Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Italien – Ferrari überrascht alle (und sich selbst)

Formel Eins: Analyse GP von Italien – Ferrari überrascht alle (und sich selbst)

von DonDahlmann
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Alle Augen waren auf das Duell der McLaren Piloten gerichtet. Und dann kam Ferrari mit einem für sie seltenen Geniestreich.

Wenn ein Ferrari in Monza gewinnt, dann ist immer die Hölle los. Und so war es auch an diesem Wochenende. Und die Freude war vielleicht ein wenig größer als sonst, weil niemand mit einem Sieg der Roten gerechnet hatte. Denn auch wenn Ferrari sich dank eines überraschend großen Update-Pakets (Unterboden, Sidepods, Frontflügel) deutlich besser aufgestellt war, sah es lange im Rennen nicht so, als würden die Italiener auch nur den Hauch einer Chance auf den Sieg haben. Doch am Ende riskierte Ferrari alles – und wurde belohnt.

Dabei war das Rennen nicht mal besonders spannend. Wie oft in Monza, war das die Qualifikation das Beste am Wochenende. McLaren war tonangebend, aber nur knapp. Am Ende einer extrem spannenden Quali-Session lagen die ersten Sechs innerhalb von 0,186 Sekunden, wobei Norris die Pole mit knapp einem Zehntel für sich beanspruchte. P2 (Piastri) bis P6 (Hamilton) lagen innerhalb von einem Zehntel. Das enge Feld versprach in Monza aber kein gutes Rennen. Denn, wenn die Teams so knapp zusammenliegen, ergibt sich meist ein DRS-Zug mit wenig Überholmöglichkeiten.

Der Start ging gut, sieht man mal vom drittplatzierten Russell ab, der sich hinter Piastri verbremste und seinen Frontflügel beschädigte. Norris gewann das Startduell zunächst, auch weil Piastri hinter ihm klug Russell abblockte. Doch die Zusammenarbeit der McLaren Piloten endete ein paar hundert Meter. Piastri hatte den besseren Run aus der Curva Granda heraus. Norris blockierte die Innenspur, aber Piastri war da schon fast eine halbe Wagenlänge vorn und er konnte als Erster einlenken. Norris blieb nichts anderes übrig, als den Teamkollegen vorbeizulassen. Was dazu führte, dass auch Charles Leclerc im Ferrari noch am Briten vorbeigehen konnte.

Man kann darüber diskutieren, ob McLaren hier eine kluge Strategie fährt im Hinblick auf die Fahrer-WM. Norris ist der Einzige, der noch eine schmale Chance dazu hat Verstappen abzufangen. Zwar benötigt er dafür mindestens zwei Ausfälle der Niederländers (und er müsste gleichzeitig den Sieg holen), aber die Möglichkeit ist da. McLaren hätte, wie andere Teams vor ihnen, sagen können: „Wer in der ersten Kurve vorn ist, bleibt vorn“.

Aber traditionell lässt man bei McLaren ja die Fahrer gegeneinander fahren, auch wenn das einen WM-Titel kosten könnte (siehe 2007). Eine andere Möglichkeit hätte sich am Ende des Rennens ergeben, als klar war, dass Piastri den vorn liegende Leclerc nicht mehr einholen konnte. Da Norris knapp hinter Piastri liegt, hätte McLaren den Briten vorbeilotsen können. Was Norris immerhin drei Punkte mehr gegeben hätte. Aber sportlich fairer ist natürlich die Variante, die McLaren gewählt hat.

Die Entscheidungen haben McLaren, die so gute Chancen im Rennen hatten, aber nicht den Sieg gekostet. Das war die Strategie von Ferrari. Vor dem Rennen ging man davon aus, dass es eine Ein-Stopp-Strategie geben würde, aber das änderte sich während des Grand Prix. Fast alle hatten mit Graining vor allem am linken Vorderreifen zu kämpfen. Daher zeichnete sich schon früh ab, dass die Zwei-Stopp-Strategie eventuell nötig sein würde. Was sich schon bei den ersten Stopps zeigte.

