Der Motorsport ist weiter gut aufgestellt, aber es werden Veränderungen kommen. Der Wandel zu E-Mobilität ist nur eine von vielen.
Eigentlich ist ja alles in Ordnung. Der Motorsport hat die Corona-Delle relativ erfolgreich überstanden und viele wichtigen Serien boomen. Die Formel Eins war noch nie so erfolgreich, die WEC und die IMSA stehen vor einer fulminanten Renaissance und die GT3 feiert weiter auch nationale Erfolge. Beim Breitensport gibt es, wie immer, finanzielle Sorgen, vor allem, nachdem die VLN und die Nürburgring GmbH nur noch per Rechtsanwalt miteinander kommunizieren und sich gegenseitig vor die Gerichte zerren. Aber es zeigen sich auch erste Risse in der heilen Welt. In der BTCC steigen Teams aus, weil die Kosten explodiert sind und in der IndyCar bahnt sich ein Debakel an, weil man kein neues Chassis hat und die Einführung der Hybrid-Motoren sich immer wieder verschiebt.
Tatsächlich scheinen die wahren Probleme für den Motorsport erst noch zu kommen. Denn die Umstellung der Fahrzeugflotten auf den E-Antrieb stellt für die Hersteller aus Marketingsicht ein großes Problem dar. Früher galt die klassische Devise „Win on Sunday, sell on Monday“. Der Spruch stammt aus den frühen Jahren der NASCAR, als ein Ford Händler feststellte, dass seine Verkäufe anzogen, wenn am Sonntag ein Ford in der Serie gewonnen hatte. Und dieser Spruch gilt, in einem gewissen Rahmen, auch noch heute.
Motorsport galt seit der Erfindung des Autos als beste Methode, um die Vorteile der eigenen Technologien zu bewerben. Die ersten Rennen waren „Endurance“ oder „Ausdauerfahrten“. Wessen Auto hier durchhielt, hatte gute Chancen mehr zu verkaufen. Andere Marken zu schlagen, war ebenso wichtig und hat legendäre Rivalitäten und samt ihren Fanblöcken herausgebracht. Maserati vs. Mercedes, Jaguar vs. Aston Martin, Ford vs. Ferrari, Porsche vs. alle anderen usw. Der Vergleich auf der Rennstrecke ist gut fürs Marketing, selbst wenn man mal verliert.
Was der Hauptgrund ist, warum Hersteller überhaupt Geld in den Motorsport investieren. Der andere Grund liegt darin, dass man neue Technologien erprobt, zur Serienreife bringt und dann in die eigene Autoproduktion integriert. Zulieferer wie Bilstein, Textar, Brembo usw. sind bekannt geworden, weil sie im Motorsport erfolgreich waren und die Leute diese Technologien auch in ihren Autos haben wollten.
Doch der Wandel zu E-Mobilität stellt die gesamte Branche vor ein Problem. Rennen mit E-Autos sind nicht populär (die Gründe dafür sind vielschichtig) und selbst millionenschwere Programme der Hersteller in der Formula E konnten daran nichts ändern. Hybride sind eine Übergangslösung. Die F1 hat so was schon seit Ewigkeiten, ebenso die WEC. Andere Serien, wie die BTCC ziehen langsam nach und auch im populären GT-Sport wird es zumindest diskutiert. Doch die Hybrid-Technologie ist nur ein Übergang, denn Verbrenner werden sich komplett verabschieden.
Schon jetzt haben etliche Marken angekündigt, dass sie bis 2030 ihr gesamtes Portfolio auf den Elektroantrieb umstellen werden. Die Frage stellt sich dann, warum diese Marke noch in den Motorsport, vor allem in nationale Serien, investieren sollen. Verkauft ein Hersteller mehr E-Autos, wenn er weiter mit einem Verbrenner im Motorsport unterwegs ist? Kommt also der große Exodus der Autoindustrie, die sowieso dank neuer Marken aus China vor einem tiefgreifenden Wandel steht? Und wenn das Geld der Hersteller und Zulieferer fehlt, kann der Motorsport überhaupt überleben?
