Ein prall gefülltes Starterfeld verspricht viel Spannung. Doch nur drei Hersteller scheinen eine echte Chance auf den Sieg zu haben.
So viele Marken, die sich Hoffnung auf einen Sieg in Le Mans machen, hat es schon lange nicht mehr gegeben. Ferrari, Porsche, Toyota, BMW, Peugeot, Cadillac, Alpine, Lamborghini und Isotta-Franschini – alle würden sich gerne am Sonntag um 16.00 Uhr ganz oben auf dem Siegertreppchen sehen. Die Realität wird etwas anders aussehen. Nimmt man die Ergebnisse der diesjährigen WEC Rennen, dürften Ferrari, Porsche und Toyota die größten Favoriten sein. Das sind dann immerhin sechs Porsche, drei Ferrari und zwei Toyota, die um den Sieg kämpfen können und die Top Ten unter sich ausmachen. Ist der Rest dann nur Staffage? Mitnichten! Denn der ACO hat seine eigene Interpretation der BoP und für dieses Jahr hat man zudem eine neue Regel eingeführt.
BoP
Es geht um den Begriff „Power Gain“. Der ACO hat sich die Topspeeds der diesjährigen Rennen und die des Le-Mans-Rennens aus dem letzten Jahr angeschaut und die BoP um ein weiteres Element angereichert. „Power Gain“ bezeichnet die Leistung der Motoren, nach dem eine Geschwindigkeit von 250 km/h erreicht wurde. Einige Hersteller verlieren ab diesen Punkt Leistung, andere gewinnen dazu. Sinn der Regelung ist, dass die Topspeeds der Autos näher beieinander liegen. So will man vermeiden, dass ein Hersteller auf den langen Geraden einen großen Vorteil hat und das Überholen praktisch unmöglich wird.
Die einzelnen Werte samt BoP-Änderungen zu Spa zum Vorjahr hier im Einzelnen:
Die Tabelle wirft ein paar Fragen auf. Dass man Ferrari einbremst, war zu erwarten. Aber Lamborghini und Peugeot? Auch bei den Gewichten gibt es ein paar merkwürdige Entscheidungen. Das maximale Gewicht von 1080 kg erreicht kein Auto mehr. Die beiden schwersten Autos kommen von Toyota und Peugeot. Cadillac hat das leichteste Auto und das könnte die Caddys in Le Mans weiter nach vorn bringen, als man im Moment annehmen könnte. Das niedrige Gewicht wirkt sich auch auf den Reifenverschleiß aus und das könnte vor allem in der Nacht den Amerikanern einen Vorteil bringen.
Der ACO erhofft sich, mit der BoP das Feld so eng wie möglich zusammengebracht zu haben. Aber ganz so einfach wird das nicht sein. Die Frage ist, wie viel Performance die Hersteller bisher in der WEC bisher nicht gezeigt haben. Das gilt vor allem für Porsche, Toyota, BMW und Alpine. Allerdings ist auch bekannt, dass der ACO auch gerne mal am Freitag vor dem Rennen die BoP noch mal anpasst, sollten die Daten aus den Trainingsessions am Mittwoch und Donnerstag zu ungewöhnlich sein. Daher lohnt sich das „Mauern“ in Le Mans eher nicht und in den letzten Jahren haben wir das auch kaum gesehen.
Wetter
Das Wetter dürfte an diesem Wochenende auch eine große Rolle spielen. Für Mitte Juni ist es in Le Mans relativ kühl. Die Temperaturen sollen in der Nacht bei 12 bis 14 Grad liegen, tagsüber werden gerade mal 20 Grad erreicht. Mit ziemlicher Sicherheit wird es regnen. Die Frage ist nur, wann. Einige Vorschauen (Stand Mittwoch) sehen Regen am Samstag- und vor allem am Sonntagvormittag. Andere sehen immer wieder leichten Regen über die gesamten 24 Stunden von Le Mans. Die richtige Reifenwahl zum richtigen Zeitpunkt kann hier das Rennen entscheiden. Es könnte also hektisch werden und einmal falsch gelegen kann einen das Rennen kosten. Oder Hersteller nach vorne spülen, die man da nicht erwartet hat.