Hier die Stopps der wichtigsten Fahrer:
L12 RUS – Medium -> Hard (+Frontflügel)
L13 ALO – Medium -> Hard
L15 NOR -> Medium -> Hard (Undercut an Leclerc)
L16 LEC & HAM – Medium -> Hard
L17 PIA – Medium -> Hard
L20 SAI – Medium -> Hard
L23 VER – Hard -> Hard
L24 PER – Hard -> Medium

Zwei Dinge fallen dabei auf. Norris, Leclerc und Hamilton kamen weit vor dem von Pirelli prognostizierten Boxenstoppfenster zum Reifenwechsel. Was schon darauf hindeutete, dass man mit nur einem Stopp nicht hinkommen würde. Das unterstreicht auch die Strategie von Red Bull. Die waren als einzige in den Top Ten auf den harten Reifen gestartet, wechselten aber überraschend früh erneut auf die harten Reifen (bzw. Medium bei Perez) und waren damit zu einer Zwei-Stopp-Strategie verdammt. Aber Carlos Sainz kam in Runde 20 und damit mit Fenster für eine Ein-Stopp-Strategie.

Doch zu dieser Zeit waren die McLaren immer noch auf Siegkurs. Es sah also nach einem eher langweiligen Finish aus, doch die zweite Runde der Stopps änderte das deutlich.
L34 NOR – Hard -> Hard
L35 RUS – Hard -> Hard
L36 PER – Medium -> Hard
L36 ALO – Hard -> Hard
L38 HAM – Hard -> Hard
L39 PIA – Hard -> Hard
L42 VER – Hard -> Medium

Es fehlen die beiden Ferrari, die dann plötzlich nach den Stopps beide vorn. Piastri lag nach seinem Stopp 14 Runden vor Schluss rund 16 Sekunden hinter Leclerc, der wiederum 10 Sekunden Vorsprung vor Sainz hatte. Der Unterschied zwischen beiden Ferrari stammte aus der Tatsache, dass Sainz sich lange in Zweikämpfen verwickelt sah, was ihn einiges an Zeit kostete. Piastri lag zu dem Zeitpunkt rund sechs Sekunden hinter Sainz, konnte den Rückstand aber in wenigen Runden zufahren und den Spanier hinter sich lassen.

Der limitierende Faktor für den Speed in Monza sind immer die Vorderreifen und die Frage war, wie die bei Leclerc durchhalten würden. Immerhin war Leclerc schon in Runde 16 an die Box gekommen und kein anderes Team schien dazu in der Lage zu sein, die Vorderreifen über eine so lange Distanz am Leben zu halten. Doch offensichtlich hat das neue Upgrade von Ferrari auch dafür gesorgt, dass sich der Verschleiß in Grenzen hielt. Zwar beschwerte sich Sainz rund zehn Runden vor Schluss über einen praktisch toten linken Vorderreifen, aber Leclerc hatte offenbar seine Reifen etwas besser geschont. Das führte am Ende dazu, dass Sainz nur der undankbare vierte Platz blieb, wobei beide McLaren deutlich schneller waren.

Denn es gelang Leclerc mit dem angenagten Pirelli einigermaßen vernünftige Zeiten zu fahren. Zwar konnte Piastri den Rückstand jede Runde reduzieren, aber nicht genug, um Ferrari in den letzten Runden tatsächlich gefährden zu können. Was schon eine kleine Überraschung war. McLaren bekannte nach dem Rennen, dass man nicht dazu in der Lage gewesen wäre eine Ein-Stopp-Strategie durchziehen. Der Schwachpunkt des McLaren, so Lando Norris, liegt genau an der Vorderachse.

Eine wundersame Auferstehung der Ferrari war das, gerade rechtzeitig zum Rennen in Monza. Und weil wir in den letzten Jahren so oft über die Strategie der Ferrari geschimpft haben, muss man sie jetzt ausnahmslos loben. Die Strategie war mutig, entstand auch aus einer gewissen Alternativlosigkeit. Denn die McLaren war klar schneller und rein über Speed hätte man das Rennen nicht gewinnen können. Aber es zeigt auch eine neue Philosophie bei Ferrari. Man geht auch mal höhere Risiken ein, auch wenn man noch eine leichte Chance auf einen WM-Titel besteht. Da war man bei Ferrari in Vergangenheit eher konservativ unterwegs und hat lieber Punkte mitgenommen.