Doch ganz so düster muss die Zukunft nicht sein, denn es gibt drei Varianten, die den Motorsport retten können:
1. Wasserstoffverbrennungsmotor / Bio-LNG / E-Fuels
Toyota experimentiert schon damit auch im Renneinsatz herum, andere Hersteller (BMW, Cummins, Deutz AG) schauen sich die Technologie zumindest an oder haben Prototypen im Einsatz. Die WEC plant eine eigene H2-Klasse in den nächsten Jahren. Die Technologie erscheint zumindest auf dem Papier interessant. Wasserstoffmotoren erzeugen keine kohlenstoffhaltigen Schadstoffe und der Stickstoffoxid Ausstoß ist gering und kann reguliert werden. Allerdings sind Wasserstoffmotoren nur dann frei von CO₂-Belastungen, wenn der Wasserstoff nachhaltig hergestellt werden kann. Hier fehlen die Kapazitäten, denn der wenige Wasserstoff der (bisher) regenerativ hergestellt werden kann, wird vor allem in der Schwerindustrie benötigt, die dringend reformiert werden muss.
Was dann das Thema E-Fuels auch direkt erledigt. Egal, welches E-Fuel man nimmt, die Basis dafür ist Wasserstoff. Es ergibt wenig Sinn erst Wasserstoff zu erzeugen um diesen dann, unter erheblichen Energieaufwand in E-Fuels umzuwandeln. Die Energieverluste sind horrend. Während ein E-Motor eine Effizienz von bis zu 70 % hat, der Wasserstoffverbrennungsmotor immerhin noch bei 35-40 % liegt, liegt ein Verbrennungsmotor mit E-Fuels bei 15-17 %.
Bio-LNG ist ein anderes Thema. Im Grunde kann jeder mit Gas betriebene Motor dieses Gas auch einsetzen. Bio-LNG wird vor allem aus landwirtschaftlichen Abfällen und Lebensmittelresten und anderen organischen Abfallquellen erzeugt. Es ist zwar nicht ganz CO₂-frei, aber für den Motorsport sollte das ausreichen.
Perspektivisch stellt sich die Frage, ob solche neuen Motoren sich durchsetzen lassen, wenn alle Hersteller auf E-Antriebe wechseln und die Kosten für eine parallele Entwicklung eines neuen Motors scheuen. Ganz ausgeschlossen ist es nicht, da die EU-Regelung, die ab 2035 den klassischen Verbrenner in Neuwagenverkauf verbietet, den Einsatz von Verbrennern, die mit regenerativen Kraftstoffen betrieben werden, ausdrücklich beinhaltet. Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob die breite Masse der Hersteller Interesse daran hätte, Milliarden in eine Technologie zu stecken, deren Zukunft weltweit mehr als fraglich ist. Da es keinen Technologietransfer zwischen den genannten Antriebsalternativen und dem E-Auto gibt, dürfte das Interesse sehr gering sein.
2. Umstellung auf reine E-Antriebe
Die bisherigen Rennserien, die auf einen reinen Elektroantrieb setzen, haben es, gelinde gesagt, schwer. Die Formula E ist für alle ein Zuschussgeschäft, das Publikumsinteresse hält sich vor allem in den Medien in Grenzen. Vor Ort sieht es meist etwas besser aus, aber eine wirkliche Rolle spielen weder die FE noch die ETCR, die mittlerweile ja auch eingestellt ist. Andere, relevante Serien gibt es nicht.
Es gibt viele Gründe, warum reine E-Serien nicht funktionieren. Da wäre die Batterietechnik, die noch keine klassischen Rennformate zulässt. Bei aller Kritik, die man an der Formula E haben kann, muss ihr zugestehen, dass sie schon weit gekommen ist. Die Rennen sind länger, der Fahrzeugwechsel entfällt, das Racing ist sehenswert. Auch wenn sich etliche Hersteller zurückgezogen haben, steht die Serie nicht so schlecht da.
Auf der anderen Seite ist da die Frage, ob das Publikum überhaupt eine E-Serie akzeptiert. Nicht nur, weil Motorsport-Fans an sich konservativer sind, sondern auch, weil Motorsport eine Art Tradition ist. Und Traditionen lassen nun mal nur schwer oder gar nicht verändern. Mal ein Beispiel: es mag idiotisch sein auf Ski einen steilen Hang ohne jeden Schutz herunterzufahren, die Leute machen es dennoch und die Zuschauer schauen es gerne. Würde man die Steilhänge abschaffen und sagen, dass eine Abfahrt nur noch maximal 7 % Gefälle haben darf, wäre das Interesse schnell weg.
Was mich zu dritten Punkt und letzten Punkt bringt.
