Ein neuer Macau Grand Prix-Champion ist gekürt – aber die Zeiten, wo das dortige Event mehr oder weniger das Ende der Formel-Saison markiert hat, sind auch Geschichte: Formel 2 und F1 Academy werden die Formel 1 noch bei ihren letzten beiden Events auf der arabischen Halbinsel supporten.
Der neue Macau-Champion heißt: Ugo Ugochukwu. Im September hatte ich noch über seine überraschend schwache Saison geschrieben, und dann haut er zum Saisonende nochmal ein paar Dinger raus: Erst holt er beim FRECA-Saisonfinale im Monza mit Prema seinen ersten Sieg in der Serie (und auch in der Rennklasse), und dann legt er ein paar Wochen später mit einem neuen Team (R-ace GP) ein perfektes Macau-Wochenende hin! Um 14 Tausendstel konnte er Oliver Goethe in der Quali distanzieren, und auch bei allen Starts und Restarts in den zwei folgenden Rennen konnte er den Deutsch-Dänen hinter sich halten. Und es gab eine ganze Reihe Restarts, denn nicht nur gab es die für Macau typischen Unfälle, sondern auch noch zwei Rennunterbrechungen. Am Samstag wurde das Quali-Rennen wegen einsetzenden Regens gestoppt. Das Hauptrennen am Sonntag wurde auf abtrocknender Strecke hinter dem Safety Car gestartet, aber trotzdem kam es beim ersten Passieren der Lisboa-90°-Rechts zu einem Einschlag mit nachfolgenden Auffahrunfällen, was zu einem weiteren Einsatz der roten Flagge führt. Alle Beteiligten waren aber in Ordnung.
Das Hauptrennen konnten nur 12 von 27 Fahrern beenden. Der letzte, der sein Auto in die Leitplanken setzte, war Freddie Slater der Dominator der italienischen F4-Meisterschaft. In seinem ersten FRECA-Rennen wollte er es in der letzten Runde noch aufs Podium schaffen und versuchte, sich vor der Lisboa an Noel Leon vorbeizubremsen, doch der Bremsweg reichte nicht mehr aus, um die enge Kurve zu kriegen. Slater wird nächstes Jahr mit Prema die FRECA in Angriff nehmen; Ugochukwu steigt mit dem italienischen Team in die Formel 3 auf, ebenso wie Noel Leon, der ehemalige Nordamerika-MexicoF4-Champion, der eben auch ein starkes Macau-Wochenende zeigte.
Ein Name, den ich bisher nicht auf dem Schirm hatte, ist Cooper Webster: Der 21-jährige Australier fuhr sich im Hauptrennen von Startplatz 15 bis auf Platz 5 nach vorn (natürlich auch profitierend von Ausfällen), nachdem er im Samstagsrennen seinen guten Quali-Platz in Lisboa in die Wand setzte. Er hat in Europa bisher einmal die GB4 bestritten (Vizemeister), ist ansonsten aber nur in Australien und Indien unterwegs gewesen. Seine für 2024 geplante Eurocup-Saison mit Evans GP fiel ins Wasser. Er gehört aber auch zum Red Bull-ESports-Kader. Bisher ist nicht bekannt, ob er für 2024 noch einmal eine Serie in Europa in Angriff nehmen will (und kann), aber Talent scheint da zu sein.
Formel 2
Dass ich kein Fan der langen Pause und späten Saisonfinals in den Nachwuchsserien bin, schreibe ich seit Jahren. Die Absurdität des Ganzen zeigt sich wieder einmal schön daran, dass die Fahrer, die wir eigentlich um den Titel kämpfen sehen wollen, im Kopf längst woanders sind, weil ihre Pläne für 2025 schon feststehen: Gabriel Bortoleto, der beim letzten Rennwochenende vor zwei Monaten die Meisterschaftsführung übernommen hat, wird 2025 für Sauber (und dann Audi) Formel 1 fahren. Auch Kimi Antonelli ist längst als Nachfolger von Lewis Hamilton bei Mercedes angekündigt (zur Feier des Tages hatte er im FP1 direkt das F1-Auto in die Reifen gesetzt, wir erinnern uns). Zane Maloney wird ab nächstem Wochenende seine erste Formel E-Saison für Abt-Yamaha-Lola bestreiten und kann darum seine F2-Saison, die mit einem krassen Doppelsieg in Bahrain begann – gar nicht erst zu Ende fahren (in Lusail wird er aber noch am Start sein). Bei Hadjar und Aron weiß man noch nicht so recht, was 2025 ansteht, Jak Crawford wird eine weitere F2-Saison mit DAMS bestreiten.