Wenn es keinen Regen geben sollte, wird die Strategie sich bei den Teams wenig unterscheiden. Wie üblich werden einige Teams ein Auto auf eine versetzte Strategie setzen, um die Autos auch in verschiedene Zeitfenster zu setzen, sollte das Safety Car kommen. Was mit Sicherheit der Fall sein wird.
SC-Regeln
Überhaupt, das Safety Car. Im letzten Jahr gab es eine längliche Prozedur, die keiner mochte. Die drei Unterbrechungen im letzten Jahr resultierten am Ende darin, dass man insgesamt über drei Stunden hinter dem SC verbrachte. Das lag vor allem am „Wave Around“ und die Unterteilung wann welche Klasse, wie zusammengeführt werden soll, damit die dann in ihren Gruppen und in der richtigen Reihenfolge starten. Den Wave Around gibt es weiterhin, dafür fällt die Sortierung nach Klassen weg.
Wie bisher werden die Autos auf der Strecke zunächst von drei Safety Car eingefangen und dann hinter einem SC zusammengeführt. Erst dann geht das Rennen weiter. Die Klassen werden dann gemischt gestartet und nicht zusammengeführt. Ausnahme: die letzte Rennstunde, in der die Abstände in den Klassen unberührt bleiben. Damit will man vermeiden, dass ein führendes Auto mit 3 Minuten Vorsprung plötzlich den Vorsprung in der letzten Stunde wieder los ist. Mal schauen, wie das dieses Jahr läuft. Es sollte allerdings die ganze Prozedur deutlich verkürzen. Aber eine halbe Stunde pro Unterbrechung wird man einrechnen müssen.
Die Teams (Alphabetisch):
Alpine:
Der Renault-Ableger tritt ja nicht das erste Mal in der Top-Klasse in Le Mans an, doch das erste Mal mit dem eigenen LMDh. Der Alpine A424 hat sich bisher gar nicht so schlecht geschlagen, auch wenn man noch ein gutes Stück von den Top 3 entfernt ist. Aber die BoP war gnädig zu den Alpine, sodass ich sie durchaus als ein Team betrachte, dass in Lauerstellung sein könnte und von Fehlern vorne profitieren kann. Der neunte Platz in Spa war ein Hinweis darauf.
Technische Daten:
3,4 Liter V6 Turbo (kommt von Mecachrome), Standard MGU
1038 kg
689 PS
903 MJ/Stint
+0,9 Power Gain
Das Chassis kommt von Oreca und basiert auf dem LMP2 der nächsten Generation. Auch der Mecachrome Motor findet in anderen Serien seine Anwendung. Die Basis (ohne Turbolader) treibt die F3 an, eine weitere Version die F2. Alpine hat den Motor nach eigenen Angaben aber modifiziert. Das Team steht unter derselben Leitung wie das F1 Team, nutzt aber eben Oreca für die Aerodynamik und nicht die F1-Fabrik in Enstone. Wie auch in der F1 ist das Budget bei Alpine eher knapp gehalten. Aber es reicht, um eine ganz vernünftige Performance hinzubekommen. Teilweise war Alpine der erste Verfolger der Top Teams.
Fahrer:
#35 Paul-Loup Chatin, Ferdinand Habsburg, Charles Milesi
#36 Nicolas Lapierre, Mick Schumacher, Matthieu Vaxivière
Auf dem Papier scheint die #36 die bessere Besetzung zu haben, zumal Schumacher dem Tempo der schnellen französischen Teamkollegen in nichts nachsteht. Die bisherigen Ergebnisse sprechen aber für die #35 die sich immer vor den Teamkollegen positionieren konnte.
