Die IMSA startet mit den legendären 24h von Daytona in eine Art Übergangssaison. Über den Winter hat sich einiges getan.
Weniger Prototypen, keine GTE-Klasse mehr. Auf dem Papier sieht es so aus, als ob die IMSA geschrumpft, aber das täuscht ein wenig. Mit der Einführung der neuen Prototypen-Klasse LMDh im nächsten Jahr wird vor allem die Spitze wieder breiter und vor allem werden große Hersteller ihren Einstand geben. Zugesagt haben bisher: Acura, Audi, BMW, Cadillac und Porsche. Ab 2024 wird Alpine dazustoßen. Bekanntermaßen werden die LMDh, die im Grunde eine Weiterentwicklung der DPi mit einem Einheits-Hybrid-Antrieb sind, auch in Le Mans starten. Die Hypercars, also Toyota, Peugeot, Glickenhaus und der kommende Ferrari (2023) sollen dann über eine BoP mit den LMDh gleichgesetzt werden. Wer dann von den Europäern auch die komplette IMSA-Saison fahren wird bzw. darf (noch ist die Zulassung in Amerika nicht fix), wird man sehen. Aber vermutlich könnten einige 2023 zumindest Daytona und Sebring als Test für Le Mans nutzen.
Die guten Aussichten sind also da, aber 2022 wird es nochmal ein wenig ein- bzw. zweiseitig in der DPi-Klasse. Nach dem Rückzug des letzten Mazda bleiben fünf Cadillac und zwei Acura in der Serie. Außerhalb der vier Endurance-Rennen (Daytona, Sebring, Watkins Glen, Petit Le Mans) wird der Ally-Cadillac von Jimmie Johnson allerdings nicht an den Start gehen, was die Zahl der Prototypen auf sechs reduzieren wird. Die verbliebenen Teams nutzen das Jahr 2022 für eine Art Probesaison für 2023, vor allem für die Fahrer.
Chip Ganassi hat sich für seine Cadillac eine illustre Mannschaft zusammengestellt. In der #01 sitzen Renger van der Zande, Sebastian Bourdais, Scott Dixon und IndyCar-Champion Álex Palou. In der #02 hat Ex-Porsche-Werkspilot Earl Bamber eine neue Heimat gefunden, dazu kommen Alex Lynn, Marcus Ericsson und Kevin Magnussen, der im letzten Jahr seine Klasse in den DPi mehrfach unter Beweis gestellt hat. Damit hat Ganassi eine extrem schnelle, junge und gleichzeitig erfahrene Mannschaft, die man erst mal schlagen muss.
Mehr auf Erfahrung setzt man bei JDC-Miller, die weiterhin dank Unterstützung von Mustang Sampling in der IMSA unterwegs sind. In der #5 nehmen Platz: Tristian Vautier, Richard Westbrook, Loïc Duval und Ben Keating. Der aus der P2 und GT3 bekannte Bronze-Pilot Keating bringt etwas Geld ins Team und ist nicht zwangsläufig ein schwaches Glied in der Kette. Er wird seine Mindestfahrzeit absolvieren und gilt als sehr schneller Amateur.
Bei der Meister-Mannschaft von Whelen (AXR) gibt es eine prominente Neubesetzung. Felipe Nasr ist nun bei Porsche unter Vertrag, dafür ist Tristan Nunez dauerhaft im Team. Ergänzung Conway bringt zwei WEC-Titel und jede Menge Know-how von Toyota mit, was nun nicht das schlechteste Zeugnis ist.
Auf der Pole sitzt in diesem Jahr der Konica-Minolta-Acura von Wayne Taylor. Mal wieder, könnte man sagen. Es gibt wohl kaum ein Team aus den letzten Jahren, das derartig erfolgreich in Daytona war. Ricky Taylor, Alexander Rossi, Will Stevens und Felipe Albuquerque bilden das Quartett. Damit ist man vielleicht nicht mehr ganz so namhaft-prominent besetzt wie mit Alonso und Kobayashi im Jahr 2019, aber der WTR sollte konstant schnell unterwegs sein.
Der schon angesprochene Ally-Cadillac (AXR) wird ja so halb von Hendrick Motorsport eingesetzt, und Jimmie Johnson hat sich wohl dieses Jahr was vorgenommen. Für Daytona hat er sich die Hilfe von Mike Rockenfeller, Kamui Kobayashi und Jose Maria Lopez gesichert. Gleich drei Le-Mans-Sieger im Auto zu haben, kann sicher nicht schaden. Zu Lopez muss man sagen, dass er in Daytona noch nicht gefahren ist, was ein kleines Fragezeichen hinter seinem Namen setzt. Auf der anderen Seite ist Daytona jetzt nicht gerade eine schwer zu beherrschende Strecke.
