Josef Newgarden sicherte sich am Sonntag einen Platz in den Geschichtsbüchern. Als erstem Piloten seit über 20 Jahren gelang es ihm, seinen Triumph bei den 500 Meilen von Indianapolis aus dem Vorjahr zu wiederholen.
Wie befürchtet, zog pünktlich zur Mittagszeit ein Gewitterband über den IMS. Noch bevor der offizielle Teil der Einstimmung vor Ort beginnen konnte, wurden die Zuschauer aufgefordert, ihre Plätze zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Das Band war sehr schmal, so dass danach ein Zeitfenster für das Rennen möglich war. Der Start wurde auf 22:44 Uhr verschoben, das Ende auf spätestens 02:15 Uhr. Zuvor wurde jedoch das gesamte Programm von der Vorstellung der Fahrer bis zum „Back Home in Indiana“ durchgespielt. Das sind die Momente, die das Indy 500 zu etwas ganz Besonderem machen. Mit genau vier Stunden Verspätung wurden die Motoren gestartet und um 22.44 Uhr wurde die grüne Flagge geschwenkt. Die drei Penske übernahmen aus der ersten Startreihe die Führung.
Die Verzögerung wirkte sich auf das Rennen aus. Normalerweise folgt auf die Anfangsphase ein langer Mittelteil, in dem das Rennen seinen Rhythmus findet. Die Fahrer fahren Runde um Runde. Man spart Benzin, schaut, wie sich das Auto im Verkehr verhält und verbessert es entsprechend. In den letzten 50 Runden geht es dann wieder richtig zur Sache. Der Mittelteil ist in diesem Jahr mehr oder weniger ausgefallen. Der erste Crash in Kurve 2 fiel allerdings noch in die Kategorie „Startunfall“. Tom Blomqvist kam mit dem linken Vorderrad zu weit unter die weiße Linie und verlor das Auto. Auf dem Weg in die Mauer sammelte er Marcus Ericsson ein. Auch zwischen Callum Ilott und Pietro Fittipaldi wurde es eng und der Brasilianer landete ebenfalls in der Mauer. Während der Caution ging bei Marcus Armstrong der Motor kaputt. Es war der erste Honda-Motorschaden des Tages. Später fielen auch Katherine Legge und Felix Rosenqvist mit Motorschäden aus. Ebenfalls zwei Honda-Motoren. Die daraus resultierenden Cautions unterbrachen den Rennrhythmus zusätzlich.
Die Legge-Caution in den Runden 22 bis 25 nutzten die meisten Teams für ihren ersten Boxenstopp. Sting Ray Robb, Conor Daly, Christian Lundgaard und Graham Rahal waren bei der ersten Caution in der Box und blieben nun draußen. Diese Fahrzeuge brachen beim Restart die Phalanx der drei Penske-Fahrer auf. Während sich Scott McLaughlin schnell wieder nach vorne arbeiten konnte, blieb Josef Newgarden auf Platz 7 hängen und Will Power fiel im Laufe des Stints bis auf Platz 12 zurück. Insgesamt wurde sehr aggressiv gefahren. Unmittelbar nach dem Restart landete Linus Lundqvist in der Mauer von Kurve 1. Sie waren zu viert nebeneinander in die Kurve gefahren und Lundqvist war der Leidtragende. In Führung blieb Scott McLaughlin. Seine Verfolger waren Santino Ferrucci und Alexander Rossi. Bester Honda-Fahrer war Colton Herta. Die Ganassis Alex Palou und Scott Dixon belegten die Plätze 6 und 11.
