Am Wochenende startet endlich die Britische Tourenwagenmeisterschaft in die neue Saison – und das mit dem kleinsten Starterfeld seit 15 Jahren. Warum das aber nichts Schlechtes bedeuten muss, erzähle ich euch gerne 😉
„NUR“ 20 Autos in der BTCC? Muss man sich Sorgen machen? Greift die Krise um sich? Teamsterben durch Brexit, Energiepreise und Co.?
Insgesamt alles halb so wild. Ja, wir erleben 2024 das kleinste Starterfeld seit vielen Jahren und ja, einige Teams sind tatsächlich angesichts steigender Kosten in finanzielle Herausforderungen geraten, was sich schon in den letzten beiden Jahren u.a. daran gezeigt hat, dass keine neuen Fabrikate hinzugestoßen sind. Nachdem im Vorjahr die Schockmeldung kam, dass sich das Traditionsteam Team Dynamics aus der BTCC zurückzieht, hat für dieses Jahr kurzfristig und unerwartet One Motorsport (ehemals BTC-Racing) eine Sabbatical-Saison angekündigt.
Damit sind erstmals seit Ewigkeiten keine Hondas in der BTCC vertreten und so ein spontaner Rückzug ist tatsächlich besorgniserregend. Die andere Teampleite ist dagegen etwas weniger überraschend gekommen: Tony Gilhams Team HARD-Imperium, bei dem man sich ohnehin immer gefragt hat, wie das alles funktionieren kann, ist über den Winter implodiert. Gilham ist schlichtweg bankrott und musste Konkurs anmelden. Mit dem Wegfall von Team HARD fehlen dann auch direkt mal auf einen Schlag sechs Autos.
Gleichzeitig betritt mit Restart Racing aber auch ein neues Team die BTCC-Bühne und bei Toyota Gazoo Racing hat man das Fahrzeugaufgebot um ein Auto erhöht. 15 der 20 gemeldeten Autos treten außerdem als offizielle, von einem Hersteller unterstützte Werksteams an und bei Team BMW und Unlimited Motorsport (mehr oder weniger eine Team HARD-Neugründung, s.u.) gab es außerdem Bestrebungen, jeweils ein weiteres Auto an den Start zu bringen, was sich dann aber zumindest zum Saisonauftakt noch nicht umsetzen ließ. Auch die Anzahl der eigenen Motorenprogramme ist erfreulich hoch: Ford, BMW, Hyundai und Toyota bauen allesamt ihre eigenen Antriebe. Lediglich fünf Autos nutzen den TOCA-Einheitsmotor von M-Sport. Gut, das mag auch daran liegen, dass der vor zwei Jahren neu eingeführte TOCA-Motor im Gegensatz zum Vorgängerexemplar von Swindon kein großer Knaller ist, aber ein eigenes Motorenprogramm muss man trotzdem erst mal finanzieren können.
Von echter Krise ist muss man also nicht wirklich ausgehen und vielleicht kann man eher von einem Konsolidierungsjahr sprechen. Dass mit dem Verlust von Quantität nicht zwingend ein Verlust von Qualität einhergehen muss, wird auch klar, wenn man sich das diesjährige Fahrerfeld ansieht. Zwar gab es mit Rory Butcher, Dan Lloyd und Ricky Collard einige hochkarätige Abgänge, aber im finalen Line Up lassen sich mühelos zehn bis zwölf Fahrer finden, denen man in dieser Saison einen Sieg zutrauen würde – sofern denn Ashley Sutton nicht von Anfang an in den Dominator-Modus schaltet 😉
Schauen wir uns das diesjährige Feld mal im Detail an:
Werksteams
Alliance Racing
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass der Weg zum Titel auch 2024 über den amtierenden Champion Ashley Sutton und Alliance Racing führen wird. Das ehemalige Motorbase-Team, das offiziell als NAPA Racing UK antritt, ist derzeit das Power House in der BTCC. Seit Sutton vor zwei Jahren zum Team gestoßen ist, zeigt die Erfolgskurve steil nach oben. 15 von 30 möglichen Siegen und 9 von 10 möglichen Pole Positions im vergangenen Jahr (davon jeweils 11 Siege und 6 Poles allein durch Sutton), lassen keine Zweifel aufkommen, wer in der BTCC derzeit den Ton angibt.
Getreu dem Motto „Never change a winning team“ bleibt das Fahreraufgebot des Vier-Wagen-Teams für diese Saison unverändert. Neben Sutton werden erneut Dan Cammish, Dan Rowbottom und Sam Osborne ins Lenkrad der blau-gelben Ford Focus ST greifen. Cammish, im Vorjahr mit drei Siegen Meisterschafts-Sechster, wird sich für dieses Jahr vornehmen müssen, näher an Sutton dran zu bleiben und mehr Konstanz zu zeigen. Wenn Sutton tatsächlich erneut souverän Meister werden sollte, muss Cammish im Prinzip den Vize-Titel holen. Für Rowbottom wiederum ist die Messlatte Cammish und immer, wenn er ihn schlagen kann, ist das ein Erfolg.
