Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Belgien – Russell gewinnt und dann doch nicht

Formel Eins: Analyse GP von Belgien – Russell gewinnt und dann doch nicht

von DonDahlmann
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Nach dem Rennen wurde der Sieger disqualifiziert, weil sein Auto 1,5 Kilo zu leicht war. Das ändert aber nichts an einem sehr interessanten und spannenden Rennen.

Es ist nicht so oft, dass die ersten Drei nach der Zielflagge durch nur 1 Sekunde getrennt sind. Das allein zeigt schon, wie eng es an der Spitze geworden ist. Mercedes, McLaren, Red Bull und mit etwas Abstand auch Ferrari waren in Spa auf einem fast identischen Niveau unterwegs. Doch am Ende entschied George Russell mit einem mutigen Strategiecall das Rennen für sich. Das Erstaunliche am Rennen war, dass die Mercedes nicht nur einen Doppelsieg einfahren konnten, sondern dass sie das auch allein über Pace erreichen konnten.

Dabei sah es am Samstag noch so aus, als würde Red Bull das Rennen mit Leichtigkeit dominieren können. Auf feuchter Strecke und den Intermediates schenkte Verstappen der gesamten Konkurrenz sechs Zehntel ein und holte die Pole vor einem im Regen überraschend starken Charles Leclerc. Perez landete auf P3, was die gute Form von Red Bull unterstrich. Doch offenbar galt die Form nur im Regen, nicht aber auf der am Sonntag trockenen Strecke. Hinzu kam, dass Verstappen einige Teile an seinem Motor austauschen musste, was ihm eine Strafversetzung von zehn Plätzen einbrachte.

Doch im Gegensatz zu den letzten Jahren konnte der Red Bull nicht durch das Feld pflügen. Verstappen tat sich schwer, sich nach vorn zu arbeiten und Perez fiel im Verlauf des Rennens immer weiter zurück. Spa zeigte, dass die absolute Dominanz von Red Bull auf jeden Fall vorbei ist. Mercedes und McLaren scheinen sogar ein wenig besser zu sein. Und auch Ferrari war gut unterwegs. Leclerc schaffte es am Ende des Rennens den drängelnden Verstappen hinter sich zu halten, obwohl der DRS hatte.

Mercedes war allerdings zu Beginn des Rennens eine Klasse für sich. Hamilton schnappte sich schon in der zweiten Runden den bis dahin führenden Leclerc und baute eine leichte Führung auf. Wie üblich schonten die Fahrer nach den ersten Runden ihre Reifen und hier mag ein leichter Fehler bei der Strategie von Mercedes vorgelegen haben. Hamilton war klar der schnellste Mann auf der Strecke in Spa, hielt sich aber zurück. Hätte er durchgezogen, hätte sein Vorsprung gerne auch 5 Sekunden und mehr betragen können, bevor es zu den ersten Stopps ging. Die drei Sekunden, die er hier liegen ließ, sollten am Ende durchaus entscheidend sein für den Ausgang des Rennens.

Das Rennen war geprägt von der Möglichkeit des Undercuts. Auf der langen Strecke kann man durch einen frühen Stopp pro Runde rund 1,5 Sekunden gut machen. Dementsprechend entschieden sich etliche Teams für einen frühen Stopp. Verstappen und Russell kamen schon in Runde 10, was die anderen Fahrer ebenfalls an die Boxen zwang. Eine Runde später kamen Hamilton, Perez und Piastri, der sich am Start gut hinter den Top 3 positioniert hatte.

Leclerc übernahm wieder die Spitze, aber auch nur für eine Runde. Warum Ferrari nicht eine Runde früher gestoppt hat, war nicht wirklich zu verstehen. Noch weniger allerdings, dass McLaren Lando Norris bis zu Runde 16 draußen ließ. Für einen Moment dachte ich, dass man Norris auf eine Ein-Stopp-Strategie setzen würde, was durchaus im Rahmen der Möglichkeiten war. Am Ende aber nicht passierte. Was die Entscheidung noch unverständlicher macht und Norris ein schwieriges Rennen bescherte, der sich fast die gesamte Zeit in einem Zweikampf mit Verstappen verwickelt sah. Wenn man bedenkt, dass Piastri mit dem normalen Stopp am Ende auf P3 lag, wird die Fehlentscheidung von McLaren noch klarer.

Verstappen hatte sich mittlerweile ein wenig weiter nach vorn gekämpft sah, sich aber nicht in der Lage große Fortschritte zu machen, als er hinter Norris im Windschatten hing. Der McLaren war auf den Geraden zu schnell. Verstappen kam im zweiten Sektor zwar immer wieder ran, konnte Norris aber dann nicht gefährden. Das sollte sich erst durch die zweiten Boxenstopps ändern.

