Ein harter Kampf an der Spitze, Verstappen holt die 2018er-Version seines Fahrstils raus, eine Kollision und Mercedes profitiert.
Es war 51 Runden lang ein Rennen zum Einschlafen, doch dann wurde es an der Spitze richtig wild. Und das kam mit Ansage. Denn der Kampf zwischen Lando Norris und dem im Rennen vorn liegenden Max Verstappen wurde von Runde zu Runde härter. Dass Norris überhaupt so knapp hinter dem am Wochenende bis zu diesem Moment überlegenen Red Bull lag, hatte sich Red Bull selbst zuzuschreiben. Denn der letzte Boxenstopp ging in die Hose und die knapp sieben Sekunden Vorsprung des Weltmeisters waren dahin.
Das gesamte Wochenende zeigte, dass sich in der Hackordnung in der F1 etwas bewegt. Ferrari hat im Moment Probleme, Mercedes stark aufgeholt und McLaren ist, zumindest im Rennen, mit den Red Bull gleichauf. Die Abstände auf der kurzen Strecke des Red Bull Rings waren extrem eng. Bis Verstappen in der Quali seine schnellste Runde hinlegte und Norris um 4 Zehntel distanzierte. Das war schon ein ziemlicher Hammer. Aber dafür lagen die drei anderen Team extrem eng beieinander. Wie schon in Spanien tut sich wenig zwischen den Verfolgern des Red Bull Teams.
Das Sprintrennen am Samstag konnte Verstappen gewinnen, leicht war der Sieg aber nicht. Norris machte Druck und passierte den Niederländer auch einmal, der aber sofort zurückschlagen konnte. Danach setzte sich Verstappen dann auch leicht ab. Aber es zeigte, dass das Rennen am Sonntag spannend werden könnte.
Doch bis zur Runde 50 tat sich eigentlich überhaupt nichts. Verstappen führte mit rund sieben Sekunden vor Norris, der weit vor Russell lag. Der Brite konnte das Tempo von Norris vorne auch nicht halten, aber der Mercedes verlor dieses Mal nicht ganz so viel Zeit über die Distanz, wie das noch vor einigen Rennen der Fall war. Mercedes hat definitiv einen Schritt, einen großen Schritt nach vorn gemacht. Der Abstand dürfte im Rennen bei rund drei Zehntel pro Runde liegen, was überschaubar scheint.
Auch Hamilton lag zunächst gut im Rennen. Tatsächlich hätte er das Rennen durchaus gewinnen können. Vor allem in den ersten Runden hatte er ein gutes Tempo. Doch bei Start hatte er in der ersten Kurve Carlos Sainz außerhalb der Streckenbegrenzung überholt. Für mich war es aber nicht ganz so klar, ob Sainz ihm da nicht genug Platz gelassen hatte. Eine Wagenbreite war das sicherlich nicht. Aber die Rennleitung signalisierte der Mercedes-Teams wohl, dass man das anders sieht und man wies Hamilton an, den Ferrari wieder vorbeizulassen.
Das zerstörte das Rennen des Briten nachhaltig, weil er am Ferrari nicht vorbeikam, da der genug Topspeed auf der Geraden hatte. Allerdings hatte Hamilton auch im Verlauf des Rennens wenig Gelegenheiten vorbeizukommen, nachdem er sich auch noch eine 5-Sekunden-Strafe eingefangen hatte. Ein nerviger Tag für Hamilton, da war auf jeden Fall mehr drin.
Das galt aber auch für Oscar Piastri, der das Rennen ebenfalls hätte gewinnen können – wenn das nicht eine leicht umstrittene Entscheidung der Rennleitung am Samstag gewesen wäre. Die strichen seine schnellste Zeit aus Q3 wegen Track Limits. Als McLaren mehr Beweise als eine nicht klare Onboard sehen wollte, wurde dies abgewiesen. Etwas merkwürdig. Piastri verlor so P3 und musste von P7 starten.
Aber von Anfang an war klar, dass sich das Rennen zwischen Verstappen und Norris entscheiden würde. Beide sind in Top-Form und die Zweikämpfe dieses Jahr zeigten schon öfter, dass es auf der Strecke zwischen beiden immer enger wird. Doch in den ersten 50 Runden hatte der Weltmeister Norris relativ gut im Griff. Sieben Sekunden betrug sein Vorsprung vor dem letzten Stopp in Runde 51, bei dem beide die Medium aufzogen. Eine klemmende Radmutter bei Verstappen reduzierte den Rückstand dann auf unter zwei Sekunden und Norris hing schnell im DRS-Fenster.
Verstappen verteidigte sich klug wie immer und setzte das Auto meist in die Mitte der Straße. Ganz klar war es aber nicht, was da in den letzten Runden passierte. „Moving under breaking“, rief Norris mehrfach und tatsächlich zeigen die Onboards, wie Verstappen kurz nach dem Beginn der Bremszone noch mal leicht nach rechts zieht. Jedenfalls fand Norris keinen Weg an Verstappen vorbei. Der wiederum hatte in dem Moment offenbar auch das langsamere Auto, obwohl die Reifen beider Fahrer gleich alt waren.