Die nächste Gelbphase löste der Honda von Felix Rosenqvist in Runde 86 aus. Damit waren sieben Autos ausgeschieden, alle mit Honda-Motoren. Die meisten Teams kehrten an die Box zurück. Conor Daly und Sting Ray Robb blieben bei ihrer Alternativstrategie. Scott McLaughlin übernahm nach dem Stopp der beiden wieder die Führung. Es folgten Colton Herta, Josef Newgarden, Santino Ferrucci, Alex Palou und Alexander Rossi. Scott Dixon und Pato O’Ward fanden sich im Mittelfeld auf den Plätzen 12 und 13 wieder. Für Herta war das Rennen dann vorzeitig beendet. Mitten in Kurve 2 brach ihm das Heck aus und er konnte es nicht mehr abfangen. Der Einschlag war ziemlich hart, aber nur mit der Nasenspitze. Eigentlich hätte er sich in die Boxengasse retten können, nachdem die Safety-Crew den Motor wieder gestartet hatte. Nach dem Austausch der Nase war das Auto wieder rennbereit. Doch Colton Herta stieg aus und das Auto wurde in die Garage geschleppt. Dadurch verlor er 30 statt vielleicht 3 Runden. Am Endergebnis hätte das aber nichts geändert.
In der Caution wiederholte sich das Spiel der unterschiedlichen Strategien. Diesmal blieb Rinus VeeKay mit draußen, der durch eine unglückliche Strafe nach einem Unfall in der Boxengasse zurückgefallen war. In der Boxengasse schob sich Josef Newgarden an Scott McLaughlin vorbei und übernahm damit erstmals die Führung innerhalb der Strategiegruppe. Exakt zur Halbzeit wurde die erste echte Führungsrunde für die #2 notiert. Für die nächste Caution in Runde 107 sorgten die Routiniers Scott Dixon und Ryan Hunter-Reay gemeinsam. Hunter-Reay wollte auf der Gegengeraden innen durch eine nicht vorhandene Lücke an Dixon vorbei. Dieser zog, nicht wissend, dass Hunter-Reay neben ihm vorbei wollte, leicht nach links und drängte seinen Kontrahenten auf das Gras. Der Dreyer & Reinbold Dallara drehte sich um 360 Grad und blieb im Gras liegen. Damit war auch der erste Chevrolet ausgeschieden.
In der Caution teilte sich das Feld in zwei große Strategiegruppen. Die Teams, die bei der letzten Caution in der Box waren, konnten nur mit hohem Spritverbrauch und/oder vielen Runden unter Gelb das Ziel mit zwei weiteren Stopps erreichen. Mit einem zusätzlichen Stopp in dieser Caution war es nun möglich, mit diesen zwei Stopps das Ziel zu erreichen, ohne auf den Benzinverbrauch zu achten. Gerade für die Fahrer im Mittelfeld und im hinteren Teil des Feldes war dies die Chance, sich nach vorne zu arbeiten. Natürlich gehörten Conor Daly und Sting Ray Robb zu dieser Gruppe. Aber auch Kyle Kirkwood, Scott Dixon und Pato O’Ward waren dabei. Neben dem direkten Kampf um die Spitze gab es nun auch den Kampf zweier unterschiedlicher Strategien.
Kurz nach dem Restart verabschiedete sich Marco Andretti aus seinem 19. Indy 500. Er kämpfte lange, um auf der Strecke zu bleiben. Doch am Ende brach sein Heck endgültig aus und er landete in der Mauer von Kurve 1. Beim Restart hatte Scott McLaughlin die Führung von Josef Newgarden zurückerobert. Auch Alexander Rossi ging an Josef Newgarden vorbei. Dahinter blieben Alex Palou und Santino Ferrucci in der Spitzengruppe. Die nächsten Runden entsprachen dann am ehesten einem normalen Indy-500-Mittelteil. Alle Fahrer auf der ersten Strategie sparten so viel Benzin wie möglich. In Runde 131 kam Josef Newgarden als erster Fahrer auf der ersten Strategie an die Box. Innerhalb von zwei Runden folgten alle anderen. Die freie Fahrt, ohne andere Autos vor sich, die Sprit sparen mussten, nutzten die Fahrer auf der zweiten Strategie. In den Runden 134 und 136 fuhren Pato O’Ward und Scott Dixon ihre jeweils schnellsten Rennrunden. In Runde 145 hatten alle möglichen Sieger ihren vorletzten Stopp absolviert. Sting Ray Robb führte vor Christian Lundgaard und Conor Daly lag auf Platz 5, aber alle drei mussten noch einen zusätzlichen Stopp einlegen. Im virtuellen Kampf um den Sieg führte Scott Dixon vor Pato O’Ward und Alexander Rossi. Alex Palou, Scott McLaughlin und Josef Newgarden folgten auf den Plätzen 8 bis 11. Nach einem bisher eher unauffälligen Mai hatte Scott Dixon nun gute Chancen auf seinen zweiten Indy-500-Sieg.