West Surrey Racing
Mehr oder weniger altes beim Alten bleibt auch beim BMW-Werksteam West Surrey Racing, deren Speerspitze erneut Jake Hill bilden wird, der für das Satellitenteam Laser Tools Racing with MB Motorsport antritt. Der 30jährige Engländer hat sich in den letzten Jahren als Frontrunner in der BTCC etabliert und gehörte in den vergangenen beiden Jahren zum engeren Kreis der Titelanwärter. Mit fünf Siegen schrammte er im letzten Jahr nur knapp an der Vizemeisterschaft vorbei. Für dieses Jahr steht ihm im Streben nach mehr ein mit komplett neuem Motor ausgestattetes Auto zur Verfügung, das auch in Sachen Aerodynamik einige Verbesserungen erfahren hat.
Zwei weitere BMW 330e werden wie im Vorjahr unter der offiziellen Werksnennung Team BMW von Routinier Colin Turkington und Adam Morgan pilotiert. Turkington bestreitet seine 18. Saison mit West Surrey Racing und seine insgesamt 20. in der BTCC. Dass der Altmeister noch längst nicht zum alten Eisen gehört, zeigte er vergangenes Jahr mit 4 Siegen und Meisterschaftsplatz 4. Morgan blieb letztes Jahr bei seiner Debütsaison im BMW-Werksteam dagegen sieglos und wird das dringend ändern wollen. In der Meldeliste stand bis Anfang dieser Woche darüber hinaus ein vierter BMW uns bei den Testfahrten saß Bobby Thompson am Steuer des Autos. WSR hat allerdings dieses Woche bekannt gegeben, dass das vierte Autos – zumindest beim Saisonauftakt – nicht antreten wird. Anscheinend konnte weder Thompson noch jemand anderes bislang das nötige Budget zusammenschnüren.
Excelr8 Motorsport
Auch bei Excelr8, das unter der Nennung Team Bristol Street Motors antritt und erneut vier Hyundai i30 Fastback N Performance an den Start bringt, hat man sich über den Winter in Zeug gelegt, um die im vergangenen Jahr entstandene Performance-Lücke zur Spitze zu schließen. Dazu ist man unter anderem eine Partnerschaft mit dem ehemaligen Honda-Werksteam Team Dynamics rund um Matt Neal eingegangen. In diesem Rahmen ist Excelr8 u.a. von der eigenen zu kleinen Werkstatt in die Räumlichkeiten von Dynamics umgezogen.
Klare Nummer Eins des Teams ist erneut der BTCC-Champion des Jahres 2022 und letztjährige Vize-Meister Tom Ingram. Obwohl es seinem Hyundai vergangene Saison an Pace mangelte und er „nur“ drei Siege einfahren konnte, schaffte Ingram es durch konstant gute Ergebnisse (26 von 30 Rennen beendete er in den Top Ten, 20 in den Top Five) sich gegen Hill und Turkington im Kampf um den Vizetitel durchzusetzen. Wie im Vorjahr werden die drei anderen i30 von Tom Chilton, Ronan Perarson, der dieses Jahr der heißteste Anwärter auf den Titel in der Jack Sears Trophy ist, und Nick Halstead pilotiert.
Speedworks Motorsport
Bei Speedworks, wo man das Fahrzeugaufgebot um einen weiteren Toyota Corolla GR Sport auf insgesamt vier Autos erhöht hat, ist in Sachen Fahrern dagegen alles neu. Rory Butcher legt eine Pause von der BTCC ein und Ricky Collard und George Gamble sind in Richtung British GT bzw. Porsche Carrera Cup abgewandert. Zwei der beiden als Toyota Gazoo Racing UK gemeldeten Autos werden in diesem Jahr von Tourenwagen-Hausdegen Rob Huff und dem amtierenden Titelträger in der Jack Sears Trophy, Andrew Watson, pilotiert.
Zwei weitere Corollas treten unter dem griffigen Namen LKQ Euro Car Parts with SYNETIQ an und werden von der letztjährigen One Motorsport-Paarung Josh Cook und Aiden Moffat pilotiert. Diese neu zusammengestellte Toyota-Truppe ist für mich ein wenig die Wundertüte der diesjährigen Saison. Das Auto, dem man vergangenes Jahr einen eigenen Motor als Ersatz für das TOCA-Aggregat spendierte, wurde über den Winter weiter verbessert und mit Huff, Watson, Moffat und nicht zuletzt Josh Cook hat man spannende Fahrer unter Vertrag, denen man allesamt Siege zutrauen kann. Es muss sich nun zeigen, was der Toyota, den Butcher im letzten Jahr nur zu einem Sieg bringen konnte, wirklich kann und ob vier Autos für das ehemalige Ein-Wagen-Team zu stemmen sind.