BMW
Nach einem Testjahr in der IMSA trauen sich die Münchner in diesem Jahr auch endlich nach Le Mans. Aber das Projekt läuft absolut nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Ich hatte schon mehrfach erwähnt, dass ich die Entscheidung von BMW erst in der IMSA anzutreten für falsch halte. Sicherlich gibt es gute Gründe (Budget), aber das Problem mit der IMSA ist, dass die Autos da eine andere BoP haben, weil die IMSA immer enge Rennen haben will. Das führt am Ende dazu, dass man einen falschen Eindruck darüber bekommt, wie gut ein Team in der Relation zu den anderen ist. Genau das ist BMW passiert. Während man in der IMSA durchaus um Siege mitfährt (und auch holt) fährt man in der WEC weit hinterher. An der BoP liegt es in dem Fall nicht. Der BMW kann sich bei den Leistungsdaten nicht beschweren.
Technische Daten:
4 Liter V8 Twinturbo, Standard MGU
1039 Kilo
690 PS
904 MJ/Stint
+0,9 Power Gain
Der bisherige Auftritt der BMW ist vor allem eins: Enttäuschend. Da kann auch der sechste Platz in Imola nicht helfen. Vom Tempo her ist man weit weg von den drei Top Teams. Da hatte man von BMW, und das Unternehmen sicher auch, deutlich mehr erwartet. Bei den Testfahrten am letzten Sonntag lag man rund 1 Sekunde hinter den schnellsten Porsche und ich rechne damit, dass sich dieses Bild auch im Rennen ergeben wird. Das Problem für die BMW ist dabei, dass sie die 24-Stunden voll am Limit fahren müssen, da das Tempo an der Spitze enorm hoch sein wird. Doch während Porsche, Toyota und Ferrari meist etwas Reserven haben, ist das bei BMW nicht der Fall. Das wird auch die strategischen Möglichkeiten der BMW einschränken. Ich sehe sie wie die Alpine nur in einer starken Außenseiterrolle.
Fahrer:
#15 Dries Vanthoor, Raffaele Marciello, Marco Wittmann
#20 Sheldon van der Linde, Robin Frijns, René Rast
Fahrerisch tun sich die beiden Autos nichts. Marco Wittman hat sich als sehr guter Endurance-Fahrer etabliert, auch wenn ihm in Le Mans noch ein bisschen Erfahrung fehlt. Aber an den Fahrern wird ein eventuell schlechtes Abschneiden der BMW nicht liegen.
Cadillac
Cadillac konnte im letzten Jahr zumindest zwischendurch mal für hochgezogene Augenbrauen sorgen, war aber bei der BoP Einstufung auch etwas benachteiligt. Das Auto hat sich im Vergleich zum letzten Jahr kaum verändert und wird auch weiter von Chip Ganassi eingesetzt. Allerdings auch nur noch bis zum Jahresende. Chipper dürfte also etwas mehr motiviert einen Sieg in Le Mans zu holen. Viel fehlt dem Cadillac in diesem Jahr nicht. In Spa lag man sehr gut im Rennen, bis ein schwerer Unfall von Richard Westbrook das Rennen beendete.
Technische Daten
Cadillac LMC55R 5.5 L V8, Standard MGU
1036 kg
692 PS
900 MJ/Stint
0.0 Power Gain
Technisch sollte der Cadillac ausgereift sein und da der Motor ohne Turbolader auskommt, gibt es auch weniger Teile, die kaputtgehen können. Auch der Speed stimmt fast. Es fehlte in Spa wirklich nicht viel und da die Strecke als Test für Le Mans gilt, sollten die Cadillac auch in Le Mans selbst gut aufgestellt sein. Aber um wirklich um ein Podium kämpfen zu können, müsste schon einiges passieren. Immerhin stellen Porsche, Ferrari und Toyota schon allein elf Autos und vor allem muss Caddy erst mal an den sechs (!) Porsche vorbeikommen. Aber sollte der Caddy vor allem auf den Geraden gut laufen, sollte man durchaus eine Chance haben. Ich rechne sie auch zu den Außenseitern, aber zu jenen, die mehr Chancen haben. Dazu kommt noch der Whelen Cadillac, auf den ich mich schon freue in Le Mans zu sehen.
