Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Großbritannien 2024 – Glanzstück vom Hamilton

Formel Eins: Analyse GP von Großbritannien 2024 – Glanzstück vom Hamilton

von DonDahlmann
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Fast drei Jahre nach seinem letzten Sieg stand Lewis Hamilton bei seinem Heimrennen wieder ganz oben auf dem Siegerpodest. Es war ein brillantes Rennen des Briten.

Selten hat man den siebenfachen Weltmeister Lewis Hamilton so emotional gesehen wie nach dem gestrigen Rennen in Silverstone. Es flossen Tränen, es wurde monumentale Vergleiche geschlossen und das Publikum feierte an der Strecke, als wäre England gerade Europameister geworden. Das war angesichts eines spannenden Rennens auch durchaus gerechtfertigt. Mercedes hatte den Sieg nicht wie in der letzten Woche geerbt, sondern auf der Strecke erkämpft. Dabei hatte man nicht mal das schnellste Auto in Silverstone. Aber ein wenig Glück und viel Können haben den Deutschen einen erstaunlichen Sieg beschert.

Los ging es schon am Samstag. In schwierigen Bedingungen verlor Max Verstappen seinen Red Bull und rodelte durchs Kiesbett. Dabei beschädigte er sich den Unterboden, was ihn einiges an Abtrieb kostete. Damit war der Niederländer aus dem Kampf um die Pole raus und es blieben Mercedes und McLaren übrig. Die wiederum lagen so eng zusammen, dass es schwer war, einen Favoriten auszumachen. Doch am Ende setzten sich beide Mercedes durch die ihre erste Doppel-Pole seit 2021 einfahren konnten. Russell war dabei der etwas schnellere Mann am Steuer, allerdings deutete sich hier auch schon an, dass die beiden Mercedes-Piloten etwas unterschiedliche Setups nutzten. Hamilton hatte sich für etwas mehr Flügel entschieden, was am Sonntag entscheidend sein sollte.

Die interessante Frage war aber: Warum war Mercedes überhaupt so schnell? Auf vergleichbaren Strecken sah das Auto in den letzten Monaten ja nicht wirklich so gut aus. Der Verdacht liegt nahe, dass hinter der Rückkehr von Mercedes zu alter Form mehr steckt als nur ein neuer Frontflügel. Es geht um das sogenannte „dritte Element“ der Aufhängung, das hauptsächlich für die Stabilisierung der aerodynamischen Plattform unter Last verantwortlich ist und unter anderem verhindert, dass die gesamte Plattform stabiler ist.

Bereits am vergangenen Wochenende war zu beobachten, dass der W15-Unterboden sich kaum bewegt und es keinen Bounce-Effekt mehr gibt. Der war auch in diesem Jahr oft noch am Auto zu sehen. Die neue Version dieses Aufhängungselements ist so groß, dass es nicht in die ursprünglich vorgesehene Aussparung passt, sodass eine ausladende Abdeckplatte (rot markiert) verwendet werden musste. Mercedes hat einen Trick gefunden, wie man das Chassis besser stabilisiert, sodass man konstantere Abtriebswerte generieren kann. Die stabilere Plattform hat auch den Vorteil, dass sich das Reifenmanagement verbessert, was in der Schlussphase des Rennens entscheidend sein sollte.

Den Start gewann allerdings George Russell, doch dessen Führung war nur von kurzer Dauer. Als die ersten Regentropfen fielen, hatte Hamilton das bessere Setup gewählt und passierte seinen Teamkollegen mit Leichtigkeit. Doch auch seine Führung dauerte nur ein Runde, dann flogen beide McLaren vorbei. Die hatten ganz offensichtlich auf eine weichere Regenabstimmung gesetzt und waren damit deutlich im Vorteil. Von Verstappen war in diesem Moment weit und breit nichts zu sehen.

Die McLaren hielten also die Trümpfe in der Hand und behaupteten die Führung auch, als der Regen stärker wurde. Das war in Runde 20 der Fall, aber nicht gesamte Strecke war zu diesem Zeitpunkt von Nässe betroffen. Das wurde Charles Leclerc und Sergio Perez zum Verhängnis. Beide hatten nicht gerade ihr bestes Wochenende und lagen weit hinten im Feld. Sowohl Ferrari also auch Red Bull versuchten es mit einem frühen Wechsel auf die Intermediates, doch das sollte sich als großer Fehler erweisen. Leclerc kam in Runde 20, aber der große Regen ließ noch auf sich warten. 5 Runden später wurde er sogar überrundet.

