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Super Formula: Tomoki Nojiri – endlich ein Champion

von geinou
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Am vergangenen Sonntag hat sich Tomoki Nojiri erstmals in seiner Karriere zum Meister in der japanischen Super Formula gekrönt. Für den Honda-Piloten ging damit eine langjährige Odyssey zu Ende, für die er bereits seit 2014 vorbestimmt war.

Tomoki Nojiris Leistung in der diesjährigen Super-Formula-Saison kann mit vielen Adjektiven beschrieben werden. Dominant wäre eines. Gigantisch ein anderes. Wie beeindruckend sein Jahr mit bislang drei Siegen war, zeigt vor allem, dass die Titelentscheidung bereits beim vorletzten Rennen fiel. Zuletzt gelang dies André Lotterer im Jahr 2011, wobei das damalige Saisonfinale aus zwei Sprintrennen – ebenfalls in Motegi – bestand. Wirklich beim vorletzten Event des Jahres fiel die Entscheidung 2009, als sich Loic Duval zum Meister der ehemals Formula Nippon genannten Rennserie krönte.

Photo by Y. Sezaki

Ein zentrales Element waren nicht nur die drei bisherigen Saisonsiege. Diese Anzahl erreichte 2018 auch Naoki Yamamoto, als die Meisterschaft mit lediglich einem Pünktchen Vorsprung vor Nick Cassidy gewann. Es war vor allem Tomoki Nojiris Konstanz. Während seine direkten Rivalen patzten, fuhr der Honda-befeurte Mugen-Pilot kein Ergebnis außerhalb der Top-6 ein – und dieses wird voraussichtlich nicht mal in der endgültigen Punkteabrechnung auftauchen, zwei Streichresultate sei Dank. Diese wurden erstmals 2020 aufgrund der Pandemie eingeführt, um gegen die Quarantänebestimmungen für die global aktiven Fahrer*innen vorzubeugen. Was letzte Saison gut funktionierte, hatte heuer kaum für Vorteile gesorgt, da sich insbesondere der Kalender mit der WEC so stark überschnitt, dass Namen wie Kazuki Nakajima, Kamui Kobayashi und Tatjana Calderon nahezu alle oder zumindest einen Großteil der Rennen auslassen mussten.

Tomoki Nojiri ging mit solch einem schieren Vorsprung ins vorletzte Rennen, dass er nach der Qualifikation lediglich mindestens Vierter werden musste, um aus alleiniger Kraft sich zum Champion zu krönen. Toshiki Oyu, Yuhi Sekiguchi und Nirei Fukuzumi brauchten mindestens den Silberrang oder einen Sieg, um die Entscheidung nach Suzuka zu vertagen. Ryo Hirakawas mathematische Chancen gingen gar bereits nach der Qualifikation von dannen, da er neben einem Sieg auch die drei Bonuszähler für die Pole-Position benötigte. Nojiri zeigte sich mit Startplatz drei stark. Die Konkurrenten patzten hingegen erneut. Yuhi Sekiguchi schaffte es lediglich auf Startposition sechs; Toshiki Oyu und Nirei Fukuzumi kamen hingegen nicht über den achten und 14. Rang hinaus. Was zumindest auf dem Papier als quasi sichere Nummer galt, wurde letztlich aber doch noch zur Zitterpartie, denn das Wetter hatte seine eigenen Pläne.