Fahrer:
#2 Earl Bamber, Alex Lynn, Alex Palou
#3 Sébastien Bourdais, Renger van der Zande, Scott Dixon
#311 Luis Felipe Derani, Jack Aitken, Felipe Drugovich
Ferrari
Der Sieg im letzten Jahr kam ja etwas überraschend. Es ist ja auch selten, dass man neu in eine Serie einsteigt und dann direkt in Le Mans gewinnt. Neben einem exzellenten Chassis hat man auch einen der besten Antriebe anzubieten. Über den Winter hat man das Chassis auch weiter verbessert, sodass man in Le Mans mit einer Evo-Variante unterwegs sein wird. Doch seit dem Sieg im letzten Jahr ging bei Ferrari nicht mehr so viel zusammen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Porsche im letzten Jahr eine komplette Enttäuschung waren und mit Kinderkrankheiten am Auto kämpften. Zudem war die BoP gegenüber den Toyota einigermaßen harsch.
Aber natürlich gehen sie als einer der Favoriten in das Rennen. Auch wenn die Ergebnisse in diesem Jahr nicht so gut aussahen. Aber das Rennen in Imola verlor man, weil Pech mit der Strategie hatte und in Spa lag man vorne, als die Rennleitung beschloss, das Rennen nach dem Unfall von Westbrook doch noch mal für zwei Stunden zu starten, obwohl die Rennzeit abgelaufen war. Ferrari protestiert immer noch gegen die Entscheidung.
Technische Daten:
3 Liter, V6 Twin Turbo, E-Motor: 200 kW (272 PS) auf der Vorderachse
1043 kg
690 PS
889 MJ/Stint
-1,7 Power Gain
Der ACO war bei der Einstufung der Ferrari mehr als vorsichtig. Nur 889 MJ/Stint und die Reduktion beim Power Gain ab 250 km/h dürften den Ferrari sehr schmerzen. Aber offenbar ist der Motor des Ferrari derartig kräftig, dass man Angst hatte, die Ferrari würden auf der Strecke der Konkurrenz auf den Geraden wegziehen. Die niedrige Einstufung beim Energieverbrauch hilft da auch nicht, aber insgesamt liegt man bei der Gesamtleistung in der Nähe der Toyota und Porsche. Im letzten Jahr konnten die Ferrari das Rennen tatsächlich sehr taktisch angehen, weil man ausreichend Reserven in petto hatte. Das dürfte in diesem Jahr nicht ganz so einfach sein. Aber dennoch geht der Sieg nur über die drei Ferrari.
Fahrer:
#50 Antonio Fuoco, Miguel Molina, Nicklas Nielsen
#51 Alessandro Pier Guidi, James Calado, Antonio Giovinazzi
#83 Robert Kubica, Robert Shwartzman, Yifei Ye
Mit dem dritten Auto von AF Corse erweitert man die Chancen auf einen Sieg. Praktisch ist es ja ein Werksauto unter einem anderen Namen. Die Fahrer des Autos sind allemal gut genug für einen Sieg. Aber vermutlich wird man den AF Corse eher in einer unterstützenden Rolle sehen, vor allem, wenn es um die Strategie geht. Die beiden Werksautos werden die Speerspitze sein.
Isotta-Franschini
Immer, wenn irgendein Investor eine alte Marke aus dem Schrank holt, bin ich skeptisch. Meist steckt dahinter dann auch nur ein Marketing-Gag und nicht mehr. Eigentlich hat die Marke eine lange Tradition, wurde sie doch schon 1900 gegründet. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand das Unternehmen und wurde, nach viel Hin und Her der Namensrechte, erst in den 90er-Jahren wiederbelebt. Momentan gehört der Namen dem Fincantieri Konzern, einem italienischen Schiffbaukonzern. Es gibt allerdings zwei Ableger des Unternehmens. Zum einen Isotta Franschini Motori, die für Fincantieri Schiffsmotoren herstellen und Isotta Franschini Motori. Die werden finanziert vom kolumbianischen Geschäftsmann Frank Kanayet Yepes. Dem gehört wiederum NAD Capital, eine Investmentfirma, die in Elektroautos investiert, darunter unter anderem auch Rimac und Formula E.