Der zweite Acura kommt wieder von Meyer Shank Racing und da gab es einen größeren Umbau. Oliver Jarvis, Tom Blomqvist, Helio Castroneves und Simon Pagenaud werden die #60 durch Daytona und Jarvis/Blomqvist durch das Jahr pilotieren und versuchen die Phalanx der Cadillac in Schach zu halten.
Bei einem so kleinen und engen Feld ist es schwer, einen Favoriten auszumachen. Doch da Chip Ganassi mit zwei Autos und Werkspower unterwegs ist, dürfte er einen kleinen Vorteil gegenüber der Konkurrenz haben. Er kann sich bei einem komplizierten Rennverlauf dazu entscheiden, die Autos auf unterschiedliche Strategien zu setzen, was am Ende den Unterschied machen kann. Bei den anderen Teams kann nur Cadillac-Bruder AXR ähnliches probieren – auch wenn die Ally-Nennung meist etwas autark ist.
LMP2
Immerhin zehn Starter gibt es in der LMP2, was schon mal ein ordentliches Feld darstellt. Vor allem die europäischen Starter geben der Division reichlich große Namen. Doch auch die Nordamerikaner haben aufgerüstet. Das fängt schon bei Tower Motorsport an. Die Petit-Le-Mans-Sieger von 2021 und 2020 gehen mit Teambesitzer John Farano, Louis Deletraz, Ferdinand Habsburg und Rui Andrade ins Rennen. Letzter kommt aus der ELMS, wo er letztes Jahr mal einen dritten Platz holen konnte.
PR1 Mathiasen hat ein interessantes Line-up im Hauptauto. In der #11 sitzen Harry Tincknell, Jonathan Bomarito (beide gestrandet von Mazda) und Steven Thomas, der das Geld ins Team bringt. Daneben wird aber noch Josh Pierson starten. Der gerade mal 15 Jahre (geboren 2006) alte Pilot ist eigentlich bei United unter Vertrag, die ihn dieses Jahr in Le Mans starten lassen wollen. Damit der Junge vorher schon mal in der Nacht fährt, hat man ihn bei PR1 untergebracht. Als Visitenkarte hat er nur zwei Saisons in der U.S. F2000 Serie in den USA, wo er aber letztes Jahr auf P4 in der Meisterschaft kam.
Im zweiten Auto von PR1 finden sich ebenfalls interessante Namen. Mikkel Jensen, Scott Huffacker und Nicolas Lappierre. Dazu kommt noch mal Ben Keating, der offenbar mal wieder einen Doppel-Einsatz neben den DPi fährt. Die sollte man wirklich auf der Liste der möglichen Klassensieger haben.
Era Motorsport setzt dagegen auf etwas mehr Erfahrung. Mit Dwight Merriman, Kyle Tilley, Ryan Dalziel und Paul-Loup Chatin hat man eine ordentliche und schnelle Besetzung für den Oreca gefunden. Die Era-Mannschaft sollte man nicht unterschätzen und ich traue denen durchaus ein Podium in Daytona zu – oder wie 2021 den Sieg.
Das gilt auch für High Class Racing. Das seit etlichen Jahren etablierte Team kommt mit Dennis Andersen, Anders Fjordbach, Nico Müller und Fabio Scherer. Alles sehr schnelle Leute, vor allem, wenn man bedenkt, dass Andersen als Bronze eingestuft ist. Durchaus also ein Kandidat für den Sieg.
Den hätte United Autosports von Zak Brown sicher auch gerne. Dieses Jahr hat man ein Auto am Start und fahren werden es Will Owen, Phil Hanson und Guy Smith, der Bronze-Pilot ist James McGuire. Der 61-Jährige bringt auch bei United das Geld rein und ist bisher nur vereinzelt Rennen gefahren. Er dürfte der Hemmschuh für den Sieg sein und angesichts der sehr starken Konkurrenz sehe ich United nicht vorne. Hängt aber davon ab, wie schnell man McGuire die Mindestfahrzeit absolvieren lassen kann. Da helfen lange Gelb-Phasen ja immer.
Immer gerne als Favorit genannt ist das Racing Team Nederland, aber das hatte in den letzten Jahren bei den großen Events immer wieder Pech. Teambesitzer Frits van Eerd gibt den Bronze-Fahrer, der er aber eigentlich so nicht mehr ist. Dazu kommen Giedo van der Garde, Dylan Murray und Rinus van Kalmthout. Nie gehört? Das ist Rinus VeeKay, der in Daytona unter seinem richtigen Namen startet oder zumindest in der Nennliste so steht. In der Kombination sollte man das Podium anvisieren können, wenn VeeKay nicht wieder einen seiner Aussetzer hat.