Es kam dann, was sich seit einigen Rennen angedeutet hat. Norris wollte vor T3 sich neben Verstappen setzen. Er hatte Verstappen auf die schlechtere Innenlinie gezwungen. Dieser hätte dann einen weiteren Bogen aus der Kurve machen müssen, was Norris die Chance gegeben hätte, sich innen auf dem Weg zu T4 danebenzusetzen.
Aber dann gab es dann auch halt doch wieder einen typischen Verstappen. Der Weltmeister bewegte seinen Red Bull leicht nach außen und ließ Norris keinen Platz. Die Folge war, dass die Autos sich berührten und beide mit einem platten Reifen belohnt wurden. Egal, wie oft man sich die Zeitlupe anschaut, das war ein Fehler von Verstappen, der versuchte Norris weiter nach außen zu drängen, damit der sich nicht innen daneben setzen kann. Aber das war auch gegen die Regeln.
Wir kennen solche Manöver von Verstappen und es ist auch nicht das erste Mal, dass er so was macht. Es gibt unzählige Beispiele zwischen ihm und anderen Fahrern, vor allem mit Hamilton und Vettel. Eigentlich dachte man, dass er diese Fahrweisen abgelegt hat, aber dem ist wohl nicht der Fall. Ist diese „mit jedem Mittel“ Attitüde, die ihn leider auch angreifbar macht. Verstappen ist eines der größten Talente in der Geschichte der Formel Eins und ein dreifacher Weltmeister sollte so was nicht nötig haben.
Aber Verstappen kann nicht anders. Sein egomanischer Zug, dass niemand besser ist als er selbst, führt dann in manchen Situationen immer wieder zu unfairen Aktionen des Weltmeisters. Er will den Sieg um jeden Preis und führt dann später an, dass man eben hart fahren müsse, wenn man um den Sieg kämpft. Der Zweck heiligt die Mittel – dieses Credo begleitet ihn seitdem er in der F1 aufgetaucht ist und besonders lernfähig scheint er auch nicht zu sein.
Man versteht jetzt auch noch besser, warum Red Bull sich dazu entschlossen hat, Perez im Team zu halten. Der charakterlich eher ausgeglichene Mexikaner passt vor allem deswegen so gut, weil er sich in der Situation eingefunden hat. Jeder andere Fahrer würde Unruhe ins Team bringen. Wenn man hört, wie Verstappen sein Team nach dem Rennen kritisiert hat, kann sich vorstellen, wie es intern oft zugehen wird. Perez, der am Wochenende wieder weit hinter dem Weltmeister lag, scheint das weniger auszumachen.
Mercedes staubte dann am Ende den Sieg ab. Russell, der bis zur Kollision an der Spitze ein einsames Rennen auf P3 gefahren hatte, konnte leicht den Sieg einfahren, auch wenn Piastri am Ende noch mal näher rückte. Ebenfalls happy war Carlos Sainz mit seinem dritten Platz. Der Spanier hatte auch ein eher langweiliges Rennen. Russell und Piastri waren zu schnell für den Ferrari, Hamilton hinter ihm keine Gefahr.
Das war aber auch die einzige gute Nachricht für Ferrari. Das Wochenende war erneut eine Enttäuschung. Der Ferrari war in allen Belangen einfach zu langsam. Sowohl auf einer schnellen Runde als auch innerhalb eines Stints. Es scheint so, als habe man einen Schritt zurück gemacht, allerdings würde ich da noch mal das Rennen in Silverstone abwarten.
Bei Charles Leclerc lief am Wochenende auch wenig zusammen. Er musste hinter Sainz starten und fuhr sich im Getümmel des Mittelfeldes schon in der ersten Runde den Frontflügel ab. Man verlegte Leclerc auf eine Drei-Stopp-Strategie, um eventuell mit den Undercuts durchs Hinterfeld zu kommen. Aber das ging schon deswegen nicht auf, weil die Autos dort auch nicht viel langsamer waren, als der Ferrari. Mehr als P12 war am Ende nicht drin, was die Probleme der Ferrari auch zeigt. Wenn man auf einer Strecke mit drei DRS-Zonen mit einem Ferrari nicht überholen kann, dann stimmt etwas nicht.
Die große Überraschung auf P6 war Nico Hülkenberg, der in den letzten Runden sogar noch Perez abfangen konnte. Der Red Bull Pilot war allerdings mit einem waidwunden Auto unterwegs und konnte sich nicht wehren. Was die exzellente Leistung von Hülkenberg, Magnussen (P8) und dem gesamten Haas Team nicht schmälern soll. Man muss es auch erst einmal schaffen, dass man in Österreich aus „best of rest“ ins Ziel kommt.