Yepes will mittels Isotto-Franschini eine Luxusmarke für E-Autos auf die Beine stellen und der Isotta Fraschini Tipo 6 LMH-C ist die Rennvariante des geplanten Straßenautos. So merkwürdig das Projekt klingt, das ist keine Bastelbude. Das Chassis stammt von Michelotto und wurde zusammen mit Williams Advanced Engineering gebaut. Der Motor stammt von HWA und es handelt sich um einen 3 Liter V6-Turbo samt des Bosch-Hybrid-Systems. Eingesetzt wird das Auto von Duqueine, die man ja aus der LMP3 und LMP2 kennt. Allerdings ist Duqueine erst seit letztem November Partner von Isotta. Davor war das britische Vektor-Team für den Einsatz und die Tests zuständig. Die kündigten aber im letzten Jahr, weil Isotta ihnen keinen Zugang zu den Daten gewähren wollte, was ein wenig merkwürdig ist.
Technische Daten
3 Liter, V6 Turbo, Standard MGU
1048 kg
700 PS
915 MJ/Stint
+0,9 Power Gain
Das Team hat keine Chance. Dem Auto fehlen pro Runde in Le Mans rund 5 Sekunden, was eine Ewigkeit ist. Und damit ist man noch schlechter, als es der Glickenhaus jemals war. Man kann dem Team zugutehalten, dass man neu dabei ist und Zeit braucht, bis alles läuft. Der HWA-Motor ist neu, Duqueine hat erst im November übernommen und auch die Fahrer brauchen etwas Zeit. Aber grundsätzlich ist Isotta so eher auf dem Niveau von Vanwall/Kolles.
Fahrer:
#11 Carl Wattana Bennett, Jean-Karl Vernay, Antonio Serravalle
Zwei Nachwuchsfahrer mit Silber-Status und Vernay, der das Team anführen soll. Was soll man sagen, außer, dass zu hoffen ist, dass die beiden Neulinge in Le Mans keine Fehler im Verkehr machen.
Lamborghini
Nach viel Hin und Her hat man sich im VW-Konzern dazu entschieden, Lamborghini doch an die WEC-Front zu schicken. Das Budget ist allerdings nicht gerade üppig. Das Chassis kommt von Ligier, die jetzt nicht gerade im Ruf stehen, die allerschnellsten Prototoypen zu bauen. Schön ist der Lamborghini geworden, aber der Start des Teams in die WEC war dann eher holprig. Iron Lynx, die die Autos einsetzen, musste sich auch erstmal in der Prototypenklasse zurechtfinden. Dass die Italiener mit der Konkurrenz aus Maranello schon allein aus Budget-Gründen nicht mithalten können, ist verständlich. Die Sache in der WEC ist für Lamborghini daher auch mehr eine Werbeaktion.
Technische Daten:
3.8 Liter V8, Twin Turbo, Standard MGU
1039 kg
705 PS
904 MJ/Stint
-1,6 Power Gain
Der Lambo zeigte vom Start weg einen guten Topspeed, was zur Einstufung des Power Gain geführt hat. Er dürfte auf den langen Geraden aber weiterhin zu den schnelleren Autos gehören. Was auch zeigt, dass es dem Chassis an Downforce fehlt. Also wird das, was man auf den Geraden an Zeit gewinnt, im letzten Sektor wieder liegen lassen. Ich rechne nicht damit, dass die Lamborghini in den Top Ten auftauchen werden, schon gar nicht, wenn die Strecke nass sein sollte.
Fahrer:
#19 Romain Grosjean, Andrea Caldarelli, Matteo Cairoli
#63 Mirko Bortolotti, Daniil Kvyat, Edoardo Mortara
Fahrerisch ist man exzellent aufgestellt. Das gilt auch für den unter neutraler Flagge fahrenden Russen Kvyat. Dessen Fahrerprofil ähnelt dem von Grosjean – er ist in allen Auto schnell und macht auch wenig Fehler. Ich glaube ja weiterhin, dass Kvyat bei Red Bull etwas unter Wert geschlagen wurde. Klar, er ist kein Verstappen, aber schnell genug um zu beeindrucken. Der Rest der Mannschaft kommt mit viel Erfahrung in das Rennen.
