Die BTCC-Rennen in Oulton Park waren die wohl bislang sehenswertesten Rennen der diesjährigen Saison. Dabei spielte auch das neue Reifenreglement eine entscheidende Rolle. Siege von Tom Ingram und Jake Hill während Ash Sutton zwei Mal punktlos ausging machen die Meisterschaft zur Saisonhalbzweit spannend.
Um die Rennverläufe der BTCC-Rennen aus Oulton Park nachvollziehen zu können, müssen wir mit einem kleinen Exkurs ins Reifenreglement starten. Nachdem bei den vorherigen Läufen in Thruxton ausschließlich die härteste Reifenmischung zur Verfügung stand und bei den Rennen in Snetterton alle drei Mischungen, galt für Oulton Park nun wieder die übliche Regelung aus einem Standard-Reifen und einem Optionsreifen. Der Standard-Reifen musste in zwei der drei Läufe aufgezogen werden, der Optionsreifen dementsprechend in einem. Wann welcher Reifen zum Einsatz kommt, ist den Fahrern dabei mit einer Ausnahme, die gleich noch erläutert wird, selbst überlassen.
In Oulton Park brachten nun zwei Komponenten extra Würze in dieses soweit normale Prozedere: 1. Der Optionsreifen war nicht, wie sonst meist üblich, die gegenüber dem Standard-Reifen weichere Mischung, sondern mit dem Hard-Compound die härteste und damit grip-ärmste Reifenvariante. 2. Als Standardreifen kam nicht die nächstweichere Mischung, also der Medium-Reifen, zum Einsatz, sondern der Soft-Reifen. Der Standard-Reifen war also nicht nur schneller als der Optionsreifen, sondern der Performance-Gap war durch das Auslassen des Medium-Reifens zusätzlich enorm.
Als Bonus kam noch die seit dieser Saison neue Regel hinzu, dass alle, die den ersten Lauf in den Top Ten beenden sollten, für den zweiten Lauf gezwungen sind, den härtesten zur Verfügung stehenden Reifen auszuwählen. Mit der Ausgangslage, dass der Optionsreifen deutlich langsamer, als der softe Standard-Reifen war, war es dann aber kaum verwunderlich, dass in den vorderen Reihen der Startaufstellung des ersten Laufs zunächst geschlossen auf den Soft-Reifen gesetzt wurde – Trackposition gibt man nicht einfach so her.
Die Pole Position hatte sich zum zweiten Mal in Folge Tom Ingram gesichert, der diese dann auch – anders als noch in Thruxton – knapp in eine Führung vor Ash Sutton umwandeln konnte. Sutton setzte den Hyundai-Piloten in den ersten Runden aber stark unter Druck und probierte es in der vierten Runde mit einem Ausbremsmanöver in der Island Hairpin, welches Ingram gerade so verteidigen konnte.
Seite an Seite preschten Hyundai und Ford anschließend über die Kuppe zur Schikane vor Knickerbrook, an deren Einlenkpunkt beide dann leicht kollidierten und Ingram – in einem Déjà-vu-Manöver zu Thruxton – die Schikane abkürzte. Es war aber deutlich, dass Ingram die Nase leicht vorne hatte und das Abkürzen mehr oder weniger unausweichlich war und dieses Mal folgte also keine nachträgliche Strafe für den Champion des Jahres 2022.
Nachdem sich die Situation auf den vorderen Plätzen in der zweiten Rennhälfte etwas entspannte und Sutton den Druck rausnahm, konnte Ingram seinen dritten Saisonsieg einfahren. Ash Sutton und Teamkollege Dan Cammish komplettierten dahinter das Podium. Auf Platz vier hatte mit Dan Rowbottom ursprünglich ein weiterer NAPA-Ford die Zielflagge gesehen. Der Teamkollege von Sutton und Cammish hatte jedoch zwei Runden vor Schluss wegen einer abstehenden Hinterradabdeckung, verursacht durch eine Attacke von Adam Morgan, die Spiegelei-Flagge gezeigt bekommen und wurde, da er diese missachtete und nicht die Box ansteuerte, nach dem Rennen mit einer Zeitstrafe belegt, die ihn nach einem bis dato sehr guten Rennen auf den 15. Platz zurückwarf. Kleiner Spoiler: Das Thema abstehende Radabdeckung an einem Ford wird dann gleich im zweiten Lauf noch mal eine große Rolle spielen.
