Zwei Monate nach dem äußerst sehenswerten ePrix in Mexico City (mit einem überraschenden Doppelsieg!) startet die Formula E nun in die Europa-Tournee – mit einem Doubleheader in Rom.
Nach dem Saisonauftakt in Diriyah hatte ich noch das Gefühl, Porsche würde sich auf ein weiteres Jahr im FE-Mittelfeld einstellen müssen, vor allem nach dem schlechten Energiemanagement von Andre Lotterer im ersten Lauf. Und dann haut das deutsche Team in Mexico City ein strategisch so intelligentes Rennen raus, dass man plötzlich beide Fahrer ganz oben auf dem Treppchen stehen hat: Wehrlein siegte vor Lotterer.
Ob es etwas mit dem Wechsel an der Teamspitze zu tun hat? Denn der bisherige Chef, Amiel Lindsay, hat diesen Job nach Diriyah aufgegeben, was aber schon vorher geplant gewesen sein und auch nichts mit der Performance zu tun gehabt habe. Aber vielleicht hat ja frischer Wind geholfen… wir werden sehen, wie sich Porsche bei den nächsten Läufen darstellt. Als Nachfolger steht nun Florian Moedlinger am Kommandostand, der auch schon für Audi und BMW gearbeitet hat.
Rückblick: Porsche demontiert die Konkurrenz in Mexico City
Wehrlein hatte sich in Mexico bereits die Pole gesichert und konnte am Start auch die Führung behaupten, Lotterer sortierte sich zunächst auf P3 zwischen Edoardo Mortara und Jean-Eric Vergne ein. Mortara und Vergne fuhren dann eine aggressive erste Rennhälfte und führten zur Halbzeit das Rennen an, gefolgt von den beiden Porsches, die schon ihre obligatorischen Attack Mode-Phasen absolviert hatten, ohne im Übermaß Energie zu verbrauchen: 15 Minuten vor Schluss hatten sie noch 37 bzw. 37% der verfügbaren Energie, während der Rest des Feldes 1-3% weniger im Vorrat hatte. Das klingt nicht nach viel, kann aber in der Schlussphase eines FE-Laufs viel ausmachen!
Und so startete die Attacke: innerhalb weniger Kurven gingen zunächst beide recht entspannt an Vergne vorbei – und nur wenige Runden später zog Wehrlein ebenso deutlich am führenden Mortara vorbei, der bereits 2% mehr Energie verbraucht hatte. Und auch diesmal zog Lotterer wieder sofort nach und schnappte sich P2. Und dann führten sie einen Teil des Feldes noch richtig vor: die beiden Porsche wählten das Tempo so, dass Wehrlein eine Sekunde vor Ablauf der Zeit über die Linie fuhr – und dass somit noch zwei Runden zu absolvieren waren.
Er und Lotterer hatten noch die Energie, um zwei Runden mit Normalspeed zu schaffen – die meisten anderen hatten auch entsprechend gehaushaltet, als sich abzeichnete, dass diese Option bestehen könnte. Aber ein paar Konkurrenten wurden eiskalt erwischt, ihre Teamstrategen hatten auf eine Runde weniger kalkuliert. Hier sind insbesondere die beiden Jaguars zu nennen, die von den Plätzen 7 und 9 auf 15 und 19 zurückfielen. Die beiden Porsches gewannen währenddessen mit neun Sekunden (!) Vorsprung vor Jean Eric Vergne und seinem DS Techeetah-Teamkollegen da Costa. So ein Vorsprung ist nahezu unerhört in der Formula E.
Auch hinter der Spitzengruppe ging es das ganze Rennen hindurch munter zu. Es war eines der besten Formula E-Rennen, an die ich mich erinnern kann. Nicht nur wegen der bemerkenswerten Porsche-Glanzleistung, sondern auch wegen des insgesamt sehr abwechslungsreichen Verlaufs mit vielen Zwei- und Dreikämpfen – und ohne größere Crashes oder anderweitige Unterbrechungen. Wer sich die Highlights noch anschauen möchte, kann das hier tun.
Meisterschaftsstand und Vorschau Rome ePrix
Die Meisterschaftsführung liegt nach drei von 16 Läufen allerdings immer noch bei Edoardo Mortara, dem Sieger des zweiten Laufs in Diriyah, der in Mexico auf Platz 5 ins Ziel kam. Er hat 43 Zähler gegenüber 38 von Nyck de Vries, der den Saisonauftakt gewonnen hatte. Mit je 30 Punkten folgen dann die beiden Porsche-Piloten Wehrlein und Lotterer, aber nur knapp vor Vandoorne, Vergne, Dennis, di Grassi und Frijns. Es deutet sich also trotz der neuen Quali-Regeln, die nicht mehr für eine so krasse – künstliche – Durchmischung sorgen, ein interessanter Titelkampf an, der nicht allzu schnell entschieden sein sollte.
Bei den beiden Läufen in Rom sollte sich zeigen, ob Porsche dauerhaft solche Performances abliefern kann oder ob das eine Eintagsfliege war und letztlich doch Mercedes und sein Kundenteam Venturi die Favoriten bleiben. Der Kurs in Roms EUR-Quartier, einem in der Ära Mussolini für eine Weltausstellung konzipierten Stadtviertel, ist gegenüber dem Vorjahr unverändert, allerdings wurde 2021 eine neue Variante gefahren.
Diese verfügt über einige sehr schnelle Passagen und gerade die schnellste Stelle verläuft in einem Bogen bergauf und ist aufgrund der Betonmauern schlecht einsehbar – letztes Jahr führte das zu einem größeren Crash auf feuchter Strecke, als der führende Lucas di Grassi mit technischen Problemen verlangsamte. Auch die auf diese Passage folgende Bergauf-Anfahrt zu einer 90°-Linkskurve sorgte im Vorjahr für Probleme, allerdings war der Bereich frisch asphaltiert und die Strecke war feucht.
Den Start hat man verlegt, er wird diesmal zwischen den beiden 90°-Kurven 3 und 4 auf ebener Strecke stattfinden. Das sollte etwas sicherer sein. Im Übrigen ist der Verlauf unverändert. Das heißt, es gibt einen weitläufigen schnellen Part und einen engeren, hakeligen Part mit Schikanen und einer Haarnadel um ein Monument – dort befindet sich auch wieder die Attack Mode-Aktivierungszone auf der Außenbahn.
Die Spannung des Wochenendes ergibt sich aus den teils schon angesprochenen Fragen: kann sich Porsche vorn festsetzen oder gar noch einmal die Konkurrenz mit einer so dominanten, strategisch klugen Meisterleistung überraschen? Gewinnen Mercedes und Venturi wieder die Oberhand? Können DS Techeetah, Envision und Jaguar auch in den Kampf um den Sieg eingreifen? Die zwei Rennen sollten uns schlauer machen.
Die beiden Läufe starten am Samstag und Sonntag jeweils um 15 Uhr. Pro 7 überträgt an beiden Tagen ab 14:30 Uhr live, am Samstag wird auch die Quali um 10:30 Uhr auf Pro 7 Maxx gezeigt. Auch Eurosport 2 hat beide Rennen live im Programm.
(Fotos: Formula E Media)