Peugeot
Die Franzosen laborieren weiter an ihrem Chassis-Konzept rum. Die Idee, ohne Heckflügel zu fahren, hat man über den Winter ad acta gelegt. Das neue Auto, dass in Imola zuerst an den Start ging, ist aber auch nicht besser. Beim Auftaktrennen in Katar war das Auto noch in der alten Variante unterwegs und hätte fast gewonnen. Doch die Strecke in Katar kam dem Konzept des Autos auch sehr entgegen. Topfeben, keine Wellen, lang gezogene Kurven. Das mochte der Peugeot, aber Le Mans ist halt genau das Gegenteil. Das Problem des flügellosen Autos war, dass man den Abtrieb nur über den Unterboden erzeugt. Dafür muss das Auto so tief wie möglich liegen, was in Le Mans aufgrund der Straßenverhältnisse nicht geht. Daher also jetzt der Heckflügel und ein umgebautes Auto.
Doch Peugeot hat hier nur das halbe Auto umgebaut. Der Heckflügel wurde durch einen neuen Unterboden und Sidepods ergänzt, dass Grundchassis aber belassen. Das war dann im Winter mehr eine Notoperation am Auto, statt ein Neuaufbau. Dementsprechend limitiert ist man bei Peugeot und man macht auch keinen Hehl draus. Von den alten Zeiten, als man mit Audi um den Sieg fuhr, ist man noch weit entfernt.
Technische Daten
2.6 l V6 twin-turbo, E-Motor auf der Vorderachse
1047 kg
690 PS
895 MJ/Stint
-0,7 Power Gain
Man kann dem ACO, zumindest dieses Mal, nicht vorwerfen, dass man eine französische Marke bevorzugen würde. Beim Gewicht ist Luft nach unten, bei der Leistung Luft nach oben. Dass man neben Ferrari die wenigste Energie auf einen Stint verbraten darf, ist auch eher merkwürdig. Das Auto war in Imola und Spa langsam und hatte keine Chance, auch nur annähernd in Richtung Podium zu fahren. Das wird in Le Mans auch nicht anders sein. Mag sein, dass er in der Quali überraschen kann, aber im Rennen dürfte wenig nach vorn gehen.
Fahrer:
#93 Jean-Eric Vergne, Mikkel Jensen, Nico Müller
#94 Stoffel Vandoorne, Paul Di Resta, Loïc Duval
Fahrerisch gibt es keine Schwächen bei den Franzosen. Auch das Proton-Team hat eine sehr gute Mannschaft zusammenbekommen. Alle bringen Le Mans Erfahrung mit, alle haben ihren Speed unter Beweis gestellt. Das wird aber nur dann für die Top Ten reichen, wenn das Rennen ungewöhnlich läuft.
Porsche
Die Deutschen wollen es dieses Jahr wirklich wissen. Man hat das Gefühl, dass etwas anderes als ein Sieg gar nicht erst in Frage kommt und eine riesige Enttäuschung wäre. Im letzten Jahr war das Auto nicht ausgereift, zu langsam und zu fehleranfällig. In diesem Jahr sieht die Sache schon ganz anders aus. Die drei Werksautos waren von Anfang an schnell, sowohl in der IMSA als auch in der WEC. Man hat den 963 konsequent weiterentwickelt und verbessert. Ich habe den Ansatz von Porsche auch im letzten Jahr begrüßt. Sicher, Le Mans war eine Enttäuschung, weil man einsehen musste, dass man viel zu langsam war. Aber man hat daraus gelernt. Und genau das hätte BMW auch machen sollen. Denn am Ende geht aus Marketing Gründen nur um den Sieg in Le Mans. Und dafür muss man auch mal Niederlagen einstecken (siehe Toyota).