Independent Teams
Power Maxed Racing
PMR, das mit neuem Sponsor offiziell als Evans Halshaw Power Maxed Racing antritt, bringt auch 2024 die nun schon deutlich antiquierten Vauxhall Astra an den Start, reduziert das Fahrzeugaufgebot allerdings von drei auf zwei Autos. Ins Lenkrad greifen die Vorjahrespiloten Árón Taylor-Smith und Micky Doble, die im letzten Jahr einige Achtungserfolge feiern konnten. Ob man daran anknüpfen kann, hängt vor allem davon ab, zu was die Astras noch imstande sind. Die direkte Konkurrenz dürften eher die beiden Cupras von Restart Racing sein, mit denen man sich um den Independent-Titel balgen wird.
Restart Racing
Einen Neueinstieg in die BTCC feiert Restart Racing rund um den TCR UK Champion des Jahres 2022 Chris Smiley, der somit zugleich sein BTCC-Comeback gibt. Als Fahrzeuge hat man sich zwei Cupra Leon aus der Konkursmasse von Team HARD besorgt und wird vermutlich alles daransetzen, verborgenes Potenzial aus diesen herauszukitzeln. Smiley gilt als schneller Mann und dürfte ein Auge auf den Independent-Titel haben. Das zweite Fahrzeug wird von Scott Sumpton, im Vorjahr Teamkollege von Smiley in der TCR UK, pilotiert.
Unlimited Motorsport
Der mysteriöseste Entry besteht rund um Unlimited Motorsport, bei dem es sich um Team HARD-Überreste handelt, die als neues Team gegründet wurden. Nachdem zunächst zwei Autos in der Meldeliste standen, wird nun doch nur mit einem einzigen Cupra Leon gestartet, der von Vorjahrespilot Daryl DeLeon pilotiert wird. Nachdem man beim offiziellen Testtag nur eine einzige Runde gefahren ist, bestehen Zweifel, ob es diese Konstellation überhaupt durch die Saison schafft.
Kalender
Beim Kalender für diese Saison haben sich keine nennenswerten Änderungen ergeben. Wie üblich ergibt sich eine hübsche Rundreise über malerisch gelegene Rennstrecken im Vereinigten Königreich:
1 – 28.4. – Donington Park (National Circuit)
2 – 12.5. – Brands Hatch (Indy Circuit)
3 – 26.5. – Snetterton (300 Circuit)
4 – 9.6. – Thruxton
5 – 23.6. – Oulton Park (Island Circuit)
6 – 28.7. – Croft
7 – 11.8. – Knockhill
8 – 25.8. – Donington Park (GP Circuit)
9 – 22.9. – Silverstone (National Circuit)
10 – 6.10. – Brands Hatch (GP Circuit)
Wie üblich finden an jedem Renntag drei Rennen statt. Am Samstag gibt es eine Qualifikation für die Startaufstellung zum ersten Lauf. Die Startaufstellung des zweiten Laufs ergibt sich aus dem Resultat des ersten Laufs und die des dritten Laufs aus dem teilweise umgedrehten Ergebnis des zweiten Laufs. Und wie üblich muss in einem der drei Läufe der Optionsreifen, der in der Regel eine weichere Reifenmischung als der Standard-Reifen ist, gefahren werden. Eine kleine Neuerung in diesem Zusammenhang, deren Sinnhaftigkeit die Gemüter spaltet, betrifft dabei die Reifenwahl für den zweiten Lauf: Alle Fahrer, die den ersten Lauf in den Top Ten beenden, sind gezwungen, den zweiten Lauf auf der härteren der zur Verfügung stehenden Reifenmischungen zu bestreiten.
Übertragung
In Sachen Liveübertragung gibt es in diesem Jahr übrigens eine interessante Neuerung: Erstmals wird es möglich sein, auch außerhalb des Vereinigten Königreichs die BTCC-Rennen live zu verfolgen! Und das nicht etwa auf Youtube oder einer eigens zusammengezimmerten Streaming-Plattform, für die man dann zahlen müsste, sondern – und das ist kein Scherz – auf TikTok. Mal schauen, wie sich das dann in der Realität gestaltet. Wir können es ja am nächsten Wochenende direkt mal testen 😉 Ansonsten überträgt natürlich auch weiterhin wie gewohnt ITV4 den gesamten Renntag mitsamt der Rahmenrennen.
Bilder: btcc.net
1 Kommentare
[…] ist und bei den Testfahrten nur eine Runde absolviert hat, geunkt – einschließlich von mir in meiner Saisonvorschau, wo ich in den Raum gestellt hab, ob es diese Konstellation über die Saison […]
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