Toyota dominiert, aber Glickenhaus bekommt sein Podium. Die LMP2 rettete das Rennen vor kompletter Langeweile.
Ein Klassiker war das dieses nicht gerade, was man in Le Mans zu sehen bekam. Wie schon im letzten Jahr fehlte der Kampf an der Spitze, auch wenn es in diesem Jahr ein kleines bisschen spannender war. Aber viel hatte man vor dem Rennen auch nicht erwarten können. Das Glickenhaus oder Alpine die Toyota ernsthaft würden fordern können, entsprang eher einem Wunsch und nicht der Realität. Die sah dann auch so aus, dass die Toyota vom Start weg das Rennen kontrollierten und nicht einmal die Führung abgaben. Aber als im letzten Jahr blieben zumindest die Glickenhaus etwas näher dran. Rund eine Sekunde verlor man pro Runde, was deutlich weniger war, als 2021.
Den Alpine hätte man auch gerne vorn gesehen, aber der ACO hatte dem LMP1 bei seinem nun wirklich letzten Rennen am Freitag noch eine BoP-Keule verpasst und die Motorleistung reduziert. Warum auch immer. So trottete der Alpine dann hinterher und die Fahrer mussten viel riskieren, was zu zwei kleinen Unfällen führte. Hinzu kam dann gleich zu Beginn ein Schaden an der Kupplung und später verabschiedete sich eine Zündspule. Damit war man weit abgeschlagen, auch wenn das Rennen beenden konnte.
Auch Glickenhaus hatte früh Probleme mit der #709, bei der ein Sensor ausgetauscht werden musste, was rund anderthalb Runden kostete. Die #708 blieb aber dran und hatte nach etwas mehr als vier Stunden nur knapp 90 Sekunden Rückstand. Auch dank eines Ausrutschers des zu dem Zeitpunkt führenden Toyota. Doch leider platzte in der Nacht ein Reifen, was zu einem Dreher in Tetre Rouge führte. Die danach anstehende Reparatur kostet sieben Runden. Das Team verlegte sich danach darauf, die #708 wieder auf P4 in der Gesamtwertung zu bringen, während die #709 den dritten Platz absicherte, ohne die Toyota ernsthaft anzugreifen.
Die Japaner ließen es vor allem in der Happy Hour am Morgen ruhig angehen und fuhren solide, aber nicht sonderlich schnelle Rundenzeiten. Einen kurzen Schreckmoment gab es gegen halb acht am Morgen, als die #7 kurz hinter Arnage zum stehen kam. Ein „Ctrl-Alt-Del“ im Auto sorgte aber wieder für Vortrieb, ein weiterer erfolgte dann an der Box und das Auto war wieder normal unterwegs. Es war der einzige Vorfall bei Toyota, der die #8 dann nach mit einer Runde Vorsprung versah. Am Ende gewannen Brandon Hartley, Mike Conway und Ryo Hirakawa das Rennen ohne Probleme und echte Konkurrenz.
Komplett war Toyota aber nicht im Schongang unterwegs, denn zwischenzeitlich haute man immer wieder 3.28er Zeiten raus. Gegen Ende gab es auch noch eine 3.27er Runde. Toyota hätte also im Rennen deutlich schneller gekonnt. Wird Zeit, dass sie das auch mal wieder müssen und hoffen wir, dass Peugeot dafür schon dieses Jahr sorgt.
LMP2:
Die P2 sorgte lange für die Spannung im Rennen, denn das Feld des Oreca-Markenpokal war sehr eng gestaffelt war. Noch vor der ersten Kurve (!) erwischte es gleich zwei Favoriten. Im Getümmel kamen sich der United #22 mit Hanson am Steuer und der WRT #31 mit Rene Rast ins Gehege. Der United flog ins Kiesbett und musste geborgen werden und verlor direkt eine Runde. Das ist in der P2 kaum aufzuholen. Die #31 kassierte eine Stop-and-Go und verlor ebenfalls viel Zeit. Den Rückstand versuchten beide Teams mit erhöhtem Risiko wettzumachen, was beiden nicht gelang und zu Ausritten führte. Frijns schmiss den WRT dann am Morgen in Indianapolis weg, womit das Rennen der #31 beendet war. Die #22 tauchte mal in den Top 10 auf, kam aber dann in Probleme und beendete das Rennen als Zehnter.