Doch sein guter Freund Will Power machte ihm einen Strich durch die Rechnung. In Runde 147 verlor der Australier sein Auto in Kurve 2. Anfangs konnte er noch mit seinen beiden Teamkollegen Scott McLaughlin und Josef Newgarden mithalten. Nach dem ersten Boxenstopp fiel er jedoch weit zurück und konnte sich in der Dirty-Air nicht mehr nach vorne kämpfen. Mit der Caution führte Will Power die beiden Strategien wieder zusammen. Alle Fahrer der Spitzengruppe konnten nun mit nur einem weiteren Stopp und ohne Spritsparen das Ziel erreichen. Beim Restart zogen beide McLaren an Scott Dixon vorbei und Josef Newgarden schob sich auf Rang vier nach vorne. Alex Palou und Scott McLaughlin komplettierten die Spitzengruppe, obwohl das Feld dicht beisammen blieb. Rinus VeeKay, Kyle Kirkwood und die nachfolgenden Fahrzeuge machten nicht den Eindruck, als könnten sie wirklich um den Sieg kämpfen.
An der Spitze wechselten sich Alexander Rossi und Pato O’Ward regelmäßig ab. Fast in jeder Runde gab es in der ersten Kurve einen Führungswechsel. In Runde 169 kam Alexander Rossi als erster Fahrer zum letzten Stopp an die Box. Zwei Runden später folgten die beiden Penske-Piloten und eine Runde später kamen auch Pato O’Ward und Scott Dixon an die Box. Sie hätten noch länger fahren können, aber das Risiko, durch eine Caution und den damit verbundenen Stopp die gesamte Rennposition zu verlieren, war zu groß. Nach den letzten Stopps fielen die letzten Hemmungen. Fast alle Fahrer fuhren ihre schnellsten Rennrunden mit neuen Reifen. Durch die Stopps unter Grün fanden sich aber auch langsamere Autos inmitten der Spitzengruppe wieder. So kämpfte Agustin Canapino darum, sich wieder zurückzurunden.
Aus den Boxenstopps und dem Kampf mit den langsameren Autos ging Josef Newgarden als Sieger hervor. Er führte das Feld vor Scott Dixon, Alexander Rossi und Pato O’Ward an. Kyle Kirkwood hatte sich an Alex Palou und Scott McLaughlin vorbeigeschoben. Nun musste die Entscheidung auf der Strecke fallen. Die schlechtesten Chancen hatte Alexander Rossi, da er am wenigsten Benzin im Tank hatte. Pato O’Ward und Scott Dixon hatten das meiste. Josef Newgarden hingegen hatte die beste Position im Feld. Alles war angerichtet für ein spannendes Finale.
Scott Dixon musste sich erneut den beiden McLaren geschlagen geben. Alexander Rossi machte einen sehr starken Eindruck und konnte auch Josef Newgarden in Kurve 1 angreifen. Dieser konterte sowohl in Kurve 1 als auch in Kurve 3 und war an dieser Stelle der Beste auf der Strecke. Einen erfolglosen Angriff Rossis nutzte O’Ward, um an seinem Teamkollegen vorbeizugehen. Auch in Kurve 1 ging O’Ward an Newgarden vorbei. Nach einem erneuten Führungswechsel in Runde 196 weigerte sich O’Ward jedoch, Newgarden in den folgenden Runden zu überholen. Er lupfte sogar leicht vor Kurve 1, um die Führung nicht zu übernehmen.