Die richtige Entscheidung war, draußen zu bleiben, zumindest bis Runde 26. Zu diesem Zeitpunkt konnte man sehen, dass die Frühstopper in den Sektoren bessere Zeiten hinlegten und ersten Fahrzeuge aus den Top Ten kam an die Box, um Intermediates zu holen. Verstappen, Sainz, Hülkenberg und Stroll kamen in Runde 26. Das sorgte für Bewegung an der Spitze. Mercedes entschied sich für einen Doppel-Stopp. Das kostete Russell rund 5 Sekunden, aber dessen Rennen war kurz danach eh beendet, weil sich der Wasserdruck im Motor verabschiedet hatte.

Bis zu diesem Zeitpunkt, also ungefähr zur Hälfte des Rennens, hatte McLaren alles so weit im Griff. Doch dann erlaubte man sich den ersten schweren Fehler. Statt beide Autos gleichzeitig an die Box zu holen, entschied sich dafür nur den führenden Norris mit Intermediates auszustatten. Piastri musste noch eine weitere Runde fahren, was ihn knapp 20 Sekunden kostete. Eine unverständliche Entscheidung, denn die McLaren hatten genug Vorsprung, sodass Piastri sich kurz vor der Box die 5 Sekunden hätte zurückfallen lassen können, die für einen Doppels-Stopp benötigt hätte.

Das war die erste Fehlentscheidung, die McLaren den Sieg kostetet. Denn das Traditionsteam hatte auch auf nasser Strecke das beste Auto im Feld. Die Reihenfolge nach den Stopps sah dann so aus:

NOR, HAM, VER, RUS, SAI, PIA, HUL, STR, ALO, TSU

Norris hatte das Rennen zu diesem Zeitpunkt zwar nicht sicher im Griff, fand im Regen aber einen guten Rhythmus und konnte so Hamilton drei Sekunden auf Abstand halten. Viel war das nicht, wie sich dann wenige Runde später herausstellen sollte. Ab Runde 35 trocknete die Strecke dann schnell wieder ab. In dieser schwierigen Phase konnte Hamilton den Rückstand etwas verringern und unter zwei Sekunden drücken. Das sollte beim folgenden Stopp entscheidend sein.

Denn ab Runde 38 war die Strecke so trocken, dass die Intermediates zu langsam waren. Hamilton und Verstappen kamen gleichzeitig an die Box, Piastri folgte etwas später. Aber Norris kam erst eine Runde später. Tatsächlich war die Entscheidung eine Runde später zu kommen gar nicht so falsch. Im ersten Sektor war Norris mit den Intermediates immer noch etwas schneller als die Fahrzeuge mit Slicks. Das änderte sich aber in Sektor 2 und 3, wo Norris eine weitere Sekunde verlor.

Beim Stopp entschieden sich die Teams für unterschiedliche Reifensätze. Hamilton nahm die Soft, ebenso Norris, der der Ansage von Mercedes folgte, auch weil sein Team keine Entscheidung treffen wollte. Verstappen nahm wiederum die harten Reifen, was angesichts der immer noch leicht feuchten Strecke fast wie eine Fehlentscheidung wirkte.

Norris kam also eine Runde später und hatte zudem etwas Pech beim Stopp. Erst musste einen Bogen um die wartenden Ferrari-Mechaniker fahren, dann war der Stopp nicht ganz so rund, wie man das vom Team kennt. Die Folge: Norris kam hinter Hamilton auf die Strecke. Die Summe der kleinen Verluste, inklusive des eine Runde später erfolgten Stopps sorgten dafür, dass Mercedes die Führung übernehmen konnte. Doch das Rennen war in Runde 40 noch lange nicht gelaufen.

Der Abstand vorn war extrem klein und auf der trockenen Strecke konnte man weder bei McLaren noch bei Mercedes Vorteile erkennen. Was auch daran gelegen haben mag, das beide ihre Reifen im Auge hatten. 12 Runden auf trockener Strecke mit den Soft sind schon eine kleine Ansage. Das brachte dann wiederum plötzlich Verstappen zurück ins Spiel, der auf den harten Reifen wenig Probleme mit dem Reifenverschleiß hatte. Auch wenn der Red Bull am Wochenende, etwas überraschend, nicht das stärkste Auto war, in dieser Phase flog Verstappen regelrecht um den Kurs und reduzierte den Rückstand von sieben auf vier Sekunden.