3. Motorsport ist ein Anachronismus, den man bewahren muss
Wie eben schon erwähnt, hat sich Motorsport als sportliche Tradition etabliert. Es ist der Kampf Mensch vs. Maschine, der den Sport so spannend macht. Eine Zeit lang war das bei all der zur Verfügung stehenden Technologie etwas in den Hintergrund geraten. Aber davon haben sich die meisten Serien erholt. Der Zweikampf der Fahrer, die Auseinandersetzung der Teams – all das sind klassische Zutaten für einen Sport. Motorsport unterscheidet sich hier nicht großartig von anderen Sportarten. Nur das Sportgerät ist anders und komplexer. Und die Leute mögen es.
Es waren schon immer die Geräuschkulisse, die Geschwindigkeit und der Kampf der Piloten, was die Menschen an den Strecken und am Fernsehen fasziniert hat. Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Boom bei den Rennen mit klassischen Fahrzeugen. Die Oldtimer-GPs am Ring sind extrem gut besucht, für das Goodwood-Festival bekommt man Karten nur mit sehr viel Glück und weltweit gibt es mittlerweile fast jedes Wochenende irgendein „Revival-Weekend“.
Vielleicht muss der Motorsport an seiner Antriebsart auch gar nichts verändern. Vielleicht sollte er genau das Gegenteil von dem machen, was er in den letzten Jahrzehnten gemacht. Also weniger Technik, mehr Mechanik, mehr Konzentration auf den Fahrer.
Schon jetzt ist es für den Motorsport nicht mehr wichtig, welche komplizierten Technologien er einsetzt. Die überwiegende Mehrheit der Fans interessiert sich keinen Deut dafür, ob dieses oder jenes Hybridsystem im Rennen 5 % effizienter ist. Was einen Teil der Fans vielleicht noch interessiert, ist der Kampf verschiedener Antriebssysteme. Weshalb das Reglement der WEC in der LmdH/Hypercar so gut ist. Denn es gibt schlichtweg vor, wie viel Energie man pro Runde/Stunde verbrauchen kann.
Motorsport ist auch für die Hersteller nicht mehr eine Show für die eigene Technologie. Der Show-Charakter der meisten Serien spielt schon jetzt die Hauptrolle und damit spielt das Branding im Marketing für die Hersteller eine viel größere Rolle. Mercedes ist nicht (nur) in der Formel Eins, weil man die technologische Herausforderung sucht. Sie sind in der Serie, weil sie eine weltweite Verbreitung hat, zu den meistgesehen Sportarten der Welt gehört und man damit auch noch Geld verdient (114 Millionen Dollar im Jahr 2022). Porsche ist in der WEC, weil man Le Mans gewinnen will, aber auch, weil es zum eigenen Markenkern passt.
Machen wir uns nichts vor – die großen, mehrheitlich von den Herstellern getragenen Serien, sind Marketinginstrumente. Warum die Menschen sich das anschauen, ist dabei nebensächlich. Die Hauptsache ist, dass Einschaltquoten, Social Media Zahlen und Werbeeinnahmen stimmen. So paradox es sein mag – das kann den Motorsport retten.
Wenn es dem Motorsport, auch in den kleinen, nationalen Serien, gelingt, sich als Tradition, als hübscher Anachronismus in einer sonst gesunden Welt zu etablieren, dann kann er gut überleben. Die Leute gehen dahin, weil es eine hübsche Show ist, weil man einen Tag lang unterhalten wird und Spaß hat. Die Fans, weil sie den Kampf von Teams und Fahrern sehen wollen.
Am Ende wird es vielleicht eine Mischung aus alternativen Konzepten für den Verbrennungsmotor und der Tradition sein, die die Zukunft des Motorsports retten wird. Dafür müssen Hersteller, Serienveranstalter und die Teams aber gemeinsam Konzepte entwickeln. Diese Konzepte müssen das Entertainment der Zuschauer, Showkonzepte und den Sport gleichermaßen einbeziehen. Am Ende hätten dann alle gewonnen.
Bilder: ACO/WEC, VDE, Formula E, Pirelli, Don Dahlmann
3 Kommentare
Hallo Don,
in meinen Augen ist die Motorsportwelt aktuell nicht in Ordnung, wenn man von den ganz großen absieht. Im Grunde ist ein erheblicher Teil des Unterbaus weggebrochen, vor allem in Deutschland. Wenn ich mir überlege was es vor 15-20 Jahren alles gab. Beru Top 10 mit diversen Markenpokalen und 2 Liter Tourenwagen, Formel BMW, Formel König, Formel 3 Cup, Formel 3 Euroserie, …, die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Heute gibt es gefühlt noch die ganzen GT3, GT4, VLN und das war das dann auch schon. In anderen Ländern ist die Situation besser, aber in Deutschland ist es duster, vor allem was die Breite betrifft.