Vorn gab es dann schon ab der ersten Stunde eine große Show von Jota. Die #38 mit Roberto Gonzales, Felix da Costa und Will Stevens musste sich nur einige Zeit gegen das sehr starke Prema Orleon Team mit Kubica, Deletraz und Colombo erwehren, die mächtig Druck machten. Die hatten dann Pech, als eine Slow Zone genau dann kam, als der Jota an der Box war und man selbst warten musste. Zack – hatte die #38 eine Minute Vorsprung, den man dann auf eine ganze Runde ausweitete. Den ersten Platz gab Jota dann bis ins Ziel nicht mehr ab.
Hinter der #38 balgten sich dann mehrere Autos ums Podium. Prema, Cool Racing, Penske, Panis und Richard Mille waren die Kandidaten, zu denen sich dann im Verlauf des Rennens auch der zweite Jota gesellte. Die lagen nach einer Stunde erst auf P17, schoben sich dann aber immer weiter nach vorn, was für den Speed der Jota sprach. Bemerkenswert, was Jota da auf die Beine gestellt hat.
Das Rennen in der P2 war lange das Herzstück der diesjährigen 24 Stunden von Le Mans. Quer durchs Feld, von P2 bis P20 gab es tolle, enge Duelle und teilweise lagen vier und mehr Autos innerhalb einer Sekunde. Das kostete natürlich dann auch wieder Zeit, weswegen die Spitze sich absetzen konnte. Aber LMP2 sorgen wenigstens für ein spannendes Rennen in Le Mans. Das zog sich dann in den Top 10 bis in die Nacht rein. Als dann die Silber-Fahrer mehr unterwegs waren, wurden die Abstände allerdings größer.
Der Prema setzte sich auf P2 fest, hinter ihm tauchte dann der zweite Jota auf, der sich vor allem gegen den Penske und den Cool Racing durchsetzen konnte. Es war ein harter Kampf, aber schlussendlich hatte Jota einfach das bessere Auto. Dabei hatte Penske ein schnelles Auto. Es gab nur wenig Probleme, allerdings ein paar längliche Stopps, die das Team immer wieder aus den Top 5 warfen. Aber es war ein gutes Comeback für Penske, der zuletzt 1971 mit einem Ferrari in Le Mans am Start war. Für das US-Team war es dieses Jahr sowieso nur ein Rennen zur Übung für das nächste Jahr.
Das Cool Racing so weit vorn mit fahren konnte, war eine kleine Überraschung. Das Pech von United und WRT schaffte eine Lücke, die das Team gerne ausnutzte. Ye, Krütten und Ricky Taylor lieferten teilweise beeindruckende Rundenzeiten ab und setzen sich berechtigterweise vorn fest. Fürs Podium reichte es nicht und gegen Ende musste man auch den United #23 ziehen lassen. Aber P7 ist ein gutes Ergebnis für das Team.
Erstaunlicherweise gab es im gesamten Feld mit 27 Autos nur einen einzigen Ausfall. Der angesprochene Unfall des WRT #31. Ansonsten kamen alle durch, auch wenn Duqueine, CD-Sport, Graff und Ultimate stundenlang an der Box standen. Aber es reichte am Ende zumindest, um in die Wertung zu kommen. Die Piloten fielen auch nicht weiter auf, sieht man mal vom dummen Unfall mit der Corvette #64 ab, den John Falb im Algrave und Perrodo im AF Corse gemeinsam verursachten. Der Algrave, auf dem auch Sophia Flörsch unterwegs war, hatte zudem am Start Pech, weil man nicht wegkam und so 5 Runden verlor.
Aber es war ein gutes Rennen in der LMP2. Es ist eigentlich ein Markenpokal für Oreca und daher ist Spannung vorprogrammiert. Das es keinen technisch bedingten Ausfall gegeben hat und die Fahrer, bis auf wenige Momente, auch meist auf der Strecke blieben, zeigt, wie hoch die Qualität im Feld mittlerweile ist. Und ohne die P2 wäre das Rennen auch in diesem Jahr in Le Mans noch etwas öder gewesen.
GTE Pro:
Das sah lange nach einer Sache für die Corvette aus. Über die gesamte Woche dominierten die Amerikaner die Sessions und auch in den ersten Stunden lagen beide Corvette bequem an der Spitze. Es war ein wenig merkwürdig, dass der ACO die gelben Rennen einfach so gewähren ließ, ohne noch mal in die BoP einzugreifen. Offenbar ging man davon aus, dass die Porsche im Rennen schon nachlegen würden. Dafür bremste der ACO dann die Ferrari ein und reduzierte deren Boost-Leistung des Turbos. Die Ferrari, eh nicht mit Topspeed gesegnet, brachen mehr oder weniger ein und taten sich beiden GT-Klassen schwer.