Und wo waren die Mercedes? Die waren in Italien bei Weitem nicht so stark, wie ich sie vor dem Rennen eingeschätzt hatte. In der Quali sah es noch recht gut aus, aber die Rennpace passte überhaupt nicht. 22 Sekunden lag Hamilton am Ende auf P5 hinter dem Sieger. Nimmt man den Abstand zu Piastri, der auf einer nur eine Runde verschobenen Strategie unterwegs war, lag der Abstand bei 20 Sekunden. Hamilton steckte im Rennen aber zumeist im Verkehr, was ihn einiges an Zeit kostete. Aber dennoch war schnell klar, dass man rund 0,2 bis 0,3 Sekunden pro Runde langsamer war. Die Ferrari waren zwar nicht schneller, hatten aber den besseren Reifenverschleiß.

Mercedes war in Monza nicht gut aufgestellt. Den Vorteil, den man noch in Spa hatte, suchte man in Italien vergebens. Der Topspeed stimmte zwar, aber man war limitiert über die Vorderreifen. Das verhinderte eine etwas bessere Position. Dass der Mercedes nicht langsam war, zeigte George Russell. Der musste mit seinem ondulierten Frontflügel schon in Runde 12 an die Box und fiel damit weit nach hinten zurück. Aber der Speed vom Auto war so gut, dass er sich schon vor dem ersten Stopp wieder in die Punkte arbeiten konnte. Am Ende fehlten ihm nur 1,7 Sekunden auf Verstappen, der hinter Hamilton ins Ziel kam. Das ist schon bemerkenswert, war aber natürlich enttäuschend für Russell, der von P3 gestartet war. Aber ich glaube auch nicht, dass Mercedes den Speed der McLaren hätte mitgehen können. Die Grafik unterstreicht das.

Für Red Bull war Monza ein erstaunlich schweres Pflaster. In der Quali fehlten Verstappen fast sieben Zehntel auf Norris. Was schon bemerkenswert ist. Genauso, wie die Schwierigkeiten, die man hat das in diesem Jahr das Rennen bei der Entwicklung mitzuhalten. Schon vor der Sommerpause beschwerte sich Verstappen oft über ein schlechtes Einlenkverhalten des Autos und wenig Grip auf der Vorderachse. Hier liegt im Moment offenbar das größte Problem bei Red Bull, die weit weg von der Spitze waren.

Verstappen fehlten am Ende 37 Sekunden auf Leclerc. Was schon erstaunlich ist, nachdem Norris in Zandvoort 22 Sekunden vor Verstappen lag. Die momentane Krise bei Red Bull ist unübersehbar und es scheint so, dass man ohne Newey die Updates, die im letzten Jahr so gut funktioniert haben, nicht hinbekommt. Die Frage ist, ob man für die letzten Rennen noch eine Wende schafft.

Denn mittlerweile ist der schöne Vorsprung aus den ersten Rennen in der Konstrukteursmeisterschaft komplett weg. Acht Punkte sind es noch, die man vor McLaren liegt und auch Ferrari liegt nur noch 39 Punkte hinter den Red Bull. Den Fahrertitel wird man vermutlich wieder gewinnen können, denn es müsste wie erwähnt schon einiges passieren, damit Verstappen den verliert. Allerdings haben McLaren, Mercedes und auch Ferrari gezeigt, dass ein größeres Update einiges verändern kann. Darauf wird auch Perez hoffen, der an diesem Wochenende nicht so schlecht unterwegs war. Am Ende kam aber nur P8 raus und er lag 16 Sekunden hinter Verstappen.

