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Formel Eins: „Was auch immer das in Saudi-Arabien 2022 war“ – Analyse

von Chaos
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Das Wochenende in Saudi Arabien war mal wieder so ein F1-Wochenende, bei dem man gar nicht erst weiß, wo man anfangen soll.

Vielleicht der Wichtigkeit halber zuerst: Keine Sportart, inklusive der Formel 1, sollte in Saudi Arabien oder sonstigen autokratischen bzw. diktatorischen Ländern Events abhalten. Diese Länder werden nicht durch die Austragung westlicher Sportevents demokratisiert. Beweise dafür gibt es mehr als genug. Den Menschen geht es vielleicht auf dem Papier hinsichtlich Grund- und Menschenrechten etwas besser, die Realität sieht aber oft anders aus – und wenn doch, dann ist die Verbesserung vermutlich nur von kurzer Dauer. Auch dafür fanden sich schon genug Beispiele, bevor die Formel Eins den sehr lukrativen Vertrag zur Austragung diverser Grand-Prix in Saudi-Arabien abschloss. Den Verantwortlichen dürfte damals klar gewesen sein, dass durch einen F1-Grand-Prix sich wenig bis gar nichts in dem Land für die Menschen verbessern dürfte. Falls man wirklich daran geglaubt hatte, ist es ein krasser Fall von Geschichtsignoranz.

Bei allem Verständnis dafür, dass man verpflichtet ist Geld zu verdienen, und in autokratischen bzw. diktatorisch geführten Staaten für den Antritt deutlich mehr Geld kassiert als in den westlichen Demokratien, sollte man sich im Angesicht der aktuellen Ereignisse doch überlegen, ob es noch zu verantworten ist, den entsprechenden Ländern diese Bühne und diesen Einfluss durch die Austragung eines F1-Grand-Prix zu gewähren.

Saudi-Arabien ist selbst unter den autokratischen Staaten in den die F1 sonst so fuhr und fährt zu einem gewissen Maß „Next-Level“. Dennoch und trotz der zu diesem Zeitpunkt schon laufenden militärischen Intervention Saudi-Arabiens im Jemen (welche allerdings auch von westlichen Staaten unterstützt wird) entschied man sich für die Austragung des Grand-Prix, und an diesem Wochenende hat man dafür „die Quittung“ bekommen.

Dass ein Umdenken bei den Verantwortlichen dadurch einsetzt, darf bezweifelt werden.

Doch was ist eigentlich passiert? Während des ersten freien Trainings stiegen plötzlich Rauchwolken hinter der Strecke auf. Es stellte sich heraus, dass die Huthi-Rebellen, welche Beteiligte des militärischen Konfliktes im Jemen sind (s. o.), eine nur wenige Kilometer von der Strecke entfernt liegende Industrieanlage des Ölkonzerns und F1-Sponsors Aramco, vermutlich mittels einer Drohne, in Brand geschossen hatten. Als Reaktion gab es vor dem 2. freien Training ein Treffen aller Teamchefs, Fahrer und sonstiger Verantwortlichen. Dort wurde beschlossen, dass das 2. freie Training absolviert wird. Nach dem 2. freien Training gab es dann noch ein weiteres Treffen, bei dem man sich nach einer Versicherung durch die saudi-arabischen Behörden, dass die Sicherheit gewährleistet wird, entschied das Grand-Prix-Wochenende zu absolvieren. Es gab auch Gerüchte darüber, dass angedeutet wurde, das Verlassen Saudi-Arabiens sei bei einer Absage des Grand Prix möglicherweise erschwert. Diese ließen sich jedoch nicht verifizieren oder gar bestätigen.

Inwiefern es verantwortungsvoll ist, den Grand-Prix zu fortzuführen, wenn wenige Kilometer entfernt Industrieanlagen im Rahmen eines militärischen Konflikts in Brand geschossen werden, mag jeder für sich selbst bewerten. Bei der Entscheidung der Verantwortlichen dürften natürlich auch finanzielle Aspekte eine tragende Rolle gespielt haben. Und es dürfte wahrscheinlich außer Frage stehen, dass man trotzdem nächstes Jahr wieder in Saudi-Arabien fährt. The show must go on, no matter what.

Und das ist der Punkt, den ich wirklich bedenklich finde: Dass man „einfach so“ dann zur Tagesordnung übergeht und nicht mal mehr groß versucht es für die Öffentlichkeit so aussehen zu lassen als würde man das ganze Event nach dem Vorfall jetzt nochmal neu evaluieren und bewerten. Das Ausmaß des moralischen Bankrotts, welchen man auch noch so offen zur Schau stellt, ist dann insgesamt schon beeindruckend.

Gefahren wurde übrigens auch noch, was mich zum nächsten wunden Punkt, nämlich der Strecke, bringt. Dass die Strecke zwar schnell und spektakulär, aber auch unnötig gefährlich ist, war ja schon letztes Jahr klar. Daran hat sich auch nichts geändert. Dieses Wochenende erwischte es dann (wieder) Mick Schumacher, der sein Fahrzeug im Qualifying einmal komplett an einer Wand desintegrierte. Der Unfall war wirklich übel und erneut ein Beweis der Sicherheit der Autos, denn Mick Schumacher musste zwar aus dem Auto geborgen werden, doch passiert ist ihm nichts. Ein Einsatz am Sonntag kam jedoch, wohl auch auf Grund der fehlenden Ersatzteile, nicht in Frage.