Diese Serie spricht mir als Tourenwagenfan auch aus dem Herzen: https://www.motorsport-total.com/tourenwagen/news/kolumne-tourenwagensport-im-tal-der-traenen-14-die-situation-23030801
Bezüglich der Zukunft: Ich denke es geht stark und die Richtung 3. Ich sehe es auch bei mir, die meiste Freude habe ich inzwischen an historischem Motorsport. War ich die letzten Jahre bei Events bei denen z.B. die Tourenwagenlegenden waren, war dies immer das Highlight des Wochenendes.
Hallo Don, danke für deine Sicht auf die Zukunft und die drei Szenarien. Mich hat diese Frage auch schon lange interessiert, ich habe mich an einen Text erinnert, den ich Anfang 2010 hier im Blog gepostet habe: https://www.racingblog.de/2010/01/24/le-mans-sportwagen-going-green/ Es ist interessant, zu sehen, was davon nach 14 Jahren noch passt und was nicht :D
Ich denke, Motorsport wird sich zweigleisig entwickeln: es wird Formen des Hersteller-Motorsports geben, die ihre neuen Technologien bewerben wollen (z.B. Le Mans und die Formel E) und es wird die anachronistische Schiene geben, die schon an Bedeutung gewonnen hat und wahrscheinlich auch weiter wachsen wird. Die F1 wird sich vielleicht irgendwo dazwischen bewegen, weil sich da möglicherweise E-Fuels lohnen, um das Spektakel zu erhalten, aber für das Hersteller-Engagement irgendwie „grüner“ zu werden oder zu wirken.
Mein Vorredner hat den Wegfall des Unterbaus bemängelt. Ich bin zwar nicht so in der Szene unterwegs, dass ich das wirklich beurteilen könnte, aber als Fan fällt mir das auch immer wieder auf, wenn ich überlege, zu welchen Events ich fahren könnte. Die WEC in Spa zum Beispiel bekommt seit Jahren kein sehenswertes Rahmenprogramm auf die Beine (2023: zwei Porsche-Cups), ganz im Gegensatz zur Situation 2010/2011 (Formel 3, eine Classic Endurance, eine CN-Prototypen-Serie und dann noch ein Porsche Cup). Zwischen den zwei vorgenannten Trends gehen diese Serien uns vielleicht mehr und mehr verloren. Bei Classic-Events dagegen bekommt man drei Tage volles Programm, mit einem Dutzend Rennen von Tourenwagen über Sportwagen-Prototypen bis hin zur F1. Neben dem viszeralen Erlebnis mit Benzindampf und donnernden Motoren ist das der wichtigste Grund, warum ich in den letzten Jahren mehr auf Historic- als auf aktuellen Events gewesen bin.
Witzig, meine Kommentare zu Stefans Post (speziell der zweite, ganz unten) von vor 14(!!) Jahren kann ich heute noch so unterschreiben.
Vettel hat vor einigen Jahren (während der kontroversen EInführung des Halo) mal sinngemäss gesagt, die F1 müsse sich darüber klar werden, was sie sein will. Lieber Marketing Instrument oder/und Technology Demonstrator, oder geniessenswerte und gut präsentierte Show. Letzteres ist in heutigen Zeiten immer irgendwie anachronistisch und unvernünftig. Das muss man so akzeptieren, oder das ganze bleiben lassen. Dieses Dilemma haben in heutigen Zeiten gesellschaftlichen Wandels zunehmend so gut wie alle Motorsportbereiche auszuhalten. Absehbar, und schon seit langem vorhersagbar, gilt: (1) Motorsport, in seiner jetzigen Form, wird ziemlich sicher sterben – ich weiss nicht wann, ob in 5 oder 15 Jahren, oder wann auch immer, und wer später oder früher über die Klinge springt oder rudimentär erhalten bleibt ist nicht klar, aber es wird so kommen. (2) Begleitet wird das von einem Tal der Tränen, für manche früher, für manche später, für einige kürzer oder länger. (3) Danach wird irgendwas anderes kommen, was in dann existierende sozioökonomische Nischen besser passt, während der Motorsport heutiger Zeit hier und da als Klassik oder Nostalgie ausgerollt wird.
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