Warum McLaren die Soft genommen hatte? Der Call lag bei Norris, obwohl man noch einen frischen Satz Medium zur Verfügung hatte. Das hatten weder Mercedes noch Red Bull. Die Medium waren ganz klar für die McLaren der bessere Reifen, wie dann auch Piastri zeigte. Der nahm Norris innerhalb von 12 Runden rund 10 Sekunden ab und war dabei auch schneller als Verstappen. Mit den Medium hätte Norris Hamilton keine Ruhe geben können und der Ausgang des Rennens wäre anders gewesen.

Norris versuchte auf Hamilton etwas Druck auszuüben, doch der ließ sich nicht beirren und spielte seine gesamte Erfahrung aus. Zudem rächte sich jetzt für Norris die etwas weichere Abstimmung. Die sorgte dafür, dass das Auto etwas härter mit den Reifen umging und der Verschleiß schneller anstieg. So hatte er dann schnell Verstappen Rückspiegel, der allerdings anderthalb Runden benötigte, um Norris passieren zu können.

Das brachte Hamilton dann genau die Zeit, die er benötigte. Er baute seinen Vorsprung auf 3,2 Sekunden aus und hatte dann noch vier Runden zu überleben. Das machte der Brite dann mit seiner Erfahrung. Er legte in den Sektoren kürzere Sprints ein um danach die Reifen wieder etwas zu schonen. So gelang es ihm zwei Runden lang den Abstand einigermaßen konstant zu halten. Die letzten zwei Runden verwaltete er dann noch 2,5 Sekunden Vorsprung, was absolut ausreichend war. Die letzte Runde war dann eine einzige Triumphfahrt für den Briten, der seinen neunten Sieg in Silverstone feiern konnte.

Norris beklagte nach dem Rennen erneut seine Fehlentscheidungen, aber genauso muss sich McLaren fragen, warum man Piastri so aus dem Rennen genommen hatte. Man merkt sowohl Norris als auch McLaren an, dass es insgesamt etwas an Erfahrung fehlt, wenn ein Rennen so eng ist. Fehler passieren, Fehler sind auch nötig. Sonst kann man nicht lernen. Das gilt insbesondere für Norris. Es ist nicht falsch, dass McLaren seine Fahrer fragt, welche Reifen sie für besser halten. Aber auf der anderen Seite haben sie auch die Daten aus den Sektoren. Hier muss man dringend an der Kommunikation arbeiten.

Hinter Hamilton, Verstappen, Norris und Piastri segelte Sainz in einem für ihn ziemlich ereignisarmen Rennen auf P5. Ferrari ist momentan etwas von der Rolle, weil das letzte Update nicht so funktioniert hat, wie man dachte. Daher rüstete man in Silverstone auf das letzte Update aus Imola zurück, was auch schon erstaunlich ist. Aber eine Chance hatte man nie. Sainz fehlten am Ende 47 Sekunden auf Hamilton, das sind rund 0,7 Sekunden pro Runde. Und das, obwohl man bei Sainz die Calls für die Stopps absolut richtig traf.

Dass das Update nicht funktioniert hat, dürfte bei Ferrari die Alarmglocken auslösen. Updates benötigen ungefähr sechs Wochen von der Entwicklung bis zur Strecke. Das bedeutete, dass man die Probleme erst nach der Sommerpause wird beheben können. Die entscheidende Frage wird sein, warum man in die falsche Richtung entwickelt hat. Auch das herauszufinden, ist ein langer Prozess, wie Aston Martin und Mercedes berichten können. Die einzig gute Nachricht ist, dass der Fehler im Mai passiert ist und nicht Oktober, wo man schon die Updates für das folgende Jahr ausprobiert.

Der zweite Fahrer des Rennens neben Hamilton war Nico Hülkenberg. Haas hatte ein großes Update mit an den Kurs gebracht und das scheint den Haas zumindest in Silverstone gut beflügelt zu haben. In der Quali schaffte es Hülkenberg sicher in Q3. Das Rennen startete schlecht, denn er fiel von P6 auf P9 zurück. Doch der Deutsche kämpfte sich zurück, wobei auch die sehr gute Strategie von Haas eine Rolle spielte. Am Ende landete er auf P6 und Haas war erneut „best of the Rest“. Audi wird sich auf den Deutschen freuen.