Platz vier erbte somit Adam Morgan, der die Zielflagge als bester BMW knapp vor Markenkollege Jake Hill sah. Hill, vor Oulton Park engster Verfolger vom in der Meisterschaft führenden Ash Sutton, hatte Morgan und Rowbottom zuvor beim Start überholen können und sich dann im Rennverlauf auch den zwischenzeitlich auf Platz vier liegenden Tom Chilton geschnappt – ein Verbremser in der neunten Runde in der Island Hairpin führte dann aber dazu, dass er wieder zwei Plätze an Morgan und den später bestraften Rowbottom verlor.
Der im letzten Renndrittel von Morgan und Hill geschlagene Tom Chilton wurde am Ende siebter vor Vauxhall-Pilot Árón Taylor-Smith und dem Toyota- Trio von Josh Cook, Aiden Moffat und Rob Huff. Die vier hatten sich im Gegensatz zu den vor ihnen platzierten für den harten Optionsreifen entschieden und waren somit quasi ein zweites Rennen im Rennen gefahren, dass Taylor-Smith knapp für sich entscheiden konnte.
Für den zweiten Lauf rückten die vier von den Plätzen sieben bis zehn startenden Taylor-Smith, Cook, Moffat und Huff natürlich nun automatisch in die Favoritenrolle. Den harten Reifen hatten sie bereits gefahren und somit griff für sie die Regel, dass alle in den Top Ten den zweiten Lauf auf der härtesten zur Verfügung stehenden Reifenmischung fahren müssen, nicht, während alle vor ihnen platzierten nun auf den harten Optionsreifen gezwungen wurden.
Beim Start nutzte jedoch zunächst nur Josh Cook diese gute Ausgangslage. Der Toyota-Pilot katapulteierte sich zunächst auf Platz vier, nutzte dann am Ausgang der langsamen Hairpin seinen Traktionsvorteil, um sich bis auf den zweiten Platz hinter dem führenden Ingram zu setzen und überholte den Hyundai-Piloten schließlich noch vor Ablauf der ersten Runde in Lodge Corner. Mit den idealen Reifen an seinem Toyota, während die unmittelbaren Kontrahenten im Vergleich dazu die ersten Runden wie auf Eis fuhren, checkte Cook anschließend an der Spitze aus und setzte sich mehrere Sekunden ab.
Für die anderen zuvor genannten vermeintlichen Favoriten mit Soft-Reifen in den Top Ten begann das Rennen dagegen holprig: Árón Taylor-Smith kollidierte in der ersten Kurve mit Adam Morgan, was den BMW einmal um seine eigene Achse kreiseln ließ und auch Tom Chilton und Rob Huff behinderte. Als zweitbester Soft-Fahrer konnte sich somit zunächst Aiden Moffat auf Platz sechs behaupten, aber Cooks Toyota-Teamkollege fiel dann jedoch früh mit technischem Defekt aus.
Während Cook an der Spitze seine Runden drehte, entbrannte dahinter ein Kampf um Platz zwei zwischen den hart bereiften Tom Ingram und Ash Sutton, bei dem beide zeitweise Seite an Seite durch Cascades und die kurze Gegengerade in Richtung Hairpin fuhren. Für Sutton drohte einige Runden später jedoch Ungemach, als analog zu seinem Teamkollegen Rowbottom im ersten Lauf seine rechte hintere Radaufhängung plötzlich lose im Wind flatterte. Die Rennleitung, die bereits zu Saisonbeginn klar gemach hatte, bei losen Bodyparts hart durchzugreifen, zückte logischerweise direkt die Spiegelei-Flagge, um Sutton an die Box zu beordern.