Bereits am Samstag sorgten kurze Regenschauer für zusätzliche Würze in der Qualifikation. Profiteur war Nojiris Teamkollege Hiroki Otsu, der als einziger in Q3 auf Slicks setzte – und so mit über 4 Sekunden Abstand seine allererste Pole-Position einfuhr. Am Sonntagmorgen öffnete der Himmel dann endgültig seine Schleusen. Pünktlich zum Rennstart hörte dieser zwar wie vom japanischen Wetterdienst vorhergesagt auf. Die Strecke war jedoch noch nass. Die Rennleitung deklarierte das Rennen deshalb zum Wet Race, weshalb sich die Pilot*innen mit den Regenreifen von Serienausstatter Yokohama auf die Reise begaben – und das Drama seinen Lauf nahm. Tomoki Nojiri war nämlich komplett auf Trockenabstimmung unterwegs und hatte folglich enorme Probleme, seine Pneus auf Betriebstemperatur zu bringen. Kurzzeitig fiel der Mugen-Pilot deshalb bis auf den achten Rang zurück. Nachdem Toshiki Oyu wegen einer Berührung mitsamt Notstopp eine Runde zurückfiel, blieb somit lediglich Yuhi Sekiguchi als Rivale im Spiel, der sich auch auf den fünften Platz vorarbeiten konnte. Wäre Nojiri noch einen Platz nach hinten gefallen und hätte Sekiguchi das Rennen auf dem Silberrang beendet, wäre die Entscheidung nach Suzuka vertagt worden. Auf abtrocknender Strecke kämpfte sich Nojiri jedoch zurück.

Brisant wurde des Rennen aufgrund gleich drei Safety-Car-Phasen. Zunächst drehte sich Sacha Fenestraz, der nach zehnmonatiger Abwesenheit endlich wieder nach Japan einreisen durfte, und als einer der Ersten auf Slicks setzte. Dadurch kam das Feld nicht nur wieder zusammen. Nahezu alle Teams entschieden sich für einen vorzeitigen Wechsel auf den Trocken-Gummi. Einzig Ryo Hirakawa, Nirei Fukuzumi und Naoki Yamamoto entschieden sich gegen einen Wechsel. Letzterer erlebte nach dem Transfer von Dandelion Racing zu Nakajima Racing ein katastrophales Jahr, hatte auf Position zwei aber bis zu dieser Fehlentscheidung erstmals wieder Chancen auf den Sieg. Kurz nach dem Restart mussten auch die drei genannten Piloten eingestehen, dass die Strecke nicht mehr feucht genug für die Schlechtwetter-Pneus war. Dadurch übernahm Hiroki Otsu wieder die Führung, die er trotz alle Bemühungen von Sena Sakaguchi auch nicht mehr bis zum Ende abgeben sollte. Auch Sekiguchi und Nojiri rückte weiter nach vorne. Zwei weitere Safety-Car-Unterbrechungen – einmal für einen Crash von Tatjana Calderon wegen eines defekten Gaspedals sowie für eine Karambolage zwischen Naoki Yamamoto und Ryo Hirakawa – hielten das Feld eng beinander.

Dies machte sich insbesondere Yuhi Sekiguchi zu Nutzen. Denn während sein Meisterschaftsrivale auf dem fünften Rang hinter ihm festhing, kämpfte sich der Impul-Fahrer kurzzeitig bis auf den dritten Rang vor. Er konnte allerdings nicht ganz das Tempo der ersten Runden nach dem Restart beibehalten, geschweige einen Angriff auf Otsu and Sakaguchi wagen. Als er kurz vor der Zielflagge dann auch noch wegen eines Fehlers wieder auf die vierte Position hinter Nobuharu Matsushita zurückfiel, war die Entscheidung endgültig besiegelt. Ein fünfter Platz reichte Tomoki Nojiri somit, um mit geballter Siegerfaust als diesjähriger Champion über die Ziellinie zu rollen. Die Anspannung vor dem Rennen war dem sonst immer relativ gelassen wirkenden 31-Jährigen deutlich anzuspüren. Beim Interview mit dem japanischen Fernsehen gab er zu, dass er von Samstag auf Sonntag aufgrund des Drucks kaum schlafen konnte. „Nun spüre ich die Größe der vorherigen Champions wie Naoki Yamamoto und ich möchte die Erfahrung nutzen, um besser und schneller zu werden“, so Nojiri.

