Die GT World Challenge bot einen sehr munteren Saisonstart auf der zuschauermäßig eher unbeliebten Strecke in Le Castellet. Von Überraschungen bis hin zu dramatischen Ausfällen war alles dabei, was den GT-Sport ausmacht.
Bereits nach den Trainingssitzungen und dem Pre-Qualifying, was nichts anderes als ein zweites freies Training ist, zeichnete sich eine BMW-Dominanz ab. Schon im letzten Jahr war beim sechsstündigen Endurance Rennen an gleicher Stelle zu sehen, dass das Layout der Strecke, dem M4 perfekt entgegenkommt. In der „richtigen“ Qualifikation am Sonntagmorgen zeichnete sich jedoch ein anderes Bild ab.
Der Iron Lynx Lamborghini fuhr mit Bortolotti/Cairoli/Caldarelli auf Pole. Nach dem Rundenschnitt der ersten beiden Segmente sah es nach einer Pole für den Grasser Lamborghini aus, der allerdings nach der Q3-Zeit von Christian Engelhart noch auf den vierten Rang zurückfiel. Die große Überraschung war das Debüt von Schumacher CLRT mit dem zweiten Rang von Boccolacci/Güven/Heinrich, die auf Anhieb bester Porsche unter der neuen Teamstruktur wurden. Solche Leistungen kannte man nicht, als das Team lediglich CLRT-Racing hieß. Die beiden BMW von Rowe und die #46 von WRT nahmen die Plätze der dritten und vierten Reihe ein.
Rennen
Stint 1
Wie üblich startete das Rennen mit vielen Berührungen und Abkürzungen durch die riesigen gestreiften Auslaufzonen. Der Grasser Lamborghini von Christian Engelhart drehte sich in der ersten Schikane und wurde glücklicherweise nicht getroffen. Durch diverse Teile rund um die Strecke gab es nach acht Minuten die erste FCY, die auch dieses Jahr kurze Zeit später zu einer SC-Phase umfunktioniert wird. Vereinzelt kam es darüber hinaus zu technischen Problemen an der Strecke. Der deutsche Stream fiel teilweise aus und das Rennen musste mangels Lichtsignale, klassisch mit einer Flagge gestartet werden. Komischerweise gab es Stromprobleme schon beim Saisonstart des letzten Jahres in Monza.
Im Verlauf des Stints ergab sich das erwartete Bild, dass die BMW die Pace vorgaben und Boden gewinnen konnten. Hinter dem Lamborghini von Bortolotti und dem Porsche von Güven bildete sich eine BMW-Armada mit dem Rowe BMW von Farfus und den WRT BMW von Maxime Martin und Charles Weerts. Weerts übertrieb es jedoch bei einem Manöver gegen den AF Corse Ferrari von Alessio Rovera und schied mit einem Reifenschaden aus, der eine komplette Zerstörung der Hinterachse und Unterbodens zur Folge hatte. Vermutlich zerstörte er sich einen der Reifen schon beim Überfahren eines scharfkantigen Kerbs und kollidierte daraufhin ohne Kontrolle mit dem Ferrari. Die Teile des BMW hatten eine weitere SC-Phase zur Folge.
Der erste Stint wurde mit einer lang andauernden FCY-Phase beendet, nachdem einer der Walkenhorst Aston Martin Feuer fing. Da die obligatorische Stunde für die Stintlängen fast abgelaufen war, gab die Rennleitung allen Teams die Möglichkeit, unter gleichbleibenden FCY-Bedingungen ihren ersten Pflichtstopp abhalten zu können.
Stint 2
Die Stopps brachten an der Spitze zunächst einen Führungswechsel mit sich. Dorian Boccolacci konnte den Porsche von Schumacher CLRT in Führung vor dem Lamborghini von Andrea Caldarelli übernehmen. Jedoch riss er beim Stopp den Luftschlauch mit und musste diesen durch einen Notstopp entfernen lassen. Ein ärgerlicher Fehler, der einen möglichen Sieg gekostet hat. Ein Sieg wäre deshalb möglich gewesen, weil der Wagen trotz des weiteren Stopps noch fast unter die besten Zehn gekommen wäre. Dieses Team muss man für Spa definitiv auf dem Zettel haben!
Nach dem Restart ging es für Caldarelli vor den Rowe BMW von Dan Harper und Nick Yelloly in den zweiten Stint. Dahinter waren Julien Andlauer im Rutronik Porsche, Fabian Schiller im Getspeed Mercedes und Davide Rigon im AF Corse Ferrari. Es fiel auf, dass die BOP extrem gut funktioniert hat. Phasenweise befanden sich im Verlauf des Rennens sieben Marken unter den besten Acht! Auch der Ford Mustang von Proton Competition konnte sich konstant in den Punkterängen halten, was nach den ersten Auftritten in der WEC und IMSA nicht zwingend zu erwarten war. Zur Wahrheit gehört auch dazu, dass der Topspeed-Vorteil auf der langen Mistral-Geraden massiv war. Hier wird es vermutlich weitere BOP-Anpassungen geben, um die Entwicklung der Rundenzeit etwas homogener zu gestalten.
Keinen guten Stint erlebte Valentino Rossi, der einige Plätze verlor und fast aus den Top10 herausfiel. Ein wenig erinnerte der Rennverlauf an einige Endurance-Rennen von WRT im letzten Jahr, die oft im Rennverlauf aus mehreren Gründen zurückfielen. Mann des mittleren Rennstints wurde eindeutig Ricardo Feller im Attempto Audi, der bis auf den fünften Rang nach vorne kam. Der R8 startete von weit hinten.