Interessant war dabei die Strategie der Haas. Das Boxenstoppfenster lag zwischen Runde 16 und 24. Haas entschloss sich aber beide Fahrer schon in Runde 10 und 11 auf frische Hard zu setzen. Der Vorteil darin lag im Undercut, der es vor allem Magnussen erlaubte, sich aus dem engen Mittelfeld etwas zu lösen. Beide Piloten nutzten den Umstand, dass sie das Beste aus der freien Strecke vor ihnen aus den Reifen rausholen konnten.
Das bedeutete aber auch, dass man wieder früher an die Box kommen musste. Haas musste den letzten Stopp wieder etwas vorverlegen, weil man auf den alterten Hard etwas Zeit verlor. In Runde 40 und 41 kamen beide rein und damit rund sieben Runden vor dem Rest des Felds. Doch auch hier brachte der Undercut wieder das gewünschte Ergebnis. Mit dem leichter werdenden Fahrzeug hatten die Haas dann auch kein Problem mehr, die letzten 30 Runden zu absolvieren. Ein Meisterstück in Sachen Strategie.
P9 ging an Daniel Ricciardo, der ein gutes Rennen fuhr. Aber dennoch mehren sich die Zeichen, dass er eventuell noch in diesem Jahr durch Liam Lawson ersetzt wird. Man muss da ehrlich sein – Ricciardo hat seine beste Zeit hinter sich. Er schafft es nur selten Tsunoda hinter sich zu halten und er schafft es nie, wenn der Japaner mal eines seiner guten Wochenenden hat. Der Australier ist nicht dominant noch überzeugt er regelmäßig mit außergewöhnlichen Fahrten. Ich glaube auch kaum, dass er in der F1 noch mal ein anderes Team findet. Seine einzige minimale Chance liegt vielleicht bei Alpine, wenn da keiner hin will.
Doch die Franzosen befinden sich durchaus in einem Aufwärtstrend. Gasly konnte am Wochenende erneut Punkte holen und das auch relativ sicher. Der Franzose hatte sich vor dem Wochenende vertraglich erneut an Alpine gebunden, was auch damit zusammenhängt, dass sich andere Optionen nicht eröffnet haben. Seine einzige realistische Chance war wohl Sauber/Audi, aber die scheinen sich eher für Ocon zu interessieren. Was ich nicht so recht nachvollziehen kann. Gasly ist nicht langsamer und der bei Weitem bessere Teamplayer.
Aber die Alpine scheinen wieder in der Lage zu sein, um die letzten Punkte kämpfen zu können. Vom langsamsten Team im März zum Mittelfeld. Ein durchaus beeindruckende Leistung und das trotz (oder vielleicht auch wegen) der ganzen Entlassungen. Ob Briatore jetzt hier den großen Unterschied machen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Aston Martin hingegen rutscht immer weiter ab. Das Rennen in Spanien war schon schlecht, aber in Österreich lief es wirklich miserabel. P13 für Stroll, P18 für Alonso, dem man seinen Frust mittlerweile sehr deutlich anmerkt. Dass man nun hinter Alpine gefallen ist, sagt eigentlich alles.
Ich halte die Tage von Mick Krack im Team für gezählt. Es liegt auch in seiner Verantwortung, dass die Weiterentwicklung des Autos so schlecht ist. Das war im letzten Jahr der Fall, das ist in diesem Jahr der Fall. Beide Frühsommer-Updates haben das Team zurückgeworfen und wie im letzten Jahr ist Aston Martin nicht in der Lage, den Rückschritt aufzufangen. Was dafür spricht, dass man ein fundamentales Problem mit den Daten hat (Erstellung, Interpretation).
Aston Martin gehört nicht ans Ende des Felds, wenn man sich die Möglichkeiten anschaut, die das Team hat. Der neue Windtunnel mag bisher nicht einsatzbereit sein und das Team mag auch unter dem Umzug in das neue Gebäude leiden, aber das kann alles nicht die schlechte Weiterentwicklung entschuldigen. Es muss etwas passieren im Team.
Auf dem Fahrermarkt bewegt sich im Moment nichts, weil Carlos Sainz ein wenig der Korken in der Flasche ist. Im Grunde hat der Spanier aber nur drei Optionen: Williams, Sauber, Alpine. Geld wird es bei Sauber sicher am meisten geben, aber wie gut wird das Team 2026 sein? Williams sieht nach einer denkbaren Alternative aus, vor allem weil James Vowles einen Langzeitplan vorweisen kann, aber im Moment bewegt sich da auch wenig. Alpine lockt mit vielen Freiheiten, aber da ist extrem unsicher, ob die ab 2026 noch mit einem eigenen Motor unterwegs sind. Und Sainz weiß auch, dass es extrem schwer sein wird ohne eigenen Motor Weltmeister zu werden.
Am Ende könnte es so aussehen
Sainz -> Audi
Bottas -> Williams
Doohan/Schumacher -> Alpine
Ocon -> Haas oder raus
Nächste Woche geht es schon wieder weiter: Silverstone. Ich bin sehr gespannt, wie die Top 4 vorn mit der sehr schnellen Strecke zurechtkommen werden. Und wer hier für eine Überraschung sorgen kann.
Bilder: Pirelli Media