1923 gab es das erste Rennen und seitdem steht das Rennen in Le Mans wie kein zweites für den Motorsport.
Langstreckenrennen sind fast so alt wie das Auto selbst. Schon im Jahr 1900 gab es das erste Rennen, damals über die Distanz von mehreren hundert Kilometern in Italien unter dem Namen Coppa Floria. Aus der wurde dann später die Targa Florio, allerdings auf einer anderen, mit 148 Kilometern, eher kurzen Strecke. Das erste 24-Stunden-Rennen gab es 1905 in Ohio, es folgte 1907 das ein Rennen in Brooksland, England. In der Zeit zwischen 1905 bis 1914 gab es in Europa diverse Langstreckenrennen, die teilweise heute komplett in Vergessenheit geraten sind. Der Sinn all dieser Veranstaltungen lag darin, dass zum einen die Hersteller ihre Autos vorstellen konnten, zum anderen, dass sehr reiche und gelangweilte Autobesitzer eine Beschäftigung hatten.
Le Mans kam also relativ spät zur Party, etablierte sich aber erstaunlicherweise sehr schnell. Abgesehen von der Targa Florio und der Mille Miglia, gab es in Europa kaum Events, die mehr Prestige hatten. Das lag vor allem am Engagement der Hersteller. Bentley und die heute berühmten „Bentley-Boys“ sorgten für Popularität vor allem in England, dem neben Frankreich, damals wichtigsten Land für den Automobilbau. Aber auch italienische Marken kamen nach Le Mans, hauptsächlich Alfa, die mit dem Alfa 8C das Rennen in den 30er-Jahren mehrfach gewinnen konnten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es für Le Mans schon 1949 weiter und seitdem wird das Rennen ununterbrochen ausgetragen. Die Geschichten, die sich um das Rennen ranken, sind legendär und teilweise verfilmt. Zuletzt im gar nicht so schlechten „Ford vs. Ferrari“ Film von James Mangold. Legendär ist natürlich der Steve McQueen Streifen „Le Mans“, der bis heute einzigartig ist und vor allem das alte Le Mans fantastisch einfängt.
Aber warum hat sich Le Mans als das wichtigste Endurance-Rennen der Welt etabliert? Schließlich gab es auch nach dem Krieg diverse andere Rennen. Auch die Targa Florio, die immerhin komplett auf den Straßen von Sizilien ausgetragen wurde. Zudem war das Rennen in Le Mans nicht mal das Längste seiner Art. Den Vogel schoss dabei der Nürburgring ab, auf dem für ein paar Jahre unter dem Namen Marathon de la Route ein 96-Stunden-Rennen ausgetragen wurde. Aber kein Rennen hat sich gehalten und keins hatte den Ruf von Le Mans.
Es ist vor allem die Mischung aus Straßenkurs und Geschwindigkeit, die Le Mans so legendär machte. Die Strecke war im Grunde zunächst nur eine Reihe von sehr langen Geraden, die von ein paar Kurven zusammengehalten wurde. Wobei der Streckenverlauf 1923 schon sehr ähnlich zu der heutigen Variante war. Die größten Änderungen gab es mit der Einführung der Schikane nach Start-Ziel und der Etablierung der Porsche-Kurven nach 1971. Vorher ging die Strecke vor den Porsche Kurven, wo es jetzt nach rechts geht, einfach gerade aus bis zu Start-Ziel.
Kein anderer Kurs fordert Autos und Technologien mehr heraus, als Le Mans. Sicher, die Strecke hat sich verändert, aber die Fahrt über die Landstraßen gehört immer noch dazu und viele Abschnitte sind genauso gestaltet, wie sie 1923 aussahen. Mal abgesehen vom Asphalt, der dazu kam. Die Nordschleife, Sebring, Daytona, Spa – alles große Strecken, alles große 24-Stunden-Rennen. Aber keins hat die Geschichte von Le Mans. Das Rennen füllte in den 50er-Jahren eine Lücke, die die Targa Florio nicht füllen konnte, auch wenn große Werke wie Porsche und Ferrari dort mit ihren Prototypen antraten. Nicht umsonst bestand Henry Ford darauf, Ferrari in Le Mans zu schlagen und nirgendwo anders.
Wer einmal in Le Mans war, versteht, warum es so besonders ist. Ich war in Spa, in Daytona und an der Nordschleife. Und während all diese Rennen ihre eigenen, ganz besonderen Charme haben, haben sie nicht die Spannung und Flair, das Le Mans bietet. Die Strecke, mitten in der französischen Pampa gelegen, strahlt einen ähnlichen Respekt aus, wie die Nordschleife, aber sie ist bedeutend schneller. Und dazu kommen die Fans.
Bei keinem anderen Rennen sieht man auf den Campingplätzen Ferraris, Aston oder Bentleys stehen und daneben ein Zelt. Bei kaum einem anderen Rennen (abgesehen von der Nordschleife) sitzen nachts so viele Fans auf den Tribünen oder lagern auf den Böschungen, um wirklich 24 Stunden lang zuschauen zu können. Sicher, wie bei anderen Rennen gibt es auch Partys und Konzerte, aber das ist bei Weitem nicht so ausgeprägt, wie auf anderen Strecken. Le Mans ist auch weiterhin, teure Hospitalities hin oder her, ein Rennen für die Fans.
