Bremsgrip (beim Anbremsen der Kurven 1, 13 und 14). Insgesamt scheint die Leistung der Autos ausgeglichen zu sein, wenn man ihre jeweiligen schnellsten Runden vergleicht.
Die hatten, wie die Fans, darauf gehofft, dass Red Bull eine leicht modifizierte Version des RB19 bringen würde. Da die anderen Teams in diesem Jahr mit ähnlichen Konzepten aufwarten, war die Hoffnung groß, dass das gesamte Feld auf Red Bull würde aufholen können. Doch Newey brachte mit dem RB20 ein sehr stark modifiziertes Konzept an die Strecke, dass die Vorteile des RB19 noch weiter ausgearbeitet hat. Das Gerücht ist, das Red Bull ab dem Rennen in Japan sogar mit einer noch aggressiveren Variante kommen wird. Die in Bahrain gefahrene Version soll nur eine Test und eine Vorstufe für einen großes neues Updatepaket sein. Die Konkurrenz machte ein säuerliches Gesicht. Aber verwunderlich ist es nicht, wenn man bedenkt, dass Red Bull die Entwicklung des RB19 schon im Frühsommer mehr oder weniger eingestellt hat.
Ferrari und Mercedes scheinen nahe beieinander zu sein, dahinter, zumindest in Bahrain, liegen Aston und McLaren. Wie ich schon in meinem Bericht zu den Tests geschrieben habe, gilt bei Tests, bei aller Trickserei mit der Spritladung und der Motorleistung, immer noch, dass man ein schnelles Auto nur schwer verstecken kann. Irgendwann fahren alle mit ähnlichen Spritladungen und Reifen. Die Zeiten mögen nicht repräsentativ sein, aber sie geben einen gewissen Eindruck.
Natürlich wird man ein paar Rennen abwarten müssen. Bahrain ist zwar kein schlechter Gradmesser, weil die Strecke fast alle Gegebenheiten anderer Kurse widerspiegelt. Aber die hohen Temperaturen verzerren das Bild dann wieder. Das Problem in diesem Jahr ist, dass man die ersten drei Rennen auf Kursen fährt, die wenig aussagekräftig sind. Bahrain gibt noch am ehesten die Möglichkeit einer Einschätzung. Jeddah und Australien sind komplett anders. Das Rennen in Japan Anfang April dürfte da schon mehr Aufschluss geben, wenn es da nicht regnen sollte.
Das gilt auch für das Feld hinter den Top 5. Alpine wird auch in diesem Jahr, zumindest zum Start der Saison, nicht in den Kampf vorne eingreifen können. Das Chassis wirkt schwerfällig, wenig ausgereift und generell langsam. Bei den Tests bekam man keine Rennsimulation hin und dass man am Freitag noch mit Aero-Racks am Auto unterwegs war, deutet darauf hin, dass die Daten aus de Windtunnel nicht mit den Ergebnissen auf der Strecke korrelieren. Ich sehe Alpine im Moment nicht auf der Jagd nach den Top 5.
Da wird man eher Vcarb oder Williams sehen. Das Ex-Minardi Team machte bei den Tests einen guten Eindruck und könnte für eine Überraschung gut sein. In diesem Jahr hat man auch die vordere Aufhängung von Red Bull übernommen, was dem Auto offenbar gutgetan hat. Dahinter sehe ich Williams. Die sind mit einem komplett neuen Auto am Start und Teamchef James Vowles gab zu, dass man bei der Entwicklung große Risiken eingegangen sei. Bei den Tests führte dies dazu, dass man lange am Setup feilte und einiges an Zeit verlor. Aber wenn der Williams unterwegs war, dann war er durchaus schnell.
Schwierig einzuschätzen sind die Sauber. Zhou fuhr am Freitag die drittschnellste Zeit, aber allgemein geht man davon aus, dass der Sauber mit einem relativ leeren Tank unterwegs war. Die Long Runs waren gut und die Fahrer zeigten sich zufrieden mit dem Auto, das laut Bottas deutlich besser ist, als das Vorjahresmodell. Tatsächlich bin ich von allen Teams aus dem Hinterfeld am meisten auf Sauber gespannt.
Aber das Feld werden Alpine und Haas abschließen. Bei Haas ist das keine Überraschung, man hatte einen langsamen Start ja angekündigt. Das US-Team teste in Bahrain vor allem Long Runs um zu schauen, ob man die Probleme mit dem Reifenverschleiß in den Griff bekommen hat. Es sah wohl recht positiv aus, aber die Sprints für die Quali waren dagegen mau.
Das erste Rennen der Saison ist für alle Teams eine Standortbestimmung und man wird froh sein, wenn man keine technischen Probleme hat. Die Tests liefen für fast alle problemlos, was ein gutes Zeichen ist. Da die FIA die Zahl der erlaubten Motoren in diesem Jahr von drei auf vier erhöht hat, dürfte man auch etwas entspannter sein.
Strategie:
Es gibt wie im letzten Jahr C1, C2 und C3. Die Teams kommen nach Sakhir mit vielen Informationen darüber, wie das Auto und das Reifenpaket auf dieser besonders abrasiven Strecke funktionieren, wo Traktion und Bremsstabilität der Schlüssel zur Leistung sind: sowohl auf einer fliegenden Runde als auch auf längeren Runs.
Die Entwicklung der Strecke ist etwas eingeschränkt, wobei die Temperatur den größten Einfluss hat: Zwei der drei freien Trainings finden in der Hitze des Tages statt, was es schwieriger macht, repräsentative Daten für das Rennen zu erhalten. Ein weiterer Faktor, der sich oft auf die Autos auswirkt, ist der Wind, der Sand auf die Strecke wehen und die Balance unberechenbar machen kann. Die thermische Degradation ist erheblich und kann sich entscheidend auf die Rennleistung auswirken, während der Verschleiß im Allgemeinen begrenzt ist.
Letztes Jahr gingen fast alle auf eine Zwei-Stopp-Strategie. Man startete auf den C3 und wechselte dann zweimal auf die C1. Die Teams haben viel gelernt und Pirelli hat die Reifen insgesamt wohl etwas haltbarer gemacht. Das deutete sich zumindest bei den Tests an. Daher kann es gut sein, dass dieses Jahr der C2 auch eine Rolle spielen kann. Der Offset bei der Zeit ist relativ hoch. Zwischen C1 und C2 liegen rund 0,5 Sekunden pro Runde. Gleichzeitig ist das Überholen in Bahrain durchaus drin, es gibt einige Stellen an denen das geht. Allerdings benötigt man schon einen Vorteil von etwas mehr als einer Sekunde pro Runde um bequem am Gegner vorbeizugehen.