Technische Daten:
Porsche 9RD 4,5 l, V8 Twin Turbo, Standard MGU
1042 kg
694 PS
904 MJ/Stint
0,0 Power Gain
Die Einstufung der Porsche hat mich etwas überrascht, weil sie besser ist, als ich erwartet hatte. Das Auto ist zwar 5 Kilo schwerer als in Spa, hat aber auch mehr Leistung bekommen. Etwas niedriger ist der Energieverbrauch des Porsche im Vergleich zum Rennen in Spa. Aber im Vergleich zum letzten Jahr liegt man gleichauf. Was darauf hindeutet, dass die Porsche auch in diesem Jahr kein leichtes Rennen haben werden. Was für das Auto spricht ist, dass die Evo-Variante in diesem Jahr bei der Aerodynamik etwas besser aufgestellt ist und beim Top-Speed weniger Probleme haben sollte. Sechs Autos hat man Start, was auch schon sehr für die Porsche spricht.
Fahrer Werksteam
#4 Mathieu Jaminet, Felipe Nasr, Nick Tandy
#5 Matt Campbell, Michael Christensen, Frédéric Makowiecki
#6 Kévin Estre, André Lotterer, Laurens Vanthoor
Fahrer Jota
#12 William Stevens, Norman Nato, Callum Ilott
#38 Oliver Rasmussen, Philip Hanson, Jenson Button
Fahrer Proton
#99 Neel Jani, Harry Tincknell, Julien Andlauer
Toyota
Last, but not least – Toyota. Die Japaner kommen mit einer erneuten Evo-Variante des mittlerweile schon etwas betagtem GR010 nach Le Mans. Dass das Auto weiterhin gegen die Konkurrenz bestehen kann, spricht für das Chassis und das, was man noch rausholen kann. Die Frage ist, ob man beim Hypercar mittlerweile an die Grenzen dessen angelangt ist, was man noch verbessern kann. Das schnellste Auto hat man auf gar keinen Fall, aber weit weg ist man auch nicht. Die größte Stärke der Japaner ist deren Erfahrung. Kein Team ist so lange in Le Mans unterwegs, wie Toyota. Und das kann mehr ausmachen, als man vielleicht denkt. Denn auch wenn man vielleicht nicht das schnellste Auto hat, kann ein eingespieltes Team und viel Erfahrung bei der Strategie einiges wettmachen.
Technische Daten:
Toyota H8909 3.5 L, V6 Twin-turbo, Toyota Hybrid System auf der Vorderachse
1053 kg
690 PS
906 MJ/Stint
+0,9 Power Gain
Die Einstufung der Toyota in der BoP ist interessant. Man hat das mit Abstand schwerste Auto, aber auch die meiste Energie zur Verfügung. Das wird aber nicht reichen um eine Runde länger als die Konkurrenz zu fahren. Damit flirtete man im letzten Jahr zwar rum, aber da hatte man auch 910 MJ zur Verfügung. Das wird in diesem Jahr also nicht gehen. Interessant ist aber auch der Power Gain für die Toyota. Langsam waren die auf den Geraden ja nie und jetzt dürften sie beim Topspeed relativ weit vorne liegen. Das zeigte sich auch bei den Topspeed Messungen am Testtag, wo sie 2 km/h schneller als die Porsche waren. Das reicht natürlich nicht um einen Unterschied im Rennen zu machen, hilft aber beim Überholmanöver, wenn man Windschatten hängt.
Fahrer:
#7 Jose Maria Lopez, Kamui Kobayashi, Nyck de Vries
#8 Sébastien Buemi, Brendon Hartley, Ryo Hirakawa
Eigentlich sollte Mike Conway in der #7 sitzen, doch verletzte sich letzte Woche beim Fahrradfahren. Daher hat man den geschassten Lopez wieder ins Team geholt. Auch wenn Lopez nicht der beste Fahrer bei Toyota ist, er kennt das Team und kann sich schnell einfügen. Das wäre mit anderen Piloten nicht gegeben gewesen. Die Aufmerksamkeit dürfte daher eher bei der #8 liegen.
Bilder: WEC/ACO
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