Dieses Verlassen auf die Sicherheit der Autos ist aus meiner Sicht zunehmend ein Problem. Gefühlt wird die F1 bei der Streckensicherheit eher rückschrittlich, wenn man sich anschaut, was für Kurse so in den letzten Jahren Grade 1 zertifiziert wurden. Saudi-Arabien ist nun auch noch mal besonders gefährlich aufgrund der quasi nicht vorhandenen langsamen Passagen und vielen schnellen Kurven. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend hin zu gefährlicheren Strecken mit den neuen, teilweise schon angekündigten, Strecken fortsetzt. Die F1 würde allerdings gut daran tun, sich nicht nur auf die überragende Sicherheit der Autos zu verlassen. Irgendwann sind auch hier Grenzen erreicht.

Aber zurück zur Quali. Hier konnte sich etwas überraschend Pérez mit einer fantastischen Runde vor Leclerc und Sainz sichern. Die Euphorie von Pérez hielt auch im Rennen an bis er, um einem Undercut von Leclerc zuvorzukommen, an die Box ging. Das war grundsätzlich auch ein ganz guter Plan, nur (leider für Pérez) zerlegte Latifi seinen Williams, was zu einer Safetycarphase und somit natürlich zu entspannten Stopps für die Konkurrenz führte. Der Rest des Rennens wurde vorne dann vom Zweikampf zwischen Leclerc und Verstappen um den Sieg dominiert, der wirklich sehenswert war (auch wenn es aufgrund der wenig clever verteilten DRS-Zonen kurz drohte in Lächerlichkeit abzudriften). Am Ende hatte Verstappen die Nase vorne und gewann das Rennen. Dies allerdings möglicherweise auch, weil Leclerc etwas Pech mit gelben Flaggen an Überholstellen hatte.

Sainz wurde Dritter und Perez Vierter. Insgesamt kann man sowohl bei Ferrari als auch Red Bull mit dem Rennen und dem Ergebnis zufrieden sein. „Zufrieden“ dürfte aber nicht das Wort sein, was man bei Mercedes an diesem Wochenende allzu oft in den Mund genommen haben dürfte. Hamilton verpasste Q2 (!) und kam schlussendlich als Zehnter ins Ziel. Er hatte allerdings auch etwas Pech, dass die Rennleitung sich nicht so recht entscheiden konnte, wann man eine Boxengasse bei dort in der Einfahrt stehenden Autos nun schließen sollte. Teamkollege Russell erreichte immerhin den fünften Platz, das Fahrzeug ist jedoch momentan nicht siegfähig und deutlich langsamer als die Red Bull bzw. Ferrari. Der Rückstand von Mercedes ist ähnlich beeindruckend wie die gute Form von Ferrari. Allerdings ist es auch etwas schade, dass das aggressive Aerokonzept von Mercedes nicht belohnt wird.

Die Alpines erklärten das Rennen zwischenzeitlich zu ihrem persönlichen Zweikampf. Das war zwar für Zusehende sehr unterhaltsam, dürfte aber teilweise über der Schwelle, wie Kämpfe unter Teamkollegen so aussehen sollten, gelegen haben. Respekt an die Verantwortlichen bei Alpine, dass man das Ganze so hat durchlaufen lassen, auch wenn es einen Nachteil im Rennen durch den Zeitverlust bedeutete. Die Fahrer zahlten das Vertrauen schließlich zurück, in dem sie nicht miteinander kollidierten. Allerdings schied Alonso gegen Rennende aus, Ocon wurde guter Sechster.

McLaren sah etwas besser aus als noch in Bahrain, was aber wohl auch daran liegt, dass die Strecke den Boliden etwas besser entgegen kam. Norris wurde Siebter, Ricciardo fiel aus. Von einer wie im letzten Jahr teilweise vorhandenen Chance auf ein Podium ist man jedoch noch weit entfernt. Pierre Gasly und beeindruckender Weise Kevin Magnussen wurden Achter bzw. Neunter. Der Haas hat, wohl auch aufgrund der Zusammenarbeit mit Ferrari, einen großen Sprung gemacht und ist kein Vergleich mehr zu dem „Auto“ vom letztem Jahr. Gaslys Teamkollege Tsunoda hatte leider Pech und fiel bereits auf dem Weg zur Startaufstellung aus.

Ein Ausfall ereilte auch Bottas, während Teamkollege Zhou zwar ins Ziel kam, wegen eines Startunfalls und einer Strafe (fünf Sekunden für das Überholen außerhalb der Strecke) sowie einer Strafe für das nicht korrekte Absitzen der Strafe (man hatte das Auto mit dem Wagenheber bereits während der Strafzeit angehoben) nicht über Platz elf hinauskam. Im Paarflug kamen die beiden Astons auf Platz zwölf und 13 ins Ziel, wobei Hülkenberg sogar seinen Teamkollegen Stroll schlagen konnte und somit Vettel, der wegen Corona auch an diesem Grand Prix nicht teilnehmen konnte, würdig vertrat. Albon wurde im verbliebenen Williams schließlich 14., kollidierte allerdings am Rennende noch mit Stroll, was Albon schließlich eine Strafe für das nächste Rennen einbringt.

Dieses findet in zwei Wochen in Melbourne statt. Somit feiert der Australien GP nach zwei Jahren Pause sein (lang ersehntes) Comeback.

 

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1 Kommentare

KaiS 30 März, 2022 - 10:27

Guter Eingangskommentar. Aber bitte vor dem Veröffentlichen nochmal gegenlesen (lassen), da sind teilweise sinnentstellende Fehler drin („autokratisch und demokratisch“), und vom F1-Fahrer „Huldenberg“ hab ich auch noch nie gehört… ;)

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