Hinzu kommt, dass Piloten weiter hinten im Feld ihre Saison vorzeitig beenden (wahrscheinlich mal mehr, mal weniger freiwillig), damit andere Piloten, deren Serien bereits beendet sind und die nächstes Jahr in die F2 aufsteigen wollen, schonmal ein paar Testkilometer fahren können. So wird Dino Beganovic nun schon anstelle von Juan Manuel Correa bei DAMS einsteigen, John Bennett ersetzt Enzo Fittipaldi bei van Amersfoort und Richard Verschoor wechselt von Trident zu MP, wo Ex-F3-Champ Dennis Hauger Platz macht. Wir sind also quasi „zwischen den Jahren“ unterwegs und lassen uns mal überraschen, was da kommt. Lusail ist ohnehin ein unbekannter Streifen Asphalt für die Formel 2, mal schauen, welche Teams und Fahrer sich auf die Strecke am besten einstellen können.
Grazie Monza 🇮🇹
That was a special weekend ✨#F2 #ItalianGP pic.twitter.com/Ot1qtY07Mh
— Formula 2 (@Formula2) September 2, 2024
Um den Titel kämpfen de facto nur noch Bortoleto und Hadjar. Maloney ist raus, weil er nur noch eins der beiden Events bestreitet und Aron müsste erstmal selbst zurück in die Erfolgsspur finden und dann noch hoffen, dass beide vor ihm stehenden Konkurrenten patzen, um die 32 bzw. 36,5 Punkte aufzuholen. Gehen wir also von einem Duell Bortoleto vs. Hadjar aus: Der eine ist möglicherweise beflügelt von seinem F1-Aufstieg, der andere könnte gut frustriert sein, weil Red Bull in den letzten Wochen eher darüber nachgedacht hat, Sainz oder Colapinto zu holen, als ihn in die F1 aufsteigen zu lassen. Fahrerisch kann der Franzose was, aber die FP1-Sessions haben das Bild wohl eher getrübt.
Die Grafik zeigt, dass beide stramm Punkte gesammelt haben – bei Bortoleto lief es am Anfang der Saison noch nicht, er legte erst in Europa so richtig los, was für einen Rookie natürlich okay ist. In Monza hatte er riesiges Glück, als ihm im Hauptrennen ein Safety Car zur rechten Zeit in die Hände spielte, sodass er unter Gelb stoppen und vom letzten Startplatz aus das Hauptrennen gewinnen konnte. Das ganze wurde als „Last-to-first“-Heldenstory massiv aufgebauscht, war aber natürlich vor allem riesiges Glück nach einem Crash in der Quali. Es sei aber gesagt, dass er auch im Sprintrennen – ohne Boxenstopp-Glück – von Platz 22 auf Platz 8 nach vorn fuhr, um dann auf die Tausendstelsekunde gleichzeitig mit Dennis Hauger über die Linie zu fahren. Den einen Punkte mussten sich beide teilen, daher der halbe Punkt auf Bortoletos Konto, der am Ende auch über den Titel entscheiden könnte.
Auch Hadjar hatte einen schwachen Saisonstart, konnte aber bereits in Jeddah ordentlich zulegen und punktete von da an kontinuierlich. In Silverstone konnte er die Meisterschaftsführung vom bis dahin konstanten, aber sieglose Paul Aron übernehmen und sah schon wie der sichere Sieger aus. Doch dann hatte er in Monza ein schwaches Wochenende, was durch Pech in der Safety Car-Lotterie verstärkt wurde, und versemmelte in Baku das Qualifying, sodass er dort komplett punktelos blieb und Bortoleto vorbei ziehen lassen musste. Kann sich Hadjar am Ende seiner zweiten Formel 2-Saison nochmal fangen? Das „Momentum“ (5€ in Phrasenschwein) ist aktuell wohl nicht auf seiner Seite, aber wer weiß, vielleicht ist das Pendel ja in der langen Pause auch zurück geschwungen…
Stand:
- Gabriel Bortoleto (Invicta, McLaren Development Driver) – 169,5 Punkte
- Isack Hadjar (Campos, Red Bull Junior Team) – 165 Punkte
- Zane Maloney (Rodin, Sauber Academy) – 135 Punkte
- Paul Aron (Hightech-PulseEight) – 133 Punkte
- Jak Crawford (DAMS) – 116 Punkte
- Andrea Kimi Antonelli (Prema, Ferrari Driver Academy) – 113 Punkte
Nächstes Event: Lusail (29.11.-01.12.)
