Das zweite Rennen der NASCAR-Cup-Saison 2025 auf dem Atlanta Motor Speedway hatte es in sich – Christopher Bell war am Ende der glückliche Sieger und tobte vor Freude
“Ich bin der Erste, der sagt: ‚Ich liebe Superspeedways!’”, sagte Christopher Bell mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Der Gibbs-Pilot gewann das zweite Cup-Rennen der Saison 2025 auf dem Atlanta Motor Speedway und sicherte sich damit vorzeitig den Einzug in die Playoffs. In seinem Toyota fuhr der 30-Jährige lange Zeit irgendwo im Nirgendwo, doch in der entscheidenden Phase des Rennens war Bell zur Stelle und sicherte sich den Sieg vor Carson Hocevar und Kyle Larson.
Seit dem Umbau für die Saison 2022 ist Atlanta eine ganz besondere Strecke im NASCAR-Kalender, denn auf dem 1,5-Meilen-Oval wird mit dem Superspeedway-Paket gefahren, also mit 510 Pferdestärken. Das hat zur Folge, dass auf dem Intermediate-Track Pack-Racing herrscht und sich Szenen wie in Daytona oder Talladega abspielen. Im Gegensatz zu den ganz großen Ovalen kommt es in Atlanta aber deutlich mehr auf das Handling des Autos an, und die Fahrer haben die Möglichkeit, ohne die Hilfe eines Pushers Positionen gutzumachen.
In Georgia geht es aber auch um Glück, die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, denn anders als beispielsweise in Kansas, Las Vegas oder Texas sind die Fahrer dann doch auf Windschatten und Pushes angewiesen. Wie im Vorjahr gab es 2025 ein Three-Wide-Finish, das allerdings in der letzten Runde der Overtime durch eine gelbe Flagge vorzeitig entschieden wurde. Bell lag zum Zeitpunkt der Caution hauchdünn vor Hocevar und Larson, während es hinter den Top 3 ordentlich krachte.
Bell völlig aus dem Häuschen
“Ich sage euch, das ist genau das, wovon man träumt”, freute sich Bell beim Siegerinterview auf der Start-Ziel-Geraden. “Wenn man bei einem Superspeedway-Restart in der ersten oder zweiten Reihe steht, weiß man nie, wie es ausgeht. Bisher war dieser Racing-Style [Superspeedways] immer ein Problem für mich. Zu Beginn des Tages hingen wir am Ende des Feldes fest. Aber Adam [Stevens, Crew-Chief] und das Team haben es am Ende geschafft.“
Bell sagt, dass er in der zweiten Hälfte des Rennens Vollgas geben konnte und dadurch konkurrenzfähig wurde. In den ersten beiden Stages, die von Josh Berry und Larson gewonnen wurden, war er nicht zu sehen, aber die Veränderungen am Auto während der Boxenstopps und die Strategie brachten ihn immer näher an die Spitze heran. Die Aufholjagd vergoldete er schließlich mit seinem ersten Saisonsieg.
Hocevar macht sich Feinde
Hocevar fuhr mit Platz zwei sein bisher bestes Cup-Ergebnis ein, doch zu welchem Preis? Der Spire-Pilot hatte es sich mit Ryan Blaney und Ross Chastain verscherzt, was nach dem Rennen zu hitzigen Diskussionen führte. Während Chastain nicht verraten wollte, was er dem 22-Jährigen mit auf den Weg gegeben hatte, war Blaney offener, denn der Penske-Pilot war stinksauer und teilte das vor laufender Kamera mit den Fans.
“Ich habe ihm gesagt, dass er ruhiger sein muss, denn einige Manöver, auch früher im Rennen, waren falsch”, sagte der Champion von 2023, der sich 27 Runden vor Schluss nach einem Rempler von Hocevar drehte. “Er wusste, dass er mich dort nicht drängen konnte. Er ist mir einfach ins Heck gefahren, als ich die Kurve nehmen wollte. Ich habe ihm gesagt, dass er viel Talent hat, aber in solchen Situationen ruhiger und cleverer sein muss.“ Blaney wurde trotz des Zwischenfalls Vierter.
Der Spire-Youngster schien die Kritik zu akzeptieren, freute sich aber auch über die Chance, vorne mitmischen zu können: “Ich muss noch einiges lernen und besser werden, aber wir haben uns in die perfekte Position gebracht, um ein Rennen zu gewinnen. Diese Chance hatte ich noch nie – vor allem nicht auf Superspeedways. Vielen Dank an alle bei Spire Motorsports.“
Larson lässt den Knoten (fast) platzen
43 Starts auf Superspeedways, null Siege, ein durchschnittlicher 23. Platz und 16 Ausfälle durch Crashs – das ist die bittere Bilanz von Larson auf den Drafting-Strecken der NASCAR. Doch nun hat der Hendrick-Pilot mit Platz drei einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der Champion von 2021 gilt als eines der größten Talente in der NASCAR, konnte auf den Superspeedways bislang aber noch nicht überzeugen. In Atlanta verpasste er den Sieg knapp, ist aber mit Platz drei zufrieden.
“Es fühlt sich gut an, es [endlich ein Atlanta-Rennen] beendet zu haben”, sagte Larson. “Es hätte sich noch besser angefühlt, wenn ich gewonnen hätte, aber es fühlt sich auch gut an, es in die dritte Stage und ins Ziel geschafft zu haben. Aus meiner Sicht war der Kampf sehr unterhaltsam und ich hatte wirklich eine tolle Zeit. Wir hatten wieder Siegchancen, die wir eigentlich immer haben. Es ist hier einfach nicht wie in Daytona oder Talladega wie ein Zug auf Schienen, hier ist das Fahrverhalten der Autos schlecht, deshalb ist viel Bewegung im Feld.“
NASCAR und die Gelbphasen
Am Ende fuhren Bell, Hocevar und Larson in der Overtime zu dritt nebeneinander auf die Ziellinie zu. Damit bahnte sich ein Foto-Finish wie 2024 an, das damals Daniel Suarez für sich entschied. Doch Fans und Fahrer wurden um dieses Finish beraubt, als NASCAR in der letzten Runde die gelbe Flagge auspackte, weil es hinter dem Trio zu einem Big-One kam.
Aber war das die richtige Entscheidung? Die drei Spitzenfahrer blieben bis zur Zielflagge auf dem Gas, es bestand keine Gefahr auf der Strecke. Hat NASCAR bei dem Unfall etwas gesehen, was sie dazu veranlasst hat, das Rennen sofort zu neutralisieren, um Hilfe auf die Strecke zu schicken? Diese Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, solange keine offizielle Erklärung vorliegt, aber Daytona und Atlanta haben zwei völlig unterschiedliche Szenarien gezeichnet, wie NASCAR mit Crashs in der letzten Runde umgehen kann.
Foto: NASCAR Media / Jonathan Bachman/Getty Images