Bis dahin hatte Hamilton das Rennen recht gut im Griff und seine Chancen auf den Sieg war sehr gut. Ferrari versuchte mit einem frühen Stopp in Runde 26 den Mercedes unter Druck zu setzen, aber die konterten schon eine Runde später mit einem Stopp für Hamilton. Kurz danach (Runde 29) kamen Verstappen und Sainz. Mclaren wartete erneut. Während Piastri Raum für den späten Stopp hatte, war die Entscheidung bei Norris mal wieder falsch. Norris kam in Runde 30, also eine Runde nach Verstappen, was ihn den Platz gegen Verstappen kostete. Warum man Norris nicht schon in Runde 27 reingeholt hat? Offenbar hoffte man, dass Norris mit leicht frischeren Reifen Verstappen wieder überholen könnte.

Hamilton war nach den zweiten Stopp auf dem Papier der Führende, aber in der Realität lag plötzlich George Russell mit rund sieben Sekunden vorn. Zur Erinnerung: Russell hatte schon in Runden 10 auf die harten Reifen gewechselt. Das Augenmerk von Mercedes lag dabei gar nicht auf den Sieg, sondern darauf, Leclerc, Norris und Verstappen unter Kontrolle zu halten. Bei Mercedes gingen alle davon aus, dass man nicht mit nur einem Stopp würde durchfahren können.

Doch Russell hatte andere Ideen. Für ihn fühlten sich die Reifen gut genug an, auf den Stopp zu verzichten. Eine mutige Entscheidung, dann das würde die harten Reifen an den Rand des Pirelli empfohlenen Fensters bringen, das bei 33 Runden lag. Mercedes überließ Russell die Entscheidung, weil man im Fall von Russell nichts zu verlieren hatte. Mit dem Stopp wäre man knapp um P5 herausgekommen. Sollten die Reifen komplett einbrechen, hätte man Russell noch zum Stopp holen können oder man hätte ihn draußen gelassen in der Hoffnung, dass es noch für P3 und P4 reichen würde.

Interessanterweise brachen die Reifen bei Russell nicht ein. Und jetzt machten sich auch die drei oder vier Sekunden bemerkbar, die Hamilton im ersten Stint hätte herausholen können. Statt nur drei Sekunden hinter Russell zu liegen, waren es nach dem Stopp von Hamilton dann knapp sieben Sekunden. Und das sollte sich als eine Distanz erweisen, die schwer war zu überbrücken.

Hinzu kam, dass das Überholen in Spa in diesem Jahr erstaunlich schwierig war. Die FIA hatte sich dazu entscheiden, die DRS-Zone um 75 Meter zu verkürzen. Das führte dazu, dass man auf der Kemmel-Geraden zwar ran- aber nicht vorbeikam. Was wiederum zu den gefürchteten DRS-Trains führte. Was man schon in den ersten Runden sehen konnte, als die Top 8 bis zum ersten Stopp in knapp 10 Sekunden lagen.

Das sollte sich vor allem im letzten Stint erneut zeigen. Leclerc, Verstappen und Norris lagen innerhalb von 1,5 Sekunden, aber obwohl der Red Bull und der McLaren auf eine freie Runde schneller waren als der Ferrari, konnte Leclerc beide hinter sich halten. Das Problem der verkürzten DRS-Zone wurde durch das Problem der „dirty air“ verschlimmert. Man verlor so viel Boden in Eau Rouge, dass man auf der langen Geraden dann zu weit weg war.

Genau das Problem hatte Lewis Hamilton dann am Ende auch. Er schloss die Lücke zu Russell relativ schnell, da er zwischen 0,5 und 0,8 Sekunden pro Runde schneller war. Als er dann in DRS-Reichweite war, konnte er die Lücke aber nicht weiter schließen. Es fehlten am Ende immer wieder zwei, drei Zehntel am Ende der Geraden. Das Ganze hätte vielleicht anders ausgesehen, wenn er ein paar Runden früher hinter Russell gelegen hätte und so mehr Druck hätte ausüben können, was Russell dazu gezwungen hätte, seine Reifen stärker zu beanspruchen. Erneut: hier fehlten die drei, vier Sekunden aus dem ersten Stint.

Was nicht die mutige Entscheidung von George Russell und seine famose Fahrt schmälern soll. Der Brite lieferte eine brillante Vorstellung ab und auch Mercedes zeigte, dass man in Hinblick auf Reifenverschleiß offenbar keine Probleme mehr hat. Das hatte man allerdings auch schon in Silverstone gesehen. Kudos auch an Mercedes, dass man die beiden Fahrer das Rennen untereinander entscheiden ließ. Es wäre leicht gewesen, Hamilton vorbeizuschicken, auch weil von hinten Oscar Piastri im McLaren mit großen Schritten näher kam.

Doch der Sieg wurde ihm wieder aberkannt, denn nach dem Rennen stellte man bei den obligatorischen Überprüfungen fest, dass das Auto von Russell untergewichtig war. Nachdem die übliche Menge an Sprit zur Überprüfung abgezapft war, zeigte die Waage weniger als erlaubt an. Da blieb den Kommissaren nicht anderes übrig, als eine Disqualifikation auszusprechen und den Sieg Hamilton zu geben. Damit rutscht Piastri auf P2 und Leclerc auf P3.