Das Salz in der Suppe war allerdings ein harter, rundenlanger Kampf um die Führung zwischen Caldarelli und Harper, den Harper nach einigen Runden in der zweiten Signes-Kurve für sich entschied. Es war der Grundstein für den Erfolg des zweiten Rowe BMW. Yelloly machte ebenfalls viel Druck, blieb aber bis zum Stopp auf dem dritten Rang.
Die #98, die von Nick Yelloly an Phillip Eng übergeben wurde, erlebte jedoch ein wahres Fiasko beim letzten Stopp. Da es Probleme mit der Tankanlage gab, ging der Stopp deutlich zu lange, weshalb Eng den Wagen einige Plätze weiter hinten übernehmen musste. Vorne übernahm Max Hesse die #998 und Matteo Cairoli begann sein erstes Rennen für Lamborghini in der World Challenge auf dem zweiten Rang liegend. Luca Stolz im Getspeed Mercedes, Sven Müller im Rutronik Porsche und Christopher Haase im Attempto Audi, der vom stark auffahrenden Ricardo Feller übernahm, profitierten vom Problem der Rowe-Mannschaft und kämpften plötzlich ums Podium.
Stint 3
Raffaele Marciello, der in der #46 von Valentino Rossi übernahm und Phillip Eng starteten nun die Aufholjagd. Schnell kamen sie am Ferrari von Alessandro Pier Guidi und am Audi von Christopher Haase vorbei. Die schiere Überlegenheit von BMW konnte Max Hesse an der Spitze zeigen, der mit über zehn Sekunden Vorsprung auf den Rest, einen am Ende souveränen Sieg nach Hause fuhr. Im Grunde war es der einzige BMW, der ohne schwächeren Stint, ohne Kollision und ohne technische Probleme durchkam, denn: Phillip Eng musste nach starker Aufholjagd einen weiteren, unplanmäßigen Stopp einlegen. Aufgrund des Problems der Tankanlage floss so wenig Sprit, dass er noch zu einem kurzen „Splash & Dash“ kommen musste, um damit aus den Punkten zu fallen. Es lässt den Entschluss zu, dass BMW mit lediglich einem Fahrzeug auf dem Podium, zu wenig aus den vorhandenen Möglichkeiten rausholte. Auch bei Marciello war in den letzten 15 bis 20 Minuten des Rennens die Luft irgendwie raus und konnte nicht mehr im Kampf ums Podium eingreifen.
Eine weitere Überraschung war neben dem respektablen Debüt des Mustangs, der Pure Rxcing Porsche. Das Team erlebte das erste Rennen im Pro-Cup und konnte den achten Gesamtrang mit Aliaksandr Malykhin als Bronze-Fahrer, Joel Sturm als Gold-Fahrer, der letztes Jahr noch im Team als Silber-Pilot am Start war, und einem guten letzten Stint von Klaus Bachler einfahren.
Hinter dem siegreichen Rowe BMW, dem zweitplatzierten Iron Lynx Lambo und dem Getspeed Mercedes, war schließlich die #96 von Rutronik der bestplatzierte Porsche auf dem vierten Platz. Marciello konnte den WRT BMW nach dem langsamen Stint von Valentino Rossi immerhin noch auf den fünften Rang stellen. Attempto Racing kam respektabel ohne Audi-Unterstützung und dank des guten Stints von Ricardo Feller auf den sechsten Rang. Die Aston Martin von Comtoyou und Walkenhorst fuhren ein eher unauffälliges Rennen. Dennoch konnte der topbesetzte Aston mit Thiim/Drudi/Sörensen auf P7 ein gutes Ergebnis einfahren. Etwas enttäuschend verlief das Rennen für den AF Corse Ferrari von Pier Guidi/Rigon/Rovera, die nur zwei Punkte vor dem Ford Mustang einfahren konnten. Die Top10 machten deutlich, dass das Kräfteverhältnis in der Rennserie vielleicht so ausgeglichen wie noch nie ist. Das macht Lust auf mehr!
Von den weiteren Klassen bot wie so oft der Bronze-Cup den spannendsten Kampf an der Spitze: Hier konnte Ferrari mit dem 296 von Kessel Racing mit Rosi/Schiro/Fumanelli und dem AF Corse mit Louis und Jeff Machiels sowie Andrea Bertloni einen Doppelsieg einfahren. Über weite Strecken des Rennens war der Century BMW mit u.a. Jake Dennis an der Klassenspitze beteiligt, der in der Schlussphase zurückfiel. Gleiches galt für den McLaren von Garage 59 mit Ramos/Prette/Smalley.
Den Gold-Cup gewann das Mercedes Team „AlManar Racing by Getspeed“ mit Al Zubair/Baumann/Grenier vor dem Sainteloc Audi #25, bei dem noch wenige Tage vor Saisonstart die Klasseneinteilung unklar war. Der Silver-Cup erlebte ebenfalls einen Mercedes-Sieg, in diesem Fall gar einen vierfach-Sieg mit der #57 von Winward Racing mit Sathiethirakul/Caresani/Arrow vor Boutsen VDS, die nach dem Markenwechsel vom Gold- in den Silver-Cup wechselten. Knapp dahinter wurde das Klassenpodium durch Madpanda Racing komplettiert.
Der Auftakt der Sprint-Cups folgt am ersten Mai-Wochenende auf der langen Variante der Rennstrecke in Brands Hatch. Hierzu wird ebenfalls eine Saisonvorschau folgen. Der Endurance-Cup hat das nächste Rennen erst Ende Juni mit den 24 Stunden von Spa.
Bildquelle: gt-world-challenge-europe.com (https://www.gt-world-challenge-europe.com/gallery_meeting?filter_season_id=24&filter_meeting_id=219)