Anstatt dieser Anweisung direkt folge zu leisten, unternahm die NAPA Racing-Truppe aber zunächst einen abenteuerlichen „Reparatur“-Versuch auf der Strecke: Teamkollege Cammish setzte sich bei der Anfahrt zu Lodge Corner neben Sutton und versuchte das lose Teil abzufahren. Der Versuch misslang jedoch und erlaubte zu allem Überfluss dem dicht dahinter fahrenden Jake Hill sich ebenfalls neben Sutton zu setzen. Der amtierende Champion steuerte schließlich die Box an, wo die Radabdeckung unter Einsatz roher Gewalt entfernt und der blaue Ford Focus wieder auf die Strecke geschickt wurde. Letzten Endes sollte Sutton die Zielflagge dann aber abgeschlagen auf dem 16. Platz und damit außerhalb der Punkte sehen.
Am Ende siegte Josh Cook überlegen vor Tom Ingram. Für den Toyota-Piloten bedeute dies der erste Sieg seit Thruxton 2022. Den dritten Platz auf dem Podium sicherte sich in der allerletzten Runde Jake Hill, nachdem er Dan Cammish zwischen Hairpin und Schikane überholen konnte. Ingram, Hill und Cammish betrieben auf den harten Reifen erfolgreich Schadensbegrenzung. Cook war zwar unschlagbar, aber die Armada der Soft-bereiften Kontrahenten die in Gestalt von Árón Taylor-Smith, Mikey Doble, Colin Turkington, Chris Smiley, Dan Rowbottom und Daryl DeLeon die Plätze fünf bis zehn belegten, konnten sie erfolgreich hinter sich halten.
Vor dem dritten Lauf hatten dann fast alle Fahrer ihre Pflicht, den harten Optionsreifen zu fahren erfüllt und konnten das letzte Rennen des Tages geschlossen auf den Softs in Angriff nehmen. Einzige Ausnahme bildete Colin Turkington, der ohnehin der Pechvogel des Tages war. Für den ersten Lauf hatte sich der BMW-Pilot mit Startplatz neun als Ausgangsbasis für den Soft-Reifen entschieden. Ein Kupplungsproblem führte aber dazu, dass er beim Start stehen blieb und der Reifenvorteil damit dahin war.
Um im zweiten Lauf vom letzten Startplatz aus Positionen gut machen zu können, entschied sich der vierfache BTCC-Chmpion dann erneut für die weichen Reifen, was ihm dann auch immerhin den siebten Platz einbrachte, aber gleichzeitig dazu führte, dass er im dritten Lauf der einzig Hard-bereifte Fahrer in einem Feld von Soft-bereiften Autos war. Zwar hielt Turkington in den ersten Runden so gut es ging mit, drehte sich dann aber in der dritten Runde und fiel ans Ende des Feldes zurück.
Die eigentliche Story des dritten Laufs spielte sich aber ohnehin an der Spitze ab. Die beiden Vauxhalls von Mikey Doble und Árón Taylor-Smith bildeten die erste Startreihe und konnten beim Start ihre Doppelführung überraschenderweise gegen den aus Reihe zwei startenden Jake Hill behaupten. In der Folge schaffte es Taylor-Smith, Hill und die weiteren Konkurrenten etwas aufzuhalten, um Doble an der Spitze Luft zu verschaffen und irgendwie das Wunder zu ermöglichen, dem ältesten Auto im BTCC-Feld einen Sensationssieg zu verschaffen.