Der Australier hatte bis zu diesem Zeitpunkt ein relativ unbeobachtetes Rennen und lag lange hinter Charles Leclerc. McLaren schien am Wochenende nicht ganz so schnell zu sein, wie man vermutet hatte. Aber als Piastri sich endlich vom Ferrari befreit hatte, konnte man das gute Tempo sehen. Piastri war einen Tick schneller als Hamilton und deutlich besser als Russell. Aber am Ende reichte es nicht ganz, um an den Mercedes vorbeizukommen. Die feierten so ihren ersten Doppelsieg seit 2022 (São Paulo). Das erstaunliche war, dass Mercedes das, wie in Silverstone, das Rennen über das reine Tempo gewinnen konnte. Was zeigt, dass Mercedes wieder ganz vorn dabei ist.

Leclerc rettete den vierten Platz und hatte am Ende nur 12 Sekunden Rückstand. Was ein Fortschritt für Ferrari ist, die in den letzten Rennen doch deutlich langsamer waren. Verstappen konnte immerhin von P11 auf P5 vorfahren. Aber mehr war da nicht nach seiner eigenen Aussage nicht drin. Bei Norris schon, aber ein Fehler in der ersten Runde und die merkwürdige Strategie machten sein Rennen eher schwierig.

Carlos Sainz kam auf P7 ins Ziel. Dabei hatte der Spanier eine durchaus interessante Strategie. Als einziger Pilot aus den Top Ten startete er auf harten Reifen, was ihn in einen langen Overcut schickte. Erstaunlicherweise konnte er sich um P6 halten und verlor nicht gegen die mit Medium ausgestattete Konkurrenz. Hier half ihm sicher auch der DRS-Train im ersten Stint, aber der Ferrari war tatsächlich schnell genug. Sainz blieb nach den Stopps der Konkurrenz lange vorn und ich hatte ihn schon in Verdacht, dass er nur einen Stopp macht. Er kam in Runden 21, musste dann aber auf die Medium wechseln. Und mit denen 23 Runden zu fahren, war offenbar nicht möglich. Die Frage ist, ob Sainz hätte mit ein paar Runden mehr ebenfalls eine Ein-Stopp-Strategie hätte schaffen können. Ferrari hätte das durchaus riskieren können. Im schlimmsten Fall wäre man halt wieder auf P7 gelandet, im besten Fall auf P5 hinter Leclerc.

Auf P8 kam dann Sergio Perez ins Ziel. Das muss für den Mexikaner wieder eine große Enttäuschung sein, denn immerhin war er von P2 gestartet. Dass er am Ende dann auch noch hinter Verstappen ins Ziel kam, hilft auch nicht. Ganz ehrlich – für einen zweiten Fahrer bei Red Bull ist das einfach zu schlecht. Vor allem, wenn man seine Startposition betrachtet.

P9 ging an Fernando Alonso in seinem Aston Martin. Das ist nicht schlecht und auf jeden Fall besser, als in den Rennen im Mai und Juni, aber 50 Sekunden Rückstand sind schon etwas deprimierend. Der Abstand zu Sainz auf P7, der ja nun auch nicht gerade auf einer idealen Strategie unterwegs war, betrug 30 Sekunden. Aston Martin ist weiterhin nicht mal ansatzweise ein Kandidat für vordere Plätze und kann froh sein, dass man in die Punkte fährt.

Der letzte Punkt ging an Alpine und Esteban Ocon. Der lieferte ein wirklich gutes Wochenende ab und auch der Alpine schien besser zu sein, nachdem man in Spa ein weiteres großes Update mitgebracht hatte. Ocon schnappte sich den letzten Punkt aber auch erst in den letzten Runden, als mit frischeren Reifen noch an Daniel Ricciardo vorbeiziehen konnte. Der Australier, von P13 gestartet, hatte aber ein gutes Rennen und wird nicht zu Unrecht weiter als Ersatz für Perez nach der Sommerpause gehandelt.

Ich bleibe in Sachen Red Bull aber weiter bei meiner Meinung, dass man Perez bis zum Ende der Saison weiterfahren lassen und Carlos Sainz ein Angebot machen sollte, dass dieser nicht ablehnen kann. Es wäre für Red Bull die beste Lösung, vor allem in Hinblick auf die Team-WM. Wenn Sainz nicht will, kann man natürlich die Fahrer wechseln, wie man will. Man kann Ricciardo für den Rest der Saison ins Cockpit hieven und wenn der nicht liefert halt Lawson.

Das zeigt aber auch die selbst verschuldete Lage in Sachen Fahrer bei Red Bull. Immer nur zu hoffen, dass Verstappen es schon richten wird, ist halt keine langlebige Strategie. Wo es jetzt schwierig ist, macht es sich bemerkbar, dass Red Bull keinen zweiten starken Fahrer hat und so schnell auch keinen bekommen wird, wenn Sainz nicht will. Dann hat man die Wahl zwischen „ein bisschen langsamer“ und „noch ein bisschen langsamer“.

Die F1 geht jetzt bis Ende August in die übliche Sommerpause. Nach der es dann, auch wie üblich, für das Rennen in Zandvoort wieder jede Menge Updates geben wird.

Bilder: Pirelli, F1 Analytics

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