Überraschenderweise ist dies der erste Titel für Tomoki Nojiri seit seinem Triumph in der FA-Klasse der japanischen Kart-Meisterschaft im Jahr 2006. Es ist gleichzeitig ein Dankeschön an Honda für das Vertrauen, das man ihm seit seinem Wechsel in der japanischen Formel-3-Meisterschaft auf einen Antrieb der Marke im 2012 schenkte. 2014 debütierte Nojiri mit Dandelion Racing in der Super Formula. Bereits im sechsten Rennen gewann er im Sportsland SUGO – eine der härtesten Strecken des Kalenders. Damit war der Japaner der erste wahre Rookie seit 2006, der ohne vorherige Formel-1-Erfahrung in seiner Debütsaison triumphieren konnte. Damals bezeichnete ich ihn als Hondas zukünftigen „golden boy“ – doch in den darauffolgenden beiden Jahren sollten lediglich drei Bronzeränge folgen.

Photo by Y. Sezaki

Nojiri bewies schnell sein schieres Talent, blieb häufig aber glücklos oder nicht konstant genug. 2017 gelang ihm lediglich ein Top-8-Resultat, nachdem er sich das Jahr zuvor nicht gegen den einjährigen Japan-Abstecher des damaligen GP2-Champions Stoffel Vandoorne behaupten konnte, der gleich zwei Siege einfuhr. Ein Jahr drauf brach er jedoch endlich wieder das Eis, als ihm direkt zum Auftakt der Sprung aufs Podium gelang. Und auch in der Super GT fuhr er in der GT500-Klasse zwei Siege von der Pole-Position kommend ein. Fortan war ein Wandel erkennbar. Von außen betrachtet änderte sich kaum etwas an Nojiris Fahrstil. Sein Auftreten wurde jedoch deutlich sicherer. Zugleich wurden seine Ergebnisse nicht nur konstanter, er machte sich auch insbesondere in der Super GT als Qualifying-Spezialist einen Namen. Umso weniger verwunderlich ist es, dass bei einer anonymen Umfrage des japanischen Magazins Auto Sport unter den Fahrern und Ingenieuren, Tomoki Nojiri zu einem der drei schnellsten Piloten gewählt wurde. Insbesondere sein perfektes Setup-Feedback wie auch das Gespür für die richtigen Abstimmungsänderungen wurden hervorgehoben. Nojiri selbst ließ sich diese Auszeichnung nicht zu Kopf steigen, vertrat gar eine gar eine andere Meinung – eine Tugend, die er bis heute beibehalten sollte.

Photo by Y. Sezaki

2019 tauschte Tomoki Nojiri nach fünf Jahren bei Dandelion Racing das Cockpit mit Naoki Yamamoto und wechselte zu Mugen. Die Änderung machte sich bezahlt: Beim Saisonfinale in Suzuka sprang er erstmals wieder auf die oberste Podiumsstufe. Mit Tabellenrang vier feierte er zudem seine bis dato beste Saison. Vergangenes Jahr bestätigte er die Leistung nicht nur mit seinem dritten Karriereerfolg am Autopolis Circuit. Erstmals fand er sich auch mit mathematischen Chancen im Titelgeschehen wieder. Das Saisonfinale am Fuji Speedway startete er von der Pole-Position – ein technischer Defekt zwang ihn jedoch zur vorzeitigen Aufgabe. Eines war jedoch klar: 2021 würde Tomoki Nojiri einer der Hauptanwärter auf den Titel sein.

Photo by Y. Sezaki

Just an jenem Ort, an dem seine Titelträume ein Jahr zuvor platzten, bestätigte Nojiri auch diese Rolle von der Pole-Position aus. Der zweite Streich nach Fuji folgte zugleich, als er auch das Rennen in Suzuka gewann. Der dritte Sieg folgte dann Ende August beim ersten von zwei Gastspielen auf dem Twin Ring Motegi. Damit fuhr der diesjährige Champion in lediglich einer Saison just so viele Siege wie in den letzten sieben Jahren zusammen ein – und das Saisonfinale steht noch aus. Keines der Rennen zeigte seine Entschlossenheit aber besser als die stark verkürzte Regenschlacht am Autopolis Circuit. Vom siebten Platz startend, war der Mugen-Pilot mit Abstand der schnellste Fahrer im Feld, bis das Rennen aufgrund von Starkregen sowie Nebel nach nur elf Runden endgültig abgebrochen werden musste.