G-Drive ist gleich mit zwei Autos am Start und beide sind gut besetzt. In der #68 werden sich René Rast, Ed Jones, Oliver Rasmussen und Francois Heriau versuchen. Der Däne Rasmussen kommt aus den europäischen Formel-Serien, wo er 2020 hauptsächlich in der F3-Regional-Serie überzeugen konnte. In der F3 kam er im letzten Jahr für HWA allerdings nicht über P25 raus. Heriau ist ein alter Bekannter. Der 38-jährige Gentleman Driver war immerhin Dritter in der ELMS-Meisterschaft 2019.
Im zweiten G-Drive mit der #69 werden Haudegen John Falb, James Allen, Luca Ghiotto und der niederländische Nachwuchsfahrer Tijmen van der Helm unterwegs sein. Van der Helm hat eine eher mittelmäßige Karriere in diversen Nachwuchsserien hinter sich, ist aber als Silber eingestuft, was ich nicht so ganz verstehe. Die spannende Überraschung ist sicher Ghiotto. Der langjährige F2-Fahrer versucht sich nun nach diversen anderen Ausflügen in der IMSA.
Auch DragonSpeed hat ein gutes Team zusammengestellt. Colton Herta, Pato O’Ward, Devlin DeFrancesco und Eric Lux haben das Podium in Daytona anvisiert. DeFrancesco war letztes Jahr schon für DragonSpeed unterwegs, Eric Lux ist in verschiedenen Klassen der IMSA unterwegs gewesen und kennt die Serie gut. Als Gentleman Driver ist der Bronze-Pilot gut gewählt.
Alles in allem ist das ein sehr gutes Feld für die LMP2 in Daytona. Der Einsatz guter Bronze-Piloten gemischt mit vielen jungen Nachwuchspiloten dürfte für Spannung sorgen. Allerdings sind Teams wie Racing Team Nederland oder High Class etwas im Vorteil, weil da „Quasi“-Bronze-Fahrer unterwegs sind. Die Abstände dürften am Ende des Rennens relativ groß sein, je nachdem wie die Cautions fallen.
LMP3
Ein kurzer Blick in die LMP3 verrät, dass das Feld teilweise durchaus gut besetzt ist. Da hier vor allem Amateure und sehr junge Nachwuchsfahrer zum Einsatz kommen, steht die P3 immer etwas unter kritischer Beobachtung. Gerade in einem Jahr, in dem es mit 61 Startern auch in Daytona eng werden kann, wird viel von der Aufmerksamkeit der P3-Fahrer abhängen. Allerdings hat die Klasse im letzten Jahr bewiesen, dass sie keine „Crash-Klasse“ sein muss. Ein paar Teams möchte ich nennen:
Mühlner Motorsport ist wieder dabei und die muss man gleich unter die Favoriten packen. Das Team von Bernhard Mühlner kennt den Duqueine D08 in- und auswendig und hat mit Moritz Kranz und Joel Miller zwei sehr, sehr gute Piloten im Team. Zu Efrin Castro: Er ist ein 46-jähriger Gentleman Driver aus dem Porsche Cup NA; und Ayrton Ori ist 17 und kommt aus iRacing und Formel-Nachwuchsserien. Da war er allerdings nicht schlecht unterwegs. Der zweite Mühlner ist mit Ugo de Wilde, CR Crews, Cameron Shields und Nolan Siegel besetzt.
Vielleicht etwas überraschend ist, dass man den Namen Andretti in der P3 findet, aber die waren auch schon im letzten Jahr mal in der Klasse. Die Familie setzt auf den Sohn von John Andretti, Jarett Andretti, der allerdings auch schon 29 ist und eher nebenbei fährt. Dazu kommen Gabby Chaves und zwei Nachwuchsfahrer. Josh Burdon stammt aus Australien und hat bisher mit seinen ebenfalls 29 Jahren allen voran GT3-Rennerfahrung sammeln können. Dagegen ist der 20-jährige Rasmus Lindh aus Schweden schon ein alter Hase im Prototyp. Der kommt von Performance Tech, wo er im letzten Jahr den dritten Platz in der P3-Meisterschaft gewinnen konnte.
Ebenfalls nennen möchte ich noch Core Autosport. Die haben ja, nach dem Verlust des Porsche-Werksvertrags und dem Rückzug aus den DPi, nur noch Einsätze in der P3. Teambesitzer Jon Bennett hat weiter Colin Braun neben sich. Dazu kommen George Kurtz und Nic Jonsson. Das klingt nicht nach einer gemütlichen Daytona-Runde zum Spaß für Jon Bennett, und Core sollte zu den Favoriten gezählt werden.
Die komplette Entry-List gibt es hier. Die GT-Serien folgen in einem eigenen Eintrag.