Hill folgte Taylor-Smith an dessen Stoßstange hängend, fand aber zunächst keinen Weg vorbei. Zur Rennhalbzeit geriet Hill dann seinerseits unter Druck, als Tom Ingram nach einem erfolgreichen Manöver gegen Dan Cammish diesen in der Rolle als engster Verfolger von Hill ablöste. In der zehnten Runde gelang es Hill aber schließlich ausgangs der Island Hairpin die Nase vor Taylor-Smith zu haben und sich mit Hybrid-Power vorbeizuboosten. Der zwischenzeitlich entstandene Vorsprung von Doble, der mit seinen Reifen kämpfte, war gleichzeitig wieder zusammengeschmolzen und binnen einer halben Runde lag Hill an der Stoßstange des führenden Vauxhall.
Die letzten Runden gestalteten sich dann äußerst spannend und man drückte unweigerlich dem Underdog Doble die Daumen, der seinem ersten BTCC-Sieg zum Greifen nah war. Hill, nach seiner Attacke gegen Taylor-Smith ohne weitere Hybrid-Power unterwegs, suchte fortlaufend nach einer Möglichkeit für eine Attacke, während Doble versuchte, sein Auto so breit zu machen, wie nur möglich und sich mit seiner letzten zur Verfügung stehenden Hybrid-Power immer wieder aus brenzligen Situationen retten konnte.
Zwei Runden vor Schluss hatte dann aber auch Doble seine elektrische Zusatzleistung aufgebracht und ausgerechnet in der allerletzten Runde konnte er dem übermächtig erscheinenden BMW in seinem Rückspiegel nichts mehr entgegen setzen und musste sich Hill in der Schikane geschlagen geben. Hill siegte also nach einem Last Minute-Manöver vor dem nach diesem Rennen dennoch überglücklichem Mikey Doble. Dahinter gelang es Teamkollege Taylor-Smith den dritten Platz gegen Tom Ingram zu verteidigen, womit beide Vauxhall-Piloten auf dem Podium standen und sich zugleich einen Doppelsieg in der Independent-Wertung holen konnten.
Hinter Ingram komplettierten Dan Cammish, Dan Rowbottom, Adam Morgan, Josh Cook, Chris Smiley und Aiden Moffat die Top Ten. Mitten in den Top Ten hatte nach seinem Start von weiter hinten auch Ash Sutton gelegen, als das Pech erneut zuschlug und ihm in der elften Runde der rechte Vorderreifen platzte. Der amtierende Champion musste erneut die Box ansteuern und wurde am Ende abgeschlagener Letzter.
Zwei Nullnummern in Folge für Sutton haben natürlich Auswirkungen auf den Meisterschaftsstand. Dank seines Sieges im dritten Lauf ist nun Jake Hill Tabellenführer mit vier Punkten Vorsprung vor Tom Ingram. Suttons Fünf-Punkte-Vorsprung hat sich dagegen in einen 24-Punkte-Rückstand verwandelt. Auf Meisterschaftsplatz vier folgt nach drei weiteren starken Punkteresultaten Dan Cammish (-42 Punkte) vor Josh Cook (-58) und Colin Turkington (-65). Auf dem geteilten siebten Platz liegt punktgleich mit Adam Morgan sensationell Árón Taylor-Smith, der im PMR-Vauxhall konstant Punkte eingesammelt hat und zugleich unangefochten die Indenpendent-Meisterschaftswertung anführt.
Die Ergebnisse der drei Läufe aus Oulton Park sowie der komplette Meisterschaftsstand können hier im Detail studiert werden.
Die BTCC macht nun erst einmal Sommerpause, bevor es am letzten Juli-Wochenende mit den Rennen in Croft weitergeht. Auf dem ehemals als BMW-Strecke geltenden Kurs in Yorkshire waren im vergangenen Jahr die NAPA Racing Fords mit Siegen von Cammish und Sutton unschlagbar, bevor im dritten Lauf Colin Turkington mit etwas Glück die BMW-Ehre rettete.
Bilder: btcc.net