Lediglich sechs dieser Umrundungen fanden unter grün statt – und Nojiri machte das Meiste daraus, indem er sprichwörtlich übers Wasser ging. Keine Frage: Wäre das Rennen über die volle Distanz gegangen, hätte er den Triumph von Überraschungssieger Giuliano Alesi sicherlich noch strittig machen können. Da am Ende nur halbe Punkte ausgezahlt wurden, zählt der Autopolis-Lauf zu einem seiner „schlechtesten“ Ergebenisse und somit zu einem der beiden Streichresultate. Viel wichtiger war jedoch das Statement, dass er mit seiner Leistung abgab: Die Titelentscheidung werde nur über ihn gehen.

Und so sollte es auch letztlich kommen. Obgleich sich Tomoki Nojiri im Sportsland SUGO mit dem sechsten Rang (Startplatz zehn) eine kleine Formschwäche erlaubte, kehrte er einen Lauf später am Twin Ring Motegi triumphal zur alten Stärke zurück. Ein Rennen später hieß es dann bereits „Spiel, Satz und Sieg“. Zusammen mit dem Debüterfolg von Rookie Hiroki Otsu war es somit ein perfekter Tag für die Mugen-Truppe, die erstmals einen Sieg von beiden Autos in einer Saison bejubeln konnten. Schon jetzt ist klar: 2021 war eine der stärksten Saisons des letztlichen Titelgewinners seit Beginn der JRP-Ära 1996. Beim Interview mit der japanischen Presse zeigte sich Tomoki Nojiri jedoch gewohnt bescheiden, sprach gar von einem Minderwertigkeitskomplex: „Auf meinen bisherigen Werdegang zurückblickend, erhielt sich seit meiner Kart-Zeit von vielen Leuten Unterstützung. Ich denke aber, dass ich bisher häufig nicht so gut gefahren bin, weswegen sich so etwas wie ein Minderwertigkeitskomplex bei mir entwickelte.“ Der erste Titelgewinn seit seiner Kart-Tage gelang just im dritten Jahr nach dem Wechsel von Dandelion Racing zu Mugen. „Ich muss mich bei vielen Leuten bedanken, dank denen ich endlich diesen Punkt erreicht habe. Ich habe das Gefühl, dass ich von vielen Menschen gestärkt und unterstützt werde. Ich selbst sehe mich als schwachen Menschen. Die Stärke der Menschen um mich herum ist deshalb alles für mich.“

Photo by Y. Sezaki

Auf den Lorbeeren möchte sich der frischgekürte Meister natürlich nicht ausruhen. Seine Augen sind bereits auf das Finale, des prestigeträchtigen JAF Grand Prix in Suzuka am Halloween-Wochenende, gerichtet, um die Saison würdig eines Champions abzuschließen. „Von nun an wird der wahre Wert von einem in Frage gestellt, denke ich. Ich will also sicherstellen, dass dies nicht das Ende ist, weshalb ich noch stärker kämpfen möchte.“ Übrigens: Der SF19-Bolide von Tomoki Nojiri trägt diese Saison eine Sonderlackierung mit Danksagung an alle Frontline-Arbeiter*innen aus dem Medizinwesen, die unermüdlich seit Beginn der Pandemie am kämpfen sind. Wie passend also, dass just jene Auto-Fahrer-Kombination mit solch einer tollen Botschaft den Titel gewonnen hat.

Copyright Photos: Japan Race Promotion (JRP), Y. Sezaki, Honda

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