Man kann die Leistung von Hülkenberg gar nicht hoch genug einschätzen, vor allem wenn man auf seinen Teamkollegen Magnussen schaut. Der ist ja nun auch nicht langsam, hat aber gegen „Hulk“ keine Chance. Dass Hülkenberg auch beide Aston Martin hinter sich halten konnte, spricht für sich.

Die Aston waren in Silverstone etwas besser aufgestellt, als zuletzt. Sie sind immer noch weit von der Form entfernt, in der sie gerne sein würden, aber auf der Low-Drag-Strecke lief etwas besser. Bemerkenswert war, dass Stroll das gesamte Wochenende durchweg schneller war, als Alonso. Dem scheint im Moment etwas die Lust zu fehlen, was angesichts der schwachen Form von Aston auch verstehen kann.

Auf P9 kam Alex Albon ins Ziel, was für Williams ein gutes Ergebnis war. Das Team leidet immer noch unter dem späten Start in die Saison, denn dadurch kommen auch die Updates später als bei der Konkurrenz. Da die Autos im Mittelfeld um jede einzelne Zehntelsekunde kämpfen, schmerzt der Rückstand besonders. Das Sargeant auf P11 landete, unterstreicht die gute Form von Williams in Silverstone.

Den letzten Punkt holte sich Tsunoda, der Ricciardo erneut weit hinter sich lassen konnte. Es sieht nicht gut aus für den Australier, was den Verbleib im Team angeht. Zwar gibt es Gerüchte, dass Red Bull eventuell Perez gegen Ricciardo austauschen könnte, aber ich wüsste nicht, warum man das machen sollte. Sicherlich ist Ricciardo ein gefügigerer Teamkollege von Verstappen als das Tsunoda wäre, aber ich sehe keinen Grund, warum Ricciardo eine Beförderung verdient hätte.

Auf dem Fahrermarkt bewegt sich im Moment immer noch wenig. Am Wochenende gab es Gerüchte, dass Ocon zu Haas wechselt, die ja schon Olli Bearman bestätigt haben. Ocon scheint wenig Optionen zu haben. Seine immer wieder auftretenden Streitigkeiten mit seinen Teamkollegen (Perez, Hülkenberg, Gasly) ist den Teamchefs nicht verborgen geblieben. Weder Williams noch Audi scheinen Interesse zu haben.

Im Moment warten alle auf die Entscheidung von Sainz. Dessen Favorit soll angeblich Alpine sein, was ich nicht nachvollziehen kann. Sicher, Audi ist ein Risiko. Die Chance, dass die ab 2026 erstmal drei, vier Jahre hinterherfahren, ist durchaus gegeben. Vor allem angesichts der negativen Entwicklung bei Sauber auch in diesem Jahr. Audi scheint mir aber immer noch die bessere Alternative zu sein. Selbst wenn Alpine zum Mercedesmotor wechselt – das Team ist nicht gut aufgestellt und hat eine dünne Finanzdecke. Auch die Unterstützung von Renault ist wie immer wackelig.

Die interessante Frage ist aber, was Williams und Audi machen, wenn Sainz doch zu Alpine geht. Sauber wird vermutlich an Bottas festhalten wollen. Williams stände dann vor dem Problem, was mit dem zweiten Cockpit macht. Sargeant hat sich verbessert, aber reicht das? Und was wäre die Alternative? Auf dem Markt sind nur Magnussen und Schumacher.

Die F1 macht nach dem Triple-Header eine kleine Pause. Aber vor der Sommerpause stehen noch Ungarn und Spa auf dem Programm.

Bilder: Mercedes-Benz. Pirelli, F1 Analytics

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1 Kommentare

Dirk 9 Juli, 2024 - 13:45

Norris hat sich den schlechten Stop beim Wechsel auf die Softs am Ende auch etwas selbst zuzuschreiben. Er war etwas zu schnell oder bremste zu hart, dadurch blockierte beim Einfahren in die Box etwas der rechte Vorderreifen und er rutsche mindestens einen halben Meter zu weit nach vorne. Das mussten die Mechaniker beim Reifenwechsel dann erstmal korrigieren, und das kostete dann auch bestimmt eine Sekunde. Aber der größere Fehler war sicherlich, nicht die Mediums zu nehmen, auf denen hätte er gewinnen können.

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