Einerseits kann ich die Vorsicht vom ACO verstehen. Ferrari stellte knapp die Hälfte aller Fahrzeuge in der GTE und man wollte keinen Markenpokal riskieren, bei dem die anderen Marken keine Rolle spielen. Andererseits waren die Ferrari in der ganzen Woche langsam und die Daten der Trainingssession hätten da helfen können. Am Ende führte die Entscheidung dann dazu, dass die Ferrari in der Am überhaupt keine Rolle spielten und die der Pro zumindest zu Beginn nur hinterherfuhren.
Im Verlauf des Rennens änderte sich das Bild etwas. Mit fallenden Streckentemperaturen kamen sowohl die Porsche als auch die Ferrari besser in Schwung. Gleichzeitig fiel das Rennen der Corvette nach und nach auseinander. Zuerst erwischte es die #63, die sich einen massiven Reifenplatzer einfing. Der Rest des Reifens zerstörte dann auch die Innenverkleidung des Radhauses hinten und wohl auch weitere vitale Teile. Jedenfalls kam das Auto nicht mehr in Schwung und wurde am Sonntagmorgen als Ausfall gemeldet.
Die #64 kam auch nicht ohne Probleme durch und vor allem die immer stärker werdenden Porsche verdrängten die Corvette von der Spitze. Aber es blieb ein enger Kampf und die Führung wechselte mehrfach zwischen den Marken. Das Ende kam Samstagvormittag in Form eines unverschuldeten Unfalls. Der AF Corse P2 mit Perrodo am Steuer wollte sich zwischen dem Algrave P2 und der Corvette durchzwängen. Es kam zu einer Berührung mit der Corvette, die dann in die Leitplanken abbog. Damit war der letzte Auftritt der Corvette in Le Mans (zumindest in der Pro) beendet. Perrodo ging nach seinem Stopp sofort in die Corvette Box und entschuldigte sich beim Team, aber das half dann auch nicht mehr.
Auch Porsche blieb nicht von Ärger verschont. Bei der #92 führte ein Verbremser zu einer Explosion des rechten Vorderreifens, der die gesamte Front auseinanderriss. Christensen schleppte den Porsche an die Box und glücklicherweise waren die Schäden nur kosmetisch. Man pappte eine neue Front ans Auto und fuhr mit zwei Runden Verlust wieder weiter.
Ferrari hatte sich mittlerweile in Position gebracht und beide AF Corse lauerten hinter der #91 ihre Chance. Tatsächlich gelang es über die Zeit und eine etwas andere Strategie, dass die Ferrari auch mal in Führung gingen. AF Corse Pilot Calado sprach allerdings davon, dass man komplett am Limit unterwegs sei und absolut keine Reserven habe. Tatsächlich konnte Ferrari dann auch nicht mehr zulegen, während die Porsche vor allem am Sonntagmorgen noch etwas Zeit finden konnten. Am Ende setzte sich die #91 mit knapp 44 Sekunden durch. Der erste Sieg des RSR dieser Generation in Le Mans.
Die Pro verschwindet dann ab dem nächsten Jahr. Porsche und Ferrari haben dem ACO gesagt, dass sie sich 2023 auf die Hypercar/LMDH konzentrieren, sodass die Franzosen die Pro-Kategorie zähneknirschend fallen lassen müssen. Die Amateure werden im nächsten Jahr noch einmal in den GTE unterwegs sein. Ab 2024 hätte der ACO gerne eine GT3, die mit einem Conversion-Kit zu einer Art GT3+ umgewandelt wird. Die Hersteller haben dazu aber keine Lust. Porsche hat schon freundlich abgesagt. Es ist auch eine Schnapsidee des ACO. Man sollte einfach die GT3 fahren lassen und gut ist.
GTE Am:
Hier hatte ich mir etwas mehr erwartet. Aber weil die Ferrari so eingebremst wurden, dominierten zunächst die Porsche. Überraschend kamen die Aston dann über Nacht auf und übernahmen die Spitze. Der Sieg für den TF Sport Aston geht in Ordnung, ebenso P2 für den Weathertech. Der hätte auch gewinnen können, hatte aber zwei kostspielige Ausflüge. P3 für den Dalla Lana Aston ist eine Überraschung, weil ich Dalla Lana selbst nicht so gute Stints zugetraut habe. Respekt für die Teamleistung. Die Ferrari hatten keine Chance im Rennen und der beste F488 kam gerade mal auf P6.