F1 Academy
Auch die F1 Academy bestreitet nach gut zwei Monaten Pause noch diese letzten beiden Rennwochenende mit der Formel 1. Zuletzt waren sie in Singapur mit am Start und dort sicherte sich Abbi Pulling de facto schon die Meisterschaft. Mit den Saisonsiegen 6 und 7 (aus zehn Rennen), beide von der Pole aus und einmal mit schnellster Rennrunde, schlitterte sie nur um einen Zähler an der maximal möglichen Punktzahl für ein Rennwochenende vorbei. Doriane Pin müsste an den beiden verbleibenden Wochenenden ähnlich stark sein, um den Rückstand von 95 Punkten noch aufzuholen – und vor allem dürfte Pulling kaum ein Pünktchen holen. Dazu wird es wohl kaum kommen.
Beide Pilotinnen sind sehr unterschiedlich insofern, dass sich Pulling voll auf die Formel-Leiter fokussiert, während Doriane Pin sich breit aufstellt und alles fährt, was vier Räder hat. Die Französin ist dieses Jahr parallel in der FRECA angetreten (beste Platzierung: 14. In Le Castellet), sie war bei den 24h von Daytona und bei der WEC in Katar am Start, ist bereits Klassensiegerin beim Spa 24 und hat zwei Le Mans-Teilnahmen und einen Ferrari Challenge-Titel auf dem Konto. Abbi Pulling dagegen ist – parallel zur F1 Academy – in ihrer dritten British F4-Saison und liegt dort auf Platz 7, trotz einiger verpasster Rennen. Wo werden wir die beiden 2025 sehen?
A winning view in Singapore 🤩#F1Academy #SingaporeGP pic.twitter.com/dqeJPrhtIX
— F1 Academy (@f1academy) September 21, 2024
Marta Garcia und Lea Bühler, Meisterin und Vize der F1 Academy 2023, kämpfen sich dieses Jahr in der FRECA ab – und haben die Saison beide punktelos hinter Doriane Pin beendet, wobei Bühler die letzten Rennen schon gar nicht mehr bestritten hat. Es scheint also weiterhin ein schwerer Weg zu sein, sich als Frau im Formel-Motorsport an die Spitze zu kämpfen. Vielleicht hat ja Abbi Pulling eine Chance…
Die nächste F1-Academy-Saison ist jedenfalls auch schon angekündigt: sie wird in Shanghai beginnen und im November enden – in Las Vegas!
Stand:
- Abbi Pulling (Rodin, Alpine Academy) – 245 Punkte
- Doriane Pin (Prema, Mercedes Academy) – 150 Punkte
- Maya Weug (Prema, Ferrari Driver Academy) – 120 Punkte
- Chloe Chambers (Campos, supported by Haas F1) – 103 Punkte
- Nerea Marti (Campos) – 101 Punkte
Nächstes Event: Lusail (29.11.-01.12.)
And the title goes to…
Dass Rafael Camara den FRECA-Titel holen würde, stand bereits vor dem Finale fest. Als Vizemeister hat sich Ex-Ferrari-Nachwuchsmann James Wharton mit einem starken Saisonfinale gegenüber dem aktuellen FDA-Mitglied Tuukka Taponen durchgesetzt. Den Rookie-Titel hat sich Noah Stromsted gesichert.
Auch in der F4 Italia war der Meister schon vor dem Finale in Monza klar: Freddie Slater holte sich nochmal zwei Siege aus drei Rennen und bricht alle Rekorde (15 Siege aus 21 Rennen, 383 Punkte). Australier Jack Beeton konnte auf den letzten Metern noch dem Japaner Hiyu Yamakoshi den Vize-Titel um zwei Pünktchen abluchsen, da der in Monza komplett punktelos blieb. Rookie Champ ist Mercedes-Junior Alex Powell.
In der spanischen F4 hat sich mit zwei Siegen aus den letzten drei Rennen der italienische Rookie Mattia Colnaghi gegen Keanu Al Azhari aus den VAE durchgesetzt, zehn Punkte betrug am Ende der Abstand. Colnaghi war auch in Macau am Start, crashte dort aber zweimal.
(Beitragsbild: Stake Sauber F1)