Zu Le Mans gehören aber auch die Tragödien. Die bekannteste ist jene von 11. Juni 1955, bei dem 84 Menschen starben, als der Mercedes von Pierre Levegh in die Zuschauer flog. Auch die Zahl der beim verstorbenen Fahrer ist hoch. 22 Piloten traf das Schicksal, zuletzt Allan Simonsen im Jahr 2013. Bei dem Rennen war ich anwesend und es war fürchterlich, wie sich die bleischwere Stimmung über das Rennen legte. Aber seitdem Umbau der Strecke 1971 hat es nur noch sechs Tote gegeben, was für die Sicherheit der Strecke spricht. In der Formel Eins gab es im gleichen Zeitraum 13 tödliche Unfälle.
Bekannt ist Le Mans aber eher für andere Tragödien. Wie zum Beispiel 2016 als der führende Toyota von Nakajima in der vorletzten Runde des Rennens stehen blieb. Die Liste der Ausfälle in den letzten Runden ist lang und es ist jedes Mal schmerzvoll zu sehen, wenn ein Auto nach einer so langen Distanz ausfällt. Aber es gibt es auch die andere Seite, die fast unmöglichen Siege. Einer der denkwürdigsten Momente war im Jahr 1928, als Woolf Barnato, einer der Bentley-Boys, einen spektakulären Schlussspurt hinlegte, um das Rennen zu gewinnen, nachdem sein Teamkollege mit einem Defekt zurückgefallen war.
In einem spannenden Finish brachte Barnato den Bentley mit einem leeren Kühler und einer steigenden Temperaturanzeige ins Ziel. Bei dem Versuch, seine Fahrt ins Ziel zu timen, erreichte Barnato die Ziellinie eine Minute zu früh und musste eine Extrarunde drehen. Da ihm das Wasser aus dem überhitzten Kühler entgegen spritzte, ging er auf 50 km/h herunter, fuhr im Freilauf die Hänge hinunter und hielt an, um den Motor ein wenig abkühlen zu lassen. Am Ende dauerte es zwanzig Minuten, und der Vorsprung auf den Stutz betrug nur 13 Kilometer.
Eine andere interessante Anekdote ist die Geschichte des Porsche 917 KH. Renningenieur Norbert Singer: „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das Auto damals auf die Waage geschoben wurde und knapp 780 Kilogramm anzeigte“, sagt Singer, der an der Entwicklung aller Porsche Gesamtsieger von 1970 bis 1998 beteiligt war. Das damals vorgeschriebene Mindestgewicht lautete 800 Kilogramm. „Der 917 KH war durch seinen Gitterrohrrahmen aus Magnesium ein absolutes Leichtgewicht. Zum Glück hatte er einen 55 Liter fassenden Öltank. Also kippten wir 20 Liter Öl nach und wogen ihn erneut. Diesmal mit Erfolg.“
Im Jahr 1971 ereignete sich eine der denkwürdigsten Nächte in der Geschichte des Rennens. Das Porsche-Team, angeführt von Helmut Marko und Gijs van Lennep, fuhr in ihrem Porsche 917 praktisch eine ganze Nacht ohne Boxenstopp durch. Durch geschicktes Kraftstoffmanagement schafften sie es, die Konkurrenz in den Schatten zu stellen und einen neuen Distanzrekord aufzustellen.
Aus diesen, und vielen anderen Gründen, ist für mich Le Mans DAS Highlight des Jahres. Es gibt kein Rennen, das mich mehr fasziniert, kein Rennen, für das ich alles stehen und liegen lasse. Und kein Rennen, auf das ich mich direkt nach dem Ende der 24 Stunden schon wieder freue. Denn nach dem Rennen in Le Mans ist vor dem Rennen in Le Mans. Alles andere ist nur Warten.
Bilder: Public Domain, ACO
1 Kommentare
Hey, um dem Eintrag nochmal eine extra Info zu geben:
Viele haben sich ja beschwert, dass die letzten Jahre langweilig aufgrund der Einseitigkeit von Toyota waren. Wenn man die Prototypen ab dem Jahr 2000 betrachtet, waren die Rennen gar nicht so langweilig. Eher waren die starken LMP1 Jahre eine historische Ausnahme im positiven Sinne. :D
Hier mal die Toyota Vorsprünge in Runden seit dem ersten „konkurrenzlosen“ Jahr 2018 auf den ersten nicht-Toyota:
2018: 12
2019: 6
2020: 5
2021: 4
2022: 5
2023: ? (wohl eher weniger als in den Jahren zuvor)
Hier mal die Vorsprünge von Audi seit dem Jahr 2000:
2000: 24 (vor Pescarolo)
2001: 15
2002: 13
2003: 5 (unter Bentley Bezeichnung)
2004: 18 (vor Pescarolo)
2005: 2 (vor Pescarolo)
2006: 4 (vor Pescarolo)
2007: 10 (vor Peugeot)
2008: 0 (vor Peugeot)
2009: 6 (Sieg des Peugeot vor dem ersten Audi)
2010: 28 (vor Oreca)
2011: 0 (13 Sekunden – knappster Vorsprung aller Zeiten vor Peugeot)
2012: 11 (vor Rebellion)
2013: 1 (vor Toyota)
2014: 5 (vor Toyota)
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