In Runde 199 kam Pato O‘Ward perfekt aus Kurve 4 und überholte Josef Newgarden noch vor der Ziellinie. Damit sah der Mexikaner als Erster die weiße Flagge. Auch vor Kurve 1 hatte er genügend Abstand, so dass Newgarden nicht angreifen konnte. Durch Kurve 2 hielt der Penske-Pilot Abstand, um dann auf der langen Gegengeraden den Windschatten zu nutzen. O’Ward fuhr die üblichen Schlangenlinien, um genau das zu verhindern. Trotzdem kam Newgarden immer näher und O’Ward blockierte die innere Linie für Kurve 3. So musste Newgarden die obere Linie wählen. O’Ward zog so weit nach außen, wie es die Regeln und sein Gewissen erlaubten. Es nützte nichts und er verlor die Führung in Kurve 3. Es war ein perfektes Manöver am Rande der Physik von Josef Newgarden. Ein letzter Angriff von Pato O’Ward war nicht mehr möglich und so feierte Josef Newgarden seinen Back-to-Back-Triumph. Was Josef Newgarden und Pato O’Ward abgeliefert hatten, war perfekter Motorsport. Pato O’Ward war im Ziel tief betrübt. Schon 2022 war er zweiter geworden, nach Platz 6 und 4 in den Jahren zuvor. Aber ich wüsste nicht, was er in diesem Jahr hätte besser machen können. In Kurve 3 war der Penske-Dallara mit der #2 nicht zu schlagen. Josef Newgarden hat 8 von 11 Ovalrennen seit 2022.
Im Hintergrund überholte Scott Dixon noch Alexander Rossi und sicherte sich den dritten Platz. Dahinter kamen Alex Palou, Scott McLaughlin und Kyle Kirkwood ins Ziel. Santino Ferrucci fuhr mit Platz 8 wieder ein Topergebnis ein. Es ist schon ein Phänomen, wie gut er immer beim Indy 500 ist. Auch Rinus VeeKay fuhr mit Platz 9 zur Abwechslung ein Top-Ergebnis ein. Er war in den letzten Jahren immer sehr schnell. Durch Fehler des Fahrers oder der Strategie wurde er meist unter Wert geschlagen. Diesmal konnte ihn auch eine Strafe (Restart at the Back of Field) nicht aus den Top 10 werfen. In diese schaffte es auch Conor Daly. Er hatte etwas Glück, dass seine alternative Strategie am Ende aufging. Aber er hatte auch immer den Speed, wenn er an der Spitze auftauchte. Dreyer & Reinbold, Conor Daly und das Indy 500 sind eine sehr gute Kombination.
Bester Rookie war Christian Rasmussen auf Platz 12, dahinter kam RLL-Racing geschlossen mit Christian Lundgaard, Takuma Sato und Graham Rahal ins Ziel. Nach dem erneut schlechten Qualifying war das ein halbwegs versöhnliches Ergebnis. Völlig unauffällig waren die Rennen von Romain Grosjean und Helio Castroneves auf den Plätzen 19 und 20. In der ersten Rennhälfte machte Kyle Larsson auf sich aufmerksam. Nach einem verpatzten ersten Restart fiel er von Startplatz 5 auf Rang 14 zurück. Bis zur Rennhälfte kämpfte er sich aber wieder bis auf Platz 7 nach vorne. Beim Boxenstopp in Runde 131, seinem ersten unter Grün, war er zu schnell in der Boxengasse und die Strafe (Drive-Through) beförderte ihn aus der Führungsrunde. Bei der letzten Caution konnte er sich zwar wieder zurückrunden, aber eine Top-Platzierung war nicht mehr möglich. Durch die vierstündige Verspätung kam er natürlich auch zu spät zum Rennen in Charlotte und konnte dort nur noch dem Regen zuschauen. Die letzten 100 Runden wurden dort auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Das komplette Ergebnis finden Sie auf der Homepage der IndyCar-Serie (pdf).
In der Meisterschaft führt nun Alex Palou (183 Punkte) vor seinem Teamkollegen Scott Dixon (163 Punkte). Will Power (157 Punkte) fiel auf Platz 3 zurück vor den punktgleichen Pato O’Ward und Colton Herta (134 Punkte). Scott McLaughlin (131 Punkte) und Josef Newgarden (122 Punkte) liegen nun auf den Plätzen 6 und 7.
Bereits am kommenden Wochenende steht in den Straßen von Detroit das nächste Rennen der IndyCar Series auf dem Programm.