Auf P7 kam dann schon der Iron Dames Ferrari mit Frey, Gatting und Bovy. Das ist mal eine sehr beeindruckende Leistung, vor allem angesichts der Tatsache, dass in den ersten zwei Stunden zwei Ausflüge und eine Berührung mit einem P2 gab. Die hätten sich auch die Ferrari-Krone holen können.
Es war langer ein zäher kann Kampf an der Spitze zwischen den beiden Aston, der Weathertech und dem überraschend starken Hardpoint Porsche. Aber der hatte dann eine sehr zähe Schlussphase und verlor den dritten Platz durch zwei Ausritte ins Kiesbett. Auch der GR Porsche kämpfte lange ums Podium, hatte aber ebenfalls einige Ausritte.
Die favorisierten Dempsey-Proton Porsche setzten sich nur bis Nacht in Szene. Danach brach das Rennen für die Erfolgs-Mannschaft auseinander. Die #77 hatte technische Probleme, die #88 war durch den Bronze-Fahrer etwas gehandicapt. Immerhin schaffte es die #88 noch auf P5, was kein schlechtes Ergebnis ist.
Nicht überraschend kamen die meisten Ausfälle im Rennen aus der Am. Die meisten waren aber technischer Natur. Nur der Project 1 #46 beendete die Fahrt nach einem Ausritt ins die Reifenstapel nach einem Defekt an der Aufhängung.
Fazit:
Ein Klassiker war das dieses Jahr nicht in Le Mans. Wie schon im letzten Jahr. Es fehlt einfach der Kampf um den Gesamtsieg an der Spitze. Der ACO hat die Chance verpasst, die EoT so zu gestalten, dass das Rennen zumindest enger geworden wäre. Ein bisschen mehr Leistung für die Glickenhaus hätte schon gereicht. Auch die Entscheidung den Alpine in Grund und Boden zu boppen war fragwürdig. Toyota kann man nicht mal einen Vorwurf machen, die können auch nichts dafür. Und man muss ihnen Respekt zollen, denn bis auf den winzigen Moment der #7 liefen beide Autos wie ein Uhrwerk.
Das Peugeot nicht in Le Mans war, aber mit zwei Autos in Monza in vier Wochen antreten wird, war die eigentliche Enttäuschung dieses Jahr. Sicher, es war, nach der kurzen Testphase des Prototyps, schon ein ambitionierter Plan in Le Mans fahren zu wollen. Und ich habe Verständnis, dass man sich hier nicht blamieren wollte. Porsche hat da eine ganz andere Vorbereitung und wie man hört, will Porsche sein Auto schon beim letzten Rennen in Bahrain in diesem Jahr ausprobieren.
Aber es war auch kein schlechtes Rennen in diesem Jahr. Es war lange, vor allem in der LMP2, sehr spannend. Dass es am Sonntag dann eher zäh war, kam nicht überraschend. Die Klassen hatten sich auseinandergezogen und dementsprechend passierte wenig. Neu ist das auch nicht.
Wer dann alles im nächsten Jahr in Le Mans sein wird? Mit Sicherheit zwei Toyota, zwei Peugeot und vier Porsche. Cadillac plant zumindest ein Auto zu bringen, auch in der WEC. Ob das dann passiert, ist eine andere Frage. Ferrari will sein Hypercar 2023 ebenfalls einsetzen, ob man aber schon in Le Mans antritt ist nicht offiziell entschieden. Alpine kommt erst 2024 mit einem neuen Auto und wird 2023 in der P2 antreten. Und Glickenhaus? Er hat sein Podium erreicht und mehr wird es vermutlich gegen die ganzen Hersteller auch nicht werden. Ob man ihn 2023 wiedersehen wird, wenn er mit seinem Team gegen die ganzen Werksteam antreten müsste? Ich bin da skeptisch.
Nicht skeptisch bin ich, was die nähere Zukunft von Le Mans angeht. Das (zumindest für mich persönlich) wichtigste Rennen des Jahres wird mit der LMDH einen neuen Aufschwung erleben. Ich freue mich schon auf das nächste Jahr, auch wenn ich nun wieder 360 Tage warten muss.
Bilder: ACO / FIA WEC