Die beiden letzten Punkteplätze gingen an Alex Albon im Williams und, etwas überraschend, Kevin Magnussen im Haas. Williams sah am Wochenende relativ stark aus, was man erwartet hatte. Der Topspeed des Williams ist gut, Monza hat dem Team schon immer gelegen. Aber es war auch wichtig, dass Williams nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder Punkte holen konnte. Der Abstand nach vorn betrug 67 Sekunden, aber „nur“ 30 Sekunden zu Red Bull. Hier kann man auf jeden Fall einen Fortschritt sehen. Dass Franco Colapinto in seinem ersten Einsatz auf P12 kam, unterstreicht die gute Leistung.

Magnussen lag im Ziel eigentlich vor Albon, aber der Däne hatte im Rennen Pierre Gasly angerempelt, was ihm eine 10-Sekunden-Strafe einbrachte. Fand ich jetzt etwas übertrieben, 5 Sekunden hätten auch gereicht. Was ihn aber mehr schmerzen dürfte, ist die Tatsache, dass die Rennleitung ihm weiter 2 Strafpunkte aufbrummte. Damit hat er dann 12 Punkte erreicht und muss (Protest von Haas mal ausgenommen) das Rennen in Baku aussetzen. Haas wird, sollte der Protest nicht funktionieren, wohl Oliver Bearman ins Auto setzen.

Aber Magnussen fuhr ein sehr gutes Rennen. Außerhalb der Top Ten gestartet, hatte er einen guten Start und setzte sich früh rund um P9 fest. Die Rennpace des Haas war außergewöhnlich gut und auch die Strategie stimmte. Man ließ Magnussen 39 Runden auf harten Reifen draußen, was für das Chassis spricht. Die letzten 14 Runden absolvierte Magnussen dann auf den Medium, die ihm den nötigen Speed verschafften, um den Punkt für Haas zu sichern. Hülkenberg hätte auch Punkte holen können, wenn Ricciardo ihn nicht in der ersten Runde unsanft über die Curbs geschickt hätte. Der Deutsche beschädigte sich dabei den Unterboden und kam nur als vorletzter ins Ziel.

Auf den letzten beiden Punkteplätzen hatte sich eigentlich die Aston Martin erwartet. Aber die waren überhaupt nicht zu sehen. Was wieder zeigt, wie schlecht es beim Team läuft. Der schlechte Start in die Saison war eine Sache, dass man aber erneut in der Saison nicht nachrüsten kann, ist bedenklich. Das wird mal wieder schlechter, anstatt sich nach vorn zu arbeiten. Das mag damit zusammenhängen, dass man dieses Jahr ohnehin abgeschrieben hat und versucht, die Saison 2025 zu überstehen, um dann 2026 mit den Honda-Motoren und vermutlich Adrian Newey anzugreifen. Aber wenn man selbst mit eingeschränkten Mitteln nicht dazu in der Lage ist, regelmäßig die Haas hinter sich zu lassen, dann stimmt etwas nicht.

Dass das bei Sauber der Fall ist, muss man nicht mehr erwähnen. Monza sah den ersten Auftritt an der Strecke von Mattia Binotto als CEO des Teams. Der wird erschrocken die Leistung des Teams zur Kenntnis genommen haben. Schon in Zandvoort war mit klarem Abstand das langsamste Team. In Monza sah es nicht anders aus.

Man hat oft gesehen, dass manche Teams ein Auto haben, das nur auf bestimmten Strecken schnell ist. Manchmal war das Monaco/Singapur, öfter aber auf relativ einfachen Strecken wie Monza, wo nur der Topspeed gefragt ist. Aber der Sauber ist überall schlecht. In Monza fehlten Bottas acht Sekunden auf die untermotorisierten Alpine. Und satte 16 Sekunden auf Ricciardo, dem wiederum 12 Sekunden auf den F1-Neuling Colapinto fehlten. Zu den Punkten waren es 43 Sekunden. Also verlor Sauber erneut pro Runde 0,8 Sekunden auf den Haas. 110 Sekunden waren es zu Leclerc. Was ungefähr 2 Sekunden pro Runde entspricht. Schlechter kann es eigentlich kaum werden.

Jetzt gibt es zwei Wochen Pause, bis man in Baku